#3 5

The lucky don't care at all- Unnatural Selection - Muse

Es schien die Sonne in einem sarkastisch hellem Licht, und sie wurde kaum von Wolken bedeckt. Dieses Mal wurde das Klischee von einem weinenden Himmel und einer traurigen Menge nicht erfüllt. Stattdessen wurde mir heiß in der schwarzen Trauerkleidung und es fanden sich nur 6 Menschen zusammen, um sich endgültig von Brandon zu verabschieden.

Mein Herz tat weh und ich fühlte mich krank vor Trauer, als ich mir wirklich jetzt erst Gedanken über Brandon gemacht hatte. Wie gesagt kannte ich ihn kaum. Er hatte viel zu wenig Zeit hier verbracht, bevor er in das Drogenspiel hineingezogen wurde und nicht mehr hinauskam. Ich konnte ihn nicht mehr kennenlernen, als es anfing, doch ich hätte gerne noch ein wenig Zeit mit dem alten Brandon verbracht. Der lachende und verständnisvolle Brandon. Der immer vorsichtig mit jedem umging und still für sich dasaß, während er nachdachte. Er hatte oft einen Jungen aus unserer Schule angesehen und gelächelt. Ich war glücklich, dass er wenigstens zurückgelächelt hatte. Brandon hatte etwas Glück verdient.

Jeden schien es aufs Neue zu überwältigen, als wir in der Kirche waren. Wie ironisch, dass ich gerade betete, obwohl es lächerlich war, zu einem Niemand zu beten. Doch falls es einen Gott gab, sollte er Brandon beschützen. Und falls es einen Himmel gab, sollte Brandon glücklich sein.
Es war krank, dass wir so wenige waren. Der Pastor nahm sich das zu Herzen und sah ab und zu mitleidig in unsere Richtung.

"Gott, der du bist im Himmel. Genommen hast du uns eine jung Seele, einen Grund hast du uns gegeben. Er soll nun ein Engel deines Himmels sein, er soll uns beschützen und die, deren Herzen unter dem Verlust leiden. Herr, erhöre unser Gebete. Herr, nehme du ihn in deine Obhut und schütze ihn. Amen."

"Amen.", murmelte ich und hoffte, es hörte sich nicht allzu satanisch an.
Mona weinte seit einer Stunde, doch es war stumm und ich wusste nicht, ob sie es überhaupt merkte.

Der Pastor las aus der Bibel, das gewöhnliche Ritual. Wie oft hatte er Menschen weinen sehen ? Wie oft hatte er das tun müssen ?
Es wunderte mich, dass es diesen Beruf gab. Kein Mensch würde so etwas tun wollen, ich zumindest nicht. Unter garkeinen Umständen.

Ich schloss die Augen und sah das süße Lächeln, bevor wir alle nacheinander zum Begräbnis schlichen. Die Sonne machte mir noch schlechtere Laune. Sie lachte uns aus.
Die Wiese war abgestorben, der Friedhof war klein, der Sarg sah billig aus. Das war Brandon gegenüber nicht fair.
Ich sah auf das billige Holz und schauderte bei der Vorstellung, dass dort eine Leiche lag. Kein Gelächter mehr, schon lange nicht mehr. Die Haare nicht mehr gesund, die Haut blass und das Gesicht hohl. Mir wurde schlecht und ich konnte meine Tränen auch nicht mehr verschließen. Sie liefen ohne Schluchzer über meine Wangen und tropften auf den toten Boden.

Mona klammerte sich krampfhaft an Paul, der wie in Trance auf das Grab sah, in das der Sarg runtergelassen wurde. Ich sah die anderen drei stehen - Brandon's Tante an Paul's Seite und zwei Jugendliche aus unserer Schule, die auf der anderen Seite standen. Ich kannte Sofia aus unserer Schule, sie hatte viel mit Brandon unternommen. Der andere Junge hatte seine Augen zusammengekniffen und unterdrückte seine Schluchzer.

Jeder teilte besondere Erinnerungen mit Brandon, wobei ich kaum welche hatte. Doch wir, die Übrigen, teilten untereinander die selbe Trauer.
Es war unglaublich schwer, meine Beine und meine Haltung aufrecht zu behalten.
Mona lag schwer in Paul's Armen. Sie hatte ihren Körper aufgegeben und ließ sich von den Gefühlen treiben.

