4. Hello again
Neuer Tag, neues Glück, neue Menschen.
Gleiche Klamotten, gleicher Platz, gleiches Prozedere.
Samstag und ich werden wohl nicht mehr warm. Vielleicht, wenn ich älter bin und aufhöre samstags wie eine Blöde zu schutteln, um meinen Geldbeutel zu füllen.
Noch sitze ich an dem schwarzen Flügel in unserem Wohnzimmer und lasse meine Finger über die glänzend weißen Tasten fliegen, manchmal eine pechschwarze. Ich frage mich wie lang Pen sich das gefallen lässt, bevor sie wie eine Furie mit ihren unbequemen Lockenwicklern -wohl bemerkt, kunterbunt - hier unten stehen wird und mich ankreischt, was mir denn schon wieder einfällt um acht Uhr morgens Klavier zu spielen.
Ganz ehrlich? Die Ruhe vor dem Sturm.
Das exzessive Klavierspielen überlasse ich lieber meinem Bruder. Sie kann sich glücklich schätzen, dass er ein Langschläfer -wie sie- war, bevor er ausgezogen ist. Womöglich hätte sie es sonst von Grund auf verhindert, dass ich überhaupt in die Nähe des schwarzen Zauberkastens kam.
Aber wie es das Leben will sitze ich nun doch hier und versuche meine Nerven schon von vorn herein zu entspannen, die Knoten zu lösen, um dumme Kommentare oder fiese Blicke im Laden zu ertragen. Ich bin schließlich nur die ungebildete Verkäuferin, was eigentlich kompletter Mist ist, aber das interessiert letztlich sowieso keinen, also ignoriere es. Doch auch das Ignorieren kennt seine Grenzen, meine Nerven sind irgendwann verzwirbelt, dass ich mich nur noch mühsam in die Schranken weisen kann - eine Rarität, zum Glück.
Mum ist schon im Krankenhaus, Dad im Büro oder mit Kunden im Konferenzraum C oder auch D, das weiß man nie so genau, sagt Jimmy am Telefon.
Pen, eigentlich mag sie lieber Penny oder Lo (also wie Low), aber auch das ignoriere ich. Seit ich denken kann nennen ich sie Pen, ihre blond-gefärbten Haare erinnern mich an die Nudeln - Penne -. Okay, den Vergleich hasst Pen, aber sie hat sich daran gewöhnt und ich glaube, wenn ich von heute auf morgen damit aufhören würde, würde etwas bei ihr fehlen.
Ich denke schon wieder zu viel nach. Eigentlich will ich meinen Kopf abschalten.
Schwer, mit dieser Familie, aber ich liebe sie. Pen auch, Pen ist schließlich meine Schwester. Meine nervige, große Schwester, deren Schritte ich schon poltern höre. Super!
"Mae... Warum?" Heute kein wütendes Gezeter, sondern viel mehr ein flehendes Klagen, warum ich nicht 'normal' sein kann.
Mit normal meint sie, warum ich -auch wenn wir Sonntag oder Ferien haben- freiwillig früh aufstehe und allgemein ein Morgenmensch bin.
...
"H-Hey..." Meine Zunge fühlt sich an, als hätte man Holz darauf gesägt und die Späne darauf gelassen, mit Absicht.
Es ist irgendwie magisch und ich kann nicht wegsehen, so sehr ich mich auch bemühe. Ich hasse diesen Kitsch und ich hasse es hier im feinen Schneeflockenregen zu stehen und ihn nicht nicht ansehen zu können. Seine Augen sind nahe genug, dass sich das Blau in mein Gedächtnis frisst wie Säure, Zuckersäure.
Bedächtig, als könnte er mich mit einer einfachen Bewegung verscheuchen, tritt er auf mich zu und legt den Kopf, diesen Wuschellocken-Kopf, minimal schräg, so, dass man meint, es wäre unabsichtlich. "Hey." Ein freches Grinsen umspielt seine Lippen, die hervorstechen, wie mit Neonfarbe nachgezogen. "Du hast gesagt ich soll mir was einfallen lassen."
