~ 61. Kapitel ~

~ 61.Kapitel ~

Die Sonne stand kaum über den Horizont, der Wind bließ mir kräftig ins Gesicht und vertrieb mit seiner morgendlichen Frische jegliche Müdigkeit. Meine Füße baumelten über der Klippe, an dessen Fuß das Meer mit einem tosenden Donnern gegen brandete.

Während ich einen tiefen Atemzug von der salzigen Luft nahm, wurde mir auf einmal bewusst, wie sehr ich das alles hier vermisst hatte. Ein ganzes Leben schien geschehen zu sein, seitdem ich das letzte Mal hier saß, die kleine Hütte in meinem Rücken und vor mir nur die Weite des Meeres, die Freiheit versprach.

Zum ersten Mal seit langer Zeit überkam mich wieder vollkommene Ruhe. Zum ersten Mal konnte ich mich wieder entspannen, ohne von meine Sorgen und Ängsten belästigt zu werden. Einfach nur hier sitzen und den Blick in die Ferne verweilen lassen.

Morgen würde erneut ein anstrengender Tag werden. Die letzten Bewohner Oribias, die die sie alle ins Verderben hatte rennen lassen, würden wieder das Bewusstsein erlangen.
Es fühlte sich falsch an, den Peinigern unseres zu Hauses das Leben zu schenken und doch war es das was Helden tun sollten. Gnade zeigen. Niemals würde man ein Leben ohne Grund nehmen, selbst dann wenn man sich denjenigen mehr als alles andere dne Tod wünscht. Auch wenn alles in einem danach schreit, ein Leben zu beenden, was nur Unheil gebracht hatte.

Als Held hatte man Mitleid. Selbst mit der dunkelsten aller Seelen. Wo würden wir denn landen, wenn wir es nicht täten? Was würde uns von denen dann noch unterscheiden?

"Ich habe mich schon gefragt, wie lange es dauern wird, bist du hier her kommst." Maudados sanfte Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich blickte auf und schenkte ihm ein leichtes Lächeln.

"Kannst du es mir verdenken?" Er setzte sich zu mir. Wärme stieg in mir hoch, als er den Kopf auf meine Schulter legte.

Es herrschte eine lange Zeit Stille, während die Sonne immer höher stieg und die Welt um uns herum langsam erwachte. Einfach die Nähe des Anderen zu spüren, ohne das Gefühl irgendetwas sagen oder tun zu müssen, war befreiender als ich es mit je hätte vorstellen können. Und einfach, weil es sich so richtig anfühlte, griff ich nach seiner Hand und fing an leichte Kreise auf seinem Handrücken zu malen. Der Runenmagier seufzte leicht.

Erst als die Sonne bereits hoch am Himmel stand  und um uns ein geschäftiger Chor aus Vögelstimmen ausgebrochen war, durchbrach er die Stille zwischen uns:

"Ich... ich weiß nicht, ob wir sie morgen erwecken können. Ob ich das wirklich kann, mit dem Wissen, was sie alles getan haben. Wer... wer sagt, dass es nicht wieder so weit kommt?"

"Es ist richtig. Würden wir sie einsperren oder dem Tode verurteilen, wie wären wir denn da besser? Uri weiß was sie tut und wird ein Gefängnis finden, welches sie sicher verwahrt."

"Aber... sie haben uns allen so viel Leid gebracht. Sie hätten Oribia beinahe zerstört." Maudados Stimme war mit Zweifeln durchtränkt.

"Und wir haben es verhindert. Glaubst du irgendeiner der Bewohner der Stadt  würde gnädig zu ihnen sein, wenn sie ihnen begegnen würden? Ihre Taten sind Strafe genug, denn sie haben so viel Schande  über dieses Land gebracht, dass niemanden ihnen je wieder Vertrauen schenken würde. Ihr Leben wird mit Sicherheit nicht einfach werden."

"Aber... wenn irgendwas... schief geht... was... was wenn-"

"Maudado, schau mich an." In seinen grünen Augen schwammen Sorgen und eine Unsicherheit, die ich nicht von ihm kannte. Mit einer sicherheitversprechenden Bestimmtheit legte ich seine Stirn an meine und öffnete meine Seele. Ich sah wie er seine Augen schloss und sich auch mir öffnete.

Während sein Licht sich mit meiner beruhigenden Dunkelheit vermischte, sprach ich leise Worte.

"Ich werde die ganze Zeit bei dir sein. Falls es schief gehen sollte, kann ich sie jederzeit mit einer Bewegung außer Gefecht setzen. Außerdem wird Uri die ganze Zeit bei uns sein und alles überwachen. Sobald sie eine böse Absicht in ihrem Geist liest  wird sie uns warnen und wir brechen das Ganze ab. Es wird alles gut sein. Vertrau auf Uri, vertrau auf dich und deine Fähigkeiten. Wir werden das schaffen." Hoffnung schimmerte in den grünen Smaragden und brachte mich wie von selbst zum Lächeln.

Er schlang seine Arme um mich und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.

"Danke.", flüsterte er leise. Ich drückte ihn als Antwort nur fester an mich.

Written by Federsturm

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