Kapitel 39

Es kam mir vor, als würde ich aus einem langen Traum erwachen. Ich sog die frische Luft in meine Lungen ein und spürte, wie neue Lebenskraft mich durchströmte. An meinem Bett saß Tauriel, in ihren Augen glitzerten Tränen. Suchend sah ich mich nach Aragorn um und entdeckte ihn direkt hinter ihr. In seinen Armen lag ein kleines, kleines Kind. Mein Kind. Ich hatte noch ein Kind bekommen.
"Arwen", flüsterte Tauriel, und fuhr mit einem Finger über meine Wange. Die Berührung ließ mich erschaudern. "Arwen."
"Vergib mir", hörte ich mich leise antworten und sie lächelte sanft. So kannten wir es voneinander; war eine von uns krank, entschuldigte sie sich bei der anderen für die Unannehmlichkeiten. Wobei ich zugeben musste, dass ich viel häufiger krank war als Tauriel.
"Du bist so tapfer gewesen", sagte Aragorn mit einem traurigen Lächeln. "Ich war so hilflos und du warst so tapfer. Es tut mir so leid, dass ich nichts tun konnte. Zum Glück konnte Glorfindel es."
"Wenn ich wieder gesund bin, möchte ich nach Bruchtal", erwiderte ich und Tauriel grinste. "Mit der ganzen Familie." Das erinnerte mich wieder an die Tochter, die ich geboren hatte. "Gib mir mein Kind, Aragorn."
"Ich weiß nicht, ob du stark genug bist..." Er wirkte unschlüssig, doch er sah Legolas und Tauriel aufmunternd nicken und reichte sie mir.
Sie sah beinahe so aus, wie Galadwen ausgesehen hatte, ein kleiner runder Körper mit dichten schwarzen Haaren- Galadwens waren dunkelblond gewesen- einem roten Gesichtchen und großen blaugrauen Augen, die das Gesicht beinahe auszufüllen schienen. Sie hatte meine Augen, genau wie Eldarion. Galadwen und Luthien hatten Aragorns Augen, doch dieses kleine Mädchen hier hatte meine. Sie war wunderschön.
Zuerst schien es tatsächlich, als wären meine mageren Arme der Belastung nicht gewachsen, doch ich nahm all meine Kraft zusammen und hielt sie fest. Plötzlich wusste ich, wie sie heißen würde.
"Tauriel", hauchte ich.
"Ja?" Belustigt beobachtete meine Freundin, wie fasziniert ich von diesem kleinen Wesen war.
"Nicht du. Sie. Ich denke, dass sie Tauriel heißen sollte." Ich spürte Aragorns Hand auf meiner Schulter und deutete das als Zustimmung.
"Dann wird es allerdings viele Verwechslungen geben", scherzte Tauriel senior, um ihre Rührung zu verbergen, und drehte sich zur Seite, um ihre Tränen wegzuwischen.
"Deswegen sollten wir ihr einen Rufnamen geben. Arwen, was hältst du von Maethril?" Aragorns Stimme klang rau.
Maethril. Sindarin für Kämpferin. Der perfekte Name für dieses kleine Mädchen.
"Maethril ist ganz wunderbar." Zärtlich küsste er mich auf die Stirn. "Ich würde gerne Luthien sehen."
"Legolas und ich werden ihr das Heilmittel geben und sie dann hierherbringen", erbot Tauriel sich und ich nickte dankbar. Ich wusste nicht, wie lange ich bewusstlos gewesen war, aber es schien mir, als hätte ich in dieser Zeit unendlich viel verpasst. Wie es Luthien wohl ging? Ich hatte sie länger nicht gesehen, weil ich nicht gewollt hatte, dass sich ihre Krankheit erneut verschlimmerte, aber zum Glück war das nicht passiert.
"Galadwen, Schatz, komm her zu mir", bat ich meine Tochter und mit Tränen in den Augen kuschelte sie sich an mich. "Jetzt ist alles wieder gut."
"Ich hatte solche Angst um dich", schniefte sie, "Ich könnte niemals ohne dich sein. Ich hatte solche Angst, dass du sterben musst und ich so lange unfreundlich zu dir war."