Beinahe hätte ich laut aufgeschrien, vor Dankbarkeit, meine Stimme und mein Geist kehrte zurück. Gekonnt kontere ich das Grinsen. Man muss nur mindestens genauso frech, wenn nicht sogar noch ein wenig spitzbübischer zurück funkeln. "Ich glaube nicht, dass ich damit gemeint habe, dass du hier auf mich wartest." Abwartend verziehe ich eine Augenbraue, ehe ich rasch weiter plappere. "Was hättest du gemacht, wenn ich einen anderen Ausgang genommen hätte oder jetzt schon etwas vorhabe?"
"Erstens, du hast gesagt es gibt keinen Hinterausgang und zweitens, hast du?"
Ertappt schüttle ich meinen Kopf und beiße mir auf die Unterlippe. Er ist gut, verdammt gut. "Also."
"Aber was, wenn doch?" Ich beharre auf eine Antwort. Es interessiert mich schlichtweg. Dieser Junge, Mace, fasziniert mich auf eine seltsame Art und Weise.
Er ist so durch den Wind und gleichzeitig beherrscht er seine Mimik, Gestik und den ganzen Körper so präzise, dass er das Schieflegen seines Kopfes um vier Grad zufällig und natürlich aussehen lassen kann. Seltsam, dass mir das aufgefallen ist, aber seine Augen waren viel zu konzentriert auf mich, meine Bewegungen, als dass er nicht auch auf seine eigenen achten würde.
Immer noch dieses charmante Grinsen. "Dann hätte ich lange warten müssen." "Du bist verrückt." Eine simple Aussage, die er mit einem simplen Hin-und-Her-Wippen quittiert. "Schon möglich. Aber ich musste die roten Haare nochmal sehen."
Wirklich clever, mich zum Lachen zu bringen. "Oh, nur wegen meiner Haare, okay, okay. Ich nehm das nicht persönlich. Du kannst auch gerne zu meiner Mom, die hat die gleichen Haare."
"Echt? Wow, okay, wo wohnst du? Ich muss sie kennenlernen. Es geht um Haare."
Die Schneeflocken tanzen derweil immer reger und fröhlicher um uns, ruhe auf meiner Nase und schmelzen. "Okay... Was ist dein Plan?"
"Muss man immer einen Plan haben?"
Sanft wiege ich den Kopf nach links, nach rechts und bemerke, mein gesamter Körper wiegt mit, während ich seinem weichen Blick standhalte. "Pläne halten uns davon ab durchzudrehen. Stundenplan, Speiseplan, Trainingsplan..."
Noch ein Schritt auf mich zu. Jetzt ist er nur noch eine halbe Armlänge, meiner Ärmchen, entfernt, mustert mich interessiert. "Planst du alles?" Er klingt überrascht, hatte er mich etwa anders eingeschätzt? "Nein, meine Mutter sagt das nur sehr gerne, sie ist Ärztin."
"Ärzte haben ja meistens recht, aber Pläne sind scheiße. Ich finde man sollte manchmal einfach planlos umherziehen, kommst du mit?" So warm, so vertraut und doch komplett absurd.
Unsicher wiege ich weiter, behutsamer. Er klopft auf sein Bein, er ist nervös würde ich sagen. "Zu einem Fremden ins Auto steigen?" Mein Blick driftet an ihm vorbei auf das schemenhafte Auto im Laternenlicht, abgewracktes metallic-blau, vielleicht ein alter Mustang oder Chevrolet.
So genau lässt sich das von hier nicht sagen, aber ich merke nicht zum ersten Mal, dass Zanes Auto-Wahn für eine vage Einschätzung äußerst hilfreich war.
