Myrny- Einsamkeit und eine ungewöhnliche Liebe
Mit einem Seufzen hielt die rothaarige Weasley ihre Hände unter das kalte Wasser und sah in den Spiegel. Sie sah wirklich fürchterlich aus: Ihre sonst so glänzenden roten Haare hingen stumpf und fettig von ihrem Kopf ab, als hätte Ginny sie seit Jahren nicht mehr gewaschen. Unter ihren Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab und ihre Haut spannte sich wie Papier über ihre Knochen.
Es war also wirklich kein Wunder, dass Leute, die sie früher bewundert und nach Dates gefragt hatten, nun einen Bogen um sie machten und ihr mitleidige Blicke schenkten. Manche Leuten nannten sie sogar den 'gefallenen Engel'. Wirklich lustig.
Dabei sollte ihr Leben perfekt sein. Es war erst wenige Monate her, seit Harry Voldemort besiegt und Frieden über die Zauberergemeinschaft gebracht hatte. Zu diesem Zeitpunkt war ihr Leben noch nicht aus dem Ruder gelaufen. Sie hatte einen Freund, der landesweit berühmt war, eine Familie, auch wenn Fred fehlte, und das Ministerium hatte ihr sogar eine Aurorenausbildung angeboten.
Doch sie hatte abgelehnt. Die ersten Tage hatte die gesamte Gesellschaft versucht, England wieder aufzubauen. Und kaum lief wieder alles halbwegs normal, fing es an. Irgendjemand hatte spitz gekriegt, dass Ginny und Harry wieder ein Paar waren und das sofort an die Boulevard-Presse der Zauberer weiter getragen. Fortan wurde Ginny auf Schritt und Tritt verfolgt und die Tatsache, dass sie jedes Interview abgelehnt hatte, hatte dazu bei getragen, dass die Presse wirklich alles versucht hatte, sie in ein schlechtes Licht zu rücken.
Ihr eigenständig erarbeiteter Erfolg wurde rücklings über Bord geworfen und sie war seitdem nur noch „Harry Potters Freundin" gewesen oder, wie Leute sie auch gerne nannten: „Das arme Bauernmädchen, das sich hochschlafen will."
Natürlich.
Es war also kein Wunder, dass Ginny und Harry immer öfter gestritten hatten. Die Rothaarige hatte ihm vorgeworfen, nichts dagegen zu tun und Harry hatte erwidert, dass er wichtigeres zu tun hatte, als sich um so etwas kleines zu kümmern. Das hatte für Ginny das Fass zum Überlaufen gebracht und sie hatte Schluss gemacht.
Im Nachhinein bereute sie es, sich so kindisch verhalten zu haben. In einer absoluten Kurzschlussreaktion hatte sie ihm die Worte „Es ist aus mit uns" an den Kopf geworfen, ihre Sachen gepackt und war zu ihrer Freundin Luna gegangen.
Die Trennung hatte ihr gar nicht gut getan, doch so sehr sie es auch bereute und Harry immer noch liebte, seitdem hatte sie wesentlich weniger Gegenwind von der Presse bekommen und konnte fast wieder aufatmen.
Mit einem Seufzen schloss sie den Hahn und wedelte mit ihren Händen durch die Luft, denn - welch Überraschung - in diesem Bad gab es keine Tücher.
Eigentlich sollte sie zu diesem Zeitpunkt im Klassenzimmer für Verteidigung gegen die dunklen Künste sitzen und sich anhören, wie man Flüche abwehrte (als ob sie das nicht wüsste, schließlich hatte sie in einer Schlacht gekämpft), doch dann hatte sich ihre Blase zu Wort gemeldet. Normalerweise wäre sie niemals in dieses Klo gegangen, schließlich war dies Myrtes Zuhause, doch sie hatte wirklich dringend gemusst und hatte notgedrungen beschlossen sich zu beeilen.
„Hallo, Ginny", sagte auf einmal eine Stimme dicht hinter ihr.
Sie erschrak sich so sehr, dass sie herumfuhr und auf einer Wasserpfütze ausrutschte. Sie hätte vermutlich Bekanntschaft mit dem Boden gemacht, hätte sie nicht reflexartig nach dem Waschbecken gegriffen und es gerade noch so geschafft, sich daran festzuhalten.
