2. Was?
Nach Luft schnappend rapple ich mich schneller auf, als Usain Bolt den Weltrekord gebrochen hat. Zu fremd, zu nah, zu überraschend. Und ein Herz am Hals, ein braunes... Ein Muttermal? So groß wie mein Daumen
"Kann man die Tür zu sperren?"
Rücksichtslos reißt er mich aus meinen Gedanken: junger Mann, zwanzig vielleicht, steht panisch atmend vor mir. "Was, wieso? ... Was soll das?", versuche ich, werde jedoch prompt abgeschmettert, als er den Schlüssel von meinem Hals knipst.
Was fällt ihm ein?!
Empört schnappe ich nach Luft, will ihm hinterher und den Schlüssel zurück, kann aber keine Gliedmaße bewegen, dafür bin ich viel zu perplex.
Stattdessen blinzle ich einfältig vor mich hin und beobachte seine Bewegungen.
Klick, klick.
Sein erleichtertes Ausatmen erfüllt das Lager. Schon lehnt er mit dem Rücken an der Tür und blickt zur Decke empor.
Genau das habe ich gebraucht, um wieder zu denken. "Sag mal, tickst du noch ganz sauber!", fahre ich ihn ungestüm an und gehe auf ihn los. "Ich will sofort hier raus!" Meine Stimme nimmt an Lautstärke zu, was ihn aber herzlich kalt lässt, genauso wie meine Versuche hinter ihn zu greifen. Mit Leichtigkeit, als würde er den lieben langen Tag nichts anderes tun, schnappt er sich meine Handgelenke und schiebt mich, also meinen gesamten Körper, ein Stück zurück.
Rückblickend frage ich mich immer noch wie das möglich war.
"Hör zu, ich geb dir was, wenn du einfach die Klappe hältst und mich hier rausbringst."
Seine Augen erinnern mich mit einem Schlag an den Himmel in Thailand, nur ohne Sonne und ohne Gefühl. Die zusammengekniffenen Augenbrauen verhärten seinen Ausdruck und lassen mich wissen, dass ich ihn scheinbar tierisch nerve.
Bitte?
Entgeistert klappen meine Lippen auseinander. Die Luft legt sich trocken auf meine Zunge, erschwert mir das Schlucken. Wie der Eisvogel mit den Flügeln schlägt, so blinzle ich ihn an.
"Wie bitte?" Hastig presse ich meinen Mund zusammen. "Wie redest du bitte mit mir!?" Zappelnd entwinde ich mich aus seinen Händen und weiche zurück. Schade, dass Augen keine Messer werfen können.
Mit einem Schlag, als hätte ich ein magisches Wort gesagt, wandelt sich der Ausdruck in seinen Augen. Verwirrung legt sich darüber. "Hat wohl noch keiner so mit dir gesprochen, was?", patze ich weiter.
Die Wut in mir schlägt nackte Flammen. Nur weil er gut aussieht, gibt ihm das kein Recht mich zuerst umzurennen und dann auch noch so dumm anzumachen, ganz abgesehen vom Einsperren.
"Du weißt nicht wer ich bin?"
Die Verwunderung in seiner Stimme fuchst mich nur noch mehr.
Zornig funkle ich ihn an. "Weißt du wer ich bin!?" Höhnisch recke ich mein Kinn in die Luft. Oh, wie ich solche Menschen verachte. Wie das Mädchen eben. Unverschämt.
"Nein." Jetzt packt er die verwirrte Unschuldsnummer aus.
Shakespeare hat uns die Erlaubnis gegeben, den Zorn zu zeigen, andernfalls würde unser Herz -sein Herz- brechen. Vielleicht ist brechen hier der falsche Begriff, aber ich platze sonst definitiv.
"Warum sollte ich dich dann kennen?" Oh nein, ich lasse ihm keine Zeit, um mir irgendeine jämmerliche Antwort zu geben. "Lass mich hier jetzt sofort raus, oder ich schreie!" Demonstrativ fuchtle ich mit meinen Händen vor ihm herum.
Ich weiß, dass ich mich fast ein bisschen kindisch verhalte, aber nichts desto trotz pumpen Unmengen an Adrenalin und Wut, über seine grenzenlose Arroganz, in meinen Adern und vernebeln mir das Hirn. Was soll ich anderes tun, in lieb zu bitten bringt vermutlich herzlich wenig.
