› 7 ‹ Von Handytaschenlampen und Nachtaktivitäten
in the dark - solence
»Nein«, hauche ich fassungslos. »Nein nein nein nein nein. Das darf nicht wahr sein.« Mein Atem wird hektisch und ich knipse das Nachtlicht erneut an. Doch es reagiert nicht.
Bestimmt sind es nur die Batterien, es müssen die Batterien sein, rede ich mit zu und krame in meiner Schublade nach neuen. Mit zitternden Fingern schnappe ich mir eine und tausche sie hastig gegen die alte.
Nichts geschieht. Auch nicht als ich den Schalter mehrfach an und aus knipse. Verzweifelt schüttele ich die Lampe, lege die Batterie anders herum ein. Doch sie bleibt aus.
»Scheiße scheiße scheiße.« Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen, den Tränen nah. Fahrig fahre ich mir durch die Haare, springe auf, tigere im Raum herum, lasse mich Sekunden später wieder auf das Bett fallen.
Doch mein panisches Gehirn findet keine Lösung. Ich muss heute im Dunkeln schlafen.
Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass ich noch elf Minuten hatte. Elf kostbare Minuten, bis alle Lichter ausgeschaltet werden.
Meine Handytaschenlampe kann ich nicht benutzen, sie ist schon vor Ewigkeiten kaputt gegangen und bis jetzt habe ich sie auch nicht gebraucht.
Nur noch zehn Minuten. Ich schließe die Augen und atme tief durch. Es wird schon nicht so schlimm. Die Dunkelheit kann mir nichts anhaben. Es kann nichts passieren. So hoffe ich jedenfalls.
Meine Finger sind schneller als mein Gehirn, die Nachricht schon abgeschickt, bevor ich es wirklich realisieren kann.
Siran [21:50]: fuck, ley? scheiße
Nach seiner Nachricht gestern habe ich ihm nicht geschrieben, ich wollte, doch mein Verstand blockierte. Es ist zu gefährlich. Doch nun kann ich nichts mehr dagegen tun. Denn Leyan hat die Nachricht soeben gelesen.
Leyan [21:50]: Engel, was ist denn los?
Siran [21:51]: ich hab angst, hilf mir
Leyan [21:51]: Jetzt sag mir was los ist, verdammt, sonst kann ich dir nicht helfen
Siran [21:51]: das klingt so kindisch. als wäre ich ein weichei
Siran [21:52]: mein nachtlicht ist kaputt. scheiße, ich bekomme panik im dunkeln. ind das licht wird in acht minuten abgeschaltet
Leyan [21:52]: Scheiße
Dass die Situation scheiße ist, weiß ich auch. Das ist nichts Neues. Doch ich bin unendlich erleichtert, dass er nicht lacht.
Leyan [21:54]: Es ist alles gut, Engel. Ok? Ich weiß, ich kenne dich nicht. Aber du schaffst das, die Dunkelheit tut dir nichts. Ich weiß nicht, was der Auslöser dafür war, aber verdräng ihn, stopf ihn ganz nach hinten in dein Gehirn und lass ihn nicht mehr heraus
Siran [21:54]: ich kann nicht, es kommt alles hoch. ley? ich hab angst, ich habe immer angst, dass da jemand sein könnte, irgendwo in den schatten
Leyan [21:54]: Denk... an etwas, das dich beruhigt, Engel. Nur daran
Siran [21:55]: ist es komisch, wenn ich sage, dass du das bist? also nicht unbedingt nur du, nur der gedanke an dich, wenn ich mit dir schreibe. da ist kein zwang, keine angst
Leyan [21:55]: Das schmeichelt mir zutiefst. Dann denk an mich, ok?
Siran [21:56]: irgendwie war das peinlich. merkt man, dass ich rot bin?
