#0 4
Meine Schere schien mich zu verspotten. Sie führte mich in Versuchung, doch ich würde es nie wieder tun. Das war erbärmlich. Schwach. Doch meinen Scham konnte man direkt auf meinen Armen sehen, und ich wusste, dass es riskant war, es wieder zu tun, weil ich so dünn war. Ein dünner Schnitt reichte um alles zu beenden.
Gott sei Dank sprach ich mit niemanden darüber und ich war froh, dass ich so verschwiegen war. Es war schon witzig, wie viele Menschen wegen Kleinigkeiten sterben wollten, doch in meiner Situation hätten sie sich bestimmt schon lange umgebracht. Innerlich verpasste ich mir einen Klaps auf den Hinterkopf. Ich versuchte, mich nicht mehr zu bemitleiden.
Auf meinem Tisch lag Geld, und Mum meinte, dass ich heute für Essen sorgen sollte. Sie meinte wahrscheinlich, ich sollte mir eine Pizza bestellen, da sie nicht wollte, dass ich einen Anfall bekam wenn ich einen Fuß in die dunkle Welt setzte.
Es war schon sehr dunkel, aber ich war früher auch oft in der Dunkelheit draußen. Ich durfte nicht immer so Angst vor der Welt haben. Ich hatte die Dunkelheit gemocht und das würde ich nicht aufgeben.
Meine Füße schlüpfen schnell in meine Boots und ich zog mir meine Jacke über. Ich hatte keine Lust auf Pizza, um ehrlich zu sein mochte ich keine. Was hatten alle bloß mit Pizza ?
Es war kälter als es von drinnen aussah, doch ich ließ mich nicht abschrecken und stopfte mir meine Kopfhörer in die Ohren, drehte die Musik auf und ging hastig los. Der nächste Laden war nur fünf Minuten entfernt, das würde ich schon schaffen.
Ich sah währenddessen zum klaren Himmel, wo die Sterne wie Diamanten funkelten. Am liebsten hätte ich mir eins vom Himmel gerissen. Am liebsten wäre ich dort oben.
Nach zwei kurzen Liedern war ich schon da. Gott sei Dank verlangten sie in dem Laden nicht nach einem Ausweis, da ich unbedingt Zigaretten und Alkohol brauchte. Mein Gras müsste noch reichen, doch ich wusste sowieso nicht, wo ich jetzt noch mehr bekommen könnte.
Ich trat ein, wo mir die warme Luft entgegen blies. Es war zu warm hier nach einem langen Spaziergang. Gut, so lang wars auch nicht, doch was zählte war, dass mir die Haut fast abbrannte.
Als ich zur Alkoholabteilung ging, suchte ich mir etwas starkes aus. Mir ging es noch schlechter, als ich dachte. Ich war eigentlich erst seit einem Jahr eine Sorgen-weg-Trinkerin. Sorgen-weg-Kifferin.
Es half mir aber teils, es zu vergessen und Albträume zu blocken. Doch nach der Ausnüchterung kamen für gewöhnlich Schuldgefühle.
Wenn ich noch mehr nachdachte, würde ich das wahrscheinlich nicht kaufen, deshalb zwang ich mich dazu, meinen Kopf abzuschalten und nahm mir die Flasche.
Jedoch musste ich mich nicht mehr dazu zwingen, als ich um die Ecke ging, um mir Chips zu holen. Der Junge. Er sah eigentlich eher aus wie ein Mann, doch er konnte nicht viel älter sein als ich.
Er schien mich aus den Augenwinkel zu bemerken, als er im Regal nach etwas suchte. Dann drehte sich sein Kopf zu mir.
Wenn man sich mehr als drei Sekunden anstarrte, wurde es peinlich und er starrte mich deutlich länger an, als es angemessen war.
Ich bewegte mich zu ihm, da ich die Chips brauchte, vor denen er stand.
Er trat kurz beiseite, doch jetzt wollte er anscheinend immer noch nicht den Blick von mir nehmen. Ich griff nach den Chips und drehte mich in seine Richtung. Ich hatte nicht in Erinnerung, dass er mir so nah stand. Mein Herz pochte vor Schreck, doch es war nicht nur mein Reflex, der es verursachte, sondern dieser Typ an sich.