Ich habe das nicht getan, um sie jetzt wieder von ihm packen zu lassen, aber er tut es und er hält mich auf Sicherheitsabstand, ein, zwei Schritte...
"Nein! Nicht schreien, bloß nicht. Bitte, ich erklär es dir, aber sei leise und lass mich hierbleiben."
Die Panik kriecht in seine Augen, fleht mich förmlich an die Dinge zu tun. Für einen Augenblick spielt der Teufel in mir mit dem Gedanken, in auf die Knie gehen zu lassen, ihn betteln zu lassen, aber das wäre doch gar zu böse, oder nicht?
Die Vorstellung den großen Jungen vor mir auf den Knien zu sehen bringt mich leider zum Schmunzeln, egal wie sehr ich es mir verkneifen möchte. "Ich höre?", spotte ich trocken und reiße mich erneut los. Was hat er nur, dass er ständig meine Hände packt? Hat er Angst, dass ich ihn schlage? Na gut, er hätte jeden Grund zur Annahme dafür.
"Du kennst mich wirklich nicht?"
Genervt seufze ich. Er kann seinen Kopf so schief legen wie er will oder abnehmen, ich kenne ihn immer noch nicht. "Sorry, dass ich kein Computer bin.", zische ich und verschränke die Hände vor meiner Brust. "Wird das heute noch was, oder willst du mich weiter wie ein Hund anschauen?" Eigentlich war das sogar ausgesprochen süß, was ich natürlich niemals zugeben würde. Aber seine blauen Knopfaugen erinnern mich an unseren Husky, Buck.
Ein feines Lächeln, wohl über meinen Kommentar, schleicht sich um die Mundwinkel, dass sich zarte Grübchen andeuten. Ein Räuspern, endlich!
"Also, ähm... Ich wollte dich nicht umrennen und ich hoffe du hast dir nicht weh getan..." Ein unsicherer Blick von ihm und ich schüttle verständnislos den Kopf. Ich will eine Begründung, danach kann er sich entschuldigen. "Ähm, also..." Seine Lieblingsworte anscheinend. "... Ich ähm, bin vor ähm... einer Freundin weggelaufen."
"Wie alt bist du bitte?", platze ich schockiert dazwischen und sehe ihn völlig entgeistert an.
Wer läuft vor einer Freundin weg und dazu noch EINER und offensichtlich nicht der Freundin-Freundin. "Zwanzig, aber das ist nicht der Punkt... Sie hat mich ähm mit einem Kleiderbügel attackiert. Genau."
Verwirrt verziehe ich meine Augenbrauen und zweifle ernsthaft, ob er mich gerade anlügt. "Mit einem Kleiderbügel?", wiederhole ich ungläubig und entspanne meine Schultern allmählich. "Was hast du getan, sie fett genannt?"
Einen Augenblick lang sieht er mich grübelnd an, bevor er heftig nickt.
"Bitte?"
"Ja, ich weiß, total dumm."
Ein verächtlicher Laut kommt aus meinem Mund, der schließlich in einem hoffnungslosen Lachen endet. Es geht so weit, dass ich mich auf meine Knie abstützen muss, um nicht umzufallen. Ein paar Tränen bahnen sich den Weg über meine Wangen und hebe hilflos eine Hand. "Schaust eigentlich Filme oder sowas?", japse ich dazwischen.
Schweigen, nur ein schuldbewusstes Grinsen.
Huh! Ausatmen. Einatmen. "Wow, ich hab hier schon viel erlebt, aber du... Du bist ne Nummer stärker." Kopfschüttelnd beiße ich auf meine Unterlippe und mustere ihn.
"Ja, ich bin manchmal zu ehrlich, sagen meine Freunde."
"Taktgefühl ist das Stichwort."
"Genau, du hast vollkommen recht. Ich bin ein Idiot."
"Und was will der Idiot jetzt von mir? Du kannst dich hier nicht ewig verstecken, außerdem bezweifle ich, dass sie vor der Türe wie ein Wachhund lauert." So sehr ich versuche ihn nicht zu verspotten, meine Stimme entwickelt ein Eigenleben. So wie Chappy.
Jetzt schmunzelt er und lässt, bewusst - er glaubt wohl mir fällt das nicht auf -, ein paar Strähnen in seine Stirn fallen. Schlafzimmerblick, der Klassiker, jetzt ist er definitiv mein Hund. "Also... Ja, eigentlich schon. Sie ist ziemlich... besessen von mir."
