Schreibwettbewerb
»Pass auf dich auf«
Sanft legte Louisa ihre Arme um mich. Sie wusste, dass ich Umarmungen nicht ausstehen konnte und normalerweise wäre ich jetzt auch schon längst ausgeflippt, doch wir wussten beide, was heute auf dem Spiel stand.
Und so ließ ich es über mich ergehen und sie
hatte darauf bestanden.
Während wir uns langsam wieder voneinander lösten, ertönte die Stimme unseres Vaters:
»Mary, wir müssen los!«
»Bin gleich da«, entgegnete ich und schlang meine Arme vielleicht das letzte mal um meine Schwester.
Überrascht erwiderte sie die zweite, unerwartete Umarmung und viel zu schnell lösten wir uns wieder.
»Sei vorsichtig kleine Schwester«, warf sie mir noch hinterher, als ich unserem Vater folgte und in ihrer Stimme war die Sorge kaum zu überhören.
»Du wiederholst dich große Schwester«,
war daraufhin meine Antwort.
Meine Antwort, die vielleicht gleichzeitig der letzte Satz gewesen sein könnte, den ich meiner Schwester sagte. Doch Louisa kannte mich und sie wusste genau, dass das einfach mein Art war.
»Mary, jetzt komm. Ihr seid sonst nicht so sentimental. «
Mein Vater klang genervt und auch er hörte sich besorgt an. Er wusste zwar nicht, was mir wirklich bevorstand, doch wenn seine Töchter kurz davor waren in Tränen auszubrechen, begann auch er sich zu wundern.
Ich blickte mich ein letztes Mal zu Lou um, dann folgte ich meinem Vater die letzten paar Meter zum Auto.
Während der Fahrt wechselten wir kein einziges Wort. Er konzentrierte sich aufs Fahren und ich hing meinen Gedanken nach.
Die Zeit verstrich und wir kamen dem Ziel immer näher.
Langsam begann ich zu zögern.
Wollte ich das wirklich? Wollte ich so viel riskieren?
Ich überdachte meine Möglichkeiten immer und immer wieder. Letztendlich blieb ich dann doch bei meiner Entscheidung.
Würde ich all das nicht überleben, wäre es halt so. Doch würde ich diese Chance nicht nutzen, würde ich es bereuen.
Ein Ruck ging durch das Fahrzeug und wir hielten. Ich stieg aus und bedankte mich fürs fahren.
Das erste was ich nun tat, war mich umzuschauen und zum Eingang zu laufen.
Mit großen Buchstaben stand über diesem: 𝘡𝘦𝘳𝘦𝘮𝘰𝘯𝘪𝘦 𝘥𝘦𝘳 𝘝𝘦𝘳𝘦𝘪𝘯𝘪𝘨𝘶𝘯𝘨
Ich reichte einem der Sicherheitsleuten meine Eintrittskarte und schon geriet ich in die Massen aus Menschen.
Meine Sorgen flatterten sofort wie tausend Schmetterlinge in die hinterste Ecke meines Denkens.
Hier war es einfach so fröhlich und ausgelassen, dass ich beinahe den Ernst der Lage vergaß.
Überall waren kostümierte Menschen, die fröhlich lachten.
Sie hatten keine Ahnung, dass das, was sie heute feierten, keine Tradition aus einer Legende war, nein, sie alle wussten nicht, was hier wirklich abging.
Aber wer konnte ihnen das schon verübeln? Hätte man mir letzte Woche gesagt, das die Welt der Drachenmagie wirklich existiert, hätte ich wahrscheinlich laut aufgelacht.
Doch nun war alles anders. Ich betrachtete die bunt geschminkten Leute nicht mehr als Menschen, die Legenden liebten, sondern als Unwissende.
Sie alle waren hier um die Vereinigung zwischen der Welt der Drachenmagie und unserer Welt zu feiern. Doch keiner von ihnen wusste, was die wirkliche Zeremonie hier war.
Es waren nämlich nicht die Lieder, die bunt ausgeschmückten Geschichten oder die Tänze, die diese zwei Welten vereinten, sondern das, was hinter all ihren Rücken geschah.
Und da würde ich jetzt hinmüssen.
Ich verscheuchte die Gedanken an all die Menschen und drängte mich durch die Massen.
Wenn ich erstmal aus dem Trubel war musste ich nur noch dem Pfad im Wald bis zur Lichtung folgen.
Das alles gelang mir schneller, als gedacht und so stand ich einige Augenblicke später auf einer wunderschönen Lichtung.
Überall verteilt standen Skulpturen aus Glas, in denen sich das Licht brach.
Alles auf der Lichtung war farblich abgestimmt und es herrschte eine wahrlich magische Stimmung.
Hinter einem Altar, welcher in der Mitte dieser Lichtung seinen Platz hatte, stand eine grazile junge Dame. Ihre Haut war blass und ihre Haare glichen eher einer ewig langen Schleppe. Ich wusste nicht wer sie war, aber ihre Aura war beeindruckend.
Es fiel mir schwer den Blick von ihr abzuwenden, doch schließlich ließ ich ihn doch weiter schweifen.
Um den reichlich geschmückten Alter standen einige Stehtische, auf denen jeweils eine Wasserschale thronte.
Neben einigen herumflatternden Schmetterlingen, war sonst nichts mehr, außer der anderen Teilnehmer, anwesend.
Diese trugen alle das selbe Medaillon um ihren Hals wie ich.
Es hatte bei jedem eine andere Farbe und bestand aus Schuppen eines Drachens.
An diesem Schmuckstück erkannte—
Bevor ich weiter nachdenken konnte, meinte die Dame, welche hinter dem Altar stand:
»Begebt euch alle zu einem Stehtisch! Wir beginnen«
Es dauerte nicht lange und an jedem Stehtisch war jemand.
