Wie ich zu einem Ehemann kam
Verschlafen öffnete ich die Augen. Die Sonne schien in mein Fenster und verkündete einen schönen Tag an.
Doch als ich mich erinnerte, was für ein Tag heute sein sollte, sank meine Stimmung automatisch in den Keller. Heute wollten meine Eltern einen passenden Gemahl für mich finden. Mit meinen 17 Jahren, meinten sie, sei ich alt genug, um einen Gemahl zu bekommen.
Dass es dann auch noch ein von ihnen ausgewählter Mann sein musste, verschlechterte meine Stimmung zusehends. Natürlich würde ich keinen Mann aus dem einfachen Volk wählen, aber ein wenig Wahlmöglichkeiten wären schon nicht schlecht.
„Prinzessin Amalia, wir haben den Befehl, Euch angemessen zu kleiden.", meine Zofen standen vor der Türe und sahen mich entschuldigend an. Ich nickte kurz, um ihnen zu symbolisieren, dass das für mich in Ordnung war.
Sie halfen mir aus meinem Unterkleid, in dem ich die Nacht verbracht hatte und unterzogen meinem Körper einer raschen Säuberung. Sie puderten meine Haare und kleideten mich in ein wunderschönes Kleid aus rotem Samt, welches perfekt zu meinen nun weißen Haaren passte.
Allerdings achtete ich gar nicht auf meine Zofen, meine Aufmerksamkeit war vielmehr auf meinen Schreibtisch gerichtet. Dort lag noch der Brief von Maria, der gestern angekommen war. Es hatte über zwei Wochen gedauert, bis er angekommen war.
Maria war meine beste Freundin, und obwohl wir uns nicht häufig sahen, harmonierten wir perfekt miteinander. Sie war ein Jahr älter als ich und schon seit zwei Jahren glücklich mit Prinz Jakob aus Dänemark verheiratet.
In ihrem Brief wünschte sie mir viel Glück bei meiner Suche nach einem geeigneten Mann. Meine Eltern hatten genauste Vorstellungen, wie er auszusehen hatte und was er können musste. Da kamen meine Wünsche an die letzte Stelle. Doch ich beschwerte mich nicht. Ich war mein ganzes Leben darauf vorbereitet worden, Königin zu werden und als einziges Kind einer der einflussreichsten Königreiche hatte ich es nie leicht gehabt. Meine Zofen und auch meine Mutter hatten mich darauf vorbereitet, eine Ehe einzugehen. Von Liebe war da nur selten die Rede.
„Meine Prinzessin? Wenn Ihr nicht zu spät kommen wollt, müsst Ihr jetzt los." Phillip stand in der Tür. Er war der General meines Vaters und aufgrund des Friedens, der momentan herrschte, hatte er nicht viel zu tun. Deshalb hatten meine Eltern ihn gebeten, ein Auge auf mich zu haben und mich zu begleiten, gerade an Tagen wie diesem.
Ich mochte Phillip. Nicht nur die Tatsache, dass er nur drei Jahre älter war als ich, nein, er besaß auch überragende Kampfkünste. Außerdem hatten sein kühler Kopf und seine Entschlossenheit uns schon in manchen Kriegen den Sieg gebracht. Außerdem sah er auch noch gut aus. Himmel, so müsste ein Ehemann aussehen.
Ich seufzte. Mutter und Vater setzten zwar großes Vertrauen in ihn, aber ... er war nun mal nicht mehr als ein General.
„Ich komme." Ich raffte meine Röcke zusammen und stand auf. Elegant schritt ich zur Tür. „Wir wünschen Euch viel Glück bei der Wahl eines Gemahls.", sagten meine Zofen wie aus einem Mund. Ich nickte nur knapp und nahm Phillips Arm, den er mir darbot. Zusammen schritten wir in den Thronsaal.
Meine Eltern saßen bereits auf ihren Thronen und warteten schon ungeduldig auf mich. Eine Gelegenheit, etwas zu essen, bot sich mir heuten Morgen wohl nicht. Ich ignorierte meinen knurrenden Magen, machte mich von Phillip los und schritt zu meinem Platz, einem silbernen Stuhl neben denen meiner Eltern. Phillip stand starr und aufrecht neben dem Thron meines Vaters.
