10.12.2024 - 22:07 Uhr
Ende - das Leben im Wasserbecken, Hoffnung, Angst und Dank - Brief
!!! Triggerwarnung: Andeutung von Suizidgedanken, Trauma, Selbstverletzung !!!
Liebe x,
es tut mir leid. Mittlerweile kenne ich den Anfang und das Ende meiner Geschichte gut, vielleicht zu gut.
Alles hat ein Ende und meines ist jetzt. Ich habe lange gekämpft, lange durchgehalten.
Ich weiß, dass ich mit dir hätte reden können aber ich fühle mich als wäre ich in einem Käfig und die gesamte Welt lebt um mich herum.
Egal ob du die Hand ausgestreckt hast, als Hilfe zurück in die Welt, ich habe mir meine eigene Mauer gebaut. Mit jedem Tag wird das Leben unerreichbarer.
Ich bin an dem Punkt angekommen wo ich zwar da bin andererseits hat mein Leben schon vor Jahren geendet. Ich lebe nicht, ich existiere.
Doch auch dies hat ein Ende. Meine Existenz ist nicht länger benötigt. Ich wollte alle retten, ich wollte allen helfen, doch ich schaffe es nichtmal mich selber zu retten.
Ich bin schwach und dies ist der mutigste Schritt meines Lebens. Dies wird immer der mutigste Schritt meines Lebens bleiben. Es wird nie wieder eine Möglichkeit geben mutiger zu sein und vielleicht is das gut so.
Ich bin am Ende angelangt. Vielleicht schneller als andere aber es ist ein gutes Ende.
Ich glaube nicht, dass es etwas nach dem Tod gibt, aber das ist nicht schlimm.
Dieser Schritt ist meine Befreiung, mein Weg in die Freiheit.
Ich bin frei - für immer. Nie wieder werde ich in den Fluten meiner Gedanken ertrinken, nie wieder werden mich ihre Welle auf den Grund schlagen, nie wieder werde ich verzweifelt nach Luft schnappen und trotzdem nicht auftauchen. Nie wieder wird die falsche Hoffnung zerschlagen, von den Ketten die mich zu Grund ziehen.
Das Leben ist wie ein Wasserbecken. Wer schwimmen kann, lebt. Wer nicht schwimmen kann, wird von seinen Schwimmhilfen oben gehalten, bis er schwimmen lernt.
Doch was meine Hilfe sein sollte, hat Gewichte in mein Herz gelegt. Ich weiß, du hast versucht mich zum Schwimmen zu bringen. Du bist die letzte die es versucht hat. Ich weiß auch, dass es niemals möglich gewesen wäre. Ich musste dich wegstoßen, sonst wärst du mit mir zu Grund gesunken. Ich habe meine eigenen Ketten zum Grund aufgebaut. Ich hatte Angst um dich. Für einen Moment fühlte sich die Atemlosigkeit am Boden an wie eine Leere. Leere von meinen Gedanken, meinen Gefühlen, meinem Leben und dann legte sie sich über mich wie ein schwarzes Loch. Die falsche Sicherheit verließ mich und ich blieb gefangen, gegangen auf dem Grund. Unmöglich zu atmen, langsam am Sterben. Einige Male habe ich versucht an die Oberfläche zu kommen, doch das Atmen ist unmöglich. Wer verlernt hat zu schwimmen, ist verloren.
Manche Menschen sind wie Rettungsringe. Wir klammern uns an ihnen fest, bis sie mit uns sinken, bis sie ihre Luft verlieren. Rettungsringe können nicht retten, sie verzögern nur den Tod. Sie halten uns oben, geben uns Zeit schwimmen zu lernen und wer es nicht schafft, reißt seinen Rettungsring zu Boden. Sammy war ein Rettungsring. Sie hatte Kraft, Kraft zu schwimmen. Eine Zeit lang schwamm sie für uns beide bis auch sie mit mir sank. Langsam verschwand ihre Kraft, meine war schon längst verloren. Ich habe mich an ihr festgeklammert. Wir wussten beide, wir mussten loslassen aber ich hatte Angst. Sie ist stark, sie hat es geschafft zu überleben, sie hat es geschafft mich wegzustoßen und sich selbst zu retten.
