5
In der Pause war Robin sofort von Mädchen umringt. Er saß auf einer der Tischtennisplatten und sie standen alle im Halbkreis vor ihm und versuchten mit ihren unzähligen Fragen seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie schmissen ihr Haar durch die Gegend und klimperten mit den Wimpern oder berührten Robin am Arm oder an der Schulter. Ihnen war auch aufgefallen, wie gut er aussah. Robin versuchte all ihre Fragen zu beantworten, so viel bekam ich in der Ecke, in der ich auf einem Fahrradständer saß, mit. Er war so cool, so normal. John und seine Meute schauten zwar des Öfteren zu ihm hinüber, aber sie ließen ihn in Ruhe.
Wieso konnte ich nicht so sein wie er? Normal. Ich wollte keine Mädchenscharen, die über mich herfielen und auch keine Freunde. Dass man denen sowieso nicht vertrauen konnte hatte ich inzwischen gelernt. Aber ich wollte endlich in Ruhe gelassen werden.
Als es zum Pausenende klingelte, machte ich mich langsam auf den Weg zur Schultür. Ich mied das Gedrängel und ging meistens hinein, wenn fast alle anderen schon in ihren Klassen saßen. Während ich Ausschau nach John und Anhang hielt, bemerkte ich nicht, dass plötzlich jemand neben mir auftauchte.
„David, oder?", fragte eine wohlklingende, leicht raue Stimme. Erschrocken schoss mein Kopf herum und ich erkannte Robin.
„Ja, richtig", murmelte ich überrascht, während meine Handflächen leicht schwitzig wurden.
„Was ist mit deinem Gesicht passiert?", fragte Robin und schien ehrlich besorgt. Sicherlich wollte er sich auch nur über mich lustig machen.
„Nichts weiter", gab ich daher zurück und ging etwas schneller. Vielleicht würde er mich dann in Ruhe lassen. Aber Robin passte sich einfach meinem Tempo an.
„Waren das diese Idioten, die dich vorhin beleidigt haben?" Er nannte John und seine Meute Idioten? Mutig.
„Nein."
„Ich merk schon, du willst nicht mit mir reden. Eigentlich wollte ich dich auch nur fragen wo gleich Bio ist."
„Wahrscheinlich im Bioraum, der ist unten links die Stufen runter." Robin dankte mir und ging in Richtung des zweiten Eingangs.
Im Sportunterricht spielten wir wieder Völkerball. Ich hasste dieses Spiel, ich konnte weder werfen noch fangen. John und seine Meute taten nichts anderes, als mich so fest sie konnten mit Bällen abzuwerfen. Bald saß ich wieder auf der Bank und wie am Tag zuvor wollte John sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Ich sah wie er in Position ging und mit einem Ball in der Hand weit ausholte. Ich versuchte mich so klein wie möglich zu machen und hielt schützend die Hände vor meine schmerzende Nase. Ich wusste, dass ich John nicht ausweichen konnte, er würde mich immer treffen. Im Gegensatz zu mir war er ein hervorragender Werfer.
Bevor der Ball mich treffen konnte, sprang jemand in den Weg und fing ihn aus der Luft. Der erwartete Aufprall blieb aus. Verwundert öffnete ich die Augen wieder und sah Robin, der mit dem Rücken zu mir stand und den Ball in der Hand hielt.
„Was sollte das denn werden?", fragte er. Trotz dem allgemeinen Lärm in der Halle war seine Stimme deutlich zu vernehmen.
„Nur ein bisschen Spaß", grinste John. Seine Meute lachte und einige der umstehenden ebenfalls, aber Robin nicht. „Die Pussy wird doch ein paar Bälle verkraften."
