5. Peter Pan, Gandhi und Heute
Maeve P.o.V.
Eine Frage prangt in meinem Kopf so dominant, so unübersehbar leuchtend und grell auf, dass ich kurz davor bin ihn einfach zu fragen, aber ich beiße mir jedes Mal auf die Unterlippe, um mich daran zu hindern.
Warum vertraue ich dir?
Vertrauen muss man sich erarbeiten, sagt mein Dad.
Vertrauen muss da sein, als Basis für jegliche Art von Beziehung, ob Freundschaft oder Liebespaar, sagt mein Bruder.
Vertrauen ist ein Gefühl, das spürt man einfach. Es ist da, oder nicht, sagt meine Mom.
Pen hat dazu keine Meinung, oder ich habe ihr bisher nicht zugehört, wenn sie davon philosophiert hätte.
Für mich ist Vertrauen ein Gefühl, das sich mit der Zeit entwickelt. Natürlich gibt es am Anfang so etwas ähnliches, aber ich glaube, dass ist die große, sagenumwobene Chemie zwischen Menschen. Das Vertrauen entwickelt sich.
Tja... und jetzt kommt Mace.
Mace, der mich mit einem Blick nach Thailand schickt.
"Okay, gib mir wenigstens einen Tipp.", breche ich schließlich das Schweigen. Nicht, weil es unangenehm ist, sondern weil ich verflucht neugierig bin.
Ich würde lügen, wenn ich sage, ich wäre nicht nervös oder zumindest ein winziges bisschen hibbelig, aber auch eine vollkommen kuriose Weise fühle ich mich sicher, wie in meinem Bett mit meiner warmen Daunendecke in meinem wohligen Zimmer.
Für einen Augenblick gleiten seine Augen zu mir, richten sich aber sofort wieder auf die Straße, ehe er fein seinen Mund verzieht. "Ehm, es hat etwas mit Gandhi zu tun." Mir kommt der Spruch von Gestern in den Sinn... Hat er ihn sich etwa gemerkt?
Fast hätte ich nachgehakt, tiefer graben wollen, aber womöglich hätte ich dann die Überraschung platzen lassen wie einen Luftballon und das wollte ich nicht.
"Was hörst du für Musik?"
Ich fahre nicht, also darf ich ihn ansehen, obwohl es nicht mal nur ansehen ist. Studieren, betrachten, fokussieren, das ist es. Er weckt diesen Instinkt in mir, mehr zu erforschen.
Wieder warf er mir einen flüchtigen Seitenblick zu. Vielleicht bildete ich es mir ein, aber ich könnte schwören, seine Hände umklammerten das Lenkrad ein bisschen fester, seine Schultern spannten sich einen Zentimeter weiter nach hinten, pressten sich regelrecht gegen die Lehne.
Vielleicht.
"Oldies. Michael Jackson, Oasis... die Klassiker eben ..." Sein Zögern deute ich so, dass er nicht weiß, ob er die Frage einfach zurückwerfen kann, ob ich vielleicht einen tieferen Sinn mit ihr erzielen wollte, doch dann fügte er das Small-Talk "Und du?" hinzu.
Meine Lippe schmeckt nach Rockys Labello. Normalerweise neige ich dazu auf meiner Lippe zu kauen, wenn ich grüble, oder einfach aus purer Langeweile. Im Winter stellt sich das jedes Jahr als schadhafte Angewohnheit heraus. So spröde und trocken, dass ich mir Rockys Macke angewöhnen sollte: Immer einen "Lippenpflegestift in seinem hübschen Täschchen haben" -seine Worte, nicht meine.
Jedenfalls vertiefte ich meine Zähne quälend lange, für ihn, in der Honig-Creme-Haut, ehe ich ihm eine Antwort gab. "Klassik und ich habe eine Schwäche für Rock. Ich weiß, zwei Dinge, die überhaupt nicht zusammenpassen "
Unabhängig von unserem Gespräch beschlossen meine Augen die altbekannte Landschaft zu beobachten.
