Kapitel 3

Es war geschehen. Man sah Eomer, Faramir und Eowyn nur noch als kleine Punkte am Horizont, bald würden sie ganz verschwinden. Nun waren Aragorn, Tauriel, Legolas, Gimli und ich allein in der großen, noch so fremden Stadt- und außerdem war meine Schonfrist abgelaufen. In diesem Moment musste meine Trauer vorbei sein und ich hatte nur noch eine Sache, auf die ich ich konzentrieren sollte: Das Königreich von Gondor und Arnor. Aragorn legte einen Arm um mich.
"Komm am besten gleich mit mir in mein neues Arbeitszimmer. Wir haben einiges zu besprechen", schlug er vor, doch ich wusste, dass es eigentlich kein Vorschlag war. Es war meine Pflicht. Und so würde es von nun an immer sein.
Das Arbeitszimmer meines Vaters in Bruchtal hatte sich neben der Bibliothek befunden, damit er bei Bedarf sofort hinübergehen konnte. Es war ein hübscher, behaglicher Raum gewesen, mit Bildern und von meiner Mutter und mir, großen und hohen Bücherregalen und einem gewaltigen Schreibtisch, der mit allem möglichen vollgestopft war. Aragorns Zimmer war vollkommen anders. Es war ein riesiger Raum, so groß wie unser Schlafzimmer, hatte einen Balkon, von dem aus man den weißen Baum sehen konnte, einen Schreibtisch, größer noch als der meines Vaters und unheimlich geordnet. In Regalen befanden sich Akten und Werke aller Truchsessen und Könige, die sich mit dem Land oder Regierungsgeschäften befassten.
Wir gingen auf den Balkon, sodass wir beinahe die ganze Stadt überblicken konnten, und setzten uns dort an einen kleinen Tisch.
"Es gibt auch für dich ein Arbeitszimmer", begann er, "Bei den Truchsessen war das nicht üblich, aber ich finde, du solltest eines haben. Auch für die anderen werden wir welche einrichten. Eine deiner Dienerinnen, Arataniel, wird auch deine Sekretärin sein."
"Sehr gut, danke." Er merkte nicht, wie unwohl ich mich fühlte. Es war nicht, dass ich das erste Mal in meinem Leben arbeiten sollte, damit hatte ich kein Problem. Ich wusste nicht, wie man eine Königin war, was eine Königin den ganzen Tag machte, was sie sagte und wie sie sich verhielt. Ich hatte gelernt, die Tochter eines Fürsten zu sein, doch nicht mehr. Und die Tochter eines Fürsten brauchte kein Arbeitszimmer, sie sang, las und sah schön aus. Aragorn schien sich problemlos in seine Aufgabe und sein neues Umfeld einzufinden, doch ich brachte das nicht fertig.
"Weißt du, ich habe mir etwas überlegt." Endlich konnte ich ihm von meiner Idee erzählen und vielleicht auch einmal mit etwas glänzen. "Ich würde gerne einmal in der Woche eine begrenzte Anzahl unseres Volkes empfangen- das können wir zusammen tun- und mit ihnen darüber sprechen, was ihnen gefällt, was sie stört und wie wir es verbessern können. So können wir direkt erfahren, wie es ihnen geht und was sie bewegt."
"Das ist eine hervorragende Idee!" Er wirkte begeistert und das machte mich glücklich, denn es zeigte mir, dass ich nicht nur eine Schachfigur war. Dass nicht nur ich selbst, sondern auch meine Meinung etwas bedeutete. "Das machen wir, Arwen! Gleich morgen schlage ich es meinem Rat vor und dann finden wir einen Termin."
Er küsste mich beinahe stürmisch und ich strich ihm sanft über die Wange. Ich würde es schaffen. Ganz egal, welche Anstrengungen damit verbunden wären, ich würde es schaffen, eine gute Königin zu sein. Seine Königin. Mit einem strahlenden Lächeln erwiderte ich den Kuss.

"Kann ich Euch behilflich sein, Euer Majestät?" Der junge Soldat vor Tauriels Arbeitszimmer wirkte sehr unterwürfig, aber auch nahezu begeistert darüber, mich selbst zu sehen. Seine Verbeugung war ungewöhnlich tief und er war rot bis unter die Haarwurzeln.
"Ich würde gerne zu Herrin Tauriel", antwortete ich und schüchtern erwiderte er mein Lächeln.
"Ich werde Euch ankündigen." Nervös klopfte er an der Tür, öffnete sie und sagte mit zittriger Stimme. "Die Königin für Euch, Herrin."
"Hab Dank, Ingold", hörte ich ihre Stimme und trat durch die Tür. Tauriel grinste breit. "Am liebsten hätte er wohl ein Autogramm von dir gehabt."