Leyan [21:56]: Ganz deutlich, Engel. Aber spiel die Situation nicht runter
Leyan [21:56]: Ich bin bei dir, ich lass dich nicht alleine. Stell dir vor, ich wäre bei dir. Damit du nicht alleine im Dunkeln bist
Siran [21:56]: witzig, dass du erst gesagt hast, dass ich dir licht bringen soll. aber ... ich versuche es. danke dir. es hat tatsächlich immer geholfen, wenn eine freundin bei mir geschlafen hat
Leyan [21:57]: Ich bin bei dir, hab keine Angst. Ich lasse dich nicht im Stich
Siran [21:57]: weißt du, wie unglaublich dankbar ich dir bin, dass du nicht gelacht hast?
Leyan [21:57]: Ich kenne deine Situation nur zu gut. Zwar nicht mit der Angst im Dunkeln, aber bei anderen Dingen. Ich verstehe dich
Siran [21:58]: danke dir, ley. es ist schon viel besser
Leyan [21:58]: Das ist gut, wirklich. Ich bin bei dir
Leyan [21:59]: Gute Nacht, schlaf gut
Siran [21:59]: <3
Ein Herz? Ich habe dem fremden Jungen aus der Straßenbahn wirklich ein Herz geschickt?
Doch das soll meine geringste Sorge sein, denn genau in dem Moment geht das Licht aus. Meine Atmung verschnellert sich automatisch und ich presse meine Augenlider zusammen.
Stoßweise keuche ich, mein Atem rast und meine Hände zittern unaufhörlich wie ein Blatt im Wind.
Eilig rufe ich mir ein Bild von Leyan ins Gedächtnis. Sein Gesicht, undeutlich unter der Kapuze seines Pullovers und doch kann ich sein warmes Lächeln klar erkennen, was mich langsam beruhigt.
Es hilft wirklich. Ich versuche, die Erinnerung an ihn nicht zu verlieren, ziehe die Decke bis an mein Kinn und fühle mich langsam weniger angespannt in dieser Dunkelheit, die meinen Körper umhüllt.
Tief ins Kissen gekuschelt schließe ich die Augen und schlafe mit Leyans Worten in meinen Gedanken nach einer Weile ein.
‹.•°•.›
Leyan [05:41]: Guten Morgen, Engel <3
Leyan [05:41]: Hast du gut geschlafen?
Siran [07:05]: um was für uhrzeiten bist du bitteschön wach?
Siran [07:05]: aber wirklich danke der nachfrage und auch wegen gestern. ich hab tatsächlich besser geschlafen als ich gedacht hätte
Leyan [08:22]: Das klingt doch gut. Aber ich glaube, du willst nicht zwingend wissen, was ich nachts mache
Leyan [08:23]: Ah fuck, das klang jetzt falsch. So meine ich das natürlich nicht. Ich war schon eine halbe Stunde früher auf den Beinen, viel Schlaf ist nicht so mein Ding wie du vielleicht merkst
Siran [08:45]: ich will mir nicht ausmalen, was du nachts machst, da hast du recht. egal ob zweideutig oder nicht. eine frage, ley. wann hast du das letzte mal ausgeschlafen?
Leyan [08:47]: Warum hab ich das Gefühl, dass du selber mal herausfinden möchtest, was ich nachts so treibe?
Leyan [08:48]: Ich weiß es nicht
Siran [08:49]: das will ich sicher nicht! aber das thema vertiefen wir mal lieber nicht.
ach ley... das ist echt nicht gut für dich, das weißt du?
Siran [08:50]: andere frage, warum kannst du um diese uhrzeit mit mir schreiben? hast du keine schule oder schwänzt du schon wieder?
