Abgabe (@Mazegirl15)

Hallo. Hier meine Kurzgeschichte zum Wettbewerb von @Mazegirl15 . Man sollte eine Kurzgeschichte zu einem Bild schreiben. Ich hoffe sie gefällt euch;) Oben ist auch noch mal das Bild, über das ich schreibe. :)

Lia erwachte mit dem Klingeln ihres Weckers. Sie streckte den Arm zu ihrem Handy aus, ließ ihn beim Anblick des Datums aber gleich wieder fallen. Es war ihr Geburtstag. Und als wäre der 4.3. nicht schon schlimm genug, war es ihr zwölfter Geburtstag. Vor fünf Jahren war ihr großer Bruder Luis verschwunden. An seinem zwölften Geburtstag. Er war nämlich zwar fünf Jahre vor ihr, aber am gleichen Tag geboren. Jetzt wurde sie zwölf. Ihre Eltern fanden es lächerlich, aber sie war der Meinung, dass sie zu ihrer eigenen Sicherheit in ihrem Zimmer bleiben sollte. Und das einzige, das sie daran hindern könnte, wäre vielleicht das Haustürklingeln, denn ihre Eltern waren ausgerechnet gestern auf dreitägige Geschäftsreise gefahren.

Aber natürlich wurde ihr Vorhaben durchkreuzt. Gegen Mittag hörte sie die Klingel. Sie atmete einmal tief durch, bevor sie die Treppe herunterging und versprach sich selbst, dass es nur der Postbote war. Doch als sie die Tür vorsichtig öffnete, bereit sofort wieder nach oben zu rennen, stand dort kein Postbote.

Auf der Türschwelle stand ein vielleicht 17 oder 18 jähriger Junge mit schwarzem Haar und grünen Augen. Doch Lia rannte nicht davon. Irgendetwas hielt sie an Ort und Stelle. „Hi", sagte er. Sie sagte nichts. 'Lauf!', rief ihr Verstand, 'Lauf!' Doch sie blieb stehen und starrte ihn weiter an. „Hör zu, das klingt jetzt vielleicht etwas komisch, aber..." Das war der Moment, an dem sie sich losriss. Sie schlug die Tür zu und schob den Riegel vor. Von draußen erklang ein verwundertes „Hey!". Lia rannte so schnell sie konnte nach oben in ihr Zimmer. Dort blieb sie einige Minuten auf dem Bett sitzen, bis es erneut klingelte. Sie würde bestimmt nicht noch einmal aufmachen, aber sie schlich zum Fenster, von dem man den Vorgarten sehen konnte. Wieder stand der Junge vor der Tür. „Hör zu", rief er, als er sie entdeckte, zu ihr hoch, „ich bin es. Luis." Lia erstarrte. Dann öffnete sie das Fenster und rief: „Beweise es!" Sie starrte auf ihn herab, während er seinen Rucksack auszog und etwas daraus hervor holte: einen Plüschhasen. Aber nicht irgendeinen Plüschhasen, sondern ihren alten Plüschhasen, den er ihr immer gestohlen hatte und der mit ihm verschwunden war. Sie war sich immer sicher gewesen, dass er ihn mitgenommen hatte. Sie spürte eine Träne an ihrer Wange hinunterlaufen, während sie herunterrannte und die Tür öffnete. Sie warf sich in eine Umarmung, die ihr Bruder mindestens genauso viel erwiderte.

Als sie sich nach einer gefühlten Ewigkeit wieder voneinander trennten, sah Lia ihn an. Tatsächlich: sie erkannte seine zerzausten Haare und seine strahlend grünen Augen wieder. „Will ich wissen wo du warst?", hauchte sie. „Ich werde es dir erklären", sagte er und nur seine Stimme zu hören war unglaublich, „Aber wir müssen los. Komm mit." Er bot ihr seine Hand an und sie ergriff sie fest, als könnte er jederzeit wieder verschwinden, wenn sie nur loslassen würde. Es war ihr egal wohin sie gehen würden, Hauptsache er war da.

Sie gingen los und er führte sie heraus aus der Stadt. Währenddessen erzählte er. Scheinbar war er von einem gewissen Kromdos, der sich als Zauberer ausgab, engagiert worden, einem Volk, das in einer Schlucht lebte, zu helfen. Die Schlucht war mit einem Fluch belegt worden und er sollte den Fluch aufheben. „Aber sie haben sich vertan. Nicht ich allein bin dafür bestimmt, die Ekivons zu retten, wir sind es zusammen." Lia lächelte. Luis war schon immer gut darin gewesen, sich Geschichten auszudenken. „Damit hast du dich selbst übertroffen, aber wo warst du wirklich?" Er seufzte. „Ich hätte mir denken können, dass du mir nicht glaubst. Aber ich werde es dir zeigen. Wir sind gleich da."

