12. Kapitel
Es dauerte nicht lange, bis wir unser kleines Partyspiel von der offenen Küche auf das Sofa verlegten.
An Avas Hals schimmerte in einem bläulichen Farbton ein Knutschfleck, den Harper ihr zuvor, dank einer Pflichtaufgabe, verpassen durfte.
Sie beugte sich gerade vor, um Harper mit einem überschwänglichen Stupser dazu zu animieren, Wahrheit oder Pflicht auszuwählen.
Milo saß mit nacktem Oberkörper neben mir. Schon seit zwei Runden hatte er sich seines Pullovers entledigt und dennoch kam ich nicht darüber hinweg, immer wieder verstohlene Blicke in seine Richtung zu werfen.
mein Entschluss stand nach wie vor fest. Ich hatte keine Lust mehr, Trübsal zu blasen und wollte mich endlich wieder meinen Gefühlen hingeben, die der Alkohol in mir aufkochen ließ.
Doch irgendwie... sprach mich Milos Erscheinungsbild nicht besonders an.
Ich hatte, ebenso wie Ava und Harper, geradezu mitgefiebert, als sich Milo quälend langsam aus dem Stoff geschält hatte. Doch nachdem ich die Konturen seines Oberkörpers bestaunen durfte, war meine Begeisterung wie weggeblasen.
Während meine Freundinnen Milo mit lauten Pfiffen und amüsierten Jubel angespornt hatten, hatte ich mich mit einem enttäuschten Seufzer zurück ins Sofa sinken lassen.
Glücklicherweise war das niemanden besonders aufgefallen.
„Willst du noch etwas zu trinken, Macy?"
Milos heißer Atem kitzelte meinen Hals, als er sich etwas vorlehnte und verlockend die Bierflasche in seiner Hand kreisen ließ.
Der Wein war schon seit einer Stunde leer und uns blieb nichts anderes übrig, als auf das säuerliche Getränk umzusteigen.
Ganz zur Begeisterung Milos.
Ich drehte den Kopf etwas zur Seite und lächelte, als ich bemerkte, wie nah er mir gekommen war. Milo schien wohl auch aufs Ganze zu gehen.
Ich ignorierte meinen Impuls, der unbedingt Abstand zwischen mich und Milo bringen wollte und blinzelte ihn dagegen unschuldig an.
„Gerne, Milo. Wärst du so lieb und holst mir noch eine Flasche?"
Milos Lippen formten sich zu einem breiten Grinsen und unwillkürlich wanderten meine Augen zu seinem Mund.
Als ich wieder aufsah, blitzten Milos blaue Augen wissend auf. Er zwinkerte mir noch ein letztes Mal zu, ehe er sich zurückzog und aufstand, um in die offene Küche zu gehen.
Nur wenige Sekunden später verpasste jemand einen kräftigen Schlag gegen die Schulter.
„Au!", quickte ich erschrocken auf und drehte irritiert den Kopf.
Harpers graugrüne Augen blitzen mich wütend an.
„Was zur Hölle machst du da?!", verlangte sie zu wissen.
„Was meinst du?", entgegnete ich irritiert.
Ich hatte wirklich keine Ahnung, weshalb Harp jetzt so einen Aufstand machte. Etwa wegen dem Alkohol?
War sie jetzt auf demselben Trip wie Blake, oder was?
„Was soll ich schon meinen?", fauchte Harper mit gesenkter Stimme und warf einen bedeutungsvollen Blick zur offenen Küche hinüber, wo Milo sich gerade an dem Gefrierfach zu schaffen machte. „Warum baggerst du Milo an?"
Verwirrt blinzelte ich sie an.
„Warum sollte sie es nicht tun?", mischte sich nun Ava in das Gespräch ein und warf mir einen kurzen Blick zu. „Macy braucht einfach eine kleine Ablenkung."
„Eine kleine Ablenkung?!", echote Harper fassungslos und schüttelte den Kopf. „Du unterstützt sie bei diesem Mist auch noch? Hat einer von euch dabei auch an Milo gedacht? Ob er überhaupt diese ‚kleine Ablenkung' sein will?"
