23. Kapitel

„Ist dir kalt?" Ohne meine Antwort abzuwarten beugte sich Blake über die Mittelkonsole, um die Heizung anzuschalten.
Ein angenehmes Surren durchflutete den Jeep und ließ meine Unbehaglichkeit etwas sinken.

Wir hatten gerade Mal den Parkplatz des Diners hinter uns gelassen, doch ich fand die Stille zwischen mir und Blake bereits jetzt fürchterlich erdrückend.
Ich wusste nicht, was Ava sich dabei gedacht hatte, mich und Blake gemeinsam in einen Wagen zu stecken. Hatte sie mir nicht zugehört, als ich ihr und Harper von unserem Zwischenfall erzählt hatte?

Unruhig fuhr ich mit meinen Händen meine Oberschenkel auf und ab und starrte mit konzentriert zusammengekniffenen Augen aus der Windschutzscheibe.
Es kostete mich eine unglaubliche Überwindung, meinen Kopf nicht etwas zur Seite zu drehen und zu Blake hinüber zu linsen, um zu sehen, ob seine gesamte Aufmerksamkeit wirklich nur der Straße galt.

„Kannst du damit bitte aufhören?", durchbrach Blake schließlich die Stille und legte seine rechte Hand auf den Ganghebel.
Augenblicklich hefteten sich meine Augen auf seinen Handrücken und der Wunsch, dass er mit seinen rauen Fingerkuppen an meiner Wange entlang strich, keimte in mir auf.
„Was?", fragte ich wie in Trance, ohne meinen Blick abzuwenden.
„Das Herumgefuchtel deiner Hände", erwiderte Blake und warf mir einen kurzen Seitenblick zu. „Das macht mich nervös."
„Oh, sorry." Ich zwang mich dazu, den Blick abzuwenden und setzte mich auf meine Hände.

Zittrig stieß ich die Luft wieder aus und drückte mich tiefer in die Sitzpolster.
Diese Situation war einfach nur unangenehm und peinlich. Später würde ich Ava den Kopf dafür abreißen, dass sie mich allein mit Blake zurückgelassen hatte.
Ich wusste, dass sie es eigentlich nur gut gemeint hatte, aber was hatte sie sich erhofft?
Das Blake und ich uns unsere Gefühle gestehen würden und dann leidenschaftlichen Sex auf der Rückbank hätten? Ja, ich konnte mir gut vorstellen, dass meine Freundin sich genau dieses Happy-End vorgestellt hatte.
Unwillkürlich rollte ich mit den Augen über Avas Naivität. Bei ihr ging einfach alles so einfach. Vor allem mit Jungs.

Verstohlen sah ich zu Blake hinüber.
Er hatte den Blick auf die Straße gerichtet und beide Hände lagen wieder sicher auf dem Lenkrad. Seine Lippen hatte er vor Konzentration etwas geöffnet und die, in Falten gelegte, Stirn verriet mir, dass er über etwas nachdachte.
Ich atmete tief ein und sammelte all meinen Mut. „Deine Gedanken sind ziemlich laut."

Blakes Kopf zuckte zu mir herum. Er sah mich an, als würde er sich erst jetzt meiner Anwesenheit bewusst werden.
Ein distanziertes Lächeln verzog seine Lippen. „Ach, ist das so?"
Ich nickte, doch da er sich bereits wieder dem Straßenverkehr zugewandt hatte, konnte er es nicht sehen.
„Ja", fügte ich deshalb zögerlich hinzu. „Über was denkst du nach?"
Blake stieß einen undefinierbaren Laut aus. Es verunsicherte mich, dass ich nicht erkennen konnte, ob ihn meine Neugierde verärgerte oder belustigte. Unruhig rutschte ich auf dem Beifahrersitz herum und zog meine zitternden Hände unter meinen Oberschenkeln hervor.

„Was war denn der Notfall?", murmelte Blake nach langem Schweigen, als hätte ich meine Frage niemals gestellt. Irritiert runzelte ich die Stirn, ehe ich etwas beleidigt die Arme vor der Brust verschränkte und aus dem Fenster starrte.
Bitte, wenn er meine Frage nicht beantworten will. Verächtlich stieß ich die Luft aus. Er sollte ja nicht erwarten, dass ich nach dieser unhöflichen Geste meine Familienprobleme vor ihm ausbreiten würde.
„Das geht dich nichts an", knurrte ich schmollend, da es mir meine gute Erziehung leider verbot, seine Frage mitdemselben Schweigen zu beantworten, wie er es mit meiner getan hatte.