„Du siehst bezaubernd aus, Schatz. Die Männer werden dich nur zu gerne heiraten wollen!" Meine Mutter lächelte mir aufmunternd zu. Für sie war es aufregend. Für mich dagegen war es eine Pflicht, eine Plicht, die ich zu erfüllen hatte, seit ich meinen ersten Atemzug getan hatte. Prinzessinnen heirateten einen großen und mächtigen Mann, gebaren ihm ihre Nachkommen und regierten mit ihm zusammen das Land.
Ein langweiliges Leben, ich weiß. Mein Vater, königlich wie immer, klatschte in die Hände. „So lasst uns mit dem ersten Mann beginnen!"
Der erste Mann war mindestens doppelt so alt wie ich und ich konnte mein Entsetzten kaum verbergen. „Eure Hoheit, ich bin Prinz Ferdinand von Griechenland.", stellte er sich vor. Meine Eltern erkundigenden sich nach seinen Fähigkeiten und seinen Errungenschaften im Kampf, während ich ihn im Stillen mit Phillip verglich und unwillkürlich einen Blick auf ihn werfen musste. Er stand starr und gerade neben meinem Vater.
Nachdem sie festgestellt hatten, dass er nicht ihren Wünschen entsprach, schickten sie ihn höflich zurück zu den anderen Männern und ließen den nächsten rufen.
Sein Erscheinungsbild war absolut göttlich. Er war muskulös und an seiner Hüfte schimmerte ein prächtiges Schwert. Meine Eltern warfen sich einen schnellen Blick zu. Ihnen gefiel er. Zumindest seine Erscheinung. Als er nämlich zu sprechen anfing, musste ich meine Lippen zusammenkneifen, um nicht zu lachen. Er stotterte und seine Stimme war so hoch wie die einer Opernsängerin.
Meine Eltern schüttelten kurz den Kopf und wiesen ihn höflich zurück. Der nächste Mann, der gebracht wurde, war stockbetrunken und so fett, dass ich eine Gänsehaut bekam. Seine Nachkommen wollte ich auf keinen Fall gebären! Meine Mutter teilte diese Meinung und der Mann wurde aus dem Schloss gebracht.
Nun war nur noch ein Mann übrig, teilten uns die Wachen mit. „Führt ihn herein!", sagte mein Vater streng, dann wandte er sich zu uns und seufzte leise. „Ich hoffe, der ist nicht so eine Enttäuschung wie die anderen.", flüsterte er, sodass es nur meine Mutter und ich hören konnten. Wir nickten leicht, wandten uns dann aber wieder zur Tür, um den letzten Mann anzuschauen.
Er war muskulös, aber nicht zu sehr, er hatte eine gute Statur und wirkte wie ein erfahrener Krieger. Sein Name lautete Heinrich. Meine Eltern erkundigten sich nach seinen Fähigkeiten und wirkten zufrieden. Der passende Ehegemahl schien gefunden.
„Dürfte ich ein Wort mit der wunderschönen Prinzessin reden?", richtete er seine Bitte an meinen Vater. „Nur zu." Mein Vater billigte die Bitte mit einem kurzen Nicken. Heinrich kam zu mir und kniete sich zum meinen Füßen hin.
„O holde Prinzessin ..." Er setzte zu einer Lobeshymne an, deren Sinn sich mir nicht erschließen wollte. Doch Anerkennung und Bewunderung war nicht unbedingt schlecht. So würde ich zumindest einen guten Ehemann bekommen. Plötzlich zog der Mann einen Dolch und wollte sich auf mich stürzen.
Ich schrie auf, hatte aber keine Möglichkeit, auszuweichen. Ich schloss die Augen, als der Dolch auf mich zu sauste. Ein Klirren ertönte und meine Neugier besiegte die Angst. Ich öffnete meine Augen wieder und sah, dass Phillip sich vor mich gestellt hatte und dem Angreifer den Dolch entwendet hatte.
Ich zitterte am ganzen Körper, während man den Angreifer in den Kerker warf. Phillip drehte sich zu mir um. „Ist bei Euch alles in Ordnung?", fragte er besorgt. Erst jetzt bemerkte ich, dass er verletzt war. Aus einem Riss an seinem Arm sickerte Blut. „Phillip, Ihr blutet!", stellte ich überflüssigerweise fest.
