Rosé und die Bisonherde


Rosé hatte die Augen geschlossen, als es plötzlich losdonnerte. Ausgestreckt auf ihrem Feldbett liegend, war ihr Atem bis eben noch gleichmäßig und ruhig gewesen, doch nun verschluckte sie sich vor Schreck. Es dröhnte, als galoppierte eine Bisonherde durch die Gänge.

Hustend schnellte sie hoch und klammerte sich am Bettgestell fest. Wände und Boden zitterten unter der Erschütterung.
Im nächsten Moment öffnete sich die Tür und eine Horde Gestalten in Tarnklamotten und schweren Stiefeln erstürmte den Saal.

Rosé hielt die Luft an und starrte mit weit aufgerissenen Augen in die fremden Gesichter. Viel erkannte sie nicht; Sie trugen Helme und alles darunter war dreckverschmiert. Eine der Gestalten ließ sich mit einem leisen Stöhnen neben ihr aufs Feldbett plumpsen.

Rosé musterte die schmale Figur und schloss daraus, dass es wohl ein Mädchen war, das sich da unter der Armeeausrüstung verbarg.

„Neu?" Die Stimme klang entkräftet, dennoch hörte Rosé eine Spur Neugier darin. Die Fremde setzte ihren Helm ab und Rosé, immer noch etwas von der Situation überrumpelt, nickte und rutschte näher an die Bettkante, zu ihrer Nachbarin heran.
Das fremde Mädchen war ihr sofort sympathisch. Ihre glatten, dunklen Haare reichten ihr bis zum Kinn und gaben ihrem etwas kindlichem Gesicht einen anmutigen Rahmen. Unter dem Schmutz glänzte ihre Haut schweißnass, doch es waren ihre runden Augen, die besonders auffielen; sie blickten trotz aller Anstrengung sanft und warm.

„Rosé", stellte Rosé sich vor und ergänzte dann beinah verlegen: „Ich weiß nicht, ob ich länger hier bin. Ich war bis vor kurzem in ...", sie sah sich um, als würde ihr das helfen, das richtige Wort zu finden, „Einzelhaft."

Das Mädchen nickte wissend und zeigte auf die Halle hinter sich, in der nun alle aus ihren verdreckten Anzügen stiegen und auf ihre Betten fielen. „So ging es allen, die nicht freiwillig hier sind. Wir wurden geschnappt, in diese Base verschleppt, gefangengehalten und tadaaa: Als keiner mehr gegen sie aufmuckte, ausgebildet."

Rosé suchte in ihrem schmutzigen Gesicht nach Anzeichen von Verzweiflung und Wut, fand aber nur Müdigkeit und diese lebendige Neugier.

Die Fremde legte den Kopf schief. „Mir scheint, bei dir haben sie einen Fehler gemacht", stellte sie fest und grinste frech.

„Einen Fehler?" Rosé fühlte sich schlagartig unwohl, wie ein lästiges Insekt. Sie griff an den Kragen ihrer Bluse, der sich auf einmal viel zu eng anfühlte.

„Du bist nicht gebrochen." Das Mädchen strahlte sie an.„Ich bin übrigens Soyun", stellte sie sich vor und reichte Rosé die Hand. Rosé griff zu und spürte die Schwielen und Blasen auf Soyuns Haut, und auch den dazugehörigen Schmerz sah sie in ihrem Gesicht. „Freut mich", antwortete sie und schämte sich sofort. Aus Höflichkeit wollte sie nicht gleich loslassen, doch das Mitgefühl, das sie für Soyun empfand, ließ ihre Stimme kratzen.

„Mich auch." Soyun drückte Rosés Hand und lächelte. Rosé lächelte zurück. Zum ersten Mal an diesem Tag fühlte sie so etwas wie Hoffnung.


Da das Kennenlernen nun geklärt war, ließ Soyun sich wieder rücklings aufs Bett fallen.

„Ist das normal?" Rose deutete auf Soyuns dreckverkrustete Uniform. Sie war nicht sicher, ob sie die Geste mitbekam, da sie ihren Blick zur Decke gerichtet hielt. Doch falls sie es nicht gesehen hatte, schien ihre neue Freundin gut kombinieren zu können. Sie antwortete mit einem tiefen Seufzen: „Wenn Mingi das Training leitet, sieht man danach immer so aus. Geländetraining ist für ihn das A und O."

Rosé kicherte wegen ihrer Ausdrucksweise, musste aber sofort an den anderen Engel denken. Wie hieß er noch gleich? Ob es bei dem besser war?
Soyun beobachtete sie von der Seite. „Und bei San bist du so durchgeschwitzt, als hättest du im Schweiß gebadet", informierte sie Rosé prompt.

Klasse. Das waren ja besten Aussichten.

Und obwohl sie als Einzige heute kein Training absolviert hatte, sank Rosé tief in die Matratze.

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