„Ich glaube du hast das Spiel nicht verstanden, John", kam es überraschend scharf von Robin zurück. „Um zu gewinnen musst du diejenigen abwerfen die im Feld rumlaufen, nicht die, die auf der Bank sitzen. Die sind schon draußen, weißt du." Dann holte er in einer schnellen Bewegung aus und schleuderte John den Ball in den Magen. Der war so überrascht, dass er nicht schnell genug reagieren konnte und den Aufprall voll abbekam. Fluchend krümmte er sich zusammen, während Stille in der Halle eingekehrt war. Meine Mitschüler starrten zwischen Robin und John hin und her. Es war das erste Mal, dass jemand so mit ihm sprach. Sie schienen nicht zu wissen, wie sie reagieren sollten. Die Spannung in der Luft war fast spürbar. Jeder wartete Johns Reaktion ab. Dessen Kopf war hochrot angelaufen, als er sich wieder aufrichtete und den Ball wütend zu Boden schmiss. Er übersprang die Bänke, die in der Mitte als Abgrenzung standen und stürmte auf Robin zu. Der blieb unbeeindruckt stehen. John baute sich direkt vor ihm auf. Er war ein Stück kleiner, sodass Robin auf ihn herabschaute.
„Wag es dich nicht nochmal dich über mich lustig zu machen", knurrte John und seine Augen blitzten wütend. Er machte noch einen kleinen Schritt auf Robin zu, aber der wich nicht zurück.
„Dann gib mir keinen Grund dazu", erwiderte er. Sein Blick widerstand Johns.
„Gibt's ein Problem, Jungs?", fragte Herr Kalbert, dem inzwischen aufgefallen war, dass seine Schüler das Spiel unterbrochen hatten. Er kam ein paar Schritte auf Robin und John zu und blieb dann mit in die Seite gestemmten Armen stehen.
„Nein", gab Robin zurück ohne Johns Blick auszuweichen, „Es gibt kein Problem." Herr Kalbert blieb stehen und beobachtete die beiden. Anscheinend wusste er nicht genau, wie er darauf reagieren sollte. Die beiden standen sich regungslos gegenüber und starrten sich an, bis John schließlich den Blickkontakt unterbrach.
„Alles in Ordnung", sagte er zähneknirschend zu unserem Sportlehrer und ging zu seiner Meute zurück. Den hasserfüllten Blick, den er mir dabei zuwarf, übersah ich nicht.
Nach dem Unterricht ließ ich mir extra viel Zeit in der Umkleide um nicht Gefahr zu laufen, draußen noch auf John und seine Kollegen zu treffen. Ich trödelte so lange herum, bis alle anderen bereits verschwunden waren und Herr Kalbert mich rauswarf, weil er die Türen abschließen wollte.
Langsam schlenderte ich über den Schulhof und fragte mich, was mich Zuhause erwartete. Vielleicht hatte ich Glück und Kurt war ausnahmsweise nicht da. Dann könnte ich es schaffen mich in meinem Zimmer einzuschließen bevor mich irgendwer sah oder ansprechen konnte. Bevor mich irgendjemand für irgendwas anschnauzen konnte.
Als ich um die Ecke bog begann mein Herz schneller zu schlagen. Am Tor standen rechts und links verteilt Johns Kollegen. Mit düsteren Blicken und einem fiesen Grinsen im Gesicht starrten sie mich an. Ich drehte mich um und wollte in die andere Richtung davonkommen, aber ich blickte direkt in Johns Gesicht. Er hatte sich an mich herangeschlichen, ohne, dass ich ihn bemerkt hatte. Jetzt drängte er mich lachend in Richtung seiner Kollegen. Ich hatte keine Chance. Sie kamen von hinten, packten mich an Armen und Schultern und hielten mich fest.
„Das ist dafür, dass du mich vor der ganzen Klasse zum Depp gemacht hast", grollte John und schlug mir in den Magen. Vor Schmerzen krümmte ich mich zusammen, aber Johns Kollegen hielten mich oben. Immer wieder schlug er mir in den Magen, bis ich mich übergeben musste. Er wich aus und seine Kollegen ließen mich zu Boden fallen, wo ich mich sofort zusammenrollte. Aber John war noch nicht fertig mit mir. Er holte aus und trat solange zu, bis ich mich nicht mehr rührte. Weiße Flecken erfüllten mein Blickfeld und der Schmerz durchzog meinen Körper. Ich merkte, wie ich über den Boden geschleift und in ein Gebüsch geworfen wurde.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top