Kapitel 15

Für einen kurzen Moment war es vollkommen still. Ich starrte Herion an, Aragorn starrte mich an, die anderen Drei starrten uns an.
Ich erwartete ein Kind. Ich würde ein Kind bekommen, Aragorns Kind. Ich bekam ein Kind.
"Arwen", flüsterte Aragorn.
"Aragorn", erwiderte ich ebenso leise und plötzlich war es bedeutungslos, wer noch im Raum war, er schlang die Arme um mich und ich küsste ihn, wie ich ihn noch nie geküsst hatte. Alles, was ich in diesem Moment empfand, legte ich in diesen Kuss, damit er es verstand.
Wir bekamen ein Kind.
"Verzeihung, Euer Majestät", stotterte Herion peinlich berührt, weil wir uns normalerweise vor anderen Leuten mit unseren Gefühlen zurückhielten, "Ich würde das gerne etwas weiter ausführen."
"Ich bitte darum, Herion", meinte Aragorn und löste sich langsam von mir. Doch seine Hand blieb in meiner.
"Die Königin ist etwa im zweiten Monat. Dass die ersten Symptome wie Übelkeit und Schwindelgefühl erst zu diesem Zeitpunkt aufgetreten sind, ist bemerkenswert, in den nächsten Tagen und Wochen werden Müdigkeit und Schwächegefühl dazu kommen. Es ist wichtig, dass Ihr es von nun an ruhig angehen lasst, Euer Majestät." Streng sah er mich direkt an. "Ihr schenkt dem Land einen Thronerben, also ist es in Ordnung und sogar notwendig, dass ihr Eure übrigen Pflichten etwas vernachlässigt. Die nächsten zehn Monate Eurer Schwangerschaft werden nicht immer angenehm werden, deshalb ist es wichtig, dass Ihr Euch schont und auf die Signale Eures Körpers hört. König Aragorn, ich muss mich darauf verlassen können, dass Ihr den Terminplan Eurer Ehefrau stark verringert. Ohne Euch zu nahe treten zu wollen, das habe ich Euch bisher oft geraten und es hatte noch keine Wirkung gezeigt. Dieses Mal müsst Ihr meine Worte beherzigen und zwar nicht nur für eine Woche, sondern zehn Monate lang. Die Gesundheit der Königin war nie die robusteste und wir müssen dafür sorgen, dass die Schwangerschaft sie nicht über ihre Grenzen bringt."
"Dafür wird gesorgt sein." Tauriel erhob sich, stemmte die Hände in die Hüften und sah sich mit blitzenden Augen erwartungsvoll um, als würde ihr jemand widersprechen wollen. "Denn ich sorge dafür. Ich war immer sehr geduldig mit euch beiden, Arwen und Aragorn, aber jetzt bin ich das nicht mehr. Wir treffen uns noch heute und besprechen, wie wir in den nächsten Monaten vorgehen werden. Hier wird sich einiges ändern."
Ich musste grinsen. Sie war wirklich die beste Freundin der Welt. Ich konnte wirklich froh sein, dass ich sie hatte.
"Gut, dass wir das geklärt haben", stellte Herion fest und ich sah, dass er sich das Lachen nur schwer verkneifen konnte. "Ich lasse Euch nun ein wenig alleine. Mit der öffentlichen Verkünigung der Schwangerschaft solltet Ihr noch ein oder zwei Monate warten, aber einige vertrauenswürdige Dienerinnen und Diener dürfen eingeweiht werden. Ich kann mir gut vorstellen, Euer Majestät, dass König Aragorn und Herrin Tauriel Euch in den nächsten Monaten sehr speziell behandeln werden."
"Nicht nur Aragorn und Tauriel!", protestierte Gimli entrüstet, als der Heiler das Zimmer verlassen hatte. "Ich bin mir sicher, ich werde ein großartiger Onkel sein."
"Natürlich wirst du das", beruhigte ich ihn lächelnd. "Daran besteht überhaupt kein Zweifel."
"Ich gratuliere euch beiden", sagte Legolas herzlich und drückte meine Hand. "Das sind ganz wundervolle Nachrichten und ich weiß, dass ihr Euch das sehr gewünscht habt."
Da hatte er recht. Während Elben in den meisten Fällen entweder ein bis zwei Kinder oder gar kein Kind bekamen, hatte ich das Gefühl, dass einige der Menschenfrauen gar nicht mehr damit aufhörten. Vater hatte immer gesagt, dass läge daran, dass die unsterblichen Elben sich weniger Sorgen darum machen mussten, wer ihr Eigentum nach ihrem Tod erben würde. Und genau deswegen hatte es in den letzten Jahren schon viele Zweifel an meiner Eignung als Königin gegeben; Aragorn brauchte einen Erben und ich war einfach nicht schwanger geworden. Ich war aus irgendeinem Grund nicht in der Lage gewesen, die größte und wichtigste der mir auferlegten Pflichten zu erfüllen.