Leyan [08:51]: Überraschenderweise keins von beidem. Aber der Unterricht ist so ätzend und der Lehrer merkt einfach gar nichts. Die Hälfte der Klasse ist am Handy
Leyan [08:51]: Und bei dir? Ich kann mir kaum vorstellen, dass du nicht gebannt dem Unterricht folgst
Siran [08:52]: ich habe herr hadamitzky gesagt, dass ich auf due toilette muss und sitze hier jetzt seit knappen zehn minuten. der merkt das nicht. wala bringt mir nach dem unterricht meine sachen mit. aber es ist wie bei dir - der unterricht ist ätzend
Leyan [08:55]: Also das hatte ich jetzt nicht erwartet. Einfach aus dem Unterricht verschwinden ... dabei bist du doch so auf deinen Abschluss erpicht
Siran [08:59]: jaja lass mal gut sein, ley
Siran [09:02]: ich hab eine frage
Leyan [09:03]: Dann stell sie, ich bin ganz Ohr
Siran [09:04]: warum hast du gemeint, dass es sein kann, dass wir uns kennen? ich kann mich beim besten willen nicht daran erinnern, deinen namen schon mal irgendwo gehört zu haben. und er ist ja recht selten
Leyan [09:07]: Ich glaube, das ist zu ... privat, um es einfach zu schreiben, Engel. Du kanntest meinen Namen auch nicht, keine Sorge
Siran [09:08]: du machst mich neugierig, weißt du das?
Leyan [09:11]: Ich kann es dir nicht hier erzählen. Wollen wir uns treffen?
Der Vorschlag kommt so plötzlich, dass mir mein Handy fast aus der Hand gefallen wäre. Ein Treffen? Mein Herz schlägt höher und ich versuche, meine zitternden Hände unter Kontrolle zu bringen.
Er will sich mit mir treffen, um über unsere Vergangenheit zu sprechen. Das letzte Mal hat er mir seine Nummer gegeben, damit er mir seine Gründe schreiben kann, weil es in der Öffentlichkeit nicht sicher ist. Kann er sich nicht mal entscheiden?
Siran [09:12]: wann denn?
Leyan [09:13]: Nächsten Samstag ist da so eine Party, wenn du kannst ... ich muss erst einige Dinge nachschauen
Siran [09:13]: wenn ich darf ... warum wusste ich nur, dass es mit alkohol sein muss?
Leyan [09:13]: Bin ich schon so durchschaubar geworden? Jetzt sag aber mal, hast du Lust?
Siran [09:13]: du wirst mich schon nicht umbringen, oder?
Leyan [09:14]: Ne, zu viele Zeugen. Ich lass dir bei Gelegenheit mal die Adresse zukommen
Siran [09:14]: worauf lasse ich mich hier nur ein? bis heute mittag, es klingelt gleich
Leyan [09:14]: Ich freue mich schon dich zu sehen, Engel
Es klingelt und ich stecke lächelnd mein Handy weg, während ich auf Wala und meine Schulsachen warte.
Wenig später stößt sie schwungvoll die ächzende Tür auf und drückt mir meine schwarze Tasche in die Hand. »Der hat's echt nicht gemerkt, hast du gut gemacht. Wir haben echt nichts Neues mehr gemacht.«
Ich grinse sie an. »Sag ich doch. Aber was hältst du davon, wenn wir nächste Woche Samstag auf eine Party gehen?«
Ihre Augen werden groß, denn sie liebt Partys, das weiß ich nur zu gut. Und um zu diesen zu gelangen, schleicht sie sich meistens aus dem Haus, vielleicht kann sie mir dann damit auch helfen.
»Seit wann bist du denn der Meinung?«, fragt sie mich überrascht. Als sie jedoch mein Gesicht betrachtet, findet sie augenscheinlich die Antwort. »Dein Lover aus der Straßenbahn?«
»Keine Sorge, ich passe auf.« Ich zucke mit den Schultern. »Er wird mich nicht umbringen, zu viele Zeugen, das sagt er selber.«
Sie öffnet und schließt ihren Mund perplex ohne etwas zu sagen. »Ich glaube, wir nehmen Julie auch noch mit«, bringt sie schließlich hervor.
»Bist du dir sicher?« Ich lege meinen Kopf schief und weiche zur Seite aus, als eine andere Schülerin aus unserem Jahrgang sich an uns vorbei quetscht. »Partys sind wirklich nicht so ihr Ding. Du erinnerst dich sicher an die eine ...«
Damals haben wir Flaschendrehen gespielt - ein eigentlich echt bescheuertes Spiel - und sie hat ihren ersten Kuss dabei verloren, der ihr gewissermaßen heilig war. Dass der Typ jetzt ihr Freund ist, ändert ihre Einstellung zu Partys dennoch nicht.