Ungläubig weiche ich mit dem Kopf zurück. "Warum machst du dann was mit ihr?" Ich versteh ihn nicht, wenn ich jemanden nicht mag, dann meide ich ihn. Und wenn mir jemand auf die Nerven geht -weil er zum Beispiel von mir besessen ist-, dann meide ich ihn.
Wir haben den Punkt erreicht, an dem er sich planlos wie ein kleiner Junge durchs Haar fährt und mich Schulter zuckend anschielt. "Ähm, also..." Oh, schon wieder. "Ein Kumpel von mir... Sie ist seine Schwester und wir waren zusammen hier."
"Oh, und der Kumpel will dich jetzt auch mit einem Kleiderbügel verprügeln?", gluckse ich.
"Sowas in der Art."
"Und du willst jetzt unbemerkt raus?", folgere ich, die Stimme extra dümmlich gestellt.
Er bemerkt den Unterton und grinst breit. "Ja bitte?" Widerwillig über seine Art muss ich lächeln. Verdammt! "Soll ich nachschauen, ob die Luft rein ist?"
"NEIN!" Panik!
Erschrocken weiche ich zurück, obwohl ich eben noch nach vorne wollte. Prompt ist der Abstand zwischen uns weg und er hat wie aus dem Nichts seine Hände auf meinen Schultern. "Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich ähm, ... Gibt es hier keinen Hinterausgang?"
Ich schlucke kräftig, bevor ich meine Coolness wiedergewinne. "Schon gut."
Hinterausgang... Was meint... - Oh! Hastig schüttle ich meinen Kopf.
"Ähm, ich bin übrigens Mace."
Mace nimmt fluchtartig seine Hände von mir, er hat wohl bemerkt, dass es mir unangenehm ist. "Maeve.", presse ich hervor.
"Schöner Name."
Das war nicht geplant, es war ein spontaner Kommentar, das verraten seine Augen. "Danke... Ähm..." Übernehme ich das ernsthaft?
"Tut mir leid. Alles. Ich bin normalerweise nicht so... ein Rüpel."
Wäre draußen kein Lärm, ein bisschen lauter als üblich, wäre das ein wirklich schöner Moment. Seine gedämpfte, ehrliche Stimme und seine schönen Augen, wie Thailand-Himmel.
Rasch wende ich mich ab und trete ein paar Schritte zurück. "Alles gut. Vielleicht wartest du einfach ein bisschen hier. Vielleicht geht sie ja?" Was tue ich hier? Mein Blick gleitet konfus umher, bis ich die Shirts sehe, perfekt! Es muss aussehen, als würde ich nichts lieber tun, als Kleidung zusammenlegen, denn ich stürze mich regelrecht auf den Stoff.
"Ja, warten ist gut..." Das Zögern in seiner Stimme verunsichert mich, die Schritte in meine Richtung verunsichern mich und dass sich mir-gegenüber-Knien und zusammen-legen-helfen verunsichert mich, weshalb ich vorsichtig zu ihm schiele.
"Du musst mir nicht helfen.", wehre ich mit alter Stärke ab und schaffe es endlich meinen ganzen Blick zu heben. "Doch, klar. Ich schau dir garantiert nicht dabei zu." Also akzeptiere ich es, ich glaube nicht, dass er ein Mensch ist, der ein Nein hinnimmt.
"Was bedeutet Maeve?"
Belustigt beiße ich auf meine Unterlippe und lächle. "Die Mitreißende, aber ich glaube das würde besser zu dir passen." Mace grinst und nickt leicht. "Ja, heute definitiv." "Bist du sonst nicht so stürmisch?" Ein Scherz. "Schwer zu sagen, aber ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich ein ruhiger Mensch bin."
Verstehend nicke ich. Wir schweigen wieder, bis zum letzten Hemd. Ich weiß was Mace bedeutet, Muskatnuss -wenn man es wörtlich nimmt. "Spielst du Klavier?" Meine Frage ist urplötzlich, ohne Zusammenhang oder Grund -für ihn. Für mich entstand sie aus der Beobachtung.
Seine Finger sind flink, wenn er die Ärmel in die Hand nimmt, geschmeidig, wenn er über den Stoff streicht und sanft, wenn er es vollkommen zusammenlegt.
Mace zuckt leicht zusammen und schenkt mir einen verwirrten Blick. Er zögert. "Ja, woher weißt du das?"