Ich spürte Blakes Blick auf mir, doch starrte weiterhin sturköpfig aus dem Fenster. Es verärgerte mich, dass er meine Frage einfach übergangen war.
Wenn ich zu aufdringlich gewesen war, hätte er mir das auch einfach sagen können, anstatt sie einfach zu ignorieren.
Ich wusste, dass meine Reaktion gerade ziemlich übertrieben und kindisch war, doch Blakes Anwesenheit verunsicherte mich und ließ mich noch sensibler werden, als ich es ohnehin schon war.

Warum wollte er meine Frage nicht beantworten? War es ihm unangenehm? Wenn er mich mögen würde, hätte er mir doch höflich erklärt, dass er das lieber nicht tun würde und nicht einfach meine Frage übergehen, indem er eine eigene stellt.
Ich wusste doch, dass Harper und Ava sich geirrt hatten. Blake mochte mich nicht.
Dieser Kuss war nur ein Ausrutscher und hatte für ihn keinerlei Bedeutung. Hätte ich mich in dieser Nacht völlig der Lust hingegeben, hätte das meine Beziehung zu diesem Griesgram nicht beeinflusst.
Wir würden immer noch schweigend in diesem verdammten Jeep sitzen. Vermutlich wäre die Situation noch merkwürdiger gewesen.

Blake stöhnte auf. „Bist du jetzt wirklich beleidigt, Kiddo?", fragte er genervt und als ich ihn von der Seite an spähte," konnte ich erkennen, wie er die Augen verdrehte.
„Nein", entgegnete ich schlicht. Meine Stimme zitterte verdächtig und um meine Nervosität zu überspielen zog ich mir eine rote Strähne zwischen die Lippen. „Es geht dich einfach nichts an."
„Du bist beleidigt", stellte Blake mit einem kurzen Seitenblick auf mich fest und lachte höhnisch auf. „Ich fass es nicht."

Ich wusste das es albern ist. Natürlich war es einfach nur kindisch, Blake mit meiner kalten Schulter zu bestrafen, obwohl ich doch wusste, dass es ihn überhaupt nicht interessierte. Das ist ungefähr so, als würde ich einem schlafenden Welpen sein Spielzeug wegnehmen. Es ließ mich tough fühlen, doch erzeugte nicht die Reaktion, die ich mir eigentlich herbeigesehnt hatte.

Blake seufzte genervt auf und fuhr sich durch das dunkle Haar. Er sah so verwegen und wild aus, mit den grimmigen Gesichtszügen und den dunklen Schatten, die die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos auf sein Gesicht warfen. Als ich ihn heimlich von der Seite musterte, stieg ihn mir erneut der Drang auf, ihn zu berühren. Ich wollte seine blauen Augen zum glühen bringen, wie damals, als wir uns geküsst hatten.
„Wieso starrst du mich so an?"

Blakes Stimme klang etwas rauer und dunkler als sonst. Ertappt senkte ich den Kopf und wandte den Blick ab. Ich konnte fühlen, wie meine Wangen erröteten.
„Tu ich gar nicht", nuschelte ich verlegen.
Blake sah kurz zu mir hinüber und ich meinte, aus dem Augenwinkel die Andeutung eines Lächelns zu erkennen. doch als ich mich wieder zu ihm drehte, war es verschwunden.
„Du bist eine grauenhafte Lügnerin, Kiddo."
Ich verkniff mir ein weiteres Kommentar. Es brachte nichts, meine Gafferei zu leugnen. Blake wusste ebenso gut wie ich, dass ich ihn gerade ungeniert angestarrt hatte. Ohne ein weiteres Wort sah ich wieder aus dem Fenster.

„Ava meinte, dass du vielleicht mit mir reden willst", meinte Blake nach einer Weile ausdruckslos. Er sagte das so nebenbei, doch in mir keimte die Angst auf, meine Freundin könnte ihm mehr anvertraut haben, als sie sollte.
„Ach wirklich?", hakte ich bemüht teilnahmslos nach und versuchte, meine aufquellende Panik zu verbergen. „Was hat sie denn genau gesagt? Nicht, dass es stimmen würde."
Blake grinste und betätigte den Blinker, um die Spur zu wechseln, ehe er mir antwortete.
„Nicht viel. Nichts Wichtiges", war seine schlichte Antwort, doch anhand seiner zuckenden Mundwinkel konnte ich erkennen, dass ihn meine Reaktion durchaus amüsierte.
Verdammt. Anscheinend hatte ich meine Sorge, Ava könnte etwas ausgeplaudert haben, nicht allzu gut versteckt.
Blake hat nicht ganz Unrecht, wenn er mich eine schlechte Lügnerin nennt. Im Gegensatz zu Ava bin ich eine absolute Niete im Schauspielern.
Im Kopf mach ich mir die Notiz, meine Freundin um ein paar Tipps zu bitten, sobald wir zurück in Windfield sind. Vielleicht hat sie in ihrem Studium ja etwas gelernt, das mein nicht vorhandenes Talent hervorzaubern könnte.

