Kapitel 13

Meine Mutter hatte mich gelehrt, dass alle von mir erwarteten, eine gute Ehefrau zu sein. Wenn ich eines Tages verheiratet werden würde, dann würde jeder Elb in Mittelerde wissen, dass ich die Tochter von Elrond und Celebrian war, aus gutem Hause, schön und mit einem angenehmen Charakter. Das bedeutete nicht, dass ich temperamentvoll, wissbegierig oder gesprächig war, sondern ich musste auf meinen Mann Rücksicht nehmen, seine Worte als die einzige vorhandene Wahrheit ansehen, tun, was er mir befahl, mich in Anwesenheit anderer mit meiner eigenen Meinung zurückhalten und mich ihm in jeder Hinsicht unterordnen.
"Mir selbst ist das nicht sehr gut gelungen, meine süße Arwen", hatte meine Mutter gesagt. "Ich habe meine Eltern, vor allem meine Mutter, oft schwer enttäuscht, was den Umgang mit Männern betraf. Es war mir sehr wichtig, dass dein Vater zu jedem Zeitpunkt meine Meinung kannte, auch wenn sie anders war als seine. Besonders, wenn sie sie anders war als seine. Aber das ist nicht die richtige Einstellung, nicht für dich. Ich hatte Glück, dass mein Mann so viel Verständnis für mich hatte, denn ein anderer hätte mich vielleicht zu meinen Eltern zurückgeschickt. Und deswegen ist es sehr wichtig, dass du mit deinem zukünftigen Ehemann so umgehst, wie ich es dir gesagt habe. Stimme ihm zu und unterstütze ihn bedingungslos. Zeige ihm, dass du für ihn da bist, dass alles, was du tust, nur für ihn geschieht. Er muss wissen, dass er das Zentrum deiner Welt ist."
Sie hatte nicht wissen können, dass ich eines Tages den König von Gondor heiraten würde. Das machte all ihre gut gemeinten Ratschläge völlig wirkungslos, denn es bedeutete, dass ich meinem Mann sagen musste, wenn ich eine Entscheidung nicht guthieß. Sonst starben möglicherweise Menschen. Und wenn ich nur noch für Aragorn da und er das Zentrum meiner Welt wäre, fänden das Gondors Einwohner gar nicht lustig.
Doch in diesem Moment wünschte ich mir, Celebrian hätte meine Zukunft gekannt und hätte mich darauf vorbereiten können. Tatsächlich wünschte ich mir einfach nur meine Mutter, die mir helfen würde. Ich hatte die Sitzung verlassen. Ich war zwar nicht aus dem Raum gestürmt, aber ich hatte die Sitzung verlassen, in der es um mich ging. Eine gute Ehefrau tat das nicht. Wirkungsvoller hätte ich ihn nicht anzweifeln können. Und zwei Bedienstete hatten es gesehen, sie würden es der gesamten Dienerschaft erzählen, ihren Familien, ihren Nachbarn, ihren Freunden. Gerüchte würden sich verbreiten wie ein Lauffeuer. Die Königin unterstützt ihren Mann nicht mehr. Das Königspaar hat eine Ehekrise. Die Königin sieht so blass aus in den letzten Tagen. Die Königin ist immer noch nicht schwanger.
Schwer atmend ließ ich mich auf meinem Bett nieder und vergrub mein Gesicht in den Kissen. Zuerst hatte ich mich an einen anderen Ort zurückziehen wollen, um mich noch ein wenig verstecken zu können, doch eigentlich wollte ich gefunden werden. Ich wollte mit dem Schaden konfrontiert werden, den ich angerichtet hatte. Dafür, dass Tauriel mich dafür bewunderte, immer alles richtig und gut zu machen, machte ich in letzter Zeit erstaunlich viel falsch.
Und dennoch hatte ich das Gefühl, ich hatte aus den richtigen Gründen gehandelt. Zwar hatte ich das Falsche getan, aber ich würde es wieder tun. Was Aragorn getan hatte, war nicht gerecht. Er fügte seinen Freunden, die immer hinter ihm standen und ihm einen nicht unerheblichen Teil seiner Arbeit abnahmen, absichtlich Schmerzen zu, um sie für etwas zu bestrafen, um das er sie beneidete. Es war falsch. Je länger ich darüber nachdachte, desto falscher kam es mir vor und desto sicherer war ich mir, dass ich im Recht war.
Vermutlich wusste er das sogar. Eigentlich war ich mir ziemlich sicher, dass er es wusste. Schließlich war er der verständigste Mensch der Welt und wusste besser als alle anderen, wie ich mich fühlte und was in mir vorging. Und doch fürchtete ich mich vor dem, was er sagen würde, wenn er diesen Raum betreten würde. Er würde kommen, da war ich sicher. Jemand wie er schickte niemanden vor, selbst wenn Tauriel sich höchstwahrscheinlich dafür anbot. Er würde kommen.