In diesen zähen zwei Jahren habe ich jede erdenkliche Route ausprobiert, die mich mal schneller, mal langsamer nach Covent Garden bringt und mich ziemlich schnell für die Bakerloo-Underground-Linie entschieden. Es gäbe noch District-, Circle oder Central-Line, eine Busverbindung oder Taxi. Fahrrad fahren ist auch schön, aber vor allem im Winter grenzt das an einen Selbstmordversuch oder Folter, wegen des Windes, Schnees (der sowieso von salzstreuenden Arbeitern nieder gestürmt wird) oder den Menschenmassen, die das Wort Rücksicht oder Platz-machen noch nie gehört haben.
Wie Radeln im Winter ist Laufen. Würde ich mich auf einen Marathon vorbereiten wollen, könnte ich die Strecke jedes Mal abklappern oder sogar rennen, obwohl eine Stunde Rennen verdammt anstrengend ist. Andererseits habe ich diese Stunde durch langsames Schlurfen erreicht, deswegen könnten es auch nur vierzig Minuten sein.
So schnell nicht mehr!
Und dann gibt es noch Autofahren. Die eine Sache, die ich mich weigere zu tun.
Erstens, weil ich keins besitze -und nicht vorhabe mein kostbares Geld für eine Rostlaube hinaus zu werfen - und zweitens, wir wohnen in London, wer braucht hier ein Auto, wenn er nicht täglich in die Vororte müsste?
Mein Lieblingsargument gegen Leanne ist immer noch die Umwelt. Hach ja, mit ihr befreundet zu sein ist wie eine herrliche Diskussion an einem schwülen Sommertag. Man will eigentlich weg, aber kann nicht, weil die Sonne so wundervoll herunter sengt, die Haut bräunt und den Vitamin-D-Tank wieder auffüllt.
Möglicherweise spielt auch die Länge unserer Freundschaft eine Rolle, ich kenne sie seit ich drei bin und liebe sie seit ich drei bin. Pen und Zane lieben sie genauso, im Grunde gehörte Leanne vom ersten Augenblick an zur Familie.
Ich drifte ab.
"Klassik und Rock, sowas wie ACDC?" Mace Stimme klingt überrascht und gleichzeitig liegt ein Schatten aus Faszination darüber, die gleiche seltsame Mischung wie mein Musikgeschmack.
Vielleicht hat er auch einfach nur ein buntes Einhorn gesehen, auf dem ein Kobold mit Goldtopf sitzt. Könnte auch sein.
Jeder, der nicht über seine geweiteten Augen oder diese Tonlage schmunzelt ist entweder ein herzloser oder sehr beherrschter Mensch, denn ich kann nicht anders als amüsiert los zu glucksen. Ein Bild für Götter.
"Exakt, Sherlock." Reiner Zufall, dass ich gerade über Sherlock Holmes Meistererzählungen brüte und sie verschlinge, als wäre es Luft.
Noch so ein Seitenblick, doch diesmal steckt er voller Belustigung und irgendeine Art von Charme. Irgendwie... süß...
Rasch leckt er sich hastig über die Oberlippe. "Schau mal ins Handschuhfach." Ein verschwörerischer Unterton. Sherlock Holmes würde die Antwort längst wissen, was sich darin befand, aber ich konnte nur verwirrt mit der Stirn runzeln. Meine Gedanken hingen ironischer Weise noch bei meinem Arbeitsweg, nicht zuletzt, weil Mace haargenau diese Strecke einschlug.
Wie eine Drohne folge ich seiner Aufforderung und beinahe wären sämtliche Plastikhüllen auf die abgewetzte Fußmatte gedonnert, aber nur fast.
Das Fach quillt regelrecht über davon, dass ich nicht anders kann, als zu lachen. "Du weißt schon, dass da normalerweise Betriebsanleitung und das ganze Gedöns reingehört, oder?" Meine Hände suchen flink die Seiten, stemmen sich gegen die CD-Lawine und pressen sie zusammen.
