1. Kapitel - Saphira
"Vor hunderten von Jahren wurde im Vietnam durch die Kombination eines sehr seltenen Gendefekts und einer heute zum Glück ausgestorbenen, tödlichen Krankheit ähnlich der Pest der erste Werwolf geschaffen.
In seiner menschlichen Form nicht vom Durchschnittsmenschen zu unterscheiden mischte er sich nach seiner Verwandlung erneut unters Volk, um festzustellen, dass ihm dort etwas fehlte.
Doch auch in seiner tierischen Form, in der ihn niemand, ob Tier oder Mensch, jemals von einem herkömmlichen Wolf hätte unterscheiden können, war er nicht gänzlich glücklich.
Egal ob Mensch oder Wolf, ihm fehlte etwas, was die jeweils andere Form ihm bieten konnte, und so wechselte er regelmäßig seine Erscheinung und somit auch sein Umfeld.
In beiden Erscheinungen bildete er sich ein soziales Umfeld, schloss Freundschaften und gründete eine Familie - und somit zwei gänzlich neue Arten.
Auf der einen Seite die chó sói, welche zunächst wie ganz normale Wolfswelpen wirkten - bis sie ihre Möglichkeit zur Verwandlung in Menschen entdeckten. Stärker nach den Wölfen kommend waren sie schon immer sehr impulsiv, extrem aggressiv und gefühlsgesteuert, sodass sie unter Menschen zu recht häufig als Unruhestifter angesehen wurden. Ihnen fehlte es seit jeher an Anstand und der Fähigkeit, harmonisch mit ihren Mitmenschen bzw. Mitwölfen umzugehen, stattdessen begannen sie sich schon immer sofort wegen jeder Kleinigkeit zu prügeln.
Auf der anderen Seite gab es die dân tộc, welche in ihrer menschlichen Gestalt geboren wurden. Sie kamen eher nach den Menschen, sodass sie sich besser an Situationen anpassen konnten, in emotionalen Situationen einen ruhigeren Kopf bewahrten und allgemein besonnener waren. Durch ihre große Empathie entwickelten sie sich zu einer Gesellschaft aufgebaut auf Werten wie Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Frieden.
Aufgrund ihrer großen Unterschiede und der Ungehobeltheit der chó sói wurde noch zu Lebzeiten des Urwolfs ein Kontaktverbot erwirkt, welches uns vor deren aggressivem Verhalten schützte. Ein Bruch dieses Abkommens wird auf unserer Seite mit dem Ausschluss aus der Gemeinschaft der dân tộc geahndet, welcher das betreffende Mitglied vollkommen schutzlos zurücklassen würde.
Von der Seite der chó sói aus ist eine solche Regelung meines Wissens nach nicht gegeben, stattdessen werden von Zeit zu Zeit Gerüchte laut, ein Abkommensbruch wäre die ultimative Mutprobe, zu welcher durchschnittlich einmal im Jahr ein junger chó sói aufgefordert wird."
"Sehr schön Saphira, wie immer sehr gut und verständlich verfasst. Möchte sonst noch jemand seine Hausaufgaben vorlesen?", fragt die Geschichtslehrerin in die Klasse. "Nein? Gut, dann können wir ja fortfahren..."
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Nach dem Geschichtsunterricht habe ich Schulschluss. Ich gehe sofort von der Schule in unserem Dorf, welches Mitten in einem großen Wald gelegen ist und nur von dân tộcs bewohnt wird, nach Hause zu meiner Familie. Mit Sicherheit wird meine Mutter das Essen schon fast fertig haben, also sollte ich mich beeilen, damit meine Eltern und mein großer Bruder nicht so lange warten müssen.
Als ich die Haustür öffne, rieche ich sofort den wunderbaren Eintopf meiner Mutter. Ich liebe es wenn das ganze Haus nach ihrem Essen riecht, denn ich habe noch nie besseres Essen probiert.
"Hallo Saphira, wie war es in der Schule?" fragt meine Mutter mich während ich noch die Schuhe ausziehe.
"Gut, wie immer. Ich musste heute meinen Geschichtsaufsatz vorlesen, er hat der Lehrerin super gefallen!" strahle ich sie an.
Meine Mutter schmunzelt zurück. "Natürlich hat er ihr gefallen mein Schatz, er war ja auch gut. Auch wenn ich finde dass du ein wenig zu nett mit den chó sói umgesprungen bist..."
"Mama! Es sollte ein sachlicher Aufsatz werden, keine Hetzkampagne. Und ich finde es ist trotzdem sehr deutlich geworden, was man von denen zu halten hat."