„Verdammte Scheiße, Myrte! Was soll das?", schrie sie wütend.
Das Mädchen kicherte nur albern und Ginny verdrehte die Augen. Sie konnte Myrte einfach nicht ausstehen. In ihrem ersten Schuljahr hatte sie bereits weitaus genug Bekanntschaft mit dem Geist gemacht und ihr Vorrat an Begegnungen mit der Heulsuse war bis aufs äußerste gedeckt. Nie würde sie vergessen, wie Myrte sie dabei erwischte hatte, als sie das Tagebuch hier versenken wollte. Sie war damals wochenlang voller Angst durch das Schloss gelaufen, mit der ständigen Befürchtung, jemand könnte davon erfahren.
„Ist nicht gerade Unterricht?", unterbrach Myrte ihr Kichern und sah die Weasley durch ihre dicken Brillengläser an.
„Ja, aber ich musste auf die Toilette, stell dir vor", entgegnete Ginny bissig und wollte sich gerade auf den Weg nach draußen machen, als Myrte anfing zu heulen und sie innehalten ließ.
„Wie kannst du- warum? Du weißt genau, dass ich nicht auf die Toilette kann und jetzt musst du mir das auch noch unter die Nase reiben", kreischte sie mit ihrer schrillen Stimme und dicke Tränen liefen ihre Wangen hinab.
Es kostete Ginny sehr viel Mühe nicht „Na und? Sei doch froh!" zu rufen. Das würde Myrte nur noch mehr anstacheln. „Das tut mir leid, Myrte, das ist mir nicht bewusste gewesen", versuchte sie es sanft, denn sie wusste genau, dass bissige Bemerkungen bei Myrte nichts brachten. Der Geist wollte, dass man ihm Verständnis entgegenbrachte und wenn Ginny dies erledigt hatte, konnte sie endlich gehen und sich wieder den ungesagten Protego-Zaubern widmen.
„Natürlich ist es das nicht! Interessiert doch niemanden, wenn die dumme, einsame Myrte nichts kann! Es ist doch nur Myrte! Wer interessiert sich schon für Myrte!"
Als Ginny sah, wie das Mädchen herumschwebte und sich die Seele aus dem Leib schrie, regte sich ein bekanntes Gefühl in ihr. Es war Mitleid. Sie empfand tatsächlich Mitleid mit dem Mädchen, das viel zu früh sterben musste. Irgendwie erinnerte Myrte sie an die Leute, die alle in der Schlacht ihr Leben lassen mussten, obwohl sie vielleicht noch so viel vorhatten. Vielleicht hatte Myrte früher auch Träume und Hoffnungen gehabt; vielleicht war sie einst nicht so weinerlich, sondern voller Lebensfreude gewesen.
Hastig schüttelte sie den Kopf, um die Gedanken zu verscheuchen. Myrte und Mitleid, also wirklich. Vielleicht sollte sie mal in den Krankenflügel; die letzten Wochen waren Beweis genug gewesen, dass es ihr absolut nicht gut ging. Sie hatte schon lange nicht mehr richtig geschlafen.
„Wie dem auch sei, ich muss gehen", murmelte sie mehr zu sich selbst und verließ die Toilette, Myrtes Gekreische immer noch in den Ohren hörend.
***
Sie stand erneut vor der Toilette. Mal wieder. Und diesmal musste sie nicht auf die Toilette. Nein, Ginny war vollkommen freiwillig hergekommen und bereute es nun fast. Nicht das kleinste Geräusch drang durch die Tür, doch sie kannte Myrte. Wie ein kleiner Stalker wartete sie immer darauf, dass jemand sie besuchen kam.
Dabei vergaß sie immer, dass die Leute nicht auf die Toilette gingen, um Myrte einen Besuch abzustatten, sondern aus anderen Gründen. Kaum betrat man diesen Raum tauchte sie in Sekundenschnelle aus einer Toilette auf und beweinte einen. Eigentlich hatte sie es sich zum größten Teil selbst zuzuschreiben, dass sie keinen 'Besuch' mehr bekam. Würde sie die Leute nicht immer so belästigen, vor allem auf einer Toilette, würden vielleicht mehr Leute sie 'besuchen' kommen.
