24. Du und ich

Maeve P.o.V.

„Lass mich in Frieden."

Ich muss leicht lachen. Mace Gesicht ist an meinem Hals zwischen unzähligen Haaren vergraben und er hält mich fest wie einen Teddybär.

„Ich dachte du wärst kein Morgenmuffel!", necke ich ihn und fahre mit meinen Fingern durch seine Haare. Ein Seufzer. „Vielleicht bist du auch nur ein verlorener Foltergott."

„Ich?"

„Ja, du. Jetzt sei still. Lass mich doch einfach schlafen." Es ist unmöglich bei seinem Gejammer nicht zu lachen oder zumindest zu glucksen. „Du kannst auch gerne allein schlafen.", entgegne ich ihm gespielt erwachsen und versuche mich zur Seite davon zurollen, aber keine Chance. Mace Griff ist viel zu stark.

Triumphierend, dass er seine Augen endlich aufgeschlagen hat, klimpere ich mit meinen Wimpern. Dieses Gefühl hält allerdings nur einen Wimpernschlag, denn Mace morgendliches Aussehen... Die Kringellocken in seinem Gesicht, das herausfordernde Funkeln, keine Menschenseele würde davon unberührt bleiben.

„Gerne... Ich würde jetzt gerne ganz andere Dinge tun, wenn wir schon wach sind..."

***

„Mace?"

Ich fühle mich ein bisschen wie in einem schlechten Film. Oder viel mehr in einem, in dem man sämtliche schnulzig-schmalzige Szenen aus den tausend existierenden Liebesfilmen zusammengeschnitten hat.

Einerseits ekelhaft und veranlasst mich dazu, mit dem Gedanken zu spielen, von hier einfach abzuhauen, andererseits... es ist irgendwie auf eine schräge Art und Weise unheimlich süß.

Keine Antwort.

Ehrlich gesagt unternehme ich auch nichts, um dem Klischee auszuweichen, denn ich klammere mit meinem Arm die Bettdecke ein, um meine Nacktheit zu überdecken und sitze senkrecht ihm Bett, verwirrt von allem und auf der Suche nach meinem Freund.

Ich fasse es nicht, dass ich wieder eingeschlafen bin. Eigentlich wollte ich vorhin spazieren gehen, es war acht Uhr und die Morgendämmerung hat eingesetzt.

Stattdessen bin ich jetzt hier und Mace... Weiß der Geier wo.

Ergeben seufze ich und will mich gerade zurückfallen lassen, als mich die Aussicht regelrecht in einen Bann zieht.

Mace gehört der Dachstuhl.

Alles auf einmal zu verarbeiten war gestern unmöglich, aber es fiel mir tausendmal leichter, nach Mace „Klavierstunde". Wir sahen aus wie zurückkehrende Astronauten nach einem Jahr auf der ISS.

Donna und Cooper haben mich schlichtweg an meine Eltern erinnert. Warme, herzliche Menschen, die das Siezen anscheinend verabscheuen, weil sie es im Beruf schon viel zu oft um die Ohren geschleudert bekommen.

Ich weiß immer noch nicht genau, was mich gestern getroffen hat aber nicht zum ersten Mal habe ich festgestellt, wie nützlich Serien sind.

Bei Suits gibt es Donna. Eine Frau mit denselben flammend roten Haaren wie ich, und einem Charakter zum Sterben. Wenn jemand den Titel „Taffe Frau" verdient, dann sie. Und genau so ist Mace Mutter, nur mit karamellbraunem Haar und Locken. Es ist zwar gefärbt, aber es hat exakt dieselbe Nunance wie Mace Lockenkopf.

Ihr Beruf: Künstlerin beziehungsweise Agentin. Donna ist unheimlich erfolgreich in dem was sie tut, das habe ich nach dem ersten längeren Gespräch mit ihr festgestellt.

Cooper erinnert mich an Ted aus How i met your mother. Ein Träumer, wie sein Sohn, der seine Frau mit jedem Blick eine Liebeserklärung macht, ob absichtlich oder versehentlich ist fraglich, aber ich habe selten so etwas Schönes gesehen. Außerdem hat er diese wundervollen blauen Augen, wie Mace und Grace.