"Du hast ja recht. Jetzt komm erstmal essen, dein Bruder und dein Vater sind schon ganz ungeduldig."
Wie immer ist das Essen noch besser als es schon riecht, auch wenn man das nicht für möglich halten sollte. Bin ich froh dass ich als dân tộc so einen guten Stoffwechsel hab; ohne ihn wäre ich vermutlich zwei Tonnen schwerer, so viel, wie ich in mich hineinstopfe.
"Das war mal wieder köstlich, Liebling", lobt mein Vater und drückt ihr einen Kuss auf die Wange während er aufsteht, um den Tisch abzuräumen. Sofort stehe ich mit auf und begebe mich ans spülen, mein Bruder lässt sich Zeit, denn er muss heute nur abtrocknen. Diese drei Aufgaben tauschen wir immer untereinander durch, einerseits, um unserer Mutter für das leckere Essen zu danken, andererseits, um ihr ein wenig Last im Alltag abzunehmen.
Nach dem Spülen schnappe ich mir meine Schultasche und gehe sofort in mein Zimmer. Es gehört sich nunmal für eine dân tộc sich an die Regeln und Normen der Gesellschaft zu halten und immer sein bestes zu geben, und dazu gehört auch und vor allem die Schule. Schlechte Noten werden ungern gesehen und können auch schlimmere Konsequenzen als Nachsitzen und Ärger von den Eltern nach sich ziehen, doch zum Glück ist weder mir noch jemandem den ich kenne jemals so etwas widerfahren.
Für die wenigen Hausaufgaben die ich habe brauche ich nicht lange. Sie sind auch nicht sehr schwer, doch das sind für mich als Klassenbeste die wenigsten. Kaum fertig schnappe ich mir mein Lieblingsbuch, welches ich unter meiner Matratze versteckt halte. Es ist Shakespeares "Romeo und Julia", eines der wenigen rudelfremden Bücher in unserem Dorf.
Die Gemeinschaft der dân tộc ist riesig und über den gesamten Globus verteilt. Zu ihr gehören unter anderem Autoren, Dichter und Philosophen, die meisten unbekannt doch gut; nur die wenigsten leben unter den Menschen, doch diese sind sehr bekannt.
Aus diesem Grund wird es lieber gesehen, wenn wir von dân tộc geschriebene Bücher lesen, doch Romeo und Julia hat einen besonderen Stellenwert für mich. Ich musste die Geschichte erst lieben lernen, denn Anfangs hat sie mir nicht sehr gut gefallen, am wenigsten die Sprache. Doch es gehörte einmal einer guten Freundin von mir, welche jedoch einen großen Fehler begangen hat: sie ließ sich mit einem chó sói ein, das Dümmste was man meiner Meinung nach tun kann. Anfangs schien es als würde es trotz ihres Ausschlusses aus unserem Dorf und der Gemeinschaft der dân tộc gut gehen, und der chó sói sie beschützen, doch kaum zwei Monate später wurde ihre Leiche im Wald gefunden.
Romeo und Julia war ihr Lieblingsbuch, genau die Ausgabe, die ich nun in Händen halte, und ich finde, ihre Geschichte hat selbst leichte Züge von Shakespeares Tragödie. Die Geschehnisse um ihren Tod haben mich ihr Lieblingsbuch lieben gelehrt, und seitdem verstecke ich es in meinem Zimmer.
Zum gefühlt dreimillionsten Mal schlage ich die Geschichte auf und verliere mich zwischen den Zeilen.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Hallo und herzlich willkommen zu meiner neuen Geschichte "About Humans and Wolves - Forbidden Love" ♡
Ich werde in diesem Buch ein wenig versuchen mit Clichées zu spielen, wie beispielsweise der Tatsache, Wölfe seien aggressiv - völliger Mumpitz, das sind sehr friedliche Tiere. Nehmt mir solche Sachen also bitte nicht übel, sie sind bewusst so gewählt, und dienen teilweise zum veranschaulichen der Unterschiede zwischen dân tộc und chó sói.
Ansonsten bleibt mir nur noch übrig euch viel Spaß beim Lesen zu wünschen, vielleicht findet ihr ja auch Gefallen an meiner anderen Story "Rooms" oder meinem "Save the words"-Projekt. Über Kommentare, Meinungen und auch Verbesserungsvorschläge werde ich mich jederzeit freuen, doch seid hiermit gewarnt, dass ich Korrektur-Kommentare nach Ausbessern des Textes löschen werde, da diese für die anderen Leser verwirrend sind.
So, noch einmal viel Spaß, alles Liebe,
Euer Lalilinchen ♥
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top