4. Kapitel✔
Mit pochenden Kopfschmerzen und einem widerlichen Geschmack im Mund, erwachte ich am nächsten Morgen in Harpers Bett. Keine Ahnung wann und wie ich den Weg in die Wohnung gefunden hatte, aber ich war froh, als ich das honigblonde Haarknäul neben mir entdeckte.
Ich streckte mit einem leisen Ächzen meine müden Knochen und rollte mich langsam aus dem Bett. Glücklicherweise bestand Harper immer darauf, an der Wand zu schlafen, weshalb ich nicht erst einen komplizierten Hürdenlauf über ihren Körper darlegen musste.
Ich brauchte Kaffee. Am besten eine drei Liter große Tasse. Und zwar sofort.
Auf nackten Sohlen verließ ich Harpers Zimmer, allerdings nicht, ohne mir erst einmal ein willkürliches T-Shirt überzustreifen. So wie es aussieht, hatte ich die Nacht nämlich in meiner Unterwäsche verbracht. Ich will gar nicht wissen, was für einen Grund Harper hatte, um mich auszuziehen.
Verschlafen tapste ich ins Wohnzimmer, um in die offene Küche zu gelangen.
„Morgen." Eine tiefe Stimme hieß mich willkommen. Irritiert drehte ich mich zu Blake um, der es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht hatte.
Er wirkte völlig frisch; als hätte es die gestrige Nacht gar nicht gegeben. Ich konnte nicht einmal einen minimalen Schatten unterhalb seiner strahlend blauen Augen erkennen.
„Also, wenn man so aussieht wie du, wenn man den Kaffee hier getrunken hat, dann werde ich hier nie wieder weggehen", murmelte ich immer noch perplex und drehte mich wieder zu der Küche um.
Mein Blick blieb an einer altmodischen, schwarz glänzenden Kaffeemaschine hängen. Ein Lächeln erreichte meine Lippen.
Gerade als ich mich vorbeugen wollte, um nachzusehen, ob Blake mir noch etwas übriggelassen hatte, fasste mich jemand am Handgelenk.
„Nichts da", knurrte Blake mit gefurchter Stirn und zog mich von der heilenden Quelle zurück.
„Was zur Hölle?" Instinktiv riss ich meinen Arm zurück und wich ein paar Zentimeter nach hinten aus. Blake stand so dicht vor mir, dass mir sein Geruch in die Nase stieg. Er roch nach Meer und Regen.
„Der Kaffee ist für Harp und Milo."
„Und was soll ich trinken?", fragte ich erbost und legte die Stirn in Falten. Ich war mir ziemlich sicher, dass weder Milo noch Harper etwas dagegen hätten, wenn ich meinen Kater mit etwas Kaffee besänftigen würde und sie sich einen Frischen machen mussten. Immerhin dauerte das Ganze doch keine fünf Minuten.
„Garnichts", meinte Blake mit verschränkten Armen und erwiderte meinen Blick kühl. „Ich hab dir gesagt, dass du nichts trinken sollst. Du bist selbst schuld."
„Was?" Ich dachte ich wär im falschen Film. Da wollte mir dieser Kerl wirklich keinen Kaffee geben, nur weil ich, trotz seines Widerspruchs, Alkohol zu mir genommen hatte? Das konnte doch nicht sein Ernst sein!
„Du hast richtig gehört", sagte Blake unbarmherzig und musterte mich fast schon ein bisschen amüsiert. Dieser Typ war ein verdammter Sadist!
„Und was soll ich bitte gegen meine scheiß Kopfschmerzen machen?", fauchte ich gereizt und verschränkte beleidigt meine Arme vor der Brust. Blakes Brauen wanderten nach oben.
„Nichts mehr trinken? Dafür bist du sowieso zu jung."
„Komm schon, Adams. Sei kein Arsch."
Milo war im Wohnzimmer aufgetaucht und er sah tatsächlich genau so aus, wie ich mich fühlte. Tiefe Schatten lagen unter seinen wässrigen Augen und seine dunkelblonden Locken waren völlig zerzaust. Allerdings war ich mir ziemlich sicher, dass er immer noch besser aussah als ich.
Milos Blick sprang von Blake zu mir herüber und ein dreckiges Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er seine Augen tiefer wandern ließ. Er stieß einen Pfiff aus. „Mann... Was für heiße Beine, Macy."
Irritiert sah ich an mir herab und augenblicklich stieg mir das Blut in den Kopf. Meine Wangen glühten, als ich peinlich berührt wieder den Blick hob.
Zwar hatte ich glücklicherweise daran gedacht, mir ein Shirt überzuziehen, bevor ich Harpers Zimmer verlassen hatte, doch auf eine Hose hatte ich völlig vergessen.