Aber sie war wirklich hier, um Myrte zu besuchen. „Merlin, ich werde wirklich Myrte besuchen", sagte sie fassungslos zu sich selbst. Ginny konnte es selbst kaum fassen, dass sie Myrte, diesem Quälgeist, einen Besuch abstattete. Jedoch waren in den letzten Wochen ihre Gedanken sehr oft an den Geist gewandert. Sie hatte viel zu oft darüber nachgedacht und irgendwann gemerkt, dass Myrte vielleicht einfach etwas zu einsam war.
Deshalb stand sie nun mit einem Sandwich in der Hand direkt vor der Tür, ihre Hand schwebte nur Zentimeter über dem Knauf und sie fragte sich zum wiederholten Male, was sie eigentlich geritten hatte, in dieses Klo gehen zu wollen.
Sie hätte einfach in die große Halle gehen und dort mit Neville und Luna gemeinsam quatschen können, doch stattdessen war sie hinunter in die Küche gegangen, hatte sich ein Sandwich genommen und war direkt in den ersten Stock zu Myrtes Zuhause gelaufen.
Mit einem Seufzen packte sie den Knauf und betrat den Raum. Das Waschbecken, das direkt in die Kammer des Schreckens führte stand dort direkt vor ihr. Groß, hell und eindeutig schon mehrere Jahrhunderte alt. Für einen kurzen Moment ruhte ihr Blick auf den kleinen Schlangen an den Hähnen, dann wandte sie sich ab und suchte den Raum ab.
„Myrte?"
Sie erhielt keine Reaktion. Mit einem Schulterzucken lief sie zur anderen Seite des Raumes, wo es zur Ausnahme mal trocken war, denn Myrte machte sich einen Spaß daraus, den Raum zu bewässern, und setzte sich auf den Boden.
Ein paar Minuten vergingen und Ginny glaubte schon, dass Myrte entweder schlief oder gerade durch irgendwelche Abflussrohre trieb, als auf einmal ein überraschter Laut zu ihrer rechten ertönte. Myrte schwebte dort und starrte Ginny ganz überrascht an.
„Ginny?"
„Hallo, Myrte", erwiderte Ginny und versuchte dabei möglichst freundlich zu klingen. Vielleicht war das doch keine tolle Idee gewesen, in dieses Klo zu gehen. Nun, jetzt war es zu spät.
„Was- was machst du hier?"
„Ähm ... ich wollte dich besuchen kommen?"
Kaum hatten die Worte ihren Mund verlassen, bereute sie sie. Erst zeichnete sich Fassungslosigkeit auf Myrtes Gesicht ab, dann begann das Mädchen zu schluchzen und hemmungslos zu heulen.
Merlin, wäre sie doch bloß in die große Halle gegangen. So sehr Ginny die Stille vorhin auch genossen hatte, nun erfüllten herzzerreißende Schluchzer die Toilette.
Natürlich mussten die Wände auch so gebaut sein, dass jeder kleinste Laut widerhallte.
„Myrte, mit was hab ich dich denn jetzt schon wieder verletzt?", fragte die Rothaarige gereizt. Ja, ihre Gedanken waren in den letzten Tagen oft an den Geist gewandert und sie verspürte Mitleid für sie, doch ihre Geduld war begrenzt. Irgendetwas war sowieso falsch mit ihrer geistigen Gesundheit, ihr altes Ich hätte spätestens nach Myrtes Auftauchen das Weite gesucht. Ach was, sie wäre nicht einmal in dieses Klo gegangen!
„Verletzt? Oh nein, du hast mich doch nicht verletzt", schluchzte Myrte mit solcher Inbrunst, dass Ginny fast glaubte, jemand wäre gestorben.
„Ja, aber-"
„Du bist die erste seit Jahren, die mich freiwillig besuchen kommt, weißt du?", schniefte Myrte und zog sehr geräuschvoll ihre Nase hoch.
„Ähm ... wirklich?" Verdammt, wo war ihr Selbstbewusstsein hin? Genau dann, wenn sie es brauchte. Wahrscheinlich hat es sich in Myrtes Klo versenkt, dachte sie bitter.