Ava und ich tauschten einen kurzen Blick.
Schuld breite sich in mir aus. Wie konnte ich nur so egoistisch denken? Was wenn Milo gar nicht auf eine unverbindliche Affäre aus war?
Zwar denke ich nicht, dass Milo für feste Beziehungen ausgerichtet war, allerdings hatte ich deswegen nicht gleich das Recht, mit seinen Gefühlen zu spielen. Egal ob sie echt waren oder nicht.
Beschämt senkte ich den Blick.
„Du hast Recht, Harp. Tut mir leid", murmelte ich kleinlaut und schielte zur ihr hoch.
Noch bevor meine Freundin auf meine Entschuldigung reagieren konnte, stieß geräuschvoll die Luft aus.
„Als ob Milo wirklich auf was Festes aus wäre", sagte sie und verdrehte die Augen. „Ehrlich, Harper. Er weiß genau, auf was er sich einlässt."
„Selbst wenn Macy ihn nicht verletzten würde!", fuhr Harper ihr unwirsch dazwischen. „Will ich nicht, dass sie irgendetwas mit meinem Mitbewohner anfängt!"
Sie warf Ava einen langen Blick zu und verengte dabei ihre graugrünen Augen.
Fast sah sie aus wie eine aggressive Katze, der man zu wenig Futter in die Schüssel getan hatte.
„Das gilt auch für dich Ava."
„Ich will nur das Beste für Macy!"
Ava reckte trotzig das Kinn vor und verschränkte missmutig die Arme vor der Brust.
„Es hilft ihr aber nicht, wenn sie deinen Stil annimmt!", fauchte Harper sie an und schüttelte verzweifelt den Kopf. „Macy ist nicht so wie du, Ava! Sie braucht keine Affären, um über Pat hinweg zu kommen! Sie schafft das auch so!"
Avas Nasenflügel bebten vor Wut. Sie zog scharf die Luft ein, doch bevor sie Harper einen Konter entgegenbringen konnte, ließ sich Milo mit zwei Flaschen Bier neben mir nieder.
Er drückte mir das braune Glas in die Hand und zog verwundert die Augenbrauen nach oben, als er die angespannte Stimmung wahrnahm.
„Hab ich etwas verpasst?", fragte er verdutzt und sah erst Harper, dann Ava und schließlich mich fragend an.
Ich zuckte lediglich mit den Schultern und senkte den Blick, um die glitzernden Tränen in meinen Augen zu verstecken.
„Nur das Ende vom Spiel", knurrte Ava und sperrte kurzerhand das Display ihres Handys. „Ich gehe!"
Wütend sprang sie auf und verließ mit stampfenden Schritten das Wohnzimmer.
Man konnte sie fluchen hören, als sie scheppernd ihre Jacke vom Hacken zerrte. Dann flog die Tür lauthals ins Schloss.
Milos verwunderter Blick traf Harper, doch diese zog nur missmutig die Schultern hoch und erhob sich ebenfalls wortlos von dem Sofa.
Ohne uns noch eines einzigen Blickes zu würdigen, verließ sie das Wohnzimmer und ließ ihre Zimmertür ebenfalls geräuschvoll ins Schloss fallen.
Irritiert wandte sich Milo an mich.
„Was ist den mit den Beiden los?"
„Nur ein kleiner Streit", murmelte ich mit zittriger Stimme und starrte an ihm vorbei den Flur entlang, den Ava noch vor wenigen Minuten entlang gestürmt war.
Ich hasste es, wenn sich meine Freundinnen stritten. Leider kam das allerdings nur zu häufig vor.
Harp und Ava hatten beide eine ziemlich entzündliche Persönlichkeit. Nur ein falsches Wort und Beide gingen im Feuer auf.
Harper hatte ihr Wissen über Ava genutzt, ihren wunden Punkt hervorgezerrt und war, ohne eine Miene zu verziehen, darauf herumgetrampelt.
Ich konnte Milos Blick auf mir spüren, weshalb ich meine Knie anzog und sie mit meinen Armen umschlang.