Der Weg, auf dem sie die Stadt verlassen hatten, wurde schmaler und schließlich gingen sie auf der Wiese weiter, bis sie an einer Linde stehen blieben. „Hör zu", sagte Luis, „Kromdos weiß nicht, dass du weißt wer ich bin. Er hat darauf gezählt, dass ich es dir nicht sage. Er meint, du könntest dich dann besser konzentrieren, bla, bla. Aber ich bin mir sicher, dass ich dich sonst nicht aus dem Haus bekommen hätte. Also bis nach der Zeremonie kein Wort darüber. Verstanden?" Kurz sagte Lia nichts. Sie hatte gerade ihren langjährig verschollenen Bruder wieder und sollte jetzt für wer weiß wie lange so tun, als wäre er ein Fremder? Sie sah ihn an. „Na... Na gut." „Okay. Dann werde ich Kromdos jetzt rufen." Er drückte auf eine Knolle am Baumstamm. Zunächst geschah nichts, aber dann bogen sich die Äste des Baumes und es entstand eine Öffnung, aus der ein Mann heraus sprang. „Wow", rief Lia aus und starrte den Mann an, der sich jetzt neben ihr aufrappelte. Er hatte lange weiße Haare und einen ebenfalls weißen Schnurrbart und trug einen dunkelblauen Umhang, der an der Taille mit einem Goldenen Band zusammengebunden war und so lang war, dass Lia sich sicher war, dass er mindestens bei jedem zweiten Schritt stolperte. „Ah, hallo", begrüßte er sie mit rauer Stimme, „gestatten, Kromdos. Du bist Lia, nehme ich an?" „Ge- Genau", antwortete sie. „Ich nehme an, dir wurde das meiste schon erklärt." Er sah zu Luis, der zögernd nickte. „Okay, dann lass uns erst einmal hingehen. Ladys first." Er deutete auf den Baum. „Äh... wie...?" „Ah ja", seufzte Kromdos, „Du musst dich vom Baum... verschlucken lassen. Es ist angenehmer, mit den Füßen voraus zu reisen. Am besten hockst du dich auf eine Astgabel." „Okay..." Sie zog sich mühsam auf den ersten Ast und bevor sie sich zwischen die nächstbesten zwei Äste setzte, sah sie noch einmal zu Luis. Er nickte ihr lächelnd zu. Sie ließ sich nieder. Sofort schien der Baum einzusinken. Sehr schnell einzusinken. Als sie anfing zu schreien, war Luis schon nicht mehr zu sehen. Stattdessen sah sie nur ein wenig Erde, das aber sofort von doch recht glatt wirkendem Stein abgelöst wurde. Sie fiel immer weiter, bis der Baum langsamer wurde und schließlich auf neuem Grund aufkam.