Außerdem fand sie Myrtes Verhalten sehr suspekt und gleichzeitig irgendwie einleuchtend. Ginny fand, dass Myrte sich wie Dobby aus Harrys Erzählungen verhielt.
Harry. Der Gedanke an ihren Exfreund versetzte ihr immer noch einen Stich. Sie hatten seit ihrer Trennung nicht mehr miteinander gesprochen und Ginny vermisste den Schwarzhaarigen mit seinem trockenen Humor und seiner unerschütterlichen Art weiterzukämpfen, selbst wenn alles schon verloren schien.
Natürlich konnte sie mit Hermine darüber reden, schließlich wiederholte diese hier ihr Jahr, jedoch wollte sie nicht, dass sie bemitleidet wurde oder man ihr nutzlose Ratschläge gab.
Myrte hatte inzwischen aufgehört zu weinen und wischte sich nun die Tränen vom Gesicht. Langsam schwebte sie auf Ginny zu, fast als hätte sie Angst, die Weasley könnte aufspringen und wegrennen.
Doch Ginny blieb. Sie blieb, als Myrte sich an den Platz setzte, auf den sie zeigte. Sie blieb, als Myrte anfing ein Gespräch zu entwickeln; sie blieb, als Myrte von ihrer Vergangenheit erzählte. Und Myrte blieb, als Ginny ihr von ihren letzten Monaten erzählte.
Vielleicht, dachte Ginny sich, vielleicht war es doch keine so schlechte Idee gewesen, Myrte zu besuchen.
***
Leise zwängte Ginny sich durch die Tür und lief davon; ihre Füße, die ausnahmsweise in High Heels steckten, klapperten leise auf dem Boden, als sie die Halle hinter sich ließ. Mit jedem Schritt, den sie ging, wurde die Musik immer leiser und mit der aufkommenden Stille fiel auch eine unbemerkte Last von ihr ab.
Eigentlich sollte es heute ein strahlender Abend für sie sein. Schon seit Monaten sah sie nicht mehr wie ein Zombie aus. Ihre Haare glänzten wieder wie früher; ihre Haut glänzte wieder rosig und gesund, sie hatte Bestnoten in ihren UTZ's und ihre Figur war in Topform. Sie sollte keine Schwierigkeiten bekommen, sich für das Auswahltraining der Holyhead Harpies zu qualifizieren und doch spürte sie eine seltsame Wehmut, wenn sie daran dachte, das Schloss zu verlassen.
Jahrelang war Hogwarts wie ein Zuhause für sie gewesen und sie wollte hier nicht weg. An diesem Ort war sie aufgewachsen, hatte ihre ersten Freunde getroffen, hatte ihren ersten Kuss gehabt und hatte gelernt, was es heißt, zu lieben. Sie verband so viele Erinnerungen, gute als auch schlechte, mit diesem Ort, es würde so schwer werden, sich hiervon zu entfernen.
Besonders ein Mensch, oder eher weniger, hatte es ihr in den letzten Monaten leicht gemacht, das Leben wieder richtig zu genießen. Myrte hatte es irgendwie geschafft, Ginny wieder dazu zu bringen, ihren Tiefpunkt zu überwinden und ihr Leben in den Griff zu bekommen.
Seltsam, dass ein Geist, der eigentlich mehr weinte wie atmete, sie dazu bringen konnte, die positiven Dinge zu sehen. Es stimmte also wirklich, dass die verzweifelsten, traurigsten Menschen das meiste Licht zu geben hatten.
Auch wenn Myrte, so fand Ginny, in letzter Zeit nicht wirklich traurig oder verzweifelt. Sie war überhaupt nicht wiederzuerkennen. Ihr sonst so tristes Erscheinungsbild war wie weggeblasen. Ginny hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, mit Myrte zu essen und zu reden. Bei jedem neuen Besuch schien Myrte mehr und mehr aufzublühen. Einmal war sie sogar aus ihrer Toilette hervorgekommen und jauchzend durch die Gänge geflogen.
Ginny würde nie vergessen, wie McGonagall voller Schock und Überraschung gestarrt hatte. Dabei hatte sie sich sogar eingebildet, McGonagall würde sie mit einem kleinen wissenden Lächeln ansehen. Vielleicht wusste ihre Lehrerin wirklich, warum Ginny seit Monaten so selten in der großen Halle aß.
