22. Kitschmas - Teil II
Mace P.o.V.
„SIE WEIß DAS NICHT?"
„Oh Grace, halt die Klappe!", schnauze ich zurück und rolle genervt mit den Augen. Meine Schwester, die heilige Mutter Gottes.
Als würde sie noch nie gelogen haben. Ich erinnere sie nur zu gern an Parker Haynes und Logan Zimmer, ganz zu schweigen von dem was damals mit Layla passiert ist.
Es ist nicht nur ihr geschockter Ausruf, viel mehr ihr Gesichtsausdruck. Er spiegelt pures Entsetzen mit einer Prise Fassungslosigkeit.
Vielleicht hätte ich es doch allen zusammen sagen sollen, ich hätte es mir denken können, dass Grace so reagiert.
Meine große Schwester stemmt wie der Moralapostel persönlich ihre Hand in die Hüfte und senkt langsam die Lider, Stück für Stück, viel zu dramatisch. „Mace...-"
Unhöflich, ich weiß, aber ich unterbreche sie schamlos, bevor sie loslegen kann. „Hör zu. Ich liebe dieses Mädchen und ich weiß, dass es falsch ist, was es anrichten kann, wenn es rauskommt. Die Jungs sagen mir das täglich, aber ich kann jetzt nicht mehr zurück. Wenn ich ihr das jetzt sage, dann ist sie weg und ich will sie nicht verlieren. Ich kann das nicht."
Mit einem Seufzer lasse ich mich auf ihr Bett sinken. Keine Minute später spüre ich ihre feine Hand auf meiner Schulter. Grace ist zierlicher, als Maeve oder sonst irgendein Wesen auf dieser Welt, aber robuster als eine Armee trainierter Soldaten. „Jag, du weißt, dass ich dir am liebsten den Kopf abreißen würde?"
Stur auf meine grünen Weihnachts-Socken starrend nicke ich. „Ja."
„Und du weißt, dass du ein mieser Arsch bist?"
Ich liebe sie trotzdem, es ist nichts als die Wahrheit. Wieder nicke ich und die rot-weißen Zuckerstangen funkeln mich verräterisch an.
„Aber ich versteh deine Intention."
„Tust du?" Wie vom Blitz getroffen hebe ich den Kopf und knalle beinahe gegen ihren, doch sie weicht geschickt zurück und nickt. Diese Knochen, wie Mom. „Ja, tue ich. Es ist schwer jemanden in deinem... 'Zustand' zu finden, der es ernst meint." Wieder ein stummes Nicken. „Sie wird es rausfinden, dass ist dir klar? Aber ich werde nicht diejenige sein, an der es scheitert, wenn du sie wirklich liebst."
Grace... Der Name passt. „Tue ich."
Für einen Augenblick liegt dieser undurchdringliche Blick in ihren Augen, als würde sie einen durchleuchten und jeden Winkel deines Verstandes auskundschaften. „Du hast ihr das noch nicht gesagt, oder?" Von der kritischen, entsetzten Miene ist nichts mehr übrig, nur noch ein verschwörerisches Lächeln. Ich schüttle meinen Kopf. „Irgendwie süß, Jagger."
Ein dümmliches Grinsen liegt auf meinen Lippen, aber die Zweifel, die jedes Mal aufgewirbelt werden, sobald es an die Basis von Maeves und meiner Beziehung geht, tanzen bunt in meinem Kopf umher.
„Warum hast du mir nicht früher von ihr erzählt?"
Ich zucke ratlos mit den Schultern. „Wir sind erst seit einem Monat zusammen."
„Na und? Ich sollte die Erste sein, die davon erfährt!" Sie knufft mich munter in die Seite. „Sie muss ja was wirklich Besonderes sein, wenn du sie ..."
„Liebst?", beende ich ihren Satz und Grace nickt. „Ja, ist sie. Sie hasst Kitsch über alles und sie ist umwerfend schön."
„Und dann nimmt sie ausgerechnet dich? Den Kitschmeister?"
„Ich hatte Glück."
Grace Kopf senkt sich um zwei Grad, aber es reicht für den dramatischen Blick. Ich fühle mich wie in einem Verhör bei der Polizei... „Also gut, du hast einen Grund, warum du mir das erzählst. Und glaub nicht, dass das die ganzen Details verdrängt, die schuldest du mir noch."
Zwanzig Jahre... solange kennt sie mir. Viel zu lang. Manchmal hätte ich sie erwürgen können, aber sie mich vermutlich noch öfter. Ich bin kein Engel, und sie ist der Teufel.
„Ja."
„JAG! Erzähl!"
