Kapitel 11
Wie ich es erwartet hatte, ließen Aragorn und Tauriel mich in den folgenden Tagen nicht aufstehen. Drei Tage lang war ich ans Bett gefesselt, musste meine Dienerinnen mit Anweisungen hin und her schicken, um meine Abwesenheit wieder wettzumachen- sie behandelten mich, als wäre ich von den Toten auferstanden- und fühlte mich vor allem so nutzlos. Die beiden anderen mussten wieder schwer arbeiten und ich lag den ganzen Tag im Bett. Zwischen ihren Terminen kam Tauriel her, brachte mir aus der Küche geklauten Kuchen und hielt mich möglichst auf dem Laufenden. Sie belauschte weiterhin jede Ratssitzung, wenn sie nichts anderes vorhatte, und konnte die verschiedenen Räte inzwischen sehr gut nachmachen. Das tat sie, wenn ich ein wenig Aufmunterung gebrauchen konnte. Also beinahe Eden Tag.
Aragorn kam auch- er hatte sogar einen Termin für mich abgesagt, er schien immer noch an seinem Plan, uns zu entlasten, festzuhalten- und erzählte kleine Anekdoten aus seinem Alltag. Einmal brachte er einen Geschenkkorb, den Eomer- König Eomer, wie die Etikette es verlangte, so viel Zeit musste sein- aus Rohan geschickt hatte. So weit war es gekommen, dass unsere Freunde uns offizielle Gaben per Eilbote überbringen ließ.
Die drei Tage kamen mir wie eine Ewigkeit vor.
Am Morgen des vierten Tages saß ich mit einem Brief von Glorfindel in meinem gemütlichsten Sessel am Fenster, denn Aragorn und Tauriel wollten, dass ich den Vormittag ruhig angehen ließ, und aß ein wenig Nicht-Lembas-Brot. Tauriel hatte es so genannt und irgendwie hatte ich den Namen übernommen. Es war der erste Brief aus meiner ehemaligen Heimat und ich war glücklich, dass Glorfindel an mich gedacht hatte.
Plötzlich klopfte es und der Wächter, ein junger Mann namens Cirion, trat vorsichtig ein. "Euer Majestät? Fühlt Ihr Euch wohl genug, um Gäste zu empfangen?"
"Cirion, ich bin nicht krank gewesen. Du darfst nicht auf alles hören, was der König und Herrin Tauriel sagen."
"Sehr wohl, Euer Majestät. Also darf ich sie einlassen?"
"Das darfst du." Schnell stand ich auf und richtete mit einem Griff mein Kleid und meine Frisur. Ich fragte mich, wer mich besuchen würde, denn Aragorn hatte Arataniel eingeschärft, mir keine Termine aufzudrängen. Heute Nachmittag hatte ich eine Besprechung mit ihm und Tauriel und ich wusste auch bereits, worum es gehen würde. Um mich und darum, wie man mich am Besten wie ein rohes Ei behandeln konnte.
Es waren Legolas und Gimli.
Mit einem meiner Stellung völlig unangemessenem Freudenschrei warf ich mich beiden gleichzeitig in die Arme und genoss das Gefühl, mich in gleich vier Armen ganz und gar geborgen zu fühlen. Sie waren verschwitzt und schmutzig, doch ihre Gesichter leuchteten und sie bedeuteten Heimat. Meine Familie war wieder vollständig. Mein Mann hatte seine Freunde wieder, an denen er seine Launen auslassen konnte.
"Zwar bin ich noch nie von einer Königin empfangen worden, aber so hatte ich es mir auf jeden Fall nicht vorgestellt", lachte Legolas. Selbst den Klang seines Lachens hatte ich vermisst.
"Ich bin so glücklich, dass ihr wieder hier seid. Ihr habt mir gefehlt, meine lieben Freunde. Ich dachte, ihr würdet niemals wiederkommen."
"Und hier sind wir!", grinste Gimli und küsste mir tatsächlich die Hand. "Und wir sind froh darüber."
"Das sind wir." Legolas ließ seinen Blick auf mir ruhen. "Die Bewohner der Stadt sagen, du bist krank gewesen." Es klang wie eine Frage.
"Wenigstens hat es sich noch nicht im ganzen Land herum gesprochen." Ich rollte genervt mit den Augen. "Als Aragorn verkündet hat, dass das Auenland ein freies Land unabhängig von unserem Königreich wird und niemand es betreten darf, hat es große Unruhen im Volk gegeben. Sie sagten, er würde seine Freunde bevorzugen und wolle außerdem gar nicht König sein. Aus dem Palast müssen Gerüchte über sein Verhalten gesickert sein." Dass viele dieser Gerüchte wahr waren, sagte ich nicht. Das mussten sie selbst herausfinden. "Ich war geschockt und hatte außerdem seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen... also bin ich zusammengebrochen."