„Gäbe es denn etwas Interessantes, dass sie mir erzählt haben könnte?" Ich konnte Blakes provozierenden Blick auf mir spüren, weshalb ich meine Augen stur an die vorbeiziehende Landschaft heftete.
„Nein", entgegnete ich bestimmt.
„Da hat sie mir aber etwas anderes erzählt." Blake lachte und als ich erschrocken die Augen aufriss und zu ihm herumwirbelte, wurde das belustigte Grinsen in seinem Gesicht nur noch breiter. Mist, er hatte mich erwischt.

„Nun sag schon. Welches großes Geheimnis verbirgst du vor mir?", Blake stupste mich spielerisch am Arm an. Unwillkürlich zuckte ich zusammen.
Ich war verwirrt. Blakes Stimmungswechsel ging mir gerade eindeutig zu schnell. Wie konnte er von genervt, zu höhnisch in nett umwandeln? Und das innerhalb weniger Minuten?
Er benahm sich merkwürdig. Er war nicht der Blake, den ich kennengelernt hatte. Er war irgendwie... lockerer.
„Ähm...", brachte ich irritiert hervor, ehe meine Stimme brach. Ich konnte Blake einfach nur anstarren. Mein Kopf war nicht dazu in der Lage, Wörter zu formen.
Was passierte hier gerade?

Blake sah mich an und fuhr sich durch die dunklen Haare, ehe er eine nachdenkliche Miene mimte.
„Ich kann auch raten, wenn dir das lieber ist", meinte er gedehnt und betrachtete mich von der Seite.
Ich schwieg perplex, was er wohl als Zustimmung deutete.
„Hmm... lass mich kurz überlegen", murmelte er und tippte sich philosophisch ans Kinn. „Du bist in Wahrheit die Tochter eines Mafiabosses und der Notfall entstand dadurch, dass euer Hauptquartier aufgeflogen ist", mutmaßte Blake und spähte zu mir herüber. Als er meinem Blick begegnete, zwinkerte er mir zu. „Ich habe Recht, nicht wahr?"

Entgegen all meiner Vorsätze prustete ich los. Ich versuchte das Gekicher zu stoppen, dass hartnäckig versuchte aus meiner Kehle hervorzudringen, doch dadurch klangen die Geräusche nur abgehakt und grunzend, was mir ein amüsierten Stirnrunzeln von Blake einbrachte.
Beschämt senkte ich den Kopf und drückte mir die Hand auf dem Mund, um mein Gelächter abzudämpfen.
Ich mochte den neuen Blake. Er war durchaus angenehmer, als sein störrischer Vorgänger.
„Fast", meinte ich belustigt, nachdem ich mich halbwegs beruhigt hatte. Blake sah mich kurz an und lächelte, was ich zögerlich erwiderte.
„Natürlich kannst du mir nicht sagen, dass ich mit meiner Vermutung absolut richtig liege. Aber keine Sorge, dein Geheimnis ist bei mir sicher!" Und erneut zwinkerte er mir zu.

Ich bin so positiv überrascht von Blakes entspannter Seite, dass ich erneut zu kichern beginne und ganz vergesse, dass ich mir noch vor wenigen Minuten geschworen habe, ihn über den Rest der Fahrt hin zu ignorieren.
„Hmmm... Ich weiß ja nicht, ob ich dir vertrauen kann. Ich denke, ich sollte besser meine Mafiakumpels anrufen und dich umbringen lassen - Nur um sicherzugehen das du mein Familiengeheimnis mit ins Grab nimmst", necke ich ihn und lasse mich somit auf seine kleinen Alberleien ein.
Es gefällt mir, nach all dem vergangenen Drama, so locker mit Blake umzugehen. Weshalb hatte ich mir den Kopf darüber zerbrochen ob er mich mögen könnte oder nicht? Warum hatte ich mir Sorgen gemacht, es könnte komisch zwischen uns sein?
Ich hätte einfach ahnen sollen, dass Blake die ganze Situation im Griff hat. Wie immer hatte ich zu viel nachgedacht.