Ich war schon vorher verloren, doch dann war ich es endgültig. Ich bin stolz auf sie, ich bin froh, dass sie es geschafft hat. Sie hat es verdient zu leben.
Jetzt ist sie nur noch eine schmerzhafte Erinnerung in der dunklen Leere am Grund.
Nie wieder habe ich jemandem erlaubt zu versuchen ein Rettungsring zu sein.
Manchmal habe ich das Gefühl du hast einen Anker zu mir runter geworfen. Mir die Möglichkeit gegeben mich hochzuziehen, doch dazu besaß ich nie die Kraft.
Ich bin dankbar für alle die Versuche mich zu retten, doch mich kann niemand retten. Ich habe es nicht verdient gerettet zu werden.
Manchmal keimt in mir Hoffnung auf, wenn das Wasser versickert, wenn ich wieder atmen kann, doch auch dann bleibe ich gefangen. Ich atme aber bin gefangen, gefangen auf dem Grund, in einem tiefen Loch aus dem mich niemand retten kann. Mein Leben ist so konzipiert dass ich nicht zu retten bin, es wurde so geplant. Ich kann ihm nicht entkommen, weil ich es nicht verdient habe. Ich war da, als Anker für andere, als Sprungbrett für andere nur um dann wieder zu verschwinden. Ich war da, damit andere sich von mir an die Oberfläche stoßen können, damit sie wenn das Becken trocken ist an mir zum Rand herausklettern können und die Welt betrachten. Die Welt ist nicht hässlich aber sie war nie für mich bestimmt. Ich war nie Teil des Lebens, ich habe existiert.
Manchmal, wenn die Hoffnung in mir aufkeimte, sendete ich Hilfeschreie, leise und unsichtbar. Ich lächelte, doch in meinem Augen war der Schmerz zu sehen. Ich konnte nur schweigen und doch habe ich Rettung herbeigesehnt. Es gab diese Tage an denen ich hoffte jemand würde kommen, mich hören, mich retten. Manchmal dachte ich es könnte besser werden aber ich bin verloren, ich war es schon immer.
Meine Hilfeschreie verewigten sich auf meinem Körper, wie Tattoos der Verzweiflung. Ich wollte nie den Schmerz spüren, mein Leben ist schmerzhaft genug aber der Schmerz konnte die Leere durchbrechen. Das rote Meer, wie ein kleines Stück Leben, das über meinen Arm fließt. Nur wer lebt, dessen Blut kann fließen. Es war ein Zeichen der Lebendigkeit, physikalisch war ich noch am Leben aber tot bin ich schon lange. Wie eine Erinnerung, dass ich noch existiere, die Versicherung das alles echt ist.
Manchmal hoffte ich jemand würde es sehen, wahrnehmen, fragen und mich retten aber Sammy hat mir gezeigt dass ich nicht zu retten bin.
Manchmal hat jemand versucht mich aus dem Wasser zu ziehen aber ich stoße jeden von mir weg.
Ich verstehe mich nicht, die Welt habe ich mittlerweile verstanden. Das Leben war nie für mich bestimmt.
Ich hasse mich, tief in meinem Innersten. Ich hasse wie ich aussehe, ich hasse wie ich denke, ich hasse meine Leistungen, ich hasse meinen Charakter. Ich hasse mich - mein Spiegelbild. Unerträglich mich anzusehen. Ein Wesen der Grausamkeit. Ich bin ein Monster. Ich bin schlecht.
Ich wünschte ich wäre hübsch. Ich wünschte ich wäre dünner. Ich wünschte ich wäre leichter. Ich wünschte ich wäre sportlicher. Ich wünschte ich wäre netter. Ich wünschte ich wäre schlauer.