"Arwen!", rief Gimli entrüstet, als könnte ich etwas dafür, "Wir haben dir gesagt, du sollst dich nicht überanstrengen!"
"Ich weiß. Es ist ja nicht so, als hätte ich aus einer Laune heraus beschlossen, das Bewusstsein zu verlieren, weil es so unglaublichen Spaß macht. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was hier los ist- sie gehen mit mir um wie mit einer Feder."
"Du weißt, wie sie sind", meinte Legolas entschuldigend, "Sie machen sich nun einmal große Sorgen um dich. Das meinen sie nicht böse."
"Ich weiß", knurrte ich. "Trotzdem ist es einfach nur anstrengend. Bis gestern durfte ich ja nicht mal das Bett verlassen, wenn niemand anderes mit im Raum war."
"Irgendwie schade, dass wir das verpasst haben", überlegte Gimli und zwinkerte mir zu.
"Arwen... Du weißt nicht zufällig, wo Aragorn und Tauriel gerade sind?", erkundigte sich Legolas so beiläufig wie möglich, obwohl es ihm nicht im mindesten half, sich zu verstellen.
"Verliebter Narr", grummelte Gimli, doch ich sah ihn dabei lächeln.
"Ich kann euch hinbringen. Vermutlich werde ich Ärger dafür bekommen, schließlich ist es noch nicht Nachmittag und erst dann darf ich aufstehen, aber das ist es mir wert."
"Das ist toll." Legolas' Blick verlor sich und ich sah die Sehnsucht darin.
"Ich störe nur ungern, meine Herren", unterbrach ich wenige Minuten später die Zusammenkunft der Kaufleute, geleitet von Aragorn und Tauriel. Die beiden wurden blass, als sie mich sahen- daran würde ich mich wohl gewöhnen müssen. Es machte jetzt schon keinen Spaß.
"Euer Majestät." Alle erhoben sich und verneigten sich tief. Der Vorschriften wegen warf ich ihnen ein freundliches Lächeln zu.
"Es ist gut zu sehen, dass Ihr wieder wohlauf seid, wenn Ihr mir diese Bemerkung erlaubt", ergänzte einer von ihnen unterwürfig.
"Sehr freundlich, danke. Mein König, Herrin Tauriel, dürfte ich Euch mit hinaus bitten? Die Angelegenheit ist von größter Wichtigkeit."
"Selbstverständlich", erwiderte Tauriel, als Aragorn nicht reagierte. "Entschuldigt uns kurz, verehrte Herren."
Ich zog die beiden mit nach draußen und Aragorn flüsterte bestürzt: "Bist du in Ordnung?"
"Wäre ich hier, wenn es nicht so wäre?", gab ich etwas ungeduldig zurück. "Es ging mir selten besser."
"Bei den Valar!", stieß Tauriel neben mir hervor, sie war ganz außer sich vor Glück. "Legolas!"
"Tauriel." Er ging raschen Schrittes auf sie zu, umarmte sie und wirbelte sie einmal durch die Luft. "Tauriel, bereth nin."
Es war beinahe als sähen sie sich zum ersten Mal und es erinnerte mich an das Geschehen am Tag von Aragorns Krönung. Er fuhr die Konturen ihres Gesichts mit einem Finger nach und hielt sie dabei fest an sich gepresst, als hätte er Angst, sie jemals wieder loszulassen. Es war wunderschön.
"Ich kann kaum glauben, dass du wieder da bist", flüsterte sie kaum hörbar und lehnte ihren Kopf gegen seine Brust.
"Ich auch nicht."
"Hallo Gimli", hörte ich Aragorn sagen und bemerkte, dass die beiden mit einem Grinsen auf dem Gesicht zusahen, wie Legolas Tauriel nicht mehr loslassen wollte.
"Aragorn, alter Freund", erwiderte der Angesprochene und zog ihn in eine feste Umarmung. "Es tut gut, dich wiederzusehen."
"Dich ebenfalls."
Wir setzten uns ins Esszimmer, ordneten eine Mahlzeit für die Weitgereisten an und verschoben unsere Besprechung auf den Abend.
"Und nun erzählt schon", begann Aragorn und ich sah die Freude und Aufregung in seinem Blick. "Ich will jedes einzelne Detail hören!"
Insgeheim hatte ich befürchtet, dass er ihnen bei ihrer Ankunft zornig an den Kopf werfen würde, dass sie ihn verlassen hatten, als er sie am ehesten brauchte und ihn auf ihre Erkundungstour nicht mitgenommen hatten. Er hatte es nicht getan und nun wusste ich, warum- er würde ihre Erzählungen dazu nutzen, die Sehnsucht in ihm zu bezwingen und den Punkt, an dem er explodieren würde, noch etwas heraus zu zögern. Das war gut, aber natürlich nicht ideal.
"Ganz genau", stimmte Tauriel ihm gut gelaunt zu. "Ihr habt also den Grünwald verlassen, und dann?"