An sich wäre das Ganze auch nicht so schlimm, wenn ich nicht ausgerechnet einen alberner String Tanga tragen würde, auf dem ein völlig bekloppter, zwinkernder Smiley gedruckt worden war.
Reflexartig zog ich mir das ausgeleierte Shirt tiefer nach unten und hoffte, dass es das Gröbste verdeckte. Zumindest diesen blöden Smiley.
Als ich Blakes Blick begegnete, hatte sich seine Miene verhärtet. Seine frostblauen Augen waren kalt und düster, als er mich eingehend musterte.
„Du solltest dich wohl besser umziehen", meinte Blake mit ausdrucksloser Stimme. Er warf Milo einen knappen Blick zu und deutete mit einer vagen Kopfbewegung auf die Kaffeemaschine.
Mich beachtete er schon gar nicht mehr. Anders als sein Mitbewohner.
„Was?! Umziehen?", rief er entgeistert aus und starrte Blake mit heruntergeklappten Kiefer an. „Hast du deine Eier gestern verloren, oder was?"
Als Antwort bekam er ein grimmiges Brummen und ich trat langsam den Rückzug an. Eine bessere Vorlage, um mich unbemerkt zurück in Harpers Zimmer zu schleichen, gab es wohl nicht.
Gerade als ich die Tür hinter mir schließen wollte, rief Blake meinen Namen.
Neugierig schob ich meinen Kopf ins Wohnzimmer und sah zu ihm in die Küche. Mein Blick fiel auf die Tasse in seiner Hand, aus der kleine Dampfwolken emporstiegen. Hoffnung keimte in mir auf.
„Kannst du Harp wecken? Ihr Kaffee wird kalt."
„Du brauchst einen Job, meine Liebe", murmelte Harper und schlug die Zeitung auf. „Job. Job. Job."
Ihre Augen flogen über die gedruckten Buchstaben und als sie gefunden hatte, wonach sie suchte, schob sie mir das Blatt über den Wohnzimmertisch zu.
Ich seufzte leise und raffte mich widerwillig auf, um nach dem Papier zu greifen.
Milo hatte vor einer Stunde das Haus verlassen und Blake war schon seit einer Weile in seinem Zimmer verschwunden, weshalb wir das Wohnzimmer in Anspruch genommen hatten.
Da morgen Montag war und Harpers Kurse hauptsächlich vormittags stattfanden, hatte sie es sich in den Kopf gesetzt, mir einen Job zu besorgen.
Ich hob die Zeitung an und überschweifte die Stellenangebote, ehe ich sie mutlos wieder sinken ließ.
„Ich will aber keinen Job.", murrte ich mit vorgeschobener Unterlippe. „Zumindest noch nicht."
Meine Kopfschmerzen hatten nachgelassen und da auch die letzten Nachwirkungen des Alkohols abgeklungen waren, schmerzte Pats Verlust nur noch umso mehr.
In meinem Kopf spielte sich immer wieder sie Szene ab, die mein Leben absolut zerstört hatte. Manchmal wünschte ich mir fast schon, dass ich nie herausgefunden hätte, dass Patrick mich betrog. Es wäre einfacher gewesen. Schmerzfreier.
„Du kannst nicht den ganzen Tag zuhause herumgammeln", erwiderte Harper unbarmherzig. Sie warf mir einen scharfen Blick zu, als ich meinen Mund öffnete, um Widerspruch zu leisten. Schnell klappte ich ihn wieder zu, woraufhin ich Harper ein zufriedenes Nicken entlockte.
„Nur eine Woche Harp, bitte. Bis ich wieder auf die Beine komme", flehte ich sie schließlich doch an.
Mit meinen Händen deutete ich auf mich, ehe ich sie wieder fallen ließ. „So kannst du mich doch nicht auf die Menschheit loslassen."
Scheinbar musste ich wirklich schrecklich aussehen, denn Harper verzog unwillkürlich das Gesicht, als sie ihre graugrünen Augen über mich wandern ließ und anschließend die Nase rümpfte. „Da hast du allerdings Recht."
Etwas beleidigt verschränkte ich die Arme vor der Brust und pustete mir eine wirre Strähne aus dem Gesicht. „Ein einfaches ‚Stimmt' hätte gereicht", blaffte ich sie an. „Ohne das ganze Gesichtsdrama."
Harper verdrehte belustigt die Augen.
„Stimmt", gab sie amüsiert zu und nahm die Zeitung wieder an sich.
Wir lagen ausgestreckt auf dem Sofa. Irgendwie hatten wir es geschafft, uns den Platz so aufzuteilen, dass jeder von uns absolute Beinfreiheit hatte.
Während Harper also auf dem Bauch lag und weiterhin die Zeitung studierte, hatte ich mich seitlich in den Kissenhaufen fallen lassen. Nicht besonders bequem, aber definitiv warm.
„Was würde dich überhaupt interessieren? Wäre etwas Soziales für dich okay?" Harpers Augen schienen an dieser dämlichen Zeitung festzukleben.
„Nein."
Meine Freundin hob kurz den Blick und sah mich eine Weile an, ehe ihre Augen wieder über die Stellenangebote flogen. „Wie siehts mit Friedhof aus?"
„Was?" Irritiert horchte ich auf und spähte über den Kissenberg hinweg zu Harper hinüber. „Friedhof?"
„Ein Bestatter sucht nach einer Assistentin", meinte Harper grinsend und zwinkerte mir zu. „Das wär doch was für dich."
„Ich will nichts soziales", entgegnete ich abrupt und starrte sie mit aufgerissenen Augen an.
„Verdammt, Macy - Wo ist das denn bitte sozial? Du sollst nur darauf aufpassen, dass dir die Leichen nicht davonlaufen." Harper erwiderte meinen Blick stur und wedelte lockend mit der Zeitung. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass die nicht so gesprächig sind."
„Du bist doch krank" Ich starrte meine Freundin kopfschüttelnd an.
„Oder du machst auch einfach etwas soziales", fuhr Harper ungerührt fort und schenkte mir ihr berüchtigtes Teufel-Lächeln.
„Wozu soll ich mir einen Job suchen? In vier Tagen muss ich sowieso wieder weg." Grimmig erinnerte ich mich an Blakes gesetzte Frist und die Art, wie er mir heute Morgen den Kaffee verweigert hatte.
Glücklicherweise hatten Milo und Harper etwas eingespart, sodass für mich auch ein kleines Schlückchen übriggeblieben war.
Harper seufzte theatralisch auf und pfefferte die Zeitung auf den Wohnzimmertisch. Gut, damit hatte ich dieses scheußliche Ding endlich aus den Augen.
„Ich werde nochmal mit Blake reden", versprach sie mir in einem Tonfall, der mir verriet, dass sie sich nicht ganz sicher bei der Sache war.
„Er kann dich doch nicht einfach auf die Straße setzten." Auch bei dieser Aussage war ihre Stimme zweifelnd und nicht so kräftig, wie sonst. Sie versuchte eindeutig mich mit kleinen Schummeleien aufzuheitern.
Krass, dass Blake mich, nach Harpers Empfinden, eiskalt vor die Tür setzen würde. Und das kurz vor den eisigen Wintermonaten!
„Apropos Blake", murmelte ich und riss mich somit selbst aus den Gedanken. „Lief da gestern etwas zwischen der Blondine und ihm?"
Meine Erinnerungen an die gestrige Nacht waren immer noch ziemlich verblichen und lückenhaft. Ich konnte mich an Milos forschende Hände erinnern, die Avas Körper erkundeten und an meine ersten drei Tequila-Shots an der Bar. Aber danach nichts mehr. Absolut nichts.
„Blake und eine Blondine?", hakte Harper mit gerunzelter Stirn nach, ehe sie mir einen merkwürdigen Blick zuwarf. „Ich kann mich nicht daran erinnern, ihn mit irgendeinem Mädchen gesehen zu haben."
Ich konnte nicht leugnen das mich Harpers Aussage auf eine merkwürdige Art und Weise beruhigte.
„Aber ich glaube, dass er heute Abend einen Gast hatte", fuhr meine Freundin fort, wobei sie das Gast mit Gänsefüßchen untermalte.
Sie verdrehte die Augen und dennoch erreichte ein kleines Lächeln ihre Lippen. „Wir haben den Deal, das wir unsere Eroberungen vor zehn aus der Wohnung schaffen müssen. Glaub mir, viele Mädels fanden diese Abmachung nicht besonders toll."
Harper lachte leise auf, als sie eine Erinnerung einholte. Ein Funkeln trat in ihre Augen, als sie meinem Blick wieder begegnete. Sie war glücklich, keine Frage. Scheinbar taten ihr Milo und Blake wirklich gut.
Milo konnte ich verstehen. Er war ein netter, wenn auch etwas aufdringlicher, Kerl, der einen guten Sinn für Humor hatte. Aber was sie an Blake fand? Vielleicht fühlte sie sich irgendwie mit ihm verbunden, weil sie Beide kleine Giftzwerge waren?
„Was meinst du?", fragte ich und verbannte das missmutige Gefühl in meiner Magengrube mit einem flinken Handwedeln.
„Ach, wir hatten schon ein paar Tussen, die vor unserer Tür rebelliert hatten, nachdem Blake ihnen den Laufpass gegeben hat", meinte Harper und zuckte mit den Schultern, ehe ein kleines, fieses Lächeln ihr Gesicht erhellte. „Eigentlich ja ganz lustig."
„Ganz lustig? Die armen Mädchen", entgegnete ich kopfschüttelnd. Ich konnte mir vorstellen, dass das ein oder andere Frauenherz direkt vor Harpers Wohnungstür zerbrochen war, nachdem Blake sie von ihrem Höhenflug der vergangenen Nacht abrupt heruntergeholt und vor die Tür gesetzt hatte. Anhand seiner Zimperlichkeit konnte ich mir auch denken, dass diese Mädchen ganz bestimmt keinen Koffein bekommen hatten, um ihre Trauer und Müdigkeit hinfort zu spülen.
„Ach was. Die Mädels wissen ganz genau, worauf sie sich einlassen, sobald sie Blakes Schlafzimmer betreten." Harper hielt stark dagegen und ehrlich gesagt verwunderte es mich ein bisschen, wie sehr sie Blake verteidigte. Immerhin war es mehr als offensichtlich, dass ihr Mitbewohner ein übler Frauenheld war und solche Typen konnte Harper eigentlich noch nie ausstehen.
„Und was ist mit Milo?", wechselte ich das Thema. Sosehr mich Harpers Antworten auch irritiert hatten - Ich wollte bestimmt keinen sinnlosen Streit hervorbeschwören.
„Milo bringt niemanden mit nachhause. Er findet das widerlich." Harper zuckte mit den Schultern, als ich fragend meine Augenbrauen nach oben zog.
„Milo macht auf mich nicht den Eindruck, als würde er intimere Beziehungen widerlich finden", hakte ich nach.
Harper streckte sich genüsslich auf dem Sofa und warf dem schwarzen Bildschirm des Fernsehers einen sehnsüchtigen Blick zu.
„Tut er auch nicht", erwiderte sie schließlich und reckte sich nach der Fernbedienung. „Er findet es nur abartig, diese intimeren Beziehungen hier auszuführen."
Ich konnte erkennen, dass Harper neckisch grinste, als sie meine ernüchternde Wortwahl nachäffte.
„Wie meinst du das?", fragte ich nach. Mein Blick schwenkte zum Fernseher hinüber, als Harper ihn mit einem simplen Knopfdruck zum Leben erweckte. Eine romantische Szene sprang uns entgegen, ehe meine Freundin flink den Sender wechselte.
„Ich meine, dass er keinen Bock darauf hat, dass Blake und ich ihm beim Vögel zuhören", stöhnte Harper auf.
Ich zuckte zusammen und die Mundwinkel meiner Freundin zogen sich noch weiter nach oben, als sie mich musterte.
„Wie kann man nur so prüde sein, Macy?"
„Ich bin nicht prüde!", widersprach ich sofort. Protestierend richtete ich mich, inmitten meines Kissenbergs, auf, nur um gleich darauf wieder auf meine Ellbogen zu sinken.
„Doch, bist du", entgegnete Harper mit einem breiten Grinsen. „Du wirst ja schon knallrot, wenn auch nur irgendjemand das böse S-Wort sagt."
„Das stimmt nicht!"
Harper warf den Kopf in den Nacken und stieß ein leises Lachen aus. Ihre honigblonden Haare verteilten sich auf dem schwarzen Sofa, wie zerflossenes Gold.
„Tut es nicht? Lass uns das Ganze doch testen", schlug sie mit einem hinterhältigen Lächeln vor, nachdem sich ihre Atmung wieder normalisiert hatte. „Sex."
Anhand meines rasenden Puls und Harpers hysterischem Gekicher wusste ich, dass mein Gesicht und meine Ohren den typischen Farbton angenommen hatten, der meine Hautfarbe immer beherrschte, sobald mir etwas peinlich war.
Ich wusste wirklich nicht warum, aber es gab Wörter, die ich einfach nicht über die Lippen brachte. Noch merkwürdiger war es, dass es mich sogar in Verlegenheit brachte, wenn jemand anders diese Wörter in den Mund nahm. Sex war eines dieser Wörter.
„Prüde", triumphierte Harper mit einem neckenden Unterton und zwinkerte mir zu. Sie rollte sich auf die Seite und widmete ihre Aufmerksamkeit dem Fernseher zu, während ich missmutig mein Gesicht in den Kissen vergrub.
So, dieses Mal habe ich es geschafft (ohne Erinnerung!) ein Kapitel rechtzeitig hochzuladen :D
Wie gefällt euch die Geschichte bis jetzt? Habt ihr schon einen Lieblingscharakter? :)
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