"Ich werde es ihm nicht versagen, wenn er mich fragt", erwiderte ich und merkte, wie ich mich entspannte. Endlich konnte ich wieder ich selbst sein. "Was machst du gerade?"
"Dein holder Gemahl hat mich zur Beauftragten für das Zureiten der Pferde gemacht- als ob ich nicht genug damit zu tun hätte, auf dich aufzupassen- und gerade gehe ich die Methoden durch, die bisher angewandt wurden. Allerdings werde ich vermutlich Vertreterin der elbischen Methode bleiben." Tauriel war nicht wie meine Dienerinnen, sie bemerkte, dass mein Lachen gezwungen war und sie wirkte betroffen. "Arwen, was ist los?"
Ich weinte, noch bevor sie um ihren Schreibtisch herumgekommen war und mich in die Arme genommen hatte, und ich war erleichtert, dass ich es endlich tun konnte. Die Tränen hatten schon seit gestern in mir auf den richtigen Moment gewartet, ich hatte es nur immer geschafft, sie zurückzudrängen.
"Arwen... Arwen, du musst nicht weinen, es wird schon alles wieder gut werden, und so wie früher... Es wird nicht immer so sein, wie es im Moment ist. Für alle ist es eine unbekannte, völlig neue Situation. Sobald das hier Alltag geworden ist, wirst du auch noch andere Dinge tun und auch Aragorn wird sich wieder mehr Zeit nehmen können."
Es erleichterte mich, dass sie sofort wusste, worum es ging. Wenigstens das war noch wie früher. Wenigstens darauf konnte ich mich verlassen. Dennoch konnten Tauriels Worte mich nicht trösten. "Das weißt du nicht. Es entspricht nicht meiner Natur, ich habe das nicht gelernt und ich habe es mir so nicht vorgestellt. Ich bin bereit, an seiner Seite zu sein und ich würde alles dafür tun, das hat sich nicht geändert. Aber es ist erst ein Tag vergangen und ich bin am Ende. Ich bin am Ende und ich sitze hier und kann nur weinen."
"Du kannst das schaffen!" Sie wischte mir die Tränen von der Wange. Es fühlte sich gut an. "Du wirst dich daran gewöhnen, eine Königin zu sein. Nein, die Königin. Die Menschen lieben dich. Dein Ehemann liebt dich, nicht zu vergessen deine ganz wunderbare beste Freundin." Ich grinste unter Tränen und sie grinste zurück. "Ganz im Ernst: Ich denke, es ist normal, dass du so reagierst. Wirklich. Auf dich kommen fremde, möglicherweise auch beängstigende Dinge zu, an die du dich erst gewöhnen musst. Du und Aragorn seid jetzt in einer Position, die es lange Jahre nicht mehr gegeben hat und das ist für alle neu. Warte einfach ab. Es wird sich alles normalisieren, da bin ich mir sehr sicher."
Mein Herzschlag beruhigte sich langsam. Ich atmete tief durch, fuhr mir durchs Gesicht und richtete mich auf. "Das Wichtigste ist, dass wir uns lieben. Das Wichtigste ist, dass wir uns lieben, zusammen lachen und miteinander reden können. Im Prinzip ist mein Verhalten doch lächerlich."
"Arwen." Sie sah mich streng an. "Versuche nicht, dir etwas einzureden, dass du selbst nicht glaubst. Es stimmt, ihr liebt euch, ihr seid das wundervollste Paar, das ich je gesehen habe. Aber dein Verhalten ist nicht lächerlich und das weißt du. Wichtig ist nur, dass du jetzt nicht die Hoffnung verlierst und Minas Tirith eine Chance gibst. Dass du heute unglücklich bist und nicht zurecht kommst, heißt nicht, dass es so bleiben muss. Du kannst- und du wirst- dich daran gewöhnen, auch wenn es etwas dauert. Eines Tages wirst du es hier mögen und du wirst auch dein Dasein als Königin mögen; aber rede dir bitte nicht ein, dein Verhalten sei lächerlich."
"Vielen Dank." Ich drückte mich noch fester an sie und obwohl ich ihr Gesicht nicht sehen konnte, wusste ich, dass sie lächelte. Ich war nicht allein. Ich hatte eine beste Freundin, die für mich da war und mir den Rücken stärkte. Und ich hatte Aragorn, den liebevollsten, mitfühlendsten und zärtlichsten Mann der Welt.
"Du weißt, dass ich es immer wieder tun würde. Ich bin an deiner Seite und ich sorge dafür, dass es dir gut geht. Ich wurde nicht umsonst zu deiner Leibwächterin ernannt."