"Wir sind noch etwas länger im Grünwald geblieben." Legolas lächelte Gimli zu und dieser erwiderte es strahlend. "Auf Gimlis Wunsch hin. Wir haben dort alles Mögliche erkundet, das ehemalige Dol Guldur, die unterirdischen Seen und natürlich die Wasserfälle nahe dem Palast." Tauriel nickte wissend. "An einem der Wasserfälle haben wir sogar übernachtet- das war wunderschön."
"Eure Heimat ist wirklich fantastisch", fiel Gimli mit ein, "Ich verstehe nicht, warum sich dort niemals Menschen und Zwerge niedergelassen haben. In den Höhlen habe ich einige seltene Steine und Kristalle gefunden, die ich schöner an keinem anderen Ort finden könnte."
Er griff in seine Tasche und holte einen Ring hervor, dessen dunkelroter Stein mich an vergossenes Blut erinnerte. Er war umgeben von mehreren kleinen Splittern desselben Kristalls. Die Fassung war rotgolden und unglaublich zart. Gimli tauschte einen weiteren Blick mit Legolas, dann schob er ihn mir hin. Ich konnte es kaum glauben.
"Für mich?", stieß ich mit heiserer Stimme hervor: "Gimli!"
"Einer Königin würdig." Sein Lächeln war auf eine tragische Weise mitfühlend, die mir das Herz brach. Er wusste um die Bürde, die auf mir lastete, und er gab sich Mühe, mich sie vergessen zu lassen.
"Ich danke dir. Das ist wirklich sehr lieb und aufmerksam von dir. Es ist ein wunderschöner Ring." Gerührt steckte ich ihn an den Finger- er passte perfekt.
"Die Fassung stammt von mir", erklärte er. "Es freut mich, dass er dir gefällt."
Auch Tauriel erhielt ein Schmuckstück, eine Kette mit einem blauen Edelstein in Form einer Träne. Legolas hatte Gimli diesen Auftrag gegeben.
"Danach machten wir uns auf dem Weg ins Auenland, mit einem Zwischenstopp in Lothlorien", sprach Legolas weiter und Tauriels Augen begannen zu glänzen. Auch mein Herz schlug schneller. Bruchtal war meine Heimat gewesen, aber bei meinen Großeltern hatte ich ebenso viel Zeit verbracht, wenn nicht mehr. "Alle Elben haben es verlassen und leben jetzt entweder in Bruchtal oder bei den Grauen Anfuhrten. Aber wir waren in Caras Galadhon und auch im Garten der Mallorn-Bäume. Es ist dort schön wie eh und je." Legolas holte drei getrocknete, goldene Blätter hervor und gab sie Tauriel, Aragorn und mir. Tränen stiegen mir in die Augen und ich erlaubte mir einen schwachen Moment, um meinen Großeltern zu gedenken. Sie hatten mich geliebt wie ihre eigene Tochter. Und sie waren es, die mich aufzogen und mit ihrem Wissen zu einer besseren Elbe machten, als mein Vater nicht in der Lage dazu war. Ich würde sie nie wiedersehen. Niemals. Ich spürte eine Hand auf meiner eigenen und einen Arm um meine Schulter. Aragorn.
"Im Auenland verbrachten wir einige Tage bei Sam und Rosie- ein entzückendes Mädchen- und natürlich Merry und Pippin. Sie wollten alles aus Minas Tirith erfahren und freuen sich, dass wir alle wohlauf sind." Gimli grinste. "In Beutelsend hat Legolas sich so oft den Kopf gestoßen, dass ich aufgehört habe zu zählen."
"Dafür hast du alle mit deinen komischen Witzen verunsichert", konterte Legolas sofort, "Es war peinlich. Die Hobbits haben alles, was er sagte, ernst genommen."
"Oh weh", lachte Aragorn. "Die Armen."
"Sie haben es, was die Geschenke betrifft, sehr gut mit uns gemeint", meinte Gimli geschickt ausweichend. "Für Aragorn eine neue Pfeife und dazu das Kraut Alter Tobi-" Aragorn nahm das Päckchen begeistert entgegen und zündete die Pfeife sofort an. "- für Tauriel ein Herbarium, das Rosies Urgroßmutter begonnen hat und das von da an immer weitergegeben und ergänzt wurde-" Mt einem Lächeln betrachtete sie das alte Buch aus bereits brüchigem Leder. Sie hatte mir erzählt, dass sie mit Sam viel über ihr bekannte Pflanzen gesprochen hatte. "- und für Arwen eine Sammlung von Zeichnungen aller Art von vielen Hobbits aus allen Gegenden des Auenlandes."
Verwirrt nahm ich eine Mappe aus schwarzem Leder entgegen. Darauf klebte ein Zettel: "Was kann man einer Königin schenken, das sie noch nicht hat? Die Sonne.".
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