Schulterzucken und ein Grinsen, so frech wie Oskar... "In ein Bücherregal gehören auch Bücher und bei Murph stehen Schuhe drin." Murph, wer ist Murph? Ein Spitzname, als kennt er ihn/sie gut würde ich sagen. Oh je, ... Bücher sind fies, sie färben ab. "Ähm... Murphy ist ein Kumpel von mir, ihm gehört auch das Auto eigentlich."
"Ach, also doch geklaut."
"Ich hab es nie bestritten, aber ich habe es legal geklaut."
"Legal Klauen?" Die Worte zergehen nur schwer auf der Zunge, verharken sich in meinen Zahnrädern.
Mace lacht nur rau und zuckt nochmal mit den Schultern. Was hat er mit seinem Schulterzucken? "Legal klauen." Wie eine Bestätigung, als hätte ich gerade keine Frage gestellt und wäre nicht verdutzt. "Du hast noch fünf Minuten. Such dir ne CD aus, so viel Luxus hat er eingebaut."
Baujahr 1970 würde ich schätzen und verfluche im selben Moment des Gedankens meinen Bruder. Unnötiges Wissen, dass ich nebenbei aufgeschnappt haben muss, als ich ihn damals abgefragt habe. Nicht etwa für die Schule, oder ein Referat, nein, eine dämliche Wette mit Jenkins, wer mehr Modelle von amerikanischen Automarken kennt, seit Anbeginn der Autoszene. Im Grunde war das noch nicht mal das ärgste, sondern der Wetteinsatz: Penelope zu küssen oder die gute alte Slap-Bet, weil Jenkins Pen angegraben hat.
Lange Geschichte...
Seufzend grinse ich und mache mich ans CD-Zerpflücken. Bee Gees, Simon and Garfunkel, CCR und tatsächlich ACDC. "Wie alt ist 'Murphy'?" Ich bezweifle, dass Murphy sein richtiger Name ist. "Zwanzig." Ein spitzbübisches Grinsen. "Seid ihr in der Zeit stehen geblieben?"
Sage ich! Ich, die ACDC und Klassik vergöttert... Ja... ein bisschen widersprüchlich. "Könnte man meinen, aber ich persönlich finde es schwer heute gute Musik zu finden."
"Off-Pop, off-Rap also?"
"Fast."
Es fällt mir einerseits schwer zu glauben, Mace würde nicht am Rap kleben - Eminem, 2Pac oder Travis Scott -, andererseits strahlt er diesen klassischen Charme aus. Klassisch... Ich kann es nicht mal auf seinen Murph schieben, denn offensichtlich ist er auch darin verliebt und noch mehr, es gefällt mir.
"Mein Bruder würde dich mögen."
Zane und ich teilen diese eine Gemeinsamkeit: Musik. Klavier und Rock. Allerdings mag er nur den alten Rock und ist ein besessener Pianist. Ich hingegen höre mich kreuz und quer durch das Rockzeitalter und klimpere nebenbei.
Das wars. Ansonsten ist Zane mein nerviger großer Bruder, der meint, er müsste seine Schwestern verwetten, will sie aber gleichzeitig auch beschützen und streitet liebend gerne mit uns beiden. Fast so gerne wie ich mit Penelope...
"Warum?"
Für einen Moment spiele ich damit, ihn zappeln zu lassen. So wie er vorhin mit den Schultern zu zucken und einfach CCR rein zu schieben, aber dann kribbeln meine Lippen verräterisch. "Er behauptet, dass er allein wegen Pen ausgezogen ist, weil er ihre 'Indie-Pampe-Playlist' nicht mehr erträgt."
"Was?"
Jetzt zucke ich mit den Schultern, grinse verschmitzt und drehe Creedence Clearwater Revival auf.