„Ich wäre gerne alleine, Milo", stieß ich mit erstickter Stimme hervor und warf ihm einen kurzen Blick zu.
Enttäuschung flimmerte in seinen blauen Augen auf, weshalb ich mich schnell wieder von ihm abwandte.
Ich war wirklich eine Egoistin, aber ich konnte gerade einfach keinen um mich haben. Vor allem nicht Milo.
Hätte ich Harpers Mitbewohner zuvor nicht so offensiv angegraben, wäre der Streit zwischen Harper und Ava niemals entstanden.
Etwas genickt ließ Milo den Kopf sinken und rutschte auf dem Sofa etwas nach vorne. Ich konnte seinen nachdenklichen Blick auf mir spüren, als er sich langsam erhob und mit schlürfenden Schritten sein eigenes Zimmer aufsuchte.
Ich wartete bis ich das Klicken vernahm, dass darauf hindeutete, dass Milo die Tür hinter sich geschlossen hatte, ehe ich mich auf dem Sofa einrollte.
Unsanft schrecke ich aus einem, weniger erholsamen, Schlaf hoch. Irritiert blinzelte ich in das gleißende Licht, das plötzlich das gesamte Wohnzimmer durchflutete.
Kleine, weiße Lichtpunkte tanzten vor meinen Augen, als ich den Blick grummelnd von den LED-Lampen abwandte.
Ich wollte gerade meinen Kopf wieder zwischen den Kissen vergraben und mein Gesicht mit meinem Arm bedecken, als ich dumpfe Schritte wahrnahm.
Natürlich! Das Licht musste ja auch irgendjemand angeschaltet haben.
Ich stützte mich auf meinen Ellbogen auf und rieb mir mit der rechten Hand über die müden Augen.
Tiefschwarze Mascara bröckelte von meinen Wimpern.
Ich rieb die schwarzen Überreste von meinen Wangen, als ich bemerkte, dass die Schritte verstummt waren.
Mit einer bösen Vorahnung hob ich den Kopf.
Blake stand unschlüssig am Eingang des Wohnzimmers. Die Hände in den Hosentaschen vergraben und einer graue Wollmütze, die er tief ins Gesicht gezogen hatte.
Als er meinen Blick bemerkte, verlagerte er sein Gewicht und betrachtete mich mit einem undefinierbaren Ausdruck im Gesicht.
Noch bevor er irgendetwas sagen konnte, schoss ich hoch und rettete das letzte bisschen an Würde, das mir nach diesem Abend noch geblieben war.
„Ja, ich weiß das ich eigentlich nicht mehr hier sein dürfte und ja, ich habe meine Sachen schon gepackt", sprudelte ich auch schon los. Blake zog eine Augenbraue nach oben und öffnete den Mund, doch ich ließ ihn wieder nicht zu Wort kommen.
„Ich bin auch gleich weg. Ich wollte nur meinen Rausch etwas ausschlafen", schob ich schnell hinterher.
Ohne auf eine Reaktion seinerseits zu warten, kämpfte ich mich vom Sofa hoch. Mit eiligen Schritten trat ich zum Flur, der Harpers Zimmer beherbergte.
„Kiddo."
Blakes tiefe Stimme ließ mich zusammenfahren. Ich drehte mich nicht zu ihm um, wartete allerdings darauf, dass er weitersprach.
„Kiddo", wiederholte er. „Sieh mich an."
Ich reagierte nicht auf seine Bitte. Warum sollte ich auch?
Vermutlich wollte er sich bloß an meinem niedergeschlagenen Gesichtsausdruck ergötzen. Aber diesen Gefallen würde ich ihm nicht tun.
Stur schüttelte ich den Kopf.
„Macy."
Blakes Stimme klang rau und löste in mir das Verlangen aus, seiner Bitte nachzukommen, damit ich in seinen blauen Augen versinken konnte.
Widerwillig drehte ich mich in seine Richtung; den Blick gesenkt.
„Du siehst mich immer noch nicht an", murmelte Blake leise. Er klang so unglaublich nah, dass ich am liebsten den Kopf heben würde, um sicherzugehen, dass er immer noch an derselben Stelle stand, an der ich ihn zuletzt gesehen hatte.