»Wir können sie fragen, das hat noch niemandem geschadet. Wo ist die Party überhaupt?«, will Wala interessiert weiter wissen.
»Ley wollte mir die Adresse nachher noch schicken«, antworte ich ihr und setze mich in Bewegung, um endlich aus den Toilettenräumen heraus zu kommen, die Luft ist mir viel zu stickig.
»Warum will er dich überhaupt treffen?«, ruft Wala, während sie hinter mir her hechtet.
»Ist privat, tut mir leid.«
»Wo wart ihr denn so lange?«, begrüßt Julie uns, als wir bei ihr ankommen. Sie wartet schon ungeduldig auf unserer Bank im Halbschatten auf uns. Als ich näher komme, bemerkte ich den leichten Geruch nach selbstgebackenen Zimtschnecken, die ihre Mutter ihr oft mit in die Schule gibt.
»Wir haben nur geredet, nichts Wichtiges«, meint Wala knapp und schnappt sich ein Gebäckstück, während sie sich auf die Band fallen lässt. »Mhm, die sind richtig lecker. Wie bekommt deine Mutter die nur immer so gut hin?«
»Sie verrät das Rezept niemandem, das weißt du, Wala«, erwidert Julie lachend.
»Siran und ich gehen nächsten Samstag auf eine Party, willst du mitkommen?«, fragt meine beste Freundin und hält sich die Hand vor den Mund, damit sie nicht aus Versehen Brösel ausspuckt.
»Das klingt toll, aber ich bin bei meinen Cousins, tut mir leid.« Sie setzt ein entschuldigendes Gesicht auf und beißt von ihrer Zimtschnecke ab.
»Macht nichts, wir können dir am Montag alles erzählen«, überlege ich und schnappe mir auch eine aus der Dose.
»Aber lasst dann ja kein Detail aus«, warnt sie mit erhobenem Zeigefinger und bringt uns so alle herzlich zum Lachen.
»Und weißt du was, Julie ...?«, beginnt Wala verschwörerisch. Ich weiß, was jetzt kommt. »Unsere liebe Siran wurde von ihrem Ley eingeladen.«
»Nein.« Julie reißt die Augen auf. »Ihr trefft euch«, quietscht sie erfreut los und klatscht wie ein kleines Kind in die Hände. »Ich sag dir, das wird was mit euch.«
Ich runzele die Stirn. »Warst du nicht die, die gesagt hat, dass ich auf mich aufpassen soll, wenn ich mich auf ihn einlasse? Wo ist deine Vorsicht hin?«
»Solange ihr nicht auf der Party miteinander rummacht, ist alles noch im grünen Bereich«, winkt sie ab. »Und da ich weiß, dass du das nie machen würdest, bin ich ganz entspannt.«
»Ich vielleicht nicht von mir aus, aber Ley ... und wer sagt, dass ich ihn nicht unterbrechen würde? Ich weiß jetzt, was ich auf der Party zu tun habe.« Dafür ernte ich einen Schlag in die Seite von Julie.
»Wala passt auf dich auf, da brauchst du dich nicht vor ihm zu sorgen«, grinst Julie.
Seufzend lehne ich mich zurück an die Bank und schließe meine dunklen Augen. »Ich brauche keine Angst vor ihm zu haben, das weiß ich. Nicht vor Ley, er ist ganz anders als ihr denkt. Wirklich.«
»Warum bist du dir so sicher, dass er dir nichts tun wird?«, hakt nun Wala nach.
»Weil ich sein Engel bin.«
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Uund schon wieder ein Lied von solence eingefügt, ups. Aber das, das da davor stand, hat echt nicht gepasst
Über 2100 Wörter hat das Kapitel hier, aber es gibt noch längere (:
Habt ihr schon mal Internetfreunde getroffen?
<3
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