"Du warst nicht unfreundlich. Du warst jugendlich und unerfahren und wolltest dich ausprobieren. Das ist ganz normal und das wusste ich. Deswegen bin ich nicht wütend auf dich und das bin ich nie gewesen. Natürlich warst du manchmal schwierig, aber das war dein Bruder auch unds Luthien und Maethril werden es ebenfalls sein. Du darfst nicht denken, dass ich aus diesem Grund sauer auf dich bin, Galadwen. Du warst ein Mädchen auf dem Weg zum Erwachsenwerden und dieser Weg war nicht immer leicht, weder für dich noch für mich oder deinen Vater. Aber jetzt bist du beinahe eine junge Frau und hast Erfahrungen gesammelt."
Erschöpft von dieser langen Rede legte ich mir Maethril auf den Bauch und sank dann zurück in meine Kissen. Galadwen lag nah bei mir und sanft strich ich ihr über das Haar, das ihre Urgroßmutter ihr vererbt hatte. Aragorn zwinkerte mir leicht amüsiert zu und ich musste an die vielen Male in Galadwens Jugend denken, wenn er mich aufheitern musste, weil ich fürchtete, dass sie mir entglitt. Wie er sie Prinzesschen und Lady Hochsteckfrisur genannt und für mich ihren unverwechselbar hochnäsigen Gesichtsausdruck nachgeahmt hatte. Wahrscheinlich waren wir beide erleichtert, dass diese Zeit vorbei war.
"Könntest du Eomer schreiben?", fragte ich ihn so charmant wie möglich, denn worum ich ihn bitten wollte, war nicht gerade einfach. "Ich würde wirklich, wirklich gerne Eldarion bei mir haben. Es ist zu viel passiert. Ich brauche jetzt meine ganze Familie."
Er griff nach meiner Hand und drückte sie fest. "Das verstehe ich. Noch heute wird ein Bote losgeschickt. Ich finde es auch besser, wenn Eldarion hier ist."
Die Tür öffnete sich und Tauriel und Legolas kamen herein, Legolas hatte Luthien auf dem Arm.
"Na", begrüßte ich die Kleine mit einem breiten Lächeln, "Wie geht es meiner kleinen Maus?"
Mit strahlenden Augen wand sie sich aus Legolas' Armen und sprang aufs Bett. "Mama!"
"Schön, dich zu sehen, meine Süße!" Ich drückte sie fest an mich, erleichtert, dass meine instabile Gesundheit all das mitmachte. "Ich freue mich, dass du da bist. Hat der liebe Legolas dich denn auch sehr brav hergetragen?"
Luthien warf Legolas einen verliebten Blick zu und nickte heftig. "Hat Spaß gemacht."
"Das ist großartig." Ich sah zu Legolas, der leise lachte. Meine dritte Tochter hatte schon immer eine spezielle Vorliebe für ihn gehabt. "Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich würde jetzt gerne etwas essen."
"Essen!", schrie Luthien und damit war die Sache geklärt.
Vorsichtig half Aragorn mir beim Treppensteigen- ich hatte mir in den Kopf gesetzt, das Bett zu verlassen und nicht auf seine Proteste gehört- während Maethril in Tauriels Armen eingeschlafen war und Legolas Luthien in seinen Armen herumwirbelte, sodass sie gar nicht mehr aufhören konnte zu lachen.
Wir aßen jeder unser Lieblingsessen, Tauriel sprach vom kurzen Aufenthalt in Bruchtal und Aragorn von Galadwens heldenhaftem Benehmen während meiner Krankheit. Gimli erzählte Luthien eine alte Geschichte der Zwerge und Legolas ließ sich von Maethril vollspucken.
Der Moment war perfekt.
Plötzlich öffnete sich die Tür und ehe ich mich versah, hatte mich mein Sohn, mein Eldarion, mein Erstgeborener fest in den Armen. Aragorn musste Eomer nicht schreiben. Eldarion wusste selbst, wann ich ihn am meisten brauchte.
"Sie sagten mir, dass du schwer krank bist", flüsterte er mir ins Ohr, "Eomer fragte, ob ich eine Auszeit bräuchte. Und ich habe einfach ja gesagt, mich aufs Pferd geschwungen und bin los geritten."
"Ich bin so froh, dass du bei mir bist, mein Junge. Du ahnst nicht, wie glücklich deine Ankunft mich macht. Ich danke dir so sehr."
Wir alle waren zusammen.

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