Plötzlich konnte ich raue Finger an meiner Wange spüren. Eine, von Kerben durchzogene, Handfläche, die sich an meine Haut schmiegte, als würde sie dort hingehören.
Instinktiv zuckte ich zurück und hob irritiert den Blick.
Blake stand so dicht vor mir, dass ich seinen warmen Atem spüren konnte. Ich müsste lediglich das Kinn vorrecken und unsere Gesichter würden sich berühren.
„Was machst du da?", fragte ich mit zittriger Stimme.
Am liebsten würde ich noch einen Schritt zurückweichen. So viel Abstand zwischen mich und ihn bringen, wie nur möglich. Wiederrum wollte ich auch keine Schwäche vor ihm zeigen.
Unschlüssig verharrte ich in meiner Position.
„Was ist los?", entgegnete Blake und ignorierte meine Frage somit gekonnt.
Unruhig ließ ich meine Augen über sein Gesicht wandern. Unsicher, wo ich sie verweilen lassen konnte, ohne dass die Sache unangenehm wurde.
Doch für den Peinlichkeitspegel in dieser Situation war wohl Blake zuständig.
Ohne auf meine eindeutigen Signale zu reagieren, rückte er mir noch weiter an die Pelle und platzierte seine Finger unterhalb meines Kinnes, um es sanft nach oben zu drücken.
„Macy?"
„Was?", stieß ich mit zittriger Stimme hervor.
Ich könnte mich dafür Ohrfeigen, wie eingeschüchtert ich klang. Warum hatte ich mich nicht im Griff?
Blake sollte nicht wissen, wie sehr mich seine Nähe und seine plötzliche Sorge verunsicherten.
„Was ist los?", wiederholte Blake seine Frage leise.
„Du wirfst mich raus. Schon vergessen? Meine fünf Tage sind verstrichen. Ich lebe jetzt auf der Straße. Das ist los!"
Blake neigte den Kopf zur Seite. Seine Finger ließ er überflüssigerweise an meinem Gesicht verweilen, doch ich fand nicht die Kraft, sie abzuschütteln. Im Moment war ich viel zu sehr damit beschäftigt, meine Tränen vom ausbrechen abzuhalten.
Mühsam schluckte ich den dicken Kloß in meinem Hals hinunter.
„Das ist nicht alles", murmelte Blake leise und betrachtete mich eingehend. „Da ist noch etwas."
Ich schüttelte den Kopf. Meine Beine erzitterten unter meinem Gewicht und die Tränen verschleierten mir die Sicht.
Beschämt senkte ich den Blick.
„Ich kann einfach nicht mehr", hauchte ich leise.
Blake drückte erneut mein Gesicht nach oben. Ich wehrte mich mit aller Kraft, die ich noch aufbringen konnte, doch er verstärkte darauf seinen Druck lediglich.
Widerwillig hob ich den Kopf und öffnete den Mund, um Blake zu sagen, dass er mich verdammt nochmal in Ruhe lassen sollte; dass er kein Recht hatte, sich so um mich zu kümmern, wenn er mich davor wie Dreck behandelt hatte.
Doch als ich in sein Gesicht sah, verstummte all der Protest in mir. Wie hypnotisiert erwiderte ich seinen verdunkelten Blick.
Blakes Pupillen weiteten sich etwas und ein leises Knurren entfloh seiner Kehle.
„Ich wusste, dass du nur Ärger bringen würdest."
Und dann küsste er mich. Einfach so.
Hall'öchen!
Ich hab es endlich wieder geschafft, ein weiteres Kapitel zusammenzustellen - Ein kleiner Vorgeschmack für morgen ;)
Ich will nicht zu viel verraten, aber bezüglich 'Irgendwo zwischen Romeo und Julia' gibt es eine kleine Überraschung und evtl. auch ein klitzekleines Extra, was euch als kleine Weihnachtsfreude dienen soll :)
Bis dahin wünsche ich euch einen wunderschönen und erholsamen Sonntag! Und einen schönen vierten Advent! :3
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top