Doch nun war es so weit. In zwei, drei Jahren würde mich ein kleines, liebenswertes Geschöpf Mama nennen und ich würde für es sorgen, wie ich für niemand anderen sorgen durfte. Ich bekam ein Kind.
"Vielleicht brauchen die beiden jetzt etwas Privatsphäre", stellte Tauriel nach einem kurzen Schweigen entschieden fest und warf Legolas und Gimli einen auffordernden Blick zu. Widerstandslos folgten sie ihr aus dem Raum. "Ich werde Tante!", hörte man Tauriels aufgeregte Stimme auf dem Gang, dann war alles still.
So viel zum Thema "wir verkünden es noch nicht". Trotzdem war ich ihr selten dankbarer gewesen.
"Arwen", flüsterte er wieder, und legte sich neben mich auf das Bett, seine Arme umschlossen meinen Oberkörper.
"Aragorn." Ich strich sanft über seine Schläfe. "Wir bekommen ein Kind."
"Ich kann es kaum glauben! " Zart küsste er mich auf die Stirn. "Bei den Valar, ich werde Vater! Kannst du dir das vorstellen?"
"Sogar sehr gut." Ich ergriff seine Hand und legte sie auf meinen Bauch. Noch war nichts zu spüren, doch es war ein magischer Moment. Unser Kind. "Du wirst ein toller Vater werden."
Plötzlich erinnerte ich mich wieder an meine Vision aus der Zeit des Ringkrieges, an den kleinen Jungen, den ich in Aragorns Arme hatte rennen sehen. Dieses Kind hatte mich davon abgehalten, Mittelerde für immer zu verlassen. Dieser Junge, der Aragorn, als er noch jung und unbeschwert gewesen war, wie aus dem Gesicht geschnitten war. Er hatte mich angesehen und ich hatte gewusst, dass die Entscheidung, die ich meinem Vater zuliebe getroffen hatte, falsch gewesen war. Und nun war es beinahe real.
"Es wird ein Junge", flüsterte ich und Aragorn sah mich überrascht an. "Ich habe es gesehen."
"Du hattest eine Vision? Wann das?"
"Es ist Jahre her." Die Konfrontation mit der verdrängten Erinnerung brachte mich zum Weinen. "Noch während des Ringskrieges, als Ada mich nach Valinor schicken wollte. Einige Elben führten mich durch den Wald, wir waren Bruchtal noch nahe... Dann sah ich einen Jungen, der an einer Kette um seinen Hals den Abendstern trug, und er rannte in deine Arme. Er hat mich angesehen und ich habe gewusst, dass ich das Falsche tat. Dann bin ich umgekehrt und nach Bruchtal geritten. Den Rest kennst du."
"Den Rest kenne ich", bestätigte er nachdenklich, und zog mich noch fester an sich. "Es ist eine schöne Geschichte, aber dieser Junge muss nicht zwingend unser erstes Kind sein. Aber es ist mir egal. Ich mache zwischen Junge und Mädchen keinen Unterschied."
"Dein Volk schon", erwiderte ich mit erstickter Stimme. "Ein Mädchen kann dir nicht auf den Thron folgen, es ist nicht erlaubt. Und wenn es ein Junge ist, festigt es deine Position und endlich hören die Menschen auf, an mir zu zweifeln..."
"Niemand zweifelt an dir. Das wagen sie nicht, denn sie wüssten, welche Konsequenzen das hätte." Er küsste die Tränen von meinen Wangen. "Bitte rede nicht so. Ob es auch Mädchen oder Junge ist, wir werden es lieben, und das ist alles, was zählt. Mach dir keine Gedanken, bevor es auf der Welt ist, galwen nin."
"Trotzdem glaube ich, dass es ein Junge ist", wiederholte ich, "Und ich weiß, wie ich ihn nennen möchte."
Der Name war mir gerade erst in den Sinn gekommen, doch er hätte schöner nicht sein können. Wieder sah ich den Jungen aus der Vision vor mir und es war der passendste Name, den ich mir vorstellen konnte.
"Wie denn?"
"Eldarion. Sohn der Eldar. Ich möchte ihn Eldarion nennen."

Zu dem Bild: Das ist zwar irgendwie nicht Arwen 😁, aber die Schauspielerin stimmt schon mal! 😂

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