Und zwar in drei... zwei... eins...
Auf dem Gang waren Schritte zu hören. Schritte, die näher kamen, vor meiner Tür halt machten. Es klopfte. Mein ganzer Körper spannte sich an.
"Arwen? Darf ich hereinkommen?"
Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Es war sehr höflich von ihm, dass er fragte, denn er würde sowieso hereinkommen. Er machte sich Sorgen um mich. Und im Prinzip wollte ich ja auch, dass er kam.
"Natürlich." Meine Stimme zitterte kaum merklich.
Er war blass und wirkte sehr verkrampft, er stand in der Tür, als wisse er nicht genau, was er hier eigentlich suchte. Beklommen erwiderte ich seinen Blick und klopfte zögerlich neben mich auf die Decke. Er kam tatsächlich näher, zog sich jedoch einen Stuhl heran und setzte sich mir gegenüber.
"Arwen", sagte er.
Ich nickte und spürte, wie sich eine Träne den Weg aus meinem Auge bahnen wollte. Energisch blinzelte ich und versuchte, meine Augen besonders weit zu öffnen. Großmutter hatte immer gesagt, das half.
"Arwen", wiederholte er, und dieses Mal konnte ich überhaupt nichts dagegen tun, dass die Tränen meine Augen verließ. Aragorn beugte sich zu mir und streckte die Hand aus, ganz langsam, wie um mir die Möglichkeit zu geben, ihn daran zu hindern, und wischte sie weg. "Nicht."
In diesem Moment fiel die Abendsonne durch das Fenster und durchflutete den Raum wie ein Zeichen der Götter, dass ich in Sicherheit war. Dass er mir verzeihen würde. Für einen kurzen Moment genoss ich einfach nur die Wärme auf meiner Haut.
"Es ist schön, wie die Sonne mit deinen Haaren spielt", murmelte er mit rauer Stimme
"Wir müssen das nicht machen", meinte ich abwehrend, "Dass erst ich etwas sage und dann sagst du etwas und Hauptsache, wir reden nicht über das, was vorgefallen ist. So etwas machen wir nicht."
"In Ordnung." Doch weiter sagte er nichts. Ob meine Mutter geahnt hatte, dass ich in meiner Ehe diejenige sein würde, die den ersten Schritt machte?
"Es war mir sehr wichtig, dass dein Vater zu jedem Zeitpunkt meine Meinung kannte, auch wenn sie anders war als seine. Besonders, wenn sie sie anders war als seine." Vielleicht war ich Celebrian doch ähnlicher, als alle es dachten. Mir wurde immer nur gesagt, ich sei wie mein Vater, aber vielleicht war ich zumindest in dieser Hinsicht wie sie.
"Meine Mutter hat mir erklärt, wie eine gute Ehefrau zu sein hat." Überrascht sah Aragorn auf. "Rücksichtsvoll, gehorsam, unterordnend, eine Unterstützung. Dem Mann versichernd, dass er stets recht hat und das Richtige tut. Die eigene Meinung zurückstellend und die des Mannes annehmend. Ich denke, dass ich einige dieser Eigenschaften habe. Ich bin rücksichtsvoll und gehorsam und ich hoffe, dass ich auch eine Unterstützung bin. Aber eines kann ich nicht tun, denn es widerstrebt allem, was ich gelernt habe. Ich kann meine Meinung nicht um deinetwillen zurückstellen. Es ist mir wichtig, dass du als mein Mann zu jedem Zeitpunkt meine Meinung kennst, auch wenn sie anders ist als deine eigene. Besonders dann, wenn sie anders ist als deine."
Celebrian hatte gesprochen. Er sah mich aufmerksam an, dann blickte er betreten auf seine Füße. Beschämt.
"Ich werde mich bei ihnen entschuldigen", flüsterte er.
"Das musst du."
"Ich habe falsch gehandelt, das weiß ich. Und es tut mir wahnsinnig leid."
"Ich weiß. Du hast mich sehr traurig gemacht, Aragorn. Mir war bewusst, dass du nur das Beste wolltest, aber du hast Legolas und Gimli das Gefühl gegeben, an allem Schuld zu sein. Nur, weil sie etwas hatten, das du nicht bekommen konntest."
"Ich wollte das nicht..."
Er vergrub das Gesicht in den Händen. Einer unbestimmten inneren Weisung folgend stand ich auf, setzte mich auf seinen Schoß und hielt ihn fest.
Wir sahen uns an und alles war wieder gut.

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