"I see the bad moon risin'
I see trouble on the way
I see earthquakes and lightnin'
I see bad times today"
Bestmöglich krächze ich mit und ernte dafür ein amüsiertes Grinsen. "Sing mit.", fordere ich, stupse ihn sanft mit dem Ellenbogen an. "Du singst besser." "Feigling." "Hey, ich hör dir nur lieber zu."
"Hmm, sicher. Hab ich dir von meinem sprechenden Hund erzählt?" Todernst lächle ich ihn an und verfolge das Grübeln in seinem Kopf. "Nein, hast du nicht."
"I hear hurricanes a-blowin'
I know the end is comin' soon
I fear rivers overflowin'"
Summend verfolge ich die Landschaft, streng genommen ist es keine Landschaft, sondern Stadt. Langweilige, dunkle Stadt mit ein paar Lichtern. Man würde kaum glauben, dass am Tag alles aus den Nähten platzt, wegen Touristen, Business-Menschen und Spaziergängern.
Das Ding, das große unausgesprochene Ding, sitzt hier auf der Rückbank und ich scheue mich davor es anzusehen. Warum fühle ich mich wohl bei ihm? Warum denke ich nicht darüber nach, was ich von mir gebe, sondern erzähle es ihm, als würde ich mit Leanne reden?
Schwer zu sagen, was Mace umgibt.
Hat er diese unsichtbare Wand gebrochen, als er mich gestern umgerannt hat und seine Augen mich für eine Millisekunde nach Thailand befördert hatten? Oder als seine Klavierhände auf meinem Rücken lagen, seine Fingerspitzen meine Haut durchfluteten, ganz fein, nur minimal, weil mein Top hochgerutscht ist. Oder...?
So viele oder.
So viele Möglichkeiten, warum ich in dieses Auto gestiegen bin, warum ich ihm von Zane erzählt hatte, von der Musik. Musik, die mir die Welt bedeutet, ganz gleich, ob ich das zugeben würde oder nicht.
Mein Blick heftet an Mace. Verstohlen, heimlich, aber ich glaube, er merkt es, auch wenn er nichts sagt, sondern nur selig lächelt und fährt.
Das Muttermal...
Er sieht überdurchschnittlich gut aus. Die braunen Haare, honig-karamell, seine Brad-Pitt-Lippen und die präzisen Knochen, wie ein Rahmen um sein Gesicht... Ein bisschen so, als hätte jemand sich vor den PC geschmissen und an seinem Profil herumgedoktert, ein bisschen Photoshop hier, ein bisschen Retuschieren da und fertig. Aber nicht perfekt, das Muttermal haben sie gelassen und diese winzige Narbe am Auge, einen Zeigefinger-breit davon entfernt und so lang wie der Nagel meines kleinen Fingers. "Weißt du was unfair ist?" Mit einem glimmenden Augenaufschlag lugt er zu mir.
Vielleicht sollte ich ertappt reagieren, rot werden und hastig wegsehen, aber stattdessen erwidere ich dieses Glimmen. "Nein." Er konzentriert sich schon wieder auf die Straße.
Aber ich habe gerade kein Auge mehr dafür.
"Ich kann dich nicht anschauen."
"Deswegen ist Underground auch besser."
Mace nickt langsam, zaghaft, dann stoppt er und ich schaue verwirrt auf. Keine Ampel, nein, wir parken und ich habe es nicht mal bemerkt, bis jetzt. "Hyde Park?" Das ist nicht mal zehn Minuten von mir entfernt.
"Hyde Park."
CCR legte gerade mit Cotton Fields los, als ich wieder nach Thailand entfliehe, hundert von Meilen entfernt am Strand und starre in den Himmel. Cotton Fields, das Lieblingslied von Zane ...
"Gehen wir spazieren?" Ich bin ehrlich überrascht, positiv natürlich.
