27. Die EINE Sache

Mace P.o.V.

„Leanne, was willst du tun?" Meine Stimme klingt naiv und strotzt gleichzeitig vor Wissen. Ich werde sie nicht erpressen oder mit Hinterlist überzeugen, Maeve nichts zu erzählen, aber gegen pure Logik kann sie nichts.

Sie funkelt mich provokant an und kommt wieder einen Schritt auf mich zu, nahe genug, um Eindruck zu schinden. „Was ich tun will? Ich will Maeve nicht anlügen müssen, wegen einem Arschloch wie dir. Wie kannst du eigentlich schlafen? Sie liebt dich, wirklich und nachdem du über Ashton bescheid weißt... du machst einfach weiter, das ist das gleiche, wenn nicht sogar schlimmer, kapierst du das oder bist du so ein Psycho?"

Selbst schuld, würde meine Schwester mir jetzt an den Kopf werfen.

Die zehn Minuten zuvor waren geprägt von zähem Schweigen und meinem kläglichen Versuch ihr zu erklären warum.

Um ehrlich zu sein glaube ich sogar, Leanne versteht meine Beweggründe und ich bin mir sicher, sie hätte es genauso gemacht, aber darum geht es nicht, sondern um Maeve.

Der Punkt ist nicht Warum, es ist das Lügen. Maeve und sie lügen sich nicht an, nicht eine Sekunde und das was ich indirekt von ihr Verlange, ist lügen.

„Kann ich nicht. Ich kann nicht mehr gescheit schlafen, weil ich Angst habe. Ich will Maeve nicht verlieren und egal, ob ich es ihr jetzt erzähle oder es irgendwann rauskommt, ich werde es tun."

Für eine Sekunde flackert in ihren blauen Augen Verständnis, aber das weicht dem Donnern. Ihre Lippen sind fest aufeinandergepresst, als habe sie vor sich selbst Angst, die Beherrschung zu verlieren und mich zu boxen.

Einen kleinen Spalt breit öffnen sie sich, gerade genug, um Luft zu holen. „Und Maeve? Denkst du an sie?" Ich bin heilfroh, dass wir uns in einer Seitenstraße befinden. Vielleicht sollte ich ihr dankbar sein, dass sie von der Parkbank aufgesprungen ist und hier rüber geflüchtet, mit den Worten „Ich kann das echt nicht." Zumindest beachtet uns keiner.

„Denkst du nur eine Sekunde an sie? Für DICH ist das kein Unterschied, ob es jetzt oder irgendwann rauskommt oder wie, aber für sie ist das entscheidend. Wenn ich ihr das erzähle, dann ist es Verrat, dann wird sie keinem mehr vertrauen. Findet sie es so raus, muss ich sie anlügen, es nicht gewusst zu haben und sie wird dich abgrundtief hassen. Und wenn du ihr das jetzt beichtest, dann gibt es da eine kleine Chance, dass sie weiterhin an das Gute in den Menschen glaubt.

Es geht nicht um dich, Mace. Es geht um sie und das kapierst du nicht."

Mit einem verzweifelten Seufzer fährt sie sich durch die lange dunkelblonde Mähne, bis in die Spitzen und lässt die Hand wieder sinken.

Sie weicht meinem Blick aus, aber es ist zu spät, ich habe das Glänzen bemerkt und mir geht es genauso.

„Glaub mir... Ich denke an nichts anderes. Am Anfang ging es um mich, aber jetzt nicht nur. Ich liebe sie, ehrlich und ich hasse mich für das was ich tue." Ich starre meine Schuhspitze an und lache halb hysterisch wie meine Schwester, kurz bevor sie ausrastet oder in Tränen ausbricht. „Max hat gesagt, der Punkt, an dem nichts mehr passiert, ist längst vorbei."

Ein Hupen reißt mich aus meinen Gedanken. Was wollte ich sagen? Wieso müssen Menschen hupen?!

„Mace?"

„Sorry. Ich... egal was ich tue, es läuft auf das Gleiche hinaus. Das wissen wir beide."

Schweigen, das sich anfühlt wie tausend kleine Messerstiche. „Und was ist dein Plan?" Ihre Stimme bricht gegen Ende.

Von all dem, was Maeve mir über Leanne erzählt hat, habe ich mir ein Bild gebastelt. Eine starke, verrückte, junge Frau, voller Flausen im Kopf. Wenn man sie näher kennt, dann wird sie wach und munter, ansonsten kann sie etwas ruhiger sein, aber auf keinen Fall schüchtern. Sie mag Diskussionen und Verschwörungen, aber sie liebt Wissenschaft.

Niemals hätte ich erwartet, dass ihr eine Lüge so unmenschlich an die Knochen geht und zum Weinen bringt. Ich habe mit blanker Wut, mit androhen von Zane oder sonst wem gerechnet, aber nicht damit, dass sie weint.

Und wenn ich ehrlich bin, mir wäre alles andere lieber gewesen...

Sie nimmt mein Schulterzucken nicht wahr, genauso wenig wie ich alles, was sie gerade tut oder auch nicht, denn wir können einander nicht ansehen.

„Ich will dich nicht in diese Lage bringen, Leanne." Ich schlucke. „Aber ich werde ihr nichts sagen, noch nicht, vielleicht geht es noch zwei Monate, zwei Tage oder zwei Jahre gut, wer weiß. Vielleicht merken wir in einem halben Jahr, das wir nicht zusammenpassen, aber ich WILL sie jetzt noch nicht verlieren, nicht, wenn es nicht sein muss." Atmen. „Aber, wenn du nicht damit leben kannst, dann erzählt es ihr, ich werde nicht sagen, dass du es länger wusstest."