Ich muss wieder lächeln. "Ich spiele auch und du hast diese Bewegungen. Du machst viel Musik, nehme ich an." Maces Augen spiegeln Überraschung, aber auch Faszination, von mir? "Ja, kann man so sagen. Ohne Musik wäre mein Leben ziemlich langweilig."
Vorsichtig legt er seinen Stapel auf meinen, sodass ich ihn aufräumen kann, an seinen rechtmäßigen Platz.
"Wie lange arbeitest du schon hier?"
"Seit ich sechzehn bin.", rufe ich zurück und suche verzweifelt nach dem Tritthocker. Wo ist der schon wieder? Na dann ohne.
Meine Arme und Beine recken und strecken sich, aber ich bin schlichtweg zu klein, um das Regalbrett zu erreichen, zu klein, bis etwas meinen Rücken streift, meine Hände streift, den Stapel nimmt und locker flockig auf das Brett schiebt.
Ein Schauer rennt über meinen Rücken, als ich mich behutsam umdrehe. Mace.
So dicht, dass ich schon wieder zurückweichen will, aber dort ist das Regal. Seine Augen fangen mich wie eine Mausefalle und seine Hand streicht urplötzlich eine Haarsträhne aus meinem Gesicht, hinters Ohr. Ich fühle meinen Atem stocken, mein Herz stoppen.
Denk nach Maeve. Denk nach!
"Ich habe eine Idee, wie du unbemerkt rauskommst.", platze ich hervor, wie ein Ballon und weiche zur Seite hin weg.
Vielleicht übertönen die schnellen Schritte mein erleichtertes Ausatmen, vielleicht auch nicht und er hat es gehört, von mir aus. Soll er, ich bin nicht so eine!
"Wir haben hinten eine Kiste, mit Sachen, die in der Umkleide vergessen wurden und seit einem halben Jahr nicht abgeholt worden sind..." Ich laufe weiter, hinter mir seine Schritte, die näher kommen. "Da ist auch eine Perücke und eine Sonnenbrille drin."
Die Ramsch-Box -so ihr ehrenhafter Name- modert zum Glück am Boden vor sich hin. Mit einem leichten Stöhnen, vor Anstrengung, hieve ich sie auf die Tischplatte darüber und schmeiße den Deckel herunter. "So, also." Ich plappere schneller als James Cordon in seinem Auto oder Nicki Minaj rappt, aber das ist mir egal, solange ich die Situation aus meinem Kopf quasseln kann.
Nähe ist mir unangenehm. Das hat seinen Grund, seit einem halben Jahr.
Triumphierend zücke ich das gelbliche Toupé - sollte wohl blond sein- heraus. Ein bisschen wie Donald Trumps Haarpracht... "Hier... und..." Während ich ihm das eine in die Hand drücke, krame ich nach der ... 3D-Brille.
Immer wieder erstaunlich, was die Menschen vergessen. Ohrringe, T-Shirts, Bücher und sogar einen Ehering. Letzterer macht mich traurig. Die Ehe muss wohl ziemlich marode gewesen sein, wenn man sich nicht mal bemüht ihn wieder zu finden...
Mace stellt sich an, als hätte er noch nicht eine Perücke in der Hand gehabt, vielleicht hat er das auch nicht. Jedenfalls lächelt er mich hilflos mit großen Augen an und ich seufze. "Du musst schon ein bisschen runter, ich bin nicht so groß."
Womit wir wieder bei der Situation gerade wären... Rasch grinse ich frech, um sämtliche Anflüge von 'Stimmung' zu verscheuchen.
Sieh einer an, er kniet heute doch noch vor mir.
Fachmännisch, obwohl ich das erst einmal bei Pen machen musste, rücke ich das Trump-Toupé - er sei mir gnädig- zurecht, dass gerade so sämtliches Karamelllockenhaar darunter verschwindet. Und ich muss sagen... Es sieht nicht komplett bescheuert aus.
"Und?"
Leider sieht es immer noch ziemlich urig aus, weswegen ich krampfhaft das Lachen unterdrücke und nicke. "Hmm, gut.", presse ich hervor und reiche ihm rasch die Brille, während er sich wiederaufrichtet. "Haha."
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Hey ho🔥
Na, was vergesst ihr gerne?
Ich persönlich neige zum vergessen meiner Hausschlüssel. (Ganz klassisch)😂
XOXO MAGGIE 🧡
Ps. Schaut gerne auf meinem Instagram-Profil vorbei: @sxmelittlestories
Alles rund um Bücher und co. 😇
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