"Hallo.", sagte er dann leise. Seine Stimme war wie Sandpapier, rau und tief. Es hörte sich an, als hätte es einen Diamanten geschliffen.
"Hallo.", sagte ich leicht verwirrt. Er hätte mich längst ansprechen können. Ich sollte mich glücklich schätzen, dass er es jetzt tat. Er sprach bestimmt nicht oft Mädchen an, vermutlich wird er immer von den Gören unserer Schule angesprochen.
Seine dunklen Augen sahen auf meine Flasche hinab. "Gehst du feiern?"
Ich ließ mir ein wenig Zeit mit der Antwort und sah auf seine Hände hinab. Diese Hände sahen sehr geschickt aus, und das meinte ich nicht nur einseitig.
"Ja.", sagte ich, damit er nicht dachte, ich sei ein armseliges Mädchen, das sich alleine besaufte.
Er nickte. "Auf welche Party gehst du denn ? Bist du auch bei Jackson eingeladen ?"
Seine Lippen bewegten sich so schön. Er sollte bloß niemals aufhören zu reden. "Äh.. nein. Ich feier' bei einer Freundin.", stammelte ich leicht und strich mir über die Augen. Meine Hand klammerte sich an die Flasche, damit er nicht sah, wie sie zitterte.
Er nickte wieder. Selbst das sah bei ihm wie eine flüssige Bewegung aus. "Tja, dann viel Spaß.", lächelte er knapp.
Dieser Satz war so abschließend und ich wollte nicht, dass er ging. Ich war versucht, ihm die Wahrheit zu sagen, aber so war ich nicht. Ich war versucht, ihn zurück zu rufen, als er an mir vorbeiging und seine Schulter meine streifte, was meinen Instinkt hervorrief, aber es war nicht nur das. Auch wenn uns Jacken trennten, fühlte ich Blitze.
Aber ich kannte ihn nicht. Vielleicht war der ein gruseliger Stalker oder ein kranker Psychopath.
Vielleicht war ich aber nur von seinem Aussehen so angetan. Wir hatten nur ein paar Worte gewechselt, das sagte nichs über seine Art aus.
Ich sah ihm noch nach, wie er an der Kasse zahlte, und er lächelte in die Leere, als erinnerte er sich an etwas Lustiges.
Ich legte die Käsechips weg und holte mir stattdessen andere mit Chiligeschmack. Mir kamen tausende Gedanken zu ihm in de Kopf, doch ich ließ nicht zu, weiter über ihn nachzudenken, solange ich ihn nich kennen gelernt hatte. Falls ich überhaupt noch mit ihm sprach.
Innerlich ging ich die Liste durch, was ich für meinen einsamen Abend brauchte. Lasagne war das erste, woran ich dachte, dann folgte Cola, ein Schokoladenvorat für einige Tage und Eis. Zigaretten.
Unbewusst beeilte ich mich, um einem Jemand womöglich noch über den Weg zu laufen.
Wo wohnt Jackson ?
Ich würde nicht dahin gehen.
Er wohnt nicht weit von mir.
Ich hatte Angst vor Massen.
So schlimm ist es nicht. Du warst oft auf Partys und hattest Spaß.
Nur weil ich zugeballert war.
Ich ging aus dem Laden und lief nach Hause. Der Typ war nirgends mehr zu sehen. Ich wusste, dass Jackson nur ein paar Häuser weiter wohnte, doch ich wusste nicht, welcher Jackson es war. Doch sobald ich vor meinem Haus ankam, wurde zu allem Übel meine Vermutug bestätigt. Es war der Jackson und ich sah eine wartende Menschenmenge. Schon der Anblick machte mir Angst.
Mona winkte mir zu und Brandon stand neben ihr. Ich zögerte eine Weile, aber letztendlich ging ich nach Hause, um meinen Schmerz in Alkohol zu ertränken und mir vorzustellen, wie es wäre, wenn mein Leben anders gewesen wäre.
Hätte ich nicht lügen müssen, weil ich niemals alleine trinken würde ?
Hätte ich 'Ja' gesagt und wäre mit dem Schwarzhaarigen zu Jackson gegangen ?
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