Nun begann es, jetzt war es zu spät einen Rückzieher zu machen.
Zusammen sprachen wir unseren Schwur, welcher einem Singsang ähnelte:
»Wir schwören zu schweigen.
Wir schwören zu helfen.
Wir sind Besucher mit Absicht des Gutem.
Wir wollen Frieden.
Wir schwören bei unserem Leben«
Nachdem wir das letzte Wort gesagt hatten, widmete sich jeder seiner Wasserschale und die Dame forderte uns auf, das Wasser zu berühren.
Also ließ ich meine Finger in das Wasser gleiten und sofort strömte Hitze in diese. Was dann passierte, passierte verdammt schnell.
Die Hitze breitete sich in meinem Körper aus und das einzige, was ich sah war Rauch. Er umhüllte mich und zog mich mit sich.
Kurz darauf war er auch wieder verschwunden. Doch ich war nicht mehr auf der Lichtung, sondern in einer grünlich schimmernden Höhle.
Ich brauchte etwas Zeit um mich zurechtzufinden und dann blickte ich nach vorne.
Sofort wich ich erschrocken zwei Schritte zurück.
Vor mir stand ein Drache. Ein Drachen zudem ich im Vergleich winzig war. Er schillerte in verschieden Grüntönen und sah mehr als einschüchternd aus.
Ich musste meinen Kopf in den Nacken legen um ihm ins Gesicht zu schauen, glücklicherweise merkte der Drachen es und legte sich langsam nieder.
Kaum waren wir auf der selben Höhe, ertönte die strenge und gleichzeitig freundliche Stimme des Drachens:
»Guten Tag, angehende Hüterin. Ich bin Loredana, eine Wächterin«
Sie wartete auf eine Reaktion meinerseits, welche nicht folgte, da meine Aufregung die Kontrolle übernommen hatte.
Also sprach sie weiter:
»Du weißt was jetzt kommt. Ich werde deine Absichten überprüfen und du kommst so lange in die völlige Dunkelheit. Sind deine Absichten gut, kommst du zurück, ansonsten wirst du dort bleiben. Für immer.«
Sie legte eine Pause ein und mir lief ein Schauder über den Rücken. Dann griff die Drachenwächterin erneut zu ihren Worten:
»Berühre dein Medaillon und schließe deine Augen«
Ich tat wie mir geheißen und kurz darauf befand ich mich in einem schwarzen Loch. Ich fühlte nichts, ich sah nichts und mein Kopf war vollkommen leer. Keiner meiner Sinne funktionierte und es war vollkommen still.
Ich war da und doch irgendwie nicht. Ich hatte keine Kontrolle über mich selbst und die Zeit zog sich wie ein Kaugummi.
Dieses Nichts machte mir Angst, die ich nicht fühlen konnte. Wäre ich bei Sinnen gewesen hätte ich geweint, geschrien, ich hätte irgendwas getan. Doch ich war nicht bei Sinnen.
Nach einer Zeit, die ich nicht einschätzen konnte—es könnten Sekunden gewesen sein oder aber Tage—kam ich wieder in der Höhle an.
Ich hatte das Gefühl zu lange unter Wasser gewesen zu sein und meine Sicht war verschwommen, doch ich war noch am Leben und das zählte.
Die Zeit mich wieder zu fangen, hatte ich nicht.
Die Wächterin begann sofort wieder zu sprechen.
»Deine Absichten sind nicht schädlich, doch sei dir bewusst, dass unsere Welt gefährlich ist. Du bist nicht eine Sekunde sicher«
Erneut ließ sie eine kurze Pause zwischen ihren Sätzen und mir wurde ganz schummerig.
»Du wirst nun in die Vorwelt der Drachenmagie gelangen, auch bekannt als Wald der Irrenden. Wenn du diesen überstehst werden die Portale für dich jeder Zeit offen stehen und du darfst dich mit dem Titel Hüterin zieren«
Die Drachenwächterin neigte ihren Kopf und meine Finger begannen zu kribbeln.
Zuerst zierten nur meine Finger glänzende Schuppen, doch nach und nach wurde mein ganzer Körper von ihnen bedeckt.
Mein Zopf löste sich und meine braunen Haare fielen locker über meine Schultern.
Und auch meine Kleidung veränderte sich. Aus Jeans und T-Shirt wurde ein blau-silbernes Kleid, welches perfekt mit meiner schuppigen Haut harmonierte.
Kaum war die Verwandlung vollbracht, sagte meine Gegenüber:
»Egal, welche Absichten Deinesgleichen hegen, sowohl Drachen auch als Drachenmenschen sind auf euch nicht gut zu sprechen. Nun gleichst du ihnen vom Aussehen, sie werden dich erkennen, doch so auch akzeptieren.«
Das Bild der Drachenwächterin verblasste mit jedem Wort mehr und schließlich fand ich mich in einem düsteren Wald wieder.
Mein Kopf schwirrte vor Gedanken und ich hätte sie gerne alle eingefroren.
Doch stattdessen konzentrierte ich mich auf meine Umgebung.
Sie ließ mich etwas zittern, doch das hielt mich nicht auf, denn jetzt musste ich Jo finden, bevor—
»Mary«
Erschrocken verwarf ich meine Gedanken.
Diese Stimme kannte ich. Doch was um alles in der Welt suchte sie hier?
Ich drehte mich um und starrte wie erwartet in das Gesicht meiner Schwester.
»Wie—«
»Hör zu, Mary. Dinge haben sich geändert. Wir müssen hier weg. Jetzt«
•••
1485 Wörter
@C_the_Saint/SaintessCelina
Ich hoffe das passt so ^^
LG
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