Und Myrte, die sie mittlerweile wirklich als ihre Freundin bezeichnen konnte, hatte sogar das Unmögliche geschafft. Die Weasley war über Harry hinweggekommen.
Sie hatte es damals nicht für möglich gehalten, als sie in einer Welle der Sehnsucht nach ihrem Exfreund in die Toilette gestürmt war und Myrte, Rotz und Wasser heulend, von ihrer Trennung erzählt hatte. Entgegen all ihrer Erwartungen hatte Myrte ihr jedoch sehr geduldig zugehört und dann einfach nur mit ihr geredet.
Mittlerweile war Ginny klar, dass eine Beziehung mit Harry einfach nicht mehr möglich war. Sie taten sich nicht gut. Sie waren sich zu ähnlich. Ginny und Harry waren beide wie Feuer, das sich gegenseitig in einem ständigen Kampf dazu brachte, noch heller zu leuchten und noch stärker zu brennen. Sie könnten entweder perfekt zusammen passen und sich gegenseitig dazu anfeuern, immer das Beste hervorzubringen, oder sie vernichteten alles in ihrem Umfeld.
Ginny brauchte kein Feuer. Sie hatte selbst genug davon.
Ihr war bewusst, dass Harry sie immer noch mochte und eventuell bereit war, eine Beziehung mit ihr einzugehen, doch sie wollte nicht mehr. Sie liebte Harry, das tat sie wirklich, aber nicht so, wie sie ihren festen Freund lieben sollte. Es würde sehr schwer werden, das Harry beizubringen, jedoch hoffte sie inbrünstig daran, dass sie noch Freunde werden konnten. Sie wusste nicht, ob sie es verkraften könnte, erneut eine der wichtigsten Personen in ihrem Leben zu verlieren.
Ihre Gedanken wanderten an ein Lied, das sie vor wenigen Tagen gehört hatte und sie an Harry erinnert hatte.
I was feeling complicated, I was feeling low.
Sie war wirklich verzweifelt gewesen. Früher hätte sie alles gegeben, um mit Harry zusammenzukommen, doch als sie diese Zeilen gehört hatte, hatte sich nur ein müdes Lächeln auf ihre Lippen geschlichen. Ihre Beziehung mit Harry war nicht immer schlecht gewesen und sie würde immer mit einem verträumten Lächeln daran zurückdenken, doch sie war Vergangenheit.
Es gab kein Harry und Ginny mehr.
Mittlerweile war sie vor der Toilette angekommen und riss die Tür auf.
„Myrte? Ich bin's!"
„Ginny, du solltest doch- Wow!" Myrte stoppte abrupt und starrte Ginny an.
„Was? Hab ich was im Gesicht?" Verwirrt wischte sich Ginny über ihr Gesicht. Glücklicherweise trug sie nur auf ihren Augen Make-Up und konnte nichts verwischen.
„Nein, ich meinte nur- ähm, gut siehst du aus", stammelte Myrte und wurde rot, soweit sie das konnte.
Leise kicherte Ginny. Myrte hatte es in den letzten Monaten geschafft, sie wieder aufzubauen. Und dabei kam auch ihr Selbstbewusstsein wieder mit voller Kraft zurück. Sie gaben schon ein sehr komischen Freunde-Duo ab. Da war die rothaarige Weasley, die ihren Ruf wieder hergestellt hatte und durchs Schloss schwebte, mit neu gewonnener Kraft und Eleganz und Myrte, die weder mit einem guten Ruf noch mit viel Selbstbewusstsein punkten konnten.
Und doch funktionierte ihre Freundschaft. Irgendwie. Vielleicht klappte sie deswegen auch so gut. Myrte war wie die Luft, die Ginny zum Atmen brauchte und im Gegensatz gab Ginny ihr die Wärme und das Licht, das Myrte so sehr brauchte.
In den letzten Monaten hatte sie bemerkt, dass Myrte eigentlich keine so große Heulsuse war. Sicher, sie war anstrengend, doch wenn man sie als Mensch mit Gefühlen ansah, wurde einem klar, dass sie im Herzen einfach nur einsam war.
