#2 2

I want you to touch me there - A Little Death - The Neighbourhood

"Wohin gehst du ?", fragte Jason mich und hörte auf, die Paprika zu schneiden. Seit wann kochte er ?
Das spielte keine Rolle.
"Geht dich nichts an."
Er zögerte, zuckte aber dann die Schultern und schnitt weiter.
Ich musste zum Laden gehen, obwohl es schon dunkel war. In solchen Momenten wollte ich mein Auto wieder und Jason ließ mich nicht mit seinem fahren.

Auch wenn der Weg kurz war, wollte ich laufen. Es war besser so. Bewegung tat gut, einmal in der Woche wenigstens freiwillig. Sonst lief ich immer eine Ewigkeit zur Schule und zurück, wenn Mona mich nicht nach Hause brachte oder wir zu ihr fuhren. Und dann sagt man mir, dass ich nur rumliege, na klar. Das tat ich mehr als andere Menschen, mehr als gesund war, doch was war hier überhaupt schon gesund ? Nicht einmal die Luft war gut. Sie roch viel besser im Wald, weil die ekelhaften Abgase da nicht wirklich reinkamen. Ich musste mal wieder in den Wald, der war nicht weit von hier. Ich hatte nur nie Zeit dafür, lieber lag ich rum und tat nichts, aber abends konnte ich dort auf keinen Fall hin.

Ich beeilte mich, ging in den Laden und holte mir Lasagne, Zigaretten und Alkohol.
Das Geld hatte ich eigentlich für das College gespart, obwohl die Kosten schon abgedeckt sind, aber das Geld wollte ich für einige Extras behalten. Man versteht sich.

Außerdem musste ich mein Auto irgendwie zur Reparatur bringen und ich hoffte, dass Mum das als Entschuldigung dafür zahlte, was sie abgezogen hatte.

Ich zahlte an der Kasse, der junge Mann musterte mich. Ich hatte ihn hier noch nie gesehen, er war wohl neu.
Als die zwei Flaschen Vodka über den Scanner rollte, fragte er knapp nach meinem Ausweis, als sei es nichts. Mir bedeutete das zu viel und es wurde mir auch zu viel, dass er es überhaupt gewagt hatte, mich zu fragen.

"Nein, leider nicht.", nuschelte ich und versuchte meine Gereiztheit zu verstecken. Ich verschränkte die Arme.
"Dann tut es mir Leid, Miss-"
"Es tut mir Leid, wenn ich Ihnen gleich eine reinschlage, also verkaufen Sie mir diese Flaschen oder ich beschwere mich bei Ihrem Chef."
Er sah so unglaublich verpeilt und dumm aus, dass ich gleich hochgehen würde.
Als er mit rotem Kopf in meine Augen sah, tat es mir fast leid. Aber nur fast.
"Wirds bald ?", zickte ich nervös und trat von einem Fuß auf den anderen.
"Ich darf kein Alkohol an Minderjäh-"
"Es interessiert mich nicht, was Sie dürfen und was nicht."

Es standen einige in der Schlange, die geschockt dreinschauten, doch unter ihnen war dieses schräge, amüsierte Grinsen und ich sah weg.
"Vergessen Sie's.", knurrte ich wütend und zahlte meine Sachen ohne den Alkohol und beschmiss ihn fast mit dem Geld. "Man sieht sich immer zwei Mal im Leben.", drohte ich noch, bevor ich ging und er schenkte mir zu meiner Befriedigung einen ängstlichen Blick. Na geht doch. Das hatte ich vermisst.

Ich legte die Arme um mich und atmete die kalte Luft ein, die ich nachts so mochte. Wenn man die Augen schloss, fühlte man sich in der Unendlichkeit gefangen. Man sah keine Autos an einem vorbeifahren, keine Menschen, keine Wolken die sich vom Wind lenken ließen. Das alles waren Zeichen von Zeit und Zeit war ein Gift, das jeder von uns konsumierte.
Ich sah das alles nicht, ich hörte nur zu. Die Schritte waren wie ein Ticken. Man konnte der Zeit nie wirklich entfliehen.

Ich lief genervt nach Hause, enttäuscht, dass sich dieser Trip kaum gelohnt hatte. Alkohol war das wichtigste für mich, wenn ich einkaufen ging.
Autos fuhren weiter. Sein Jeep. Es war höchst interessant für mich, wie er immer dort war, wo ich auch war. Stalkte er mich etwa ? Es war ein zufriedenes Gefühl, dass es so sein könnte, aber gleichzeitig war es gruselig.