Fraglich, ob das von mir nun elegant und fair – relativ gesehen – oder komplett egoistisch und schwachsinnig ist, aber so fühle ich gerade.

Und ich fühle noch mehr, ich glaube nicht daran, dass Maeve und ich merken, wie schlecht wir zueinander passen. Mit Maeve ist eine Zukunft in Sicht, für mich.

Nach endlosen Sekunden raffe ich mich endlich auf ihr in die Augen zu sehen, doch sie scheint noch nicht bereit. Ihre Hand fährt über ihre Wangen, dann hebt sie den Kopf.

Ihre Augen sind ein einziger Wolkenbruch, um es an Maeves Gewitterblau-Beschreibung anzupassen.

„Du bist ein riesengroßes Arschloch, Mace und ich hasse dich, aber leider liebt sie dich und leider liebst du sie so sehr, dass ich das merke und mich vermutlich selbst hassen würde, wenn ich euch auseinanderreiße."

Zwei Wochen, zwei verdammte Wochen Januar und ich wische mir allen Ernstes eine Träne aus dem Augenwinkel, verdammt ich bin ein Weichei, aber was solls. Leanne weint auch.

„Ich weiß."

„Geh! Ich komm klar und überleg mir was. Komm ja nicht auf die Idee ihr noch irgendwas anderes anzutun und wehe du lügst richtig."

Am liebsten würde ich ihr um den Hals fallen, aber ich kann mich beherrschen, hebe den Kopf und stehle mich mit einem genuschelten „Danke" davon.

Die Sonne prallt strahlend, wie im Sommer, herunter und ich setze meine Sonnenbrille auf, ziehe die Kapuze ein bisschen tiefer und senke den Blick. In diesen Momenten wünsche ich mir ein normales Leben.

Ein Leben ohne Gefahr erkannt zu werden oder eines, in dem ich einfach auf die Straße gehen kann, in einen Park und mich nicht abmühen muss unter dem Stoff auf meinen Weg zu achten.

***

Maeve P.o.V.

„Oh... ich komm einfach nicht klar. ¡Qué traidor! Amo a Hannah, pero esta acción es mala."

Eine Sache, die ich unheimlich an Maria bewundere, sie kann sich so herrlich über Serien oder Filme aufregen, über Ungerechtigkeit und all die kleinen Dinge, über die andere höchstens schnauben.

Wir haben bis vor einer Stunde Mathe gelernt, mehr schlecht als recht, aber immerhin kann ich jetzt Cloudys böse Aufgaben rechnen, dank Maria und Anni. „Sie hat es ja nicht böse gemeint."

Jedenfalls hängen wir jetzt unten auf der Couch, bei mir zuhause, und genießen Hannah Montana. Kinderserie, wissen wir, aber auf eine seltsame Art und Weise lieben wir sie, vor allem den Film.

Maria schnappt empört nach Luft, dann nach dem Kissen und pfeffert es Leanne ins Gesicht. „Ich fass es nicht, dass du sie verstehst."

„Sie wollte nur das Beste für Lilly.", schlage ich mich auf Annis Seite.

„Aber sie hat ihr nichts davon gesagt, beste Freunde tun das nicht, meine Lieben."

„Können wir vielleicht einfach weiterschauen?" Sowohl Maria wie ich, starren abrupt Anni an.

Wenn wir mit Maria einen Film anschauen müssen wir vermutlich öfter zurückspulen oder Pause drücken, als normale Menschen bei dreißig Filmen. Anni und ich hatten nie ein Problem damit, im Gegenteil manchmal ist es sogar besser als der Film selbst. Es ist köstlich sich mit Maria über die Aufreger auszulassen. Anstrengend, ja, aber ich würde es immer wieder tun.

Mit einem Schulterzucken von Maria, konzentrieren wir uns wieder auf Hannah, also Miley, und Lilly, aber nicht ohne, dass Maria mir einen verwunderten Blick schenkt. Komisch.

„Ich würde Miley Cyrus nur zu gerne mal treffen. Die Frau ist der Hammer."

„Sicher und die Skandale ganz großes Kino?"

„Ja, was zweifelst du daran. Man wird doch nicht ohne Skandale berühmt." Maria und ich grinsen uns an. „Ich glaub, wenn du in Hollywood bist, dann ist dir Miley egal, weil es bei dir sowieso nur den einzig wahren Keanu gibt."

Ihre Augen beginnen zu strahlen. Faszinierend, wie sie diesen Mann nur so unendlich vergöttern kann. Er ist gut dreißig Jahre älter als sie und verheiratet. Ohne böse zu sein, aber seine besten Jahre hat er womöglich auch schon hinter sich. Doch das alles scheint an Maria völlig vorbei zu gehen.

„Was habt ihr heute eigentlich gemacht?"

Gespannt mustere ich die beiden und natürlich beginnt Maria. „Nicht gearbeitet wie du. Netflix hat soo viele Serien..." Monster.

Ich schenke ihr einen wunderschönen 'Du-Kannst-mich-mal-Blick' und richte meine Augen neugierig auf Leanne. Sie wirkt irgendwie angespannt, dabei hatte ich das Gefühl, als würde es zwischen uns langsam wieder normal werden.

„Ich musste auf die Kleinen aufpassen." Sie leckt sich hastig über die Lippen. „Anstrengend..."

„Oh ja, stimmt, wie geht's meiner Amb?"

„Gut, gut, sie hustet nur noch ein bisschen."

Genau das meine ich...

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Kurzes Kapitel, aber was sagt ihr?

XOXO

eure Maggie <3

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