#2 8

And nothing else matters - Nothing Else Matters - Metallica

Ich war wieder in diese Depression gefallen und niemand hatte mich aufgefangen. Ich wollte mich umbringen. So gerne umbringen, dass es mir innerlich wehtat. Warum tat ich es nicht endlich ? Warum sprang ich nicht von dieser Klippe, an die ich einmal mit Pax gefahren bin ? Wieso schluckte ich keine Schlaftabletten, wieso schnitt ich mir nicht die Pulsadern durch ? Es gab so vieles, das ich jetzt hätte tun können und trotzdem gab es einen Teil in mir, der leben wollte. Es war der Stolz und es war die Hoffnung.
Alles könnte besser werden. Das hatte ich mir immer gesagt und ich wartete immer noch darauf, dass alles gut wird. Jeden Tag könnte es passieren. Ich würde wieder glücklich sein, alles vergessen, was hinter mir lag. Menschen sagten immer, man sollte nicht an der Vergangenheit hängen. Wie sollte ich sie vergessen, wenn es mir erst wieder passiert war ? Ich konnte damit leben, aber nur mit dem Wunsch zu Sterben und aus meinem Elend geholt zu werden.
Warum war ich nicht einfach gestorben ?

Ich hatte mein Zimmer kurz betreten und war darauf mit Jason's Auto zu Mona gefahren. Hier saß ich nun, starrte leer aus dem Fenster und fragte mich, was jetzt aus meinem Leben werden würde.
Die Schule konnte ich jetzt erstmal vergessen, das College wahrscheinlich auch, wenn ich die letzten Wochen nicht aushielt. Außerdem musste ich für die Prüfungen lernen, die anstanden und ich fühlte mich nicht einmal einmal ansatzweise in der Lage, zu lernen. Meine ganze Konzentration wurde mir irgendwie abgezapft, sie war nicht mehr da. Stattdessen hatte sich mein Körper mit unnötigen Gefühlen aufgeladen. Mein Herz war irgendwie angeschwollen, es wurde viel größer. So fühlte es sich zumindest an.
Gott, ich vermisste Pax so schrecklich. Den netten Pax, sogar das Arschloch vermisste ich. Aber nicht den Unschuldskiller aus meinen jungen Teenie-Jahren.
Ich konnte nicht glauben, dass er das war. Er hätte sowas doch nicht getan, oder ? Ich kannte ihn immer noch zu schlecht. Aber das war so unrealistisch gewesen. Als hätte ich geträumt oder sowas.

Mona saß neben mir auf dem Sofa und nippte an ihrem Pfefferminztee, weil sie sonst nichts in sich hineinbekam.
Ich war auch kaum in der Lage, irgendetwas zu machen, doch ich machte ihr immer eine Suppe und zwang sie dazu, zu essen. Sie sollte nicht verhungern.
Ich sah sie an. Der Kummer brach durch ihre Maske. Sie war schon müde davon, etwas vorzutäuschen. Ihr ging es beschissen und ich konnte es leider nicht nachvollziehen. Wie würde ich reagieren, wenn Jason sterben würde ? Das konnte ich mir nicht einmal vorstellen.

Wir sahen uns einen Horrorfilm an, der übel war. Mona reagierte garnicht auf mich, sie reagierte auf nichts. Selbst auf Paul nicht.
Die Welt war offiziell untergegangen. Menschen wurden zu Zombies, ich war selbst einer und trotzdem fühlte ich mich als einzige lebendig. Nich auf eine gute Weise, sondern auf diese Ich-atme-leider-noch-Weise. Ich wollte nicht mehr.

Ich sah, wann Pax zuletzt online war. Durfte man im Knast das Handy behalten ? Ich glaubte nicht. Er war vor einer Woche online, obwohl das alles schon ungefähr zwei her war. Vielleicht hatte er es für eine Weile behalten.
Was interessierte es mich denn ? Es spielte keine Rolle mehr.
Tatsächlich kullerte mir eine Träne aus dem Augenwinkel und ich strich sie weg. Mein Leben hatte noch nie so wenig Sinn gemacht. Ich würde jetzt nichts mehr erreichen.

Mir ging es langsam auf die Nerven, wie negativ ich war und wie ich mich immer in Selbstmitleid suhlte, doch es war so wie es schon damals war. Wer sonst würde sich darum kümmern und mir zuhören ? Ich hatte im Moment nur mich. Mona war in einer ganz anderen Welt. Sie wünschte sie wohl an einen anderen Ort, vielleicht war sie in Gedanken zusammen mit Brandon und sie lachten auf diese klischeehafte Weise, als sei alles super.
Das Gehirn war manchmal echt toll, doch wenn man einmal aus seinen schönen Gedanken gezogen wurde und man merkte, dass das alles nicht real war, zerbricht die Welt nur noch mehr
Deswegen versuchte ich auch nicht mehr, mir eine heile Welt vorzustellen. Das deprimierte mich nur mehr.

"Mona.", raunte ich und sah auf meinen Display. "Ich geh' ins Bett."
Sie nickte nur und nippte weiter an ihrem Tee, als hätte sie das schon immer gemacht.
"Nacht.", murmelte ich und stand auf. Ich ging in ihr Zimmer, dass unverändert war. Sie war kaum hier drin gewesen. Er war ordentlich aufgeräumt, die CDs lagen gestapelt neben ihrem Player.

Ich stopfte mir die Kopfhörer in die Ohren und holte mein Notizbuch heraus. Wenn es eins gab, das mich retten konnte, war es Poesie. Ich setzte meinen Stift an und fing an, irgendwelche Wörter aufzuschreiben, die keinen Zusammenhang hatten. Vielleicht fiel mir dann etwas ein.
Ich listete alles auf, woran ich denken konnte, wenn es um das Universum ging.

Neben den offensichtlichen Sachen wie Sternen und all das Zeug, hatte ich VY Canis Majoris stehen. Woher ich das kannte, wusste ich auch nicht. Ich wusste, dass es die größte Sonne in unserem Universum war. Wenn sie explodierte, löschte sie wahrscheinlich alles aus. Wie wäre es, wenn die Welt unterging ?
Das fragte ich mich zu oft.

Ich legte das Notizbuch auf den Boden und kuschelte mich in die Barbiedecke. Ich wollte nie eine Prinzessin sein, als ich klein war. Ich wollte eher die Draufgängerin sein, bei einem Truckturnier teilnehmen zum Beispiel. Trotzdem hatte ich gerne mit Barbies gespielt und alle Filme gesehen. Ich beneidete sie und ihr perfektes Leben.

Ja, ganz richtig. Wenn ich im Bett lag, dachte ich nur an Barbies und an eine schwerelose Kindheit.
Doch ich schloss meine Augen und versuchte, mich an einen guten Pax zu erinnern. Seine Poesie, seine Augen die so tief wie das Meer waren. Die Monster vergaß ich auch nicht, die sich dahinter verborgen.
Sein Kiefer, seine kleinen Sommersproßen. Das Grübchen auf der linken Seite, wenn er lächelte. Wieso fiel mir erst alles auf, wenn es nicht da war ?

Ich krallte mich in mein Kissen. Hör auf an ihn zu denken. Hör auf. Hör auf in mein Kopf zu kommen. Hör auf. Verpiss dich.

Ich wollte endlich einschlafen, bevor ich noch anfing zu weinen. Doch die Tränen rollten schon unkontrolliert und durchnässten das Kissen. Ich war Alice, aber ich war nicht im Wunderland.

•°•°•°•°•°•°•

Ich wachte auf mit dem merkwürdigen Entschluss, zur Schule zu gehen. Die Motivation floss in mich hinein und ich wusste nicht, von wo sie kam. Da ich Mona nicht alleine lassen wollte, rief ich Paul an, der sowieso kommen wollte. Ich zog mich hastig an und merkte, dass mir meine Jeans nicht mehr eng saß. Ich hatte gegessen. Warum hatte ich so schnell so viel abgenommen ?
Hunger verspürte ich kaum, wobei das zu meinen kleinsten Problemen gehörte. Es war nicht einmal ein Problem. Ich lebte noch und verhungern würde ich nicht.

Jason's Auto füllte sich mit meiner Lieblingsmusik und ich lächelte, um mir etwas vorzumachen. Laut Wissenschaftlern funktioniert das wirklich. Wenn man lächelt, glaubt man, dass man glücklich ist. Hormone und so ein Scheiß halt.

Ich sang wie ein Idiot. Mein Gott, ich merkte wie ich durchdrehte, doch es gefiel mir . Mir ging es super.
Weiterlächeln. Ich stieg munter aus dem Auto und schlenderte über den Parkplatz der noch leer war. War ich zu früh da ?
Ich fuhr schnell nach Starbucks, blätterte mein Geld weg und saß dann schließlich auf der Bank vor der Schule.

Ich will immer noch sterben.
"Halt die Klappe.", plapperte ich und trank meinen Kaffee. Ich hatte noch bei Mona eine Blättchen in meinen Mund gelegt. Kein Wunder, warum ich aufgedreht war. Von wo ich die Drogen hatte, wusste ich nicht. Ich hatte sie einfach.
Na gut, ich war heimlich in Brandons Zimmer gegangen. War zwar respektlos gegenüber eines Toten, doch wer würde sie sonst nehmen ? Ich half ihm doch nur.

Menschen sprachen mit mir, fragten, was los war und wie es mir ging. Als würde es sie interessieren, ich bitte euch.
Das ging mir glatt am Arsch vorbei.

Jason saß neben mir, mit diesen besorgten Augen eines Bruders. Das war ja niedlich.
Jason schob mir das widerliche Schulessen rüber, doch ich lehnte ab und fragte die Leute aus meiner Klasse, was wir so gemacht hatten, während ich weg war.
Nachholen musste ich fast nichts, denn die Übungen für die Prüfung begann tatsächlich heute.

Man, ich war so bereit für den Scheiß. Ich brauchte nur mehr von dieser Droge.

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