Ich stand auf und wollte Phillip gerade danken, doch mein Vater kam mir zuvor. „Ich muss Euch danken, General. Ihr habt meine einzige Tochter gerettet. Dafür bekommt Ihr eine reiche Entlohnung!" Es fehlte nicht viel und mein Vater wäre auf die Knie gegangen. Wie sehr er mich doch liebte.
„Gold und andere Schätze bedeuten mir nichts, mein König. Wenn Ihr erlaubt, würde ich gerne etwas anderes von Euch verlangen." Phillip wartete auf das Nicken meines Vaters, bevor er fortfuhr. „Ich bitte Euch, mein König, vergebt mir meine Worte, doch ... ich kann nicht anders. Ich habe mich in Amalia verliebt und würde sie gerne als meine Gemahlin nehmen. Ich liebe sie schon seit einer ganzen Weile und bin mir sicher, sie tut das auch. Liebst du mich, Amalia?", fragte er und ging vor mir auf die Knie.
Nun wurde mir einiges klar. Die Zuneigung, die ich seit einigen Monaten für ihn empfand, das war schon längst keine mehr. Ich liebte ihn. Also sagte ich das einzige, was ich sagen konnte. „Ja, ich liebe dich auch!"
Zwei Wochen darauf ...
Heute war es soweit. Die Hochzeit stand an. Meine und Phillips Hochzeit. Er war der Mann, mit dem ich alt werden wollte, er war der Mann, den ich liebte. Wie wir beide meine Eltern hatten überzeugen können, wusste ich nicht, jedenfalls war es überraschend leicht gewesen. Einen besseren Gemahl und König hätten sie sich nicht erträumen können, sagten sie zumindest jetzt. Er besaß alle Fähigkeiten, die man als guter König brauchte und war auch noch in der Lage, mich zu beschützen.
Nun stand ich neben Maria, meiner besten Freundin und wartete auf meinen Vater, der mich zum Altar führen würde. Mein weißes Brautkleid bestand aus vielen Schichten Stoff, aber es war wunderschön. Eine Schneiderin hatte es mit einem goldenen Faden bestickt und nun zierten es Blumen und Sterne. Maria hatte fast geweint, als sie mich so gesehen hatte.
„Ich weiß nicht ... wie überlebe ich diesen Tag nur ..." Schon seit einer ganzen Weile führte ich Selbstgespräche. Das war der bisher aufregendste Tag in meinem Leben. Das Wetter war perfekt und mein Vater hatte viele Gäste eingeladen, um diesen Ehrentag gebührend zu feiern.
„Mach dir keine Sorgen, Amalia, es wird perfekt!" Marias Überzeugungskraft ließ meine Nervosität ein wenig weichen. „Wenn du meinst ..." Ich war immer noch nicht ganz überzeugt.
„Schatz, wir müssen." Mein Vater stand in der Tür. „Du siehst sehr hübsch aus, meine Kleine. Ich kann gar nicht fassen, dass du schon so groß bist." Ich nahm seinen Arm und wir folgten Maria nach draußen.
Langsam schritten wir über den weißen Teppich, auf dem viele weiße Rosen verstreut waren. An dessen Ende wartete Phillip auf mich, meine große Liebe. Beim Anblick meines Kleides stockte ihm der Atem und auch ich war angenehm überrascht, wie schön er in seinem weißen Frack aussah.
„Komm, den Rest musst du alleine gehen." Mein Vater löste sanft unsere Hände und ich schritt auf meinen Mann zu, federleicht wie ein Engel. Für diesen Moment stand die Welt still und es gab nur noch uns beide.
Nachdem alle Zeremonien und Bräuche durchgeführt waren, sagte der Priester endlich: „Ihr dürft Euren Gemahl nun küssen."
Ich lächelte Phillip sanft an, während wir uns immer näher kamen. Da war er – der Augenblick, von dem ich immer geträumt hatte. Unsere Lippen berührten sich so federleicht, dass ich eine Gänsehaut bekam. „Ich liebe dich.", sagte Phillip, während er sich von mir löste. „Ich liebe dich auch."
1710 Wörter.
Die Geschichte ist für den Wettbewerb von
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