Sofort ließ Lia sich auf den Stein hinab. Sie sah sich um. Sie stand auf einer Plattform, die sich, wie sie feststellte, auf halber Höhe einer riesigen Schlucht befand. Der Blick über die Schlucht nahm ihr den Atem. Sie könnte wunderschön aussehen, da war sie sich sicher. Aber die Farbe schien wie ausgesaugt. Alles war grau. Es waren unzählige Bäume auf dem Boden und auch auf Bergen, die zwischendurch aufragten. Aber die wenigen Blüten, die sie trugen, waren verblichen. Ein Fluss schlängelte sich durch die Schlucht, in dem sich schwaches Mondlicht spiegelte. Über den Fluss führte eine Brücke zu einer Ansammlung von Häusern mit Pagodendächern, die zwar bewohnt, aber doch sehr heruntergekommen aussahen. Wieder sah Lia zum Fluss und wunderte sich, wo das Mondlicht herkam. Schließlich war es Tag und außerdem war sie gerade ziemlich sicher durch die Erde gereist. Sie sah zum Himmel. Tatsächlich: dort war ein Vollmond und ein paar vereinzelte Sterne. „Schrecklich, nicht wahr?" Lia machte einen Satz vorwärts und sah dann zurück. Dort stand Kromdos mit Luis an seiner Seite. „Es war mal ein Paradies." „Ist das... echt?", fragte Lia. Luis lächelte ein wenig, was Lia den Drang gab, zu ihm zu gehen und ihn nochmal zu umarmen. Aber sie erinnerte sich daran, was er gesagt hatte. „Ja, ist es. Es ist schwer zu glauben, nicht wahr?", antwortete er. „Wo sind wir dann? Ich meine..." Sie deutete auf den Himmel und dann auf den Baum hinter ihnen. „Das ist... kompliziert." Kromdos seufzte, „Weißt du, wir haben Jahre auf diesen Moment gewartet. Vielleicht sollte ich dir eher erklären, was gleich passieren wird. Wir können uns währenddessen ja schon mal auf den Weg machen." Ein wenig verunsichert sah Lia Luis an. Was hatte er gesagt, sie beide sollten die Schlucht retten? Doch Luis nickte nur lächelnd und legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. Kromdos führte sie zu einer in die Steinwand gehauene Treppe, die in unendliche Tiefen zu führen schien. Während sie hinunter stiegen, erklärte er. Es würde eine Zeremonie geben, um die Schlucht von einem Fluch zu befreien, der von einem Lehrbuch ausging. „Ein Lehrbuch?" fragte Lia, als sie früher als erwartet von der letzten Stufe auf eine ähnliche Plattform wie die davor stieg. „Ja, es lehrt über dunkle Magie. Ein böser Zauberer hat es mitsamt seinem Fluch hier abgeliefert. Seitdem sieht es hier so aus." Er deutete auf die trostlose Landschaft, während er die wackeligste und längste Hängebrücke, die Lia je gesehen hatte, betrat. Doch Luis folgte ihm, also tat Lia es ihm gleich. Die Brücke führte zu einem der Berge, auf dem das größte der Häuser stand die Lia inder Schlucht gesehen hatte. „Ich habe es geschafft, das Buch zu lesen. Es hat mir eine Prophezeiung offenbart, die besagt, dass zwei Anfang März geborenen ausgewählt wurden, den Fluch aufheben zu können. Wir wir haben herausgefunden, dass Luis damit gemeint ist, aber dann bemerkt, dass er nicht allein dazu in der Lage ist", endete Kromdos, als sie die Brücke wieder verließen. Sie gingen auf das Haus zu und Kromdos ließ Lia und Luis hinein. Das Innere erinnerte Lia an eine Kirche. Obwohl das Haus von außen aus Holz gemacht aussah, war drinnen alles Stein. Verzierte Säulen ragten empor und kennzeichneten den Weg nach vorne zu einer Art Altartisch, auf dem auf einer Halterung ein offenes Buch lag. „Kommt mit", flüsterte Kromdos und ging voraus in Richtung Buch. Je näher sie ihm kamen, desto unwohler fühlte Lia sich. Es wurde immer kälter und als sie noch einen Meter entfernt stehen blieben, zitterte ihr ganzer Körper. „Ihr steht hier. Alles, was ihr machen müsst, ist, euch auf das, was ihr hört, zu konzentrieren und den Blick nicht vom Buch zu wenden. Wartet kurz, gleich geht es los." Er verschwand wieder aus der Tür und ließ sie allein. „Unheimlich, nicht wahr?", fragte Luis leise flüsternd. „Und wie", antwortete Lia.

  Nach einigen unangenehmen Minuten hörte Lia die Tür und Kromdos kam wieder herein, gefolgt von vielleicht zwei Dutzend Leuten in blauen Umhängen. Sie verteilten sich im Raum und tuschelten leise, bis Kromdos mit kraftvoller Stimme sagte: „Lasset die Zeremonie beginnen."

  Lia drehte sich wieder zum Buch und versuchte, ihre Konzentration zu bündeln. Kromdos stellte sich vor Lia und Luis auf die andere Seite des Tisches und begann, auf einer anderen Sprache zu murmeln, zwar leise, aber deutlich und gut vernehmlich. Die Worte wirkte beruhigend auf Lia und hoben die Kälte, die vom Buch ausging, nach und nach auf. Irgendwann sah sie, wie vom Buch eine Art rosa Schimmer ausging, der sich als Streifen zwischen Luis und ihr herschlängelte. Nach einer Zeit, die nur ein paar Sekunden, aber auch zwei Stunden gewesen sein könnte, wurden Kromdos' Worte intensiver und das Buch schien zu verblassen. Es verschwand einfach vor Lias Augen und als Kromdos schließlich geendet hatte, konnte Lia sich ein nach Luft Schnappen nicht verkneifen. „Wow", hauchte sie. Die Leute hinter ihr fingen an zu jubeln und strömten nach draußen. Luis nahm Lia an der Hand und rannte ihnen hinterher. Ein weiteres „Wow" entfuhr ihr, als sie die Schlucht erblickte. Alle war wie verzaubert... oder einfach nur entzaubert. Die Blüten waren in voller Pracht wieder auf den Bäumen zu sehen und alles schien viel heller. Es war Tag! Die Häuser waren wie neu und irgendwie märchenhaft und der Schimmer, der eben vom Buch ausgegangen war, erfüllte die gesamte Schlucht. „Es ist wunderschön", hauchte Luis. Lia nickte. Sie setzten sich zu den anderen auf den Boden und bewunderten einen Moment lang die Aussicht. „Willst du mir jetzt die ganze Geschichte erzählen? Wo du warst?", fragte Lia schließlich. „Später", meinte er, „dann erzählst du auch. Jetzt lass uns das erstmal genießen." Er griff nach seinem Rucksack, zog ihren Plüschhasen hervor und drückte ihn ihr in die Hand.

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