Ashton hat mich an unserem ersten Date ins Kino ausgeführt, ganz klischeehaft. Er hat mich den Film aussuchen lassen, womöglich nur, weil er wusste, dass ich einen Action-Film nehmen würde. 'Fast and the Furios', jeder ist damals ins Kino gerannt. Jeder wollte Paul Walker und Vin Diesel die Straßen entlang brettern sehen, dementsprechend prall waren die Säle auch gefüllt, dementsprechend war die Luft stickig und dementsprechend unangenehm war es dort. Vor allem als ein ziemlich korpulenter Junge neben mir Platz nahm und seinen schwitzenden Arm über die samtige Armlehne Hängen ließ und schier mein Bein berührte, meine nackte Haut -ich trug einen Jeansrock.
Nicht die besten Erinnerungen, aber das allererste Date und der allererste Kuss. Ashton war auch erfahrener... Aber ich will nicht an Ashton denken.
"Gefällts dir?" Mir fiel erst jetzt auf, dass ich gedankenversunken ins schemenhafte dunkle Grün gestarrt habe. "Ja... ja, natürlich, ich habe nur ... an jemanden gedacht... Ist nicht so wichtig."
Mace zögerte einen Augenblick, bevor er sich zwangsweise damit zufriedengab, vielleicht erzähle ich es ihm später. Erst als ich ihn zuversichtlich anlächle und der Band den Gar ausmache, lächelt er lieb zurück.
Mace P.o.V.
Ich hatte in meinem Leben zwei Beziehungen, die eine hielt die Entfernung nicht aus, die andere war von vornherein zum Scheitern verurteilt, nicht nur weil dieses alberne Kribbeln im Bauch gefehlt hat.
Der Grund, warum mir das in den Sinn kommt, ist, weil ich mir bei keinem einzigen Date dermaßen viele Gedanken gemacht habe wie bei diesem hier. Und es ist noch nicht mal ein Date. Ich meine, vielleicht versuche ich mir das gerade vorzustellen, aber Maeve ist zu besonders, als dass ich das hier mit irgendwas Lächerlichem wie einem Date ruinieren wollte.
Dieses Mädchen, junge Frau, -wie auch immer! - macht mich schlichtweg nervös. Ich frage mich ernsthaft, ob ich sie nicht lieber anschweigen wollen würde, dann könnte ich zumindest keinen Mist brabbeln, aber dagegen lehnt sich die Neugier auf, die Maeve kennen lernen will.
An wen hat sie wohl gedacht? Ihre feine Hand streift über den Türgriff, lässt ihn klicken und sofort streicht kühle Londonnachtluft um die nackten Hautstellen. "Kommst du?"
Das sagt sie häufig zu mir. Gott, ich bin auch begriffsstutzig, aber sie hatte immerhin die Fahrt über Zeit mich anzustarren, ich nicht.
"Klar."
Klar? Als ob ich nichts Besseres weiß, als „Klar". Klar ist so viel wie, ja von mir aus. Ha... Liebend gerne MAEVE. Nichts lieber als das. Irgendwas, aber ich sage 'Klar'. Klar wie Kloßbrühe.
"Sind wir quitt?" Fragend verziehe ich eine Augenbraue und bringe sie damit anscheinend zum Lachen. "Du hast mich jetzt auch gemustert." Oh, ... peinlich? Nein, eigentlich nicht, aber sie macht mich damit hibbelig.
Das ist etwas, dass mir sofort aufgefallen ist, aber nicht so wirklich in mein Bewusstsein gedrungen: ihr Lachen. Maeve zieht ihre Nase und die Wangen kraus, die Augen funkeln eine Sekunde so intensiv wie Sterne, bevor sie einem die Zähne zeigt.
Es ist Aussage genug, wenn ich behaupte, sie mache damit einem Labradorwelpen Konkurrenz.
Unmöglich ihren tiefen Londoner Akzent zu überhören, wenn sie mit einem spricht. "Ich bin gespannt."
Man könnte es als dreist ansehen, dass sie glaubt, das wäre noch nicht die Überraschung, der Hyde-Park und der Spaziergang, aber Maeve hat diesen Röntgenblick, sie weiß, dass dahinter noch etwas steckt.