Mit der Zeit wird es tatsächlich leichter die Zweifel mit einer Plane abzudecken. Aus den Augen aus dem Sinn... Nicht ganz, aber ich werde Maeve das demnächst nicht sagen, das habe ich für mich beschlossen, und es bringt nichts, sich von Schuldgefühlen zerfressen zu lassen.
Auch die Sache mit Leanne... „Wir reden nach Weihnachten!" Das macht mir Angst. Schrecklich Angst, aber die Angst steckt zurzeit mit unter der losen Plane in meinem Gehirn.
„Ich habe mit ihrer Familie schon gesprochen und... ich wollte sie holen, dass sie ein paar Tage bei uns bleibt."
Grace Augen werden so groß wie damals, als Gabe im Wohnzimmer die Nachrichten verkündet hat, beziehungsweise das Angebot.
Im ersten Moment verunsichert es mich meine Schwester so zu sehen, doch als ihre Lippen sich zu einem breiten Lächeln verziehen und sie mir um den Hals fällt, als hätte ich ihr eben einen Ferrari – ihr Traumauto -geschenkt, ist das Antwort genug.
„Oh Gott, bitte. Ich will sie kennenlernen." Sie räuspert sich. „Halt, du kennst ihre Familie schon? Ihr macht auch nicht langsam, oder?"
Ein schelmisches Grinsen prangt in meinem Gesicht. „Ja, sie ist... Wie bei dir und Joe. Es fühlt sich so richtig an."
Grace kaut unruhig auf ihrer Lippe, sobald die Worte nieder gesickert sind. Nicht wegen Joe, sondern weil sie genau weiß, was die Zukunft für mich birgt. Es wird rauskommen, wann, keine Ahnung, aber es wird passieren und die Frage ist wie... Und Grace weiß... Joe zu verlieren wäre ihr Ruin, also versteht sie wie es um mich steht.
„Ich sollte dich hassen!", flüstert sie leise und plötzlich verwandeln sich ihre Augen in ein mehr aus wässrigem Glas. Sie ist vielleicht nicht kitschig, aber emotional. „Wenn sie das gleiche fühlt..." Ihre Stimme bricht ab und sie greift tonlos nach meiner Hand. „Es tut mir leid." Ich weiß nicht, warum ich mich bei ihr entschuldige.
„Ich verstehs."
Mein Herz schlägt ungleichmäßig, als sie mich in den Arm nimmt. Ich weiß, dass Grace mich am liebsten umbringen würde. Das was ich abziehe gleicht Betrug, im Grunde könnte ich gleich mit einer anderen Frau ins Bett steigen und das wäre vermutlich noch harmloser. Ich missbrauche gerade ihr Vertrauen und ziehe Leanne auch noch mit rein...
***
Mein Vater fährt BMW, also fahre ich BMW, zumindest jetzt, mit Grace Ford oder Moms Elektroteil will ich nicht unterwegs sein.
Oasis gibt Supersonic zum Besten und das durch das offene Fenster fegt kalte Luft herein. Ziemlich dumm, ich muss es spätestens in zehn Minuten zu machen, bevor ich die Innenstadt Londons erreiche und die Heizung aufdrehen.
Die immer noch frischen Erinnerungen von dem Treffen mit Maeves Familie poppen in meinen Kopf. Ein Grinsen scheint unvermeidlich. Donna und Cooper sind keine ungewöhnlichen Namen, aber im Vergleich zu Arthur und Claire wirken die Namen meiner Eltern wie Exoten. Genauso ist das mit Maeve und Zane, das hört man auch nicht jeden Tag. Okay, Mace auch nicht.
Wenn ich ehrlich bin, hatte ich ein wenig Bammel vor ihrem Vater. Sie hat immer nur Züge von ihm erwähnt, Weisheiten oder dass er ziemlich einschüchternd sein kann. Einerseits war da ihr amüsiertes Grinsen, aber dann strahlten ihre Augen dabei immer so einen gewissen Ernst aus. Ich wusste nicht, was ich wirklich für bare Münze nehmen sollte.
Letztlich ist Arthur, Maeves Eltern lieben Vornamen – „Sonst fühlen wir uns so alt, außerdem ist das so komisch mit einem Siezer am Tisch zu sitzen, findest du nicht?". Das war ihr Vater, humorvoll, offen, aber wie Penelope und Maeve hat er so einen Blick in Petto, der durch Mark und Bein geht.
Mit Zane habe ich mich auf Anhieb verstanden, obwohl er mir mit seinen ersten Worten eine Warnung ins Ohr geflüstert hatte. Pen hatte kritische Fragen für mich übrig und Maeve zur Folge kann sie mich gut leiden.
Das läuft in meinem Kopf ab wie einer dieser alten Kinofilme oder viel mehr wie eine Schallplatte mit Sprung, immer und immer wieder.