Als Blake den Blick kurz von der Straße abwendete, um mich anzusehen, blitzte Verwunderung in seinen blauen Augen auf.
Fast wirkte er so, als hätte ihn meine Bemerkung aus der Bahn geworfen, aber als er den Blick wieder nach vorne richtete, zuckte erneut dieses belustigte Lächeln an seinen Lippen.
„Das würdest du mir nicht antun, Kiddo", entgegnet er selbstsicher.
Herausfordernd zog ich eine Augenbraue in die Höhe. „Ach, meinst du?"
Blakes Grinsen war provokativ, als er schweigend weiterhin den restlichen Verkehr im Blick behielt und mich geflissentlich ignorierte.
„Blake", knurrte ich warnend und drehte mich, so gut wie es der Gurt eben zu ließ, zu ihm herum.
Blake warf mir einen kurzen Seitenblick zu. Seine Mundwinkel zuckten verdächtig, als er meine drohende Miene musterte.
„Macy?", entgegnete er scheinheilig.

Ich wusste das er mich nur provozieren wollte. Es gefiel ihm, dass er mich mit kleinen Sticheleien kontrollieren konnte.
Ich sollte einfach nicht darauf eingehen. Mich wieder auf die vorbeiziehende Landschaft konzentrieren und so tun, als ob ich in der dämmrigen Dunkelheit etwas erkennen könnte.
Ich wollte dasselbe mit ihm tun, was er mit mir tat.
Ich schenkte ihm ein kleines Lächeln und zuckte mit den Schultern, ehe ich mich von ihm abwandte.
Ich konnte seinen Blick auf mir spüren und als ich aus dem Augenwinkel zu ihm hinüberspähte, flackerte in seinem Gesicht ein Gefühl auf, das ich nicht beschreiben konnte.

Gerade als ich meinen Kopf drehen wollte, um den Ausdruck in Blakes Gesicht besser identifizieren zu können, richtete dieser seinen Blick wieder auf die Straße und riss abrupt das Lenkrad herum. „Scheiße!"
Erschrocken schrie ich auf und krallte mich haltesuchend an der Beifahrertür fest, als der Jeep holpernd von der Straße abkam.
Ich spürte die Panik in mir aufflackern, als ich im hüpfenden Licht der Scheinwerfer die Leitplanke erkennen konnte, auf die wir zurasten.
Ich wollte schreien, doch ich bekam keinen Ton heraus. Stattdessen schlang ich reflexartig meinen Arm um meinen Bauch und wollte mich schutzsuchend zusammenkrümmen, doch etwas hielt mich zurück. Irgendetwas hatte sich um meine Brust geschlungen und drängte mich mit solch einer Kraft zurück in den Sitz, dass ich mit einem ängstlichen Wimmern gehorchte und ergeben die Augen schloss.

Im nächsten Moment ertönte ein lauter Knall und ich wurde mit solch einem Ruck nach vorne gerissen, dass sich der Gurt schmerzhaft in meine Schulter schnitt.
Ich keuchte laut auf, als mein Gesicht mit einer gewaltigen Wucht gegen etwas geschleudert wurde. Meine Haut brannte vor Schmerzen und obwohl ich wusste, dass das Auto inzwischen zum Stillstand gekommen sein musste, hörte mein Kopf sich nicht auf zu drehen.
Ich stöhnte auf vor Qual und versuchte, mich zu bewegen. Ich wollte hier raus. Mein Fluchtinstinkt war geweckt.
Doch nur das kleinste Zucken meiner Muskeln ließ mich zusammenfahren und schmerzerfüllt aufwimmern.

Und inmitten all dieser Dunkelheit des Leidens und der Angst spürte ich ihn. Blake, wie er versuchte, über die Mittelkonsole hinweg, meine Hand in die Seine zu ziehen.

Ich muss gestehen - Der Autounfall war völlig spontan. Eigentlich hatte ich den restlichen Verlauf der Geschichte schon zu Ende geplant, aber irgendwie wollte mein Verstand gerade Anders und jaaa... Jetzt muss ich das ganze Ende nochmal komplett umkrempeln xD

Was haltet ihr eigentlich von den zwei Bannern (den Zweiten findet ihr in den Kapiteln davor), die mir AvaMay_C gezaubert hat? Also mir gefallen sie unglaublich gut *.*
Mein neues Icon & der Header sind übrigens auch von ihr (:


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