Rosé und der Hund
„Arbeiten oder sterben?" Rosé stemmte ihre zierlichen Fäuste in die Hüfte und streckte der Bunkertür die Zunge raus, kaum dