27. Kapitel
Die Heimfahrt nach Windfield verlief mehr als unangenehm.
Blake hatte sich unserer kleinen Truppe angeschlossen, doch sobald seine blauen Augen auf meine getroffen waren, konnte ich nur noch an Harpers Warnung denken.
Was hatte Blake zu verbergen? Und warum wusste Harper davon?
Ich hatte meine schmerzenden Rippen als Vorwand benutzt, um die Autofahrt auf dem Beifahrersitz neben Ava zu verbringen, anstatt Blakes bohrenden Blicken ausgesetzt zu sein.
Er hatte bemerkt das ich mich distanzierter verhielt. Es hatte keine fünf Minuten gedauert, bis ich die fragenden Blicke zwischen meinen Schulterblättern spüren konnte.
Zu gerne hätte ich ihm meine abweisende Reaktion erklärt, doch irgendetwas sagte mir, dass Blake nicht allzu begeistert sein würde, wenn er von Harpers kleiner Ansprache erfuhr.
Und so wich ich seinen Blicken und Gesten einfach auf und hoffte, dass ich ohne weitere Konflikte in Avas Wohnung gelangen würde.
Leider schien mein Wohlbefinden dem Schicksal ziemlich egal zu sein, denn als Ava den Golf vor Harpers und Blakes Wohnhaus zum Stehen brachte, erwartete uns bereits jemand.
„Da sind ja unsere Schwerverletzen!" Milos Stimme klang spöttisch, doch ich konnte Sorge in seinen schelmisch funkelnden Augen erkennen, als er sich an Avas Seite herunterbeugte und mich durch das geöffnete Fenster prüfend anlächelte.
Sein Blick wanderte zu den hinteren Sitzbänken, wo seine Augen erst Blake und Harper streiften, bis sie schließlich bei Ava zum Stillstand kamen.
Seine Mundwinkel zogen sich weiter nach oben. Würde ich die Vorstellung von Ava und Milo als Paar nicht so entzückend finden, wäre ich fast beleidigt, dass Milo meine offensichtlichen Verletzung mit solch einer Leichtfertigkeit überging, als wäre ich nicht vor wenigen Tagen in einen schweren Autounfall verwickelt gewesen.
„Hallo, Milo", begrüßte ich den Mitbewohner meiner Freundin mit einem trägen Lächeln, als Ava ihn mit solch einer geflissentlichen Arroganz ignorierte, dass es fast schon peinlich war.
Milo strich sich mit einem amüsierten Grinsen durch die dunkelblonden Locken und zeigte sich von Avas kalter Schulter kein bisschen beeindruckt. Es schien ihn eher anzuspornen.
Mit einer galanten Bewegung öffnete er die Tür auf ihrer Seite und deutete einen tiefen Knicks an, ehe er ihr die Hand entgegenstreckte.
Obwohl Frohsinn gerade das Letzte war, an das ich denken konnte, stahl sich bei dieser Show ein kleines Lächeln auf meine Lippen. Als ich einen kurzen Blick über die Schulter warf, konnte ich erkennen, dass sich Harper ein amüsiertes Grinsen ebenfalls nicht verkneifen konnte.
Offensichtlich fand sie die Annährung zwischen ihrer Freundin und ihrem Mitbewohner nicht allzu schlimm, wie ich anfangs vermutet hatte.
„Dürfte ich die Damen noch auf ein Glas Wein einladen? Harp, Blake und ich akzeptieren übrigens kein Nein", fuhr Milo fort und ignorierte dabei die Tatsache, dass Ava seine anbietende Hand ignorierte und mit einem abweisenden Schnauben ohne seine Hilfe aus dem Wagen stieg.
Mein Blick wanderte hilfesuchend zum Rückspiegel, wo ich auf die graugrünen Augen meiner Freundin traf. Ich kniff die Lippen zusammen und schüttelte in einer stummen Aufforderung den Kopf.
Harper unterdrückte ein Seufzen und warf Blake einen kurzen Blick zu, welcher sich mit finsterer Miene aus dem Auto erhob.
„Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist, Milo. Macy ist sicher erschöpft und der Arzt meinte auch, dass sie sich nicht überanstrengen sollte", gab sie zu bedenken und warf ihrem Mitbewohner einen eindringlichen Blick zu.
Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie sich Blake neben dem Wagen verspannte und sich seine Augen auf mich richteten.
Milo schien die aufgeladene Stimmung entweder nicht zu bemerken, oder er ignorierte sie schlichtweg, um ein bisschen mehr Zeit mit Ava verbringen zu können.
Auch der überdeutliche Wink mit dem Zaunpfahl seiner Mitbewohnerin schien ihn da nicht wachzurütteln.
„Ach, wenn es zu anstrengend wird, könnten die Beiden auch einfach ihr übernachten. Ich habe nichts dagegen und Blake bestimmt auch nicht, oder, Kumpel?"
Mit einem zuversichtlichen Grinsen auf den Lippen drehte sich Milo zu Blake herum und verzog zufrieden das Gesicht, als dieser desinteressiert mit den Schultern zuckte.
„Siehst du?"
„Milo, ich glaube wir-", probierte Harper es erneut, doch Milo wischte ihre Bedenken mit einer lässigen Handbewegung beiseite und wandte seine Aufmerksamkeit nun endgültig Ava zu, welche mich besorgt mustere.
Er umfasste ihre Taille und schenkte ihr ein charmantes Lächeln, welches sie jedoch mit einem genervten Augenrollen quittierte.
Sie drehte sich aus seiner Umarmung heraus und lief um den Wagen herum, um die Tür auf meiner Seite zu öffnen.
„Wir können auch wieder fahren, wenn du willst", murmelte sie leise und warf einen bedeutsamen Blick in Blakes Richtung, welcher uns mit gerunzelter Stirn beobachtete.
Am liebsten hätte ich laut Ja gebrüllt und die Autotür mit einem lauten Knall zugezogen, bevor ich Ava mit lauten Cheerleader-Rufen dazu aufgefordert hätte, endlich diesen verdammten Motor zu starten und uns aus dieser unangenehmen Situation zu retten.
Doch etwas ließ mich innehalten.
Vielleicht war es der ansteckende Enthusiasmus, den Milo mit seiner offenen Art verbreitete, oder der distanzierte Ausdruck in Blakes Augen, seit ich den Beifahrersitz dem Platz neben ihm vorgezogen hatte, doch ich schüttelte den Kopf.
„Nein, bringen wir es einfach hinter uns", flüsterte ich zurück und ließ mir von meiner Freundin aus dem Wagen helfen.
„Wenn ich so darüber nachdenke, wird es wohl doch nur ein Glas Wasser, statt Wein." Milo schenkte uns ein spitzbübisches Grinsen, als er den Inhalt des Kühlschranks inspizierte und sich schulterzuckend zu uns herumdrehte.
Harper, Ava und ich hatten es uns auf der Couch gemütlich gemacht. Meine beiden Seiten wurden von meinen Freundinnen flankiert und obwohl Blake sich seit der Ankunft in der Wohnung in sein Zimmer zurückgezogen hatte, war mir die Situation immer noch äußerst unangenehm.
Ich hatte ihn verletzt. Das war mir nun überdeutlich bewusst und das dumpfe Pochen, welches sich daraufhin in meiner Brust ausbreitete, zerfraß mich fast.
Warum konnte ich nicht einmal in meinem Leben glücklich sein? Warum musste sich das Schicksal immer gegen mich wenden? Oder war ich es selbst, die ihr eigenes Glück zerstörte?
Mein Blick huschte zu Blakes verschlossener Zimmertür und ich konnte spüren, wie sich etwas in meinem Magen zusammenzog.
Warum konnte ich mich nicht einfach lieben lassen? Warum war ich zu unfähig, mein Glück mit einem breiten Lächeln und offenen Armen entgegen zu nehmen?
Ja, Harper hatte mich gewarnt, dass ich mein Herz nicht allzu schnell an Blake verschenken sollte, doch sie hatte mir nicht geraten, meine Gefühle vollends aufzugeben.
Sie hatte nicht gesagt, dass ich mich von ihm fern halten sollte und dennoch war das genau der Weg, den ich eingeschlagen hatte.
Ich hatte Blake von mir gestoßen, ohne ihm einen nennenswerten Grund zu liefern. Er hatte nichts falsch gemacht und dennoch gab ich ihm das Gefühl, das ich ihn nicht mögen würde. Das ich ihn nicht lieben würde.
Und das nach all den Worten und Emotionen, die er mir in dieser bedeutsamen Nacht anvertraut hatte.
Er hatte sich mir geöffnet, vorsichtig und langsam. Ich war darauf eingegangen, hatte ihm das Gefühl gegeben, dass ich seine Annährungsversuche willkommen heißen würde, was ich auch tat, doch gleichzeitig stieß ich ihn von mir, als wäre er Gift für mich.
Gift für mein Herz, dass es anfangs zum schlagen und fühlen brachte, nur um es danach qualvoll auszulöschen.
Doch in Wahrheit war ich das Gift in dieser Beziehung. Ich war diejenige, die ihn verderben würde, nicht er.
Wie hypnotisiert starrte ich auf diese verdammte Zimmertür und wünschte mir nichts sehnlichster, dass sie endlich aufging und Blake diesen Raum mit seiner Attraktivität beglücken würde.
Aber sie blieb verschlossen. Natürlich.
Ich konnte Harpers warme Berührung spüren, als sie ihre Hand auf meinen Oberarm legte und ihn sanft auf und ab strich, als würde sie genau wissen, was mir gerade durch den Kopf ging.
Als ich den Blick hob und dem ihren begegnete, lächelte sie mich mitleidig an.
„Geh doch zu ihm", sagte sie so leise, dass Milo und Ava es unmöglich hören konnten.
Ich runzelte die Stirn und hob fragend eine Augenbraue. „Hast du nicht gesagt, dass ich vorsichtig sein sollte?"
„Ja. Ich habe gesagt, dass du aufpassen sollst, nicht das du vor deinem Glück davonlaufen sollst. Es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen, was das zwischen dir und Blake ist", entgegnete sie mit einem vorsichtigen Lächeln und warf einen flüchtigen Blick zu der Tür hinüber. „Aber es scheint ihm etwas zu bedeuten. Und dir. Wirf das nicht weg, nur weil ich meine Klappe nicht halten konnte."
Ich erwiderte ihr Lächeln unsicher und folgte ihrem Blick zu Blakes verschlossener Zimmertür.
Wenn ich Ava wäre, würde ich jetzt einfach in das Zimmer hineinspazieren, ohne mir darüber Gedanken zu machen, was für einen Eindruck das bei den Anderen erwecken würde.
Ich würde Blake mit einem kecken Lächeln herumkriegen, ohne mich für mein Verhalten wirklich entschuldigen zu müssen. Und, oh, er würde mir verzeihen. Gewiss.
Wenn ich denselben Mut wie Harper besitzen würde, würde ich nach einem selbstbewussten Klopfen in Blakes Zimmer eintreten, ihm meine Sicht der Dinge schildern und mit einem stolzen Lächeln auf seine Reaktion warten.
Aber ich war nicht so wie meine Freundinnen. Weder war ich mit dem Selbstbewusstsein Ava gesegnet noch mit der Furchtlosigkeit Harpers.
Nein, ich war einfach Macy. Ein schüchternes Mädchen, welches ihre Probleme nicht in Angriff nahm, sondern mit einem dumpfen Gefühl in der Brust darauf wartete, bis sie sich von selbst lösten.
Und so blieb ich sitzen. Wohlwissend, was für einen Eindruck mein Verhalten bei Blake hinterlassen würde.
Das sich dieses Problem nicht in Luft auflösen würde, wenn ich nur lange genug warten würde.
Nein, ich hatte meine Chance verspielt und es gab wirklich keinen Grund, warum Blake noch einmal auf mich zugehen sollte.
„Ich würde jetzt gerne gehen", murmelte ich mit erstickter Stimme und riss somit Avas und Harpers besorgte Aufmerksamkeit auf mich.
Ava sprang sofort auf und warf Milo ein entschuldigendes Lächeln zu. In den letzten Minuten war sie für seine Annährungsversuche zugänglicher gewesen, dennoch wirkte sie erleichtert, als ich meinen Wunsch äußerte.
„Natürlich, Süße", sagte sie sanft und verabschiedete sich mit einer raschen Umarmung von Harper.
Ich nutzte den Moment der Unachtsamkeit meiner Freundinnen und holte mein Smartphone hervor.
Lediglich ein kleiner Riss im Display wies auf den Unfall vor wenigen Tagen hin. Ziemlich robust, dieses kleine Ding.
Ich öffnete den Chatverlauf mit Blake und eine leerende Gähne schlug mir entgegen.
Ich überlegte nicht lange, sondern tippte die Worte in das Handy, welche mir als erstes in den Sinn kamen.
Macy: Es tut mir leid.
Es tut mir wirklich leid - Eigentlich war es nicht geplant, Macy und Blake so kurz nach ihrer Vereinigung wieder auseinander zu reißen - Aber was soll ich sagen, die Stimmung schwappt eben über.
Ist es egoistisch wenn man seine Charaktere mit sich selbst leiden lässt? Klingt zwar ziemlich doof, aber mein Ego will es nicht zulassen, dass die Beiden so glücklich sind, wenn bei mir gerade alles schief läuft xD
Vermutlich würde jeder Satz ironisch und gehässig klingen, wenn ich ihnen ihre Liebe ein bisschen länger gewährt hätte.
I'm really sorry :D
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