Am liebsten hätte ich die letzten Worte von Mona ignoriert oder wieder in ihr Mund gestopft, doch ich krampfte mich zusammen und hörte ihr zu.
Sie tat sich ziemlich gut und sagte alles klar und deutlich, weil sie unbedingt wollte, dass es jeder verstand. Sie ignorierte den Pastor und die vier Typen, die für den Sarg zuständig gewesen waren.
"Ich weiß noch, wo er mir gesagt hat, dass er "Jungs viel lieber mag". Er hatte Angst vor meinen Eltern, weil die total gläubig waren und es natürlich eine Sünde ist, vom gleichen Geschlecht angezogen zu sein. Er hat geweint und ich habe ihm gesagt. 'Brandon, reiß dich zusammen und sei keine Memme.' ", lachte sie kurz auf, bevor sie wieder schluchzte. Paul stand in ihrer Nähe und betrachtete sie eingehend. " Er wollte, dass ich ihm etwas versprach. Und ich versprach es ihm. Ich würde ihn lieben, egal was er ist und was er tut. Ich sah ihn genauso wie die normalen Menschen. Ich hatte solche Angst, ihn zu verlieren und ich wusste, dass er es sowieso nicht mehr lange geschafft hätte. Seine Art hatte ihn fertig gemacht und deshalb war die Überdosis. Ich wusste, dass er es mit Absicht getan hatte. Ich habe ihm immer wieder gesagt, dass ich ihn liebte und es egal war, was andere Menschen über ihn sagten, solange er mich hatte, aber er nahm es sich zu sehr ans Herz. Ich will nur sagen, dass es mir Leid tut. Brandon, es tut mir so schrecklich Leid, dass ich nicht genug für dich war.", schluchzte sie und sah in das Grab. "Ich liebe dich, Bruder, und ich danke dir für alles. Für deine Geduld und dein Verständnis. Für deine kitschige Liebe zu mir und zur Welt. Ich hoffe, du bist glücklich, das hast du jetzt nach all dem verfickten Scheiß verdient."

Sie brach bitterlich weinend auf dem Boden zusammen, doch sie ließ sich nicht helfen. Ich nickte dem Pastor tränenüberströmt zu, damit er endlich ging und uns in Ruhe ließ.

Wir blieben noch dort, die anderen waren gegangen, um Mona die Ruhe zu lassen. Sie wollte, dass ich blieb. Sie wollte eine gute Freundin, was ich von mir nicht sagen konnte. Doch sie sagte mir, ich sei die einzige, die sie brauchte, auch als Paul direkt neben ihr war.

"Ich möchte auch etwas sagen.", sagte ich. "Kann ich ?"

Sie lachte schluchzend. "Natürlich."

Ich kniete mich hin und sah auf den Stein.
Brandon Tavish
Die Verkörperung von Liebe und Naturgeist
R.I.P
1997-2016

"Du kannst mich nicht hören. Oder vielleicht doch. Dieser Traum im Krankenhaus war ja schon schräg."
Dass ich das sagte war schräg. Als sprach ich mit einem lebendigen Menschen, der mich ansah und mir zuhörte.

"Es tut mir Leid, dass ich dich nicht wirklich gekannt habe und ich keine Möglichkeit hatte, mehr von deiner... Deiner Freundlichkeit zu sehen. Ich möchte dich als einen offenherzigen jungen Mann in Erinnerung behalten. Als jemanden, der mich echt manchmal mit seiner Merkwürdigkeit zum Lachen bringen konnte. Ich weiß, dass wir beste Freunde gewesen wären, wenn das alles nicht passiert wäre. Vielleicht mehr als ich es mit deiner Schwester bin. Mach dir keine Sorgen.", murmelte ich und zuckte innerlich, weil es so merwürdig war, mit einem Toten zu reden. "Ich werde Mona wieder zum Lächeln bringen. Ich versuche es, aber Paul ist da ein besserer Mensch für. Doch falls er Mona verletzt, vermöbel ich ihn für dich."
Hinter mir ertönte ein knappes Lachen.
Ich lächelte kurz, bevor meine Stimme anfing zu zittern. "Du verdienst den Himmel, verdammt."

•°•°•°•°•°•

Wir redeten noch den ganzen Abend über Brandon und ich hörte mir Geschichten aus der Kindheit an, in der alles noch schön war. Mona lachte bei der Erinnerung und wir sahen uns Bilder und Videos an. Brandon als Kleinkind in einem Bienenkostüm, der die neugeborene Mona in den Armen hält. Die Entwicklung, von klein bis groß. Man weiß, ich stand nicht auf Klischees, doch der Abend war schön, auch wenn Paul und ich nicht zu Mona's Erinnerungen gehörten.
Zum erstem fühlte ich die richtigen Schmerzen, hatte Gedanken, die jeder normale Mensch hatte. Gefühle, die jeder in diesem Fall hatte.
Und ich hasste es.

Gerade wenn man denkt, dass es nicht noch unerträglicher werden könnte, kamen die Dinge daher und schlugen mir so hart in die Fresse, dass ich die Narben für immer bei mir tragen würde.


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