„Danke", meinte sie und lief hinüber zu ihrem gemeinsamen 'Essensplatz'. „Ist schon komisch, oder? Das ist das letzte Mal, das ich hier sitze und mit dir rede", sagte Ginny und konnte die Trauer nicht ganz aus ihrer Stimme verbannen, als sie an der Wand hinabrutschte und es sich halbwegs gemütlich machte. In einem Kleid war es deutlich unbequemer, als in ihrer Uniform.
„Das ist wirklich dein letzter Tag? Danach bist du weg?" Myrte klang traurig.
„Ja", hauchte die Rothaarige leise und zog leicht die Nase hoch. Es fühlte sich komisch an. Die letzten Monate hatte sie Myrte in ihr Herz geschlossen. Sie konnte sich nicht einmal daran erinnern, wann es angefangen hatte, dass sie jedes Abendessen hier her kam und mit Myrte redete; es fühlte sich an, als wäre es schon immer so gewesen.
Wie immer setzte sich ihre Freundin neben sie. Eine Weile herrschte nur Stille, denn beide fanden nicht die Worte, etwas zu sagen, was so wichtig war, dass es die letzten ihrer gemeinsamen Minuten besprochen werden musste.
Langsam brach die Nacht herein und Ginny beschloss, sich bald von Myrte zu verabschieden. Am nächsten Morgen würde sie direkt anfangen ihre Koffer zu packen, zu frühstücken und schließlich abzureisen. Sie würde keine Zeit mehr haben, um Myrte zu besuchen.
Schließlich war es Myrte, die das Schweigen brach: „Ich werde dich vermissen, Ginny."
„Ich werde dich auch vermissen, Myrte", antwortete Ginny leise und die pure Ehrlichkeit und Trauer in ihrer Stimme ließ beide einen kurzen Moment stocken.
Neben sich konnte sie fühlen, wie der Geist sich zu regen begann und sich zu ihr beugte, dann schob sich Myrtes Gesicht direkt vor ihres. Bevor sie reagieren konnte hatte der Geist Ginny einen Kuss auf die Lippen gedrückt. Es fühlte sich ungewohnt an, jedoch längst nicht so schlimm, wie sie sich vorgestellt hatte. Myrtes Geisteskälte hatte etwas, was sie an sich selbst und ihre Trauer über den Verlust ihrer Freundin erinnerte. Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen und erwiderte den Kuss, so gut es ging in einem Akt voller Verzweiflung. Myrte konnte Hogwarts nicht verlassen und das wussten beide.
Dann zog sich Myrte zurück. „Ich werde dich nie vergessen, Ginny. Du bist meine erste und einzige Freundin."
„Myrte", schniefte die Rothaarige leise, „ich werde dich auch nie vergessen. Eines Tages werde ich zurückkommen. Das verspreche ich dir."
„Wirklich?"
„Ja. Wirklich."
3065 Wörter
Ach du Scheiße. Ich habe noch nie (!) über 3000 Wörter geschrieben. Ähm... ja, gut. Erstaunlicherweise ist es mir gar nicht schwer gefallen diesen OneShot zu schreiben, auch wenn ich glaube, dass das hier keiner ließt, weil alle schon ab der Hälfte vor Fremdscham gestorben sind😶.
I mean: I don't blame you, ich sterbe selbst vor lachen, wenn ich mir das durchlese, also ja😂
Am Anfang dachte ich mir so: Arme Ginny, wieso tu ich meinen fav so etwas an, aber irgendwie tut mir Myrte jetzt wirklich leid... Ich hoffe also das Ginnys Entwicklung von sarkastisch und bissig zu mitfühlend und freundlich ganz gut gelungen ist haha.
Ich hoffe mein ganzes Gelaber über Harry hat nicht allzu sehr von der eigentlichen Geschichte abgelenkt (und dann frag ich mich, warum 3000 Wörter zusammen kommen, welch Wunder). Aber wisst ihr, wie weh mir das getan hat. Ich liebe Hinny😭😂
Na ja, genug von meinem Gelaber. Viel Spaß Paper_Eve52 beim längsten Text, den ich je geschrieben habe, ich hoffe es ist nicht allzu cringe geworden😂
Vicky
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