"In das da? Frisch geklaut?" Ich ziehe ihn auf, aber seine Augen flackern eine Sekunde unruhig, als wäre es ihm unangenehm. Vor diesem Moment hätte ich ihn nie so eingeschätzt, dass ihn das stört, was ich über das Auto sage, aber jetzt... Das coole Getue, die Sprüche, vielleicht ist das alles Fassade?
Dennoch grinst er mich schelmisch an, aber das Flackern vergesse ich deswegen nicht. "Kann man so sagen." Er würde kein Auto klauen, da bin ich mir sicher... Also nicke ich, weiche seinem Blick aus und fokussiere nochmal das, was ein Auto sein will. "Und was, wenn ich keine Bad Boys mag?"
Ohne irgendeinen offensichtlichen Grund, oder Zeichen -die ich gesehen hätte-, greift er aus dem Nichts heraus nach meiner Hand. Einfach so!
Groß, warm und mit vielen kleinen Rillen.
Prompt muss ich an mein Klavier denken. Lauter Taste, jede macht einen anderen Klang, ein bisschen so wie mit den Händen. Jede Hand ist anders. Seine ist groß und warm.
Mein Ausdruck schwankt zwischen skeptischer Überraschung und offener Belustigung, vielleicht auch ein bisschen Anerkennung. Er ist mutig. "Dann hast du noch nicht Bad Boys mit Will Smith gesehen. Der Typ sorgt dafür, dass es überhaupt erst welche gibt."
Tatsache!
Was Bad Boys angeht bin ich wirklich eine Jungfrau. Kann ein Film wirklich Bad Boys heißen? Das ist doch schon wieder so Klischee. Andererseits, Jungs schauen diesen Film offenbar an, also keine Action-Schnulze.
Sanft, aber entschlossen, zieht er mich vorsichtig in Richtung Auto. Ich weiß, vermutlich sollte ich anfangen zu schreien oder weglaufen, ich kenne Mace nicht wirklich, aber es ist wie mit einem Elektro-Zaun.
Seine große, warme Hand sendet so viele kleine Einsen und Nullen aus, dass sie an meiner kleben bleibt, vielleicht klebt meine auch an seiner, wer weiß.
Jedenfalls muss ich grinsen. Irgendwie grinse ich dauernd bei ihm. Furchtbar, als wäre ich sieben und auf einem wahnsinnig tollem Kindergeburtstag, von dem mich meine Eltern später wegzerren müssen.
"Warum tust du das?"
Worte, die klingen, als hätte ich aus Versehen laut gedacht, aber nein. Sie waren bewusst. Ich verstehe es nicht.
Vor der Beifahrertür, mit dem abgewetzten, grauen Griff, stoppt er und studiert mich fast schon. "Ich weiß nicht."
"Machst du das mit jedem Mädchen, dass du triffst?" Es soll wie ein Scherz klingen, aber dafür sind meine Worte zu scharf.
Es ist wie in den Bergen, an einem schlechten Tag. Man steht auf seinen Skiern, hörte ein Rascheln, Rauschen und Grollen, und wartet auf die Lawine, die herunter prasseln wird. Vielleicht kommst du davon, vielleicht überflutet sie dich, wer weiß...
Die gesamte Situation hier ist dermaßen merkwürdig, wenn man sich das genauer durch den Kopf gehen lässt, nichts desto trotz, tue ich rein gar nichts, um mich daraus zu befreien oder sie zu ändern. "Ich bin nicht gut im Mädchen kennenlernen..." Er drückt meine Hand kurz, bevor ich, verwundert darüber, dass ich sie ihm noch nicht entzogen habe, zu ihm aufsehe. "... und ich bin eigentlich kein Bad Boy."
DAS! Ich glaube, es ist das. Sein Humor, seine Sicherheit und Unsicherheit zugleich. Vermutlich fasziniert mich das an ihm. Mace strahlt diesen riesigen Berg an Zuversicht und Selbstbewusstsein aus, lässt aber manchmal einen Quellfluss aus Nervosität und Zögern zu. Genau genommen sind das zwei Dinge, die absolut nicht zusammenpassen, wie Pen und früh aufstehen oder Plastik in der Papiertonne.