„Ich vermiss dich jetzt schon." Hatte ich Maeve gegen die Lippen geflüstert, als sie ausgestiegen ist und sowohl von ihr aus auch den Jungs ein Augenrollen einstecken müssen. „Ich dich auch." Punkt für mich, sie hat mit gekitscht. „Super, wir vermissen uns auch alle, übertreib nicht Vee und erinner dich immer schön an meinen Namen." Murph, wer sonst. Er hätte wissen müssen, dass Maeve ihn nicht so davonkommen lässt. „Frohe Weihnachten euch..." Und mit einem Nicken zum ironisch grinsenden Fahrer „Christopher" Damit hat sie die Türe schneller zufallen lassen als Toast auf den Boden und ist ins Haus gehechtet. Murph hingegen hat nur den Kopf geschüttelt. „Mutig oder dumm... beide vielleicht.", grummelte er vor sich hin.
Und jetzt hole ich sie tatsächlich. Es sind zwei Stunden von London nach Magham Down, und das wiederum fünf Minuten vom eigentlichen Hailsham, aber meine Eltern wohnen seit ich ein Kind bin dort.
Die Platte dreht sich weiter und allmählich erreichen mit Penelopes und Claires Stimme, die total verzückt über mein Auftauchen sind und noch träumerischer über meine Idee seufzen. Eigentlich hatte ich mit Gegenwind gerechnet oder zumindest Bedenken, doch Claire meinte sofort, dass das Maeve sicher gefallen würde und sie wäre früher auch spontan gewesen, ihre Tochter ebenso.
Selten habe ich die Eltern sich so widerspiegeln sehen wie bei Maeve, zumeist positiv, aber diese vorlaute Seite... Sie lebt gefährlich gegenüber Murph.
Als Arthur hereingeschneit kam, buchstäblich überdeckt von schmelzenden Schneeflocken, und Claire ihm das eröffnet hat, hat er nur gegrinst. „Solange du sie an Weihnachten bei uns lässt und wieder heil nach Hause bringst."
Und vor diesem Mann hatte ich Angst? Komplett unbegründet.
Whitechapel, das Schild springt mich freudig an und für einen Augenblick spiele ich mit dem Gedanken einfach wieder umzudrehen. Himmel.... Was habe ich mir dabei gedacht? Was, wenn Maeve das nicht gefällt, oder wenn sie gar nicht mitkommen möchte? Wenn sie es zu kitschig findet? Ich weiß nicht...
Ich drehe die Heizung auf höchste Stufe.
Ruhig bleiben, Maeve wird sich freuen.
Pen hat mir nicht umsonst einen Tipp für Maeves Morgenritual gegeben. Ein klassisches... Kaffee (mit Milch und einem Stück Zucker), herumlaufen (und nerven) und dann anziehen, erst nach all dem kommt das Frühstück mit einer Tasse Tee (egal welchem).
Dass sie mir keinen Plan geschrieben hat ist alles.
Maeves Reaktion beschäftigt mich, aber viel mehr grüble ich darüber, wie meine Eltern sie empfangen. Ich weiß, dass sie sie lieben werden, man kann Maeve nicht nicht mögen, aber sie sind manchmal sehr impulsiv und überherzlich, meine Mom zumindest. Mein Vater ähnelt ihrem, der geborene Redner und Schulterzucker-Typ.
Wir haben den Abend gestern damit zugebracht sämtliche Bilder und Indizien für mein 'Künstler-Ich' fort zu schaffen. Dabei hat mich der Blick von meinen Eltern verfolgt. Einerseits glücklich, weil ich endlich eine Freundin habe, andererseits enttäuscht, weil ich lüge, oder zumindest die Wahrheit verschweige.
Jemandem etwas nicht zu erzählen ist so ziemlich verwandt mit Lügen.
„Maeve hast du gesagt?" Mom hat den Grammy in ihren geliebten lila Wäschekorb gepackt. Grammy... Das ist immer noch surreal. „Ja.", habe ich gesagt und sie hat mich eine Weile mit ihrem mütterlichen Ausdruck angelächelt.
Paddington... noch fünf Minuten.
Auf den Straßen ist so gut wie nichts los. Klar, es ist Weihnachten...
Michael Bublé übernimmt mit seinem Weihnachtsklassiker und ich versuche im Takt mitzuatmen. Warum bin ich so nervös? Nervöser, als vor Auftritten.
Leanne... Der Name fährt gegen eine Wand und hinterlässt eine üble Rauchspur in meinem Bewusstsein. Was mache ich, wenn sie es ihr erzählt, wenn sie es nicht aushält... Ich verstehe sie, keine Frage, aber ich... ich habe Angst. Panische Angst. Ich will Maeve nicht verlieren, auch wenn es unvermeidlich scheint. Ich will sie nicht jetzt verlieren. Vielleicht finden wir einen Weg, vielleicht findet sie es gar nicht so schlimm, wenn ich es ihr erzähle.