"Aber warum fällt es mir so schwer und Aragorn nicht? Warum muss er sich nicht daran gewöhnen, sondern verhält sich, als hätte er nie etwas anderes getan?"
"Ich weiß es nicht, Arwen. Es kann daran liegen, dass es ihm einfach gefällt und darum leicht fällt, während du es als eine Verpflichtung ansiehst. Oder es ist leichter für ihn, weil er beinahe sein ganzes Leben lang hart gearbeitet hat. Du musstest das nicht tun. Und vielleicht liegt es auch an seinem Erbe. Elros, deines Vaters Bruder, hat sich für ein Leben als Mensch entschieden und wurde König. Lange Zeit saß seine Familie auf dem Thron und hat das getan, was Aragorn jetzt tun muss. Elrond traf eine andere Entscheidung und wurde Herr von Bruchtal, eine andere Position als die seines Bruders. Ehrenvoll und sicherlich anstrengend, aber dennoch ein Unterschied zum Thron von Numenor."
"Ich wünschte, ich wäre nicht so eine Enttäuschung für ihn."
"Du bist keine Enttäuschung. Derjenige, den man liebt, kann niemals eine Enttäuschung sein. Aragorn weiß, dass es für dich anders ist als für ihn. Er wird dich unterstützen." Tauriel löste mich aus der Umarmung und richtete meinen Kopf auf, wie es Aragorn bei seiner Krönung getan hatte. "Es ist noch zu früh, um zu verzweifeln. Du bist noch keine zwei Wochen Königin. Aber du musst mit ihm reden. Er hat zu Legolas gesagt, dass er nicht weiß, was er tun soll, weil du so verletzlich und noch nicht über den Verlust deiner Familie hinweg bist. Er hat Angst, wahnsinnige Angst, dass du dich vor ihm zurückziehst. Das kannst du nicht tun, Arwen. Geh, und rede mit ihm. Etwas anderes hat er nicht verdient."

"Unfassbar, dass deine Frau an vier Wachen vorbei muss, um zu dir zu gelangen", begrüßte ich Aragorn wenig später betont fröhlich, um mein wild schlagendes Herz davon zu überzeugen, dass ich das Richtige tat.
"Ich weiß, ich weiß." Er erhob sich von seinem Tisch und lächelte mir müde zu. "Mich nervt es auch. Es ist genau das Gleiche wie mit deinen sieben Dienerinnen, allerdings hatte Finduilas 20, also solltest du dich nicht beschweren."
"Woher weißt du das?", fragte ich neugierig. Ein bisschen Konversation, bevor ich zum eigentlichen Thema überging, war gar nicht schlecht.
"Es gibt einige Schriften von den Frauen der Truchsessen und Könige, die ich einmal kurz durchgegangen bin. Sie sind recht informativ, vielleicht solltest du sie auch einmal lesen."
"Das werde ich." Ich schloss kurz, die Augen, um mich zu sammeln. Als ich sie dann öffnete, war ich bereit. "Denn bisher bin ich keine sehr gute Königin gewesen."
"Wie meinst du das?" Sein Lächeln wurde kleiner und ich befürchtete, dass er wütend werden könnte, stattdessen war da etwas in seinen Augen, dass aussah wie... Furcht.
"Ich war gerade bei Tauriel. Ich habe mit ihr gesprochen, weil... weil ich bisher den Eindruck habe, dass es mir nicht gelingt, eine gute Königin zu sein. Ich habe nie gelernt, wie das geht, es ist neu für mich. Und ich bin nicht so wie du, nicht aus einer Familie von Königen, die alle ganz genau wussten, was sie zu tun haben, habe nicht mein Leben lang hart gearbeitet. Ich bin nicht dazu gemacht, Königin zu sein."
Seine anfängliche Furcht hatte sich in nackte Panik verwandelt zu haben. " Willst du... Bereust du deine Entscheidung?"
"Nein!", rief ich aus, und ich wusste, dass es die Wahrheit war. Würde ich mich jetzt bei meinem Vater auf dem Schiff befinden, wäre mein Herz gebrochen und mein Leben hätte keinen Sinn mehr. "Wirklich nicht, das musst du mir glauben! Es war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe und niemals würde ich sie bereuen. Aber du musst mir Zeit geben, um zu lernen, so zu sein wie du. Ich muss noch lernen, eine Königin zu sein, ich muss mich an meine 100 Kleider und sieben Dienerinnen gewöhnen, daran, dass ich ein Arbeitszimmer habe und an die Dinge, die von mir verlangt werden. Ich schaffe es nicht alleine, Aragorn. Ich brauche deine Hilfe."

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