Und er bringt mich zum Lächeln, zum Lachen, zum Grinsen, das alles in nicht mal zwei Tagen.
Ganz der Gentlemen öffnet er mir die Türe, nicht bedrängend oder fordernd, sondern mit einem feinen Lächeln, großen blauen Augen und einem warmen Händedruck. Himmel, diese Hand...
***
P.o.V. Mace
Ihre Haut ist so weich wie der Flaum von Enten. Jede winzige Bewegung ihrer Finger erinnert mich daran, als ich über Murphys Küken gestrichen habe. Murphy... Der verrückte Junge vom Land, der jetzt mit mir auf der Bühne steht... Oh je.
Maeves grüne Augen besitzen mich regelrecht. Ich weiß auch nicht, ich kann einfach nicht wegsehen. Egal wie sehr ich das will, sie... sie hat sowas wie Sekundenkleber.
Sie kennt mich nicht.
"Okay." Nur dieses einzige Wort veranlasst mich, zu grinsen wie ein Vollidiot, als ich die Türe zu klappe und selbst auf der anderen Seite hineinspringe. Fast könnte man meinen sie hätte ein Parfüm herausgeholt und rasch damit herum gesprüht, aber zum einen duftete es hier nicht nach irgendeinem überteuerten Parfüm, sondern nach Pfirsich und zum anderen war das alles andere als penetrant. Ein feiner Geruch, den man stundenlang genießen konnte.
Geklaut! Sie ist lustig... Ein alter Scheunenschatz ist das, ebenfalls von Murphys, und unser einziges Auto.
Heimlich schiele ich zu Maeve. Sie sieht so... Maeve aus. Ich weiß gar nicht, wie man das beschreiben kann. Von sämtlichen Models, Sängerinnen und Mädchen, die ich bisher gesehen und getroffen habe, hat nur Maeve diese... diese Aura. Ein anderes Wort würde mir dafür nicht einfallen.
"Was machen wir?" Ihre Zweifel vorhin sind nicht einfach an mir vorbeigezogen. Natürlich habe ich dieses Zögern und Nachdenken bemerkt, aber so weit sind wir nicht, glaube ich. Ich grinse sie an, ihre Augen... selbst mit so wenig Licht leuchten sie wie ein Weihnachtsbaum. "Lass dich überraschen."
Hoffentlich würde es ihr gefallen. Ich habe mir den verfluchten Tag über meinen Kopf zerbrochen, wo ich mit ihr hinwollte, denn ihre Worte geisterten nach wie vor in meinem Kopf herum: Die Zukunft hängt von dem ab, was wir heute tun... Es sollte etwas sein, das Bedeutung hatte. Ich weiß nicht, wieso ich so versessen darauf war, sie zu beeindrucken, ihr zu zeigen, dass ich ihr zuhörte und aufmerksam war. Maeve ist einfach anders.
Einem Moment lang fühlte ich die Angst in meinem Magen aufkeimen. Sie musterte mich nur schlicht, ohne eine andere Rührung.
Sie mag keine Überraschungen. Wer mag die schon, außer mir...
Doch plötzlich, plötzlich schimmerten ihre Augen, es strömte zu ihrem Mund, der sich zu einem strahlenden Lächeln verzog -vielleicht kam es auch mir nur strahlend vor und war eigentlich ein feines, gespanntes Grinsen, wer weiß... "Ich mag Überraschungen."
"Aber nur die guten."
"Ja... Also gib dir Mühe."
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Eure Lieblingsband? (oder eine von euren Lieblingen?)
--> Absoluter Fan: Kings of Leon und Oasis🎧🎶
XOXO <3
eure Maggie 🌹
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