Und sie hält mich nicht für dumm, was mich wiederum um Zentner erleichtert. Sie hat bemerkt, dass ich ihren Akzent, die Wurzeln hier, wahrgenommen habe. "Bin ich was Besonderes, oder führst du alle deine Damen hier aus?" Ausführen? Sollte ich mehr hineininterpretieren.
Verdammt Maeve, mach es mir doch nicht so schwer.
Wir traben los, sie neben mir, verdächtig nah, dass ich mich beherrschen muss, nicht einfach nach ihrer wunderschönen, weichen Hand zu greifen, die tatenlos herunterhängt, nichtsahnend. Gott, wie gerne...
Deine Damen? Halt! Bezeichnet sie sich indirekt als eine von meinen?
Manchmal ist es sinnvoll nicht mehr zu sehen, als da ist. Es ist schließlich nur eine Perspektive. So ist das mit Worten, mit Songs. Alles eine Sache des Gefühls, der Perspektive. Meine Schwester bringt zum Beispiel 'When you say nothing at all' zum Weinen, einmal, wenn sie traurig ist, einmal, wenn sie überglücklich ist. Sie hört den Schmerz hinter Keatings Stimme und die Freude, die Sehnsucht und Tiefe.
So ist das.
"Denkst du das?" Mein Magen kribbelt vor Spannung. Ich will nicht, dass sie ja sagt. Das wäre so, als würde sie mich eiskalt auf den Boden werfen und lachend davonrennen, teuflisch lachend.
Sie ist glaube ich eins siebzig, oder ein bisschen kleiner, schwer zu sagen, aber ich kann zu ihr schräg hinuntersehen, sie heimlich mustern. Ihre Haare kitzeln den Stoff meiner Jacke. "Nein, denk ich nicht. Ich denke, dass du gut überlegt hast.... Die Sache ist die, wenn man selbst Überraschungen mag oder liebt, dann versinkt man gerne darin, selbst eine zu erschaffen, die magisch ist. Der Haken wiederum, dass die wenigsten Menschen sowas mögen, auch wenn es schön ist."
Maeve zu zuhören, ist wie ein geniales Buch zu lesen, eines von F.S. Fitzgerald vielleicht, man sollte aufhören, sollte nicht so scharf darauf sein, aber es ist viel zu spannend und mitreißend, als dass man es einfach zuklappen könnte. Man ist im Geschehen drin.
"Verstehst du?" Ihre sanfte Stimme schmeichelt um meine Ohren wie eine Feder.
Manche Menschen beherrschen diese Kunst, die wenigsten, aber sie hat sie. Zu erzählen, ohne wie ein ekelhafter Klugscheißer oder sterbenslangweiliger Philosoph zu klingen.
Nicht nur Röntgenblick, sondern auch Tiefgangwerte.
"Ja, ich weiß was du meinst." Weiß ich, meine Familie hasst Überraschungen, meine Jungs hassen sie und jeder erdenkliche Mensch, den ich besser kenne als Hallo und Tschüss.
Vielleicht ist es falsch, das zu wollen, aber es ist in meinem Kopf: Ich würde liebend gerne durch ihre Wellen fahren. Wellen, wie ich es vermutete. Sie sehen so fluffig und leicht aus, wie kupferrote Zuckerwatte.
In gewisser Weise ärgere ich mich darüber, dass ich sie nicht am Tag sehen kann, das würde in Zukunft -sollte sie das wollen, was ich mir unheimlich wünsche- auch kniffelig werden. Ein müßiges Versteckspiel.
Klamm heimlich, wie ein Verbrecherpärchen, lotse ich den Weg.
"Okay, Lieblingslied?"
"Jeans on und Wonderwall."
"Nur eins."
"Hmm, Jeans on. Und deins?"
"Piano Man."
"Wirklich?"
"Ich liebe die Stimme von Billy Joel. Eine Ausnahme."