Insgesamt war dieser ganze Abend von vom ersten Augenblick an mit Erflog gekürt. Spätestens al Donna ihre Deutschkünste ausgepackt hat. Sie hat bis sie zwanzig war in Deutschland gewohnt und ist schließlich mit Cooper vollkommen nach England gezogen. Ich habe seit langem nicht mehr so viel gelacht.

Vor allem als Grace und Mace miteingestiegen sind und mich angestiftet haben es ebenfalls zu versuchen. Ich habe jämmerlich versagt. Es klang mehr wie eine Krähe, als eine Sprache.

Und jetzt genieße ich den schier traumhaftesten Ausblick. Ich wüsste nicht, wie man so etwas noch toppen möchte. Das Dach ist von innen mit Holz verkleidet und genau für die Breite des Bettes angepasst ist eine Fensterwand eingebaut. Schräg über das Dach und den Stock herunter. Der Blick ist perfekt auf den See und die Bäume gerichtet.

Schweren Herzens trenne ich mich davon und schäle mich aus dem Bett, indem ich mir Mace Shirt kralle und überstreife. Meine Größe macht sich spätestens jetzt bemerkbar, denn es könnte glatt als Minikleid durchgehen. Barfuß tipple ich über das dunkle Parkett und stocke einen Moment vor dem Spiegel.

Ich strahle mich selbst an. Meine Haare sind ein einziges Vogelnest, das man in die Länge gezogen hat, aber immerhin nicht fettig.

Positiv denken.

Mit Unterwäsche, aber immer noch nackten Füßen stakse ich lautlos nach unten. Nicht aus Rücksicht, die Mates sind früh los in die Stadt, um bei Mace Großeltern vorbeizuschauen, ob alles fit ist.

Der Geruch von Pancakes schlägt mir auf halbem Weg entgegen und ich kann immer noch nicht glauben, dass das hier kein Film ist. Es hat etwas von Maid in Manhattan und Love Rosie.

Ich sollte Mace dringend fragen, ob er das alles plant.

Selbst als ich im Türbogen der Küche Schrägstrich Esszimmer lehne und ihn beobachte bemerkt er mich immer noch nicht. Er summt leise vor sich hin, Oasis Wonderwall, was auch sonst.

Sanft schleiche ich zu ihm und fahre mit meiner Hand um ihn. „Guten Morgen.", flöte ich munter.

„Ach, du bist auch schon wach?"

„Hmm, ich dachte mir ich sollte mal nach dir sehen." Mace stellt die Pfanne auf das Brett und verzieht eine Augenbraue. In quietschblauer Schürze mit Shirt und Boxershorts lässt ihn nicht unbedingt serös erscheinen, weswegen ich mir ein Lachen verkneifen muss, als ich mir das komplette Bild einpräge. Seine Hände umschließen meine Wangen. „Hat meine 'Normalerweise-Frühaufsteher-Freundin' Hunger?"

Er drückt mir einen feinen Kuss auf die Lippen und wendet sich wieder den wichtigen Dingen zu, meinem Essen.

„Schrecklichen Hunger.", seufze ich theatralisch und tapse um die Insel herum.

Mace kratzt den letzten Teigrest aus der Schüssel und das schmatzende Geräusch von heißem Öl in Kombination mit den fertigen Pancakes veranlasst meinen Magen meine Aussage zu bestätigen.

Er grinst wissend.

„Eigentlich würde ich jetzt erstmal zehn Minuten Klavierspielen.", murmle ich vor mich hin, während ich ihn versunken beobachte.

„Im Wohnzimmer steht ein Klavier." Sein Schulterzucken wirkt so, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, dass in schier jedem Raum ein Klavier oder ein Flügel steht. „Wirklich?" Mace nickt. „Klar. Ich brauch noch ein bisschen."

Da ist es wieder, dieses Grummeln, nicht vor Hunger. Es kommt und geht, wie Wind.

„Mace?"

Ich ignoriere schlichtweg das Angebot oder die Frage an mich selbst, wieso ich das überhaupt gesagt habe.

Mein Freund sieht auf.

„Deine Stimme..." Ich stocke. Wie will ich meinem Freund sagen, dass er eine überragende Stimme hat. Vielleicht weiß er das längst? „Du hast eine wunderschöne Stimme. Weißt du das?"