Ich wünschte ich wäre anders, ein Fixstern, jemand der fasziniert, jemand der die Welt begeistert, jemand erfolgreiches, jemand glückliches. Jemandem dem die Welt zu Füßen liegt.
Stattdessen bin ich der Fußabtreter. Ich liege der Welt zu Füßen. Ich werde niemals genug sein, Ich war niemals genug und ich ich werde es auch niemals mehr werden.
Dieser Tag ist mein Ende. Ich werde verschwinden - für immer um eine bessere Welt zu hinterlassen.
Ich habe Angst, verdammt viel Angst.
Ich habe keine Angst vor dem Tod, keine Angst vor der Stille danach und ich habe keine Angst mehr vor dem was passiert, was passiert ist.
Ich habe Angst, dass es anderen auch passiert. Ich habe Angst, dass er dasselbe durchleben muss. Ich habe versucht ihn zu beschützen mit allem was ich kann und ich weiß, dass ich versagt habe. Meine Möglichkeiten sind ausgeschöpft und ich weiß, dass ich ihn verletzt habe. Ich hoffe, ihm geht es gut. Bitte hab ein Auge auf ihn. Ihm darf niemals etwas passieren, er darf das schwimmen nicht verlernen. Ich habe Angst, dass auch er auf dem Grund landet. Ich habe Angst, dass er durchleben muss, was ich erlebt habe.
Es wird niemals jemand erfahren, was passiert ist aber er darf niemals dasselbe erleben. Ich liebe ihn und ich muss ihn beschützen. Bitte versprich mir ein Auge auf ihn zu haben. Denn ich habe versagt. Ich kann niemanden retten - nichtmal mich selbst.
Ich habe Angst, verdammte Angst vor dem was passiert. Ich habe Angst zu überleben. Was wenn ich weiterhin existent bin? Ich halte diesen Zustand nicht mehr aus. Ich bin ein nichts und das Leben tut weh. Ich habe Angst, dass mich die Gedanken, die Ereignisse, die Panik, die Trauer, die Flashbacks, die Wut und all die Emotionen begleiten werden. Was wenn der Tod nicht alles beendet? Was wenn das alles weitergeht?
Ich habe Angst zu existieren. Ich habe Angst vor dem was passiert ist. Ich habe Angst nicht zu vergessen. Ich habe Angst zu leben, zu denken und mich zu erinnern.
Und doch bin ich mutig. Ich bin mutig genug den Schritt zu gehen.
Denn ich kenne den Anfang und das Ende meiner Geschichte genau - zu genau.
Es tut mir leid. Pass auf dich auf und flieg. Mach deine Flügel auf, schwimm und genieß die Aussicht. Bleibe auf der Sonnenseite und sonst kämpfe dich zurück ins Licht. Desto länger du im Dunkeln bleibst, auf dem Grund verweilst desto unmöglicher wird es zu entkommen. Der Lichtstrahl wird schwächer bis es unmöglich wird das Leben zu erreichen, bis du verschluckt wirst von den Gedanken. Kämpfe für dein Licht, kämpfe für deine Sonne, kämpfe für dich. Du bist stark und ich weiß das. Wenn du dich nicht so stark fühlst, erinnere dich an mich und an deine Stärke. Du bist stark - stärker als ich es jemals war und werde. Du kannst wachsen. Du hast die Kraft und du kannst kämpfen. Bleib frei, flieg und kämpfe - für dich.
Der Kampf um mich war schon verloren bevor er begonnen hatte. Ich weiß du hast ihn begonnen aber es war hoffnungslos. Ich bin dir unglaublich dankbar, dass du die Hoffnung nicht aufgegeben und dass du gekämpft hast. Ich weiß ich hätte sprechen können, aber die Distanz zwischen mir und der Welt war zu groß. Ich war zu weit weg, unerreichbar in der Dunkelheit. Ich konnte nicht anders als ein Lächeln vorzutäuschen und zu schweigen.
Danke für alles, kämpf und flieg.
Ich hab dich lieb
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