Das habe ich gemerkt. Maeve überrascht mich jedes Mal.
"David Dundas, oder?"
"Ja."
"So viel hat man nicht mehr von ihm gehört." Ihre Stimme hat diesen neckischen, provokanten Unterton.
"One hit wonder."
Mein Blick fällt wieder auf ihre Hand, aber ich versuche mich krampfhaft an dem wunderschönen Gras, das von Dutzend Touristen platt getrampelt wurde und nun zu regenerieren versucht. "Hast du nur einen Bruder?" Es scheint wie das übliche Geplänkel, belangloses Geplapper, aber auf eine völlige neue Weise hat es mit Maeve nicht die geringste Spur von Anstrengung und Bemühen. Es ist ein simples Kennen lernen, mal tiefer, mal höher, mal Seele, mal Oberfläche.
Maeve grinst frech und mir wird klar, sie kann ein Teufel von Schwester sein, egal wie lieb und süß sie aussieht. "Eine große Schwester." Provokant wackelt sie mit den Augenbrauen. "Zane und ich haben uns immer einen Spaß draus gemacht sie auf den Arm zu nehmen. Aber er hat sich vor fünf Jahren in den Kopf gesetzt zu Ava zu ziehen, naja... Sollen sie glücklich werden, ist ja immer noch in London."
Noch etwas Faszinierendes.
Beinahe wäre sie weiter gegangen, aber jetzt fasse ich nun doch noch nach ihrer Hand und halte sie auf. "Wir sind da." Mit großen Augen wechselt sie von mir zur Statue, im schwachen Mondschein, dämmrigen Laternenlicht, wirkt sie fast ein bisschen bedrohlich. Unsicher löse ich meine Hand wieder, ich habe sie schließlich nur zurückgezogen. Es wäre die Chance gewesen, aber nein, nein ich will sie nicht bedrängen. Schlimm genug, dass ich auf dem Parkplatz auf sie gewartet, fast schon gelauert habe.
"Peter Pan..." Ein feines Murmeln... Ich fühle mich wie ein fünfzehnjähriger Junge bei seinem ersten Date, aber es ist keine DATE. "Bei Peter Pan gibt es keine Zeit, man lebt einfach."
"Ja, aber es gibt trotzdem eine Zukunft und ein Heute."
"Also, wenn ich das gestern nicht zu dir gesagt hätte, dann wären wir heute nicht hier?"
Ich nicke, obwohl sie die Statue betrachtet, als hätte sie das noch nie. Mein Gefühl flüstert mir allerdings das Gegenteil zu. Ich schlucke..., dann schiele ich letztlich doch zu ihrer Hand. Diese leblose, strahlende Hand. Sie ist kalt, aber Maeve scheint nicht zu frieren, sonst hätte sie etwas gesagt, das weiß ich. Maeve ist 'Off-Klischee' wie keine zweite und trotzdem zwinge ich sie schon zum unzähligsten Mal in eines rein.
Schüchterner Junge tastet nach der Hand des Mädchens und streift so fein über die Haut, als wäre es hauchdünnes Glas, dass beim Bloßen ansehen brechen könnte, bis er schließlich den Mumm hat und die Fingerspitzen um ihre Hand knickt.
Allerdings bin ich eigentlich nicht schüchtern und ich streiche auch nicht über zerbrechliches Glas, sondern fahre behutsam darüber, als Maeve selbst, ihre Finger wie ein Kamm durch meine schlingt.
Stumm starren wir Peter Pan an und ich habe absolut keinen Schimmer, was das mit Maeve ist, aber ich weiß, ich will mit ihr am liebsten ins Nimmerland.
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Holà,
Leanne...
Der Name kommt noch öfter. 😏
Kennt ihr die Peter Pan Statue? Wart ihr schon mal in London?
--> Ja und Ja.
XOXO
eure Maggie 🧡
Ps. Meine Instagram-Seite: @sxmelittlestories 😇
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