Für einen Augenblick starrt er mich regelrecht entgeistert an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank, doch dann lächelt er. Das Zucken in seinen Wangen lässt mich zweifeln, ob es echt ist.

Ist er unsicher?

Mace P.o.V.

„Du hast eine wunderschöne Stimme. Weißt du das?"

Maeve auch.

Aber ich weiß was sie meint.

Und ich spüre die krankhafte Angst aufsteigen. „Ähm..." Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich darauf sagen sollte, ohne noch weiter zu lügen.

Um das Haus habe ich mich gut gemogelt. Es ist die Wahrheit, dass meine Familie reich ist. Also strenggenommen, bin ich es, aber ich habe meinen Eltern all das zu verdanken und dementsprechend... Das hier... habe ich ihnen gekauft. Es gehört alles ihnen.

Keine Lüge, oder?

Nur eben nicht die direkte Wahrheit... Ich weiße wie armselig ich mich benehme. All das nur um mein Gewissen zu beruhigen. Vielleicht habe ich gar kein Gewissen, weil ich einfach weitermache, mit Maeve, mit der Scharade, obwohl ich genau weiß, was Ashton ihr angetan hat, was mir selbst alles passiert ist und was passieren wird, wenn nur ein Fotograf uns erwischt oder wenn Leanne etwas sagt, wenn Maeve etwas sieht.

Bei Gott... Ich hatte in den zwanzig Lebensjahren noch nicht so viel Angst.

Sie rutscht wieder vom Stuhl herunter und schleicht zu mir. Wie eine Elfe. Wie eine gute Tinkerbell, genauso strahlend. „Du musst dazu nichts sagen, also ich meine, das hast du sicher schon mal zu hören bekommen, aber ich will, dass du weißt, dass ich das ernst meine. Nicht weil du mein Freund bist. Sie ist wirklich besonders."

Ich wende den Pancake. Es ist albern wie ich versuche ihr nicht in die Augen zu sehen, vor Angst, sie könnte die Lüge darin ablesen.

Thailand... Ein schönes Land voller Wärme und Herzlichkeit. Sie hat gestern gesagt, meine Augen erinnern sie daran.

Vermutlich wäre ein versifftes Ghetto voller Lügen besser...

Ich sollte aufhören.

„Mace?"

„Hmm?"

„Ist dir das unangenehm?"

„Ein bisschen." Lüge. Es ist mir alles andere als unangenehm über meine Stimme zu sprechen, aber die Lügen sind mir unangenehm.

Sie nimmt mir die Pfanne aus der Hand, kippt das runde Kunstwerk auf den Turm und stellt sie aufs Brett, dann greift sie vorsichtig nach meinen Händen. Wer ist jetzt kitschig?

„Singst du öfter für mich?" Ihre grünen Augen strahlen mich flehend an, doch ihre Mundwinkel sind frech verzogen. Faszinierend, wie sie die Fassade von Unsicherheit aufziehen kann und gleichzeitig vor Mut und Zuversicht nur so strotzt. „Nur für mich?"

Es wirkt wie eine Beruhigungsspritze, als wollte sie mir die Furcht vor Publikum nehmen.

Mir ist übel und ich bin glücklich. Lügen ist schlimm.

Ich schweige, stattdessen nicke ich und nehme sie rasch in den Arm. Immerhin muss ich ihr nicht in die Augen sehen. „Immer."

Wir verweilen einen endlosen Augenblick so, ehe ich sie gerade weit genug von mir drücke, um sie gleich wieder zu küssen. „Ich liebe dich."

„Das ist so kitschig!"

Maeve P.o.V.

"Na und? Du tust so als wäre das schlimm."

„Es ist schlimm."

Mace funkelnde Augen reißen mich aus meinem Protest. So fein... wie er über meine Haut streicht. "Manchmal ist kitschig doch ganz süß."

Und wieder bringt er mich zum Lächeln, als sei das seine Aufgabe. "Du bist süß.", grinse ich verlegen. Verlegen... Himmel!

"Kitschig!"

"Klappe und küss mich einfach, die Menschen schauen schon."

„Welche Menschen?"

Ich rolle mit den Augen. „Die Menschen in meinem Kopf, manchmal redest du einfach zu viel."

Ironie, normalerweise sagt Pierce das zu mir.

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