All die Zeit hätte ich mir einen Plan überlegen können, was ich tue, wenn es denn rauskommt. Für jedes Szenario einen Plan. Ich hätte mir eine Möglichkeit ausdenken können, wie ich es ihr sagen würde, aber nichts von dem ist geschehen.
Dafür bin ich viel zu eingeschüchtert, allein von den nackten Gedanken an die Folgen.
Also vermeide ich es und klebe mit viel Klebeband eine schwarze Plane über diesen Haufen.
Sobald das Auto steht greife ich nach der Türklinke, aber ich öffne sie nicht, meine Beine fühlen sich schwer an.
Atmen.
Halbwegs besinnt greife ich nach meinem Handy und tippe flink eine Nachricht an Penelope. („Du kannst mich Penny oder Low nennen, aber wag es nicht Pen zu sagen!" – Ich weiß genau, dass ich sie eines Tage Pen nennen werde und nicht anders, weil Maeve es tut.)
„Geht klar."
Atmen.
Ich steige aus und schreite entschlossener als meine Gedanken zur Tür, klingeln. „Ja?" Ihre Stimme... „Mae! Das wird Zane sein, mach einfach auf!", ertönt Penelopes Stimme im Hintergrund und das altbekannte Surren erlaubt mir die Tür zu öffnen.
Die Wohnung der Queens ist im ersten, beziehungsweise zweiten Stock, ein zweistöckiges Appartement, darüber wohnt noch „ein abgedrehter Chemie-Lehrer" und darunter „eine alte Cat-Lady" – so Maeve.
„Ava sitzt neben mir, Mom. Mit euch kann man nicht vernünftig reden!" „Nein, Ava sitzt neben mir, Zane klaut mir immer die Oliven." Hach, die guten Oliven. Ich muss über Maeves Proteste schmunzeln, sobald ich durch das Gelände ihre Gestalt erblicke presse ich die Lippen aufeinander, wie gerne würde ich jetzt etwas sagen. Doch Maeve steht, als wäre es geplant, mit dem Rücken zum Gang, im Türrahmen. „Wir haben genügend, Mae." „Nein... Zane nervt mich." Ein hilfloses Lachen. Sie liebt ihren Bruder, das merkt jeder Blinde oder Taube. Wie sie über ihn spricht oder ihr stolzer Ausdruck...
„Ich auch?" Zwischen uns sind vielleicht zwei Handbreiten.
Mit einem breiten Strahlen entgegne ich ihrem geschockten, sprachlosen Mund-aufklappen. Der Schrei steckt ihr buchstäblich ihm Hals fest. „Hey.", wispere ich und schließe eine Handbreite.
„H-Hey." Ihre Hand legt sich auf ihren Mund, ihre Lippen zittern darunter. „Hey Mace, magst du eigentlich mitessen? Wir haben genug." Claire erscheint mit cremeweiß-roter Schürze im Gang, Rentierprint. „Hey, ähm... Ja, gerne."
„W-Was, wieso bist du hier? Und du? Was?"
Claire verschwindet mit einem verschwörerischen Zwinkern zu mir und ich schlinge meine Arme um Maeve. „Überraschung." „Aber Hailsham... und deine..." Ich lege meine Lippen sanft auf ihre und sehe ihr dabei amüsiert in die Augen.
„Kommst du mit? Ich wollte dich eigentlich nur abholen."
„Was?"
„Dein Lieblingswort?"
„Mace!"
„Schon gut. Meine Überraschung zu Weihnachten. Magst du mit nach Hailsham kommen, meine Familie kennenlernen?"
Die ganzen Gedanken vorher sind überflüssig, denn die Worte ploppen einfach aus meinem Mund. Jedes davon fühlt sich richtig an und so wie Maeve reagiert... mache ich alles richtig.
„Heute, jetzt?"
„Nach dem Essen."
Ungläubigkeit.
„Ja?", schmunzle ich und umarme sie einfach nur. Ein feines „Ja" prallt gegen meine Brust. „Du bist verrückt."
„Ich weiß."
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Too much oder einfach nur zuckersüß?🤭🍭
Wer hat sich schon in Mace verliebt?🙋🏽♀️
Eure Meinung: Wie gehts weiter?
XOXO
eure Maggie 🧡
Btw. Was haltet ihr vom rechtsbündigen Schreiben hier unten, ich finde es grenzt sich ein bisschen besser ab.
Ps. Ich werde diese Woche zwei neue Bücher hochladen: "Morgan" und "Dort wo Denver ist" schaut gerne mal vorbei. (Die beiden werden langsam aktualisiert, bzw. dann etwas schneller, wenn ich mit Her Song fertig bin ;D)
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