Er bremste leicht und fuhr neben mir her, als ich stur gerade aus ging und versuchte zu ignorieren, dass er verdammt sexy klang, als er sein "Hi" rau ausprach.
Ich lief schneller, obwohl mir klar war, dass ich nicht entkommen konnte.
"Ignorierst du mich jetzt immer ?"
Ich war sauer auf ihn, dass ich mir Sorgen um ihn gemacht hatte. Es war seine Schuld. Aber er würde Literatur niemals schwänzen, er mochte es zu sehr. Wieso hatte ich mir denn solche Sorgen gemacht ?
Das durfte ich nicht. Er war unwichtig. Er gehörte nicht in mein Leben, er war nur ein unpassendes Puzzel das nicht in mein Bild passte.

"Wioleth.", seufzte er verzweifelt und es klang wieder unglaublich heiß. Gott, ich wollte seine Lippen auf meinen fühlen. Ich liebte ihn nicht, aber wenn ich mich aus Spaß auf ihn einließ, wusste ich garnicht, wie das alles enden würde.
Stop, dachte ich. Vergiss ihn.
Ich durfte nicht daran denken.

"Soll ich dich nach Hause fahren?", fragte er mich so wie immer.
Es war lustig, wie freundlich und unschuldig er aussah, wenn man bedachte, was er alles mit diesen Lippen tun konnte. Ich schüttelte den Kopf trotzig, nicht nur um nein zu sagen sondern um diese Gedanken aus dem Kopf zu schleudern.

"Ich fahre sowieso zu euch.", stöhnte er genervt. "Hab dich nicht so."
Was wollte er bei uns ? Machte Jason deshalb Essen ? Sah aus wie ein Date.
"Es sind noch zwei Minuten. Ich kann den Weg ja wohl schaffen.", keifte ich und ging so schnell wie nur möglich.
"Wir wären in einer halben Minute da. Willst du deine Lebenszeit nicht sparen ?"
"Nein."
Er seufzte wieder, trat aber dann aufs Gaspedal und fuhr mit rasender Geschwindigkeit um die Ecke, in der ich wohnte.

Ich kam nur einige Minuten später an, verkroch mich aber direkt im Zimmer und schloss die Tür zu. Meine Laune fiel unter den Meeresspiegel und ich würde am liebsten heulen und schreien, jedem hier die Augen auskratzen und mich umbringen. Aber ich saß ruhig auf meinem Bett, während in mir tausend Kriege herrschten. Mein schwerer Atem war das einzige Zeichen von Druck und Angst, aber ich nahm mein Buch in die Hand und versuchte mich abzulenken.
Nach einer Weile gab ich es auf, denn alles, worauf ich mich konzentrieren konnte, waren meine Finger, die unkontrolliert zuckten.

Ich legte mein Buch weg und hörte gedämpfte Stimmen von unten. Gelächter, dass ich gut auseinander halten konnte. Das schrille Lachen meines Bruders und das süße, gleichzeitig atemberaubende Lachen.

Es nervte mich wie ein Ohrwurm, doch ein Ohrwurm hatte man nur bei Liedern, die man mochte.
Sie gingen hoch ins Zimmer, ich hörte die Schritte und hielt den Atem an. Ich hoffte, dass er hier klopfte und mich nervte, aber ich würde ihm eine reinschlagen, wenn er das täte.

Mir war so langweilig. So verdammt langweilig.
Ich holte meine Lasagne aus der Tüte und begab mich in die Küche, um den Ofen aufzuwärmen. Hoffentlich kamen sie nicht hier runter.
Ich hatte schon so oder so meine Nerven verloren, da sollten die Beiden oder eher gesagt Pax nicht meine letzten Zellen auslöschen.

Doch wie das Schicksal es wollte - obwohl ich an nichts davon glaubte - kam ausgerechnet er in die Küche und das ganz alleine. Ohne Shirt.

Okay. Erstmal machte Jason Essen. Dann kam Pax halbnackt in die Küche. Musste ich etwas wissen, das vielleicht mein Leben tausendmal einfacher machen würde ? Wenn Pax eigentlich schwul war, würde es mir vieles ersparen, aber wow, er konnte Mädchen wie ein Profi verarschen.

Seine Muskeln waren deutlich zu sehen, aber sie waren nicht die eines Bodybuilders. Sie waren perfekt. Ich erinnerte mich daran, wie ich sie angefasst hatte. Mit meinen Fingerspitzen über sie gestrichen hatte...
Ich stellte meine Lasagne in den Ofen und atmete tief durch. Dieser Typ machte mich so verdammt scharf auf etwas, was ich nicht erreichen konnte. Und er war so nah, würde es tun und mich vielleicht sogar hier auf dem Boden nageln, aber ich hatte Angst, dass ich noch das letzte Stück Normalität verlor und stattdessen klapsenreif war.

"So sieht man sich wieder.", murmelte er und ich hörte Flaschen klirren. Ich drehte mich um. Meine zwei Flaschen.
Er grinste frech, so provozierend aber zweiseitig. Seine V-Linie ließ mich fast die Kontrolle verlieren und ich wollte mich immer noch auf ihn werfen. Seine Hände und Lippen fühlen, überall. Das war keine Liebe, das war Verlangen und darüber war ich froh, auch wenn es mich frustrierte.

Ich leckte mir über die Lippen und lehnte mich gelassen auf die Arbeitsfläche. "Wie aufmerksam, dass du mir die Flaschen gekauft hast."
Meine Hand legte sich um eine Flasche, die er verteidigte und an sich zog. "Netter Versuch, Wioleth."
Er ging mit beiden Flaschen die Treppen hoch und ich sah, wie die Muskeln in seinem Rücken tanzten.
Ich wollte ihn fragen, was er mit meinem Bruder am Hut hatte. Er rauchte ja nur Gras, aber Pax schien ein schlechter Einfluss zu sein. Jedenfalls war es mir egal, sollte er tun, was er wollte. Jeder musste für sich entscheiden und wenn er glücklich damit war, sollte er es tun.

Mein Handy klingelte und es war ein ungewohntes Geräusch, da so gut wie niemand anrufte, sonder nur schrieb. Es war Mona.

Ich seufzte und ging ran. "Was?"
"Wo warst du denn ? Ich habe dir gefühlte millionen Mal geschrieben!"
"Ich hatte-"
"Ist auch egal. Komm irgendwie zu mir und hilf mir.", atmete sie schwer in den Hörer.
"Wobei?"
"Brandon.", keuchte sie und ich hörte, wie sie versuchte, ihre Tränen zu unterdrücken. "Ich weiß nicht.. Was los ist. Er reagiert nicht auf mich."
"Ruf den Krankenwagen!", beißte ich ungläubig in den Hörer.
"Ach, wie schlau!", gab sie bissig zurück. "Die sind schon auf dem Weg."
"Was soll ich dann da machen ?", zickte ich angenervt und merkte erst Sekunden später, dass das eine dumme Bemerkung war. "Ja, sorry. Bin schon unterwegs."

•°•°•°•°•

Ich hatte mir Jason's Auto ausgeliehen und hoffte, dass sich der Ärger danach lohnte, wenn ich jetzt zu Mina ging.
Hastig parkte ich vor dem Wohnhaus , wo schon eine Reihe Krankenwägen standen. Mit schnellen Schrittes ging ich hoch, nur um Mona auf dem Boden hocken zu sehen. Sie hatte hysterische Augen und ich sah neben ihr Brandon auf dem Boden liegen. Einige Sanitäter hockten über ihn und beatmeten ihn mit einer Maske, drückten ihn auf die Brust. Eine Herzmassage.

Seine Hände waren weißer als Schnee und ich setzte mich neben Mona auf den Boden. Ich konnte nie jemandem helfen, aber ich hatte es nin Filmen gesehen und es von Büchern gelernt. Ich legte meinen Arm um ihre Schulter und zog sie an mich. Tränen waren widerlich, aber ich wollte wenigstens einer Person eine gute Freundin sein.
"Was wenn er stirbt-"
"Hier stirbt niemand.", entgegenete ich wütend. Ich war wütend auf alles. Auf Brandon, dass er so egoistisch war, obwohl ich mich umbringen würde und damit Menschen zurücklassen würde. Die Sache war nur die, dass mich niemand liebte, als würde das kein Problem sein.
Ich war wütend auf mich und Pax und plötzlich war ich wütend über Dinge, die nichts mit Brandon zu tun hatte, der hier auf dem Boden lag und tot aussah.
Ich schmiegte Mona näher an mich und sie schluchzte nur noch mehr.
"Brandon!", schrie sie verzweifelt und voller Schmerz.
Ich fühlte mich immer so unreal in Momenten, die besonders fein an die Nerven gingen. Ich war so taub. Ich war hier falsch.

Als sie Brandon wenigstens zum Atmen gebracht hatten, wollte Mona mit, doch ich durfte nicht mit zum Krankenhaus fahren.
Ich sagte, es sei schon okay und öffnete kurz darauf eine Flasche Vodka, die sie unter dem Bett versteckt hatte und ich fragte mich, ob jemand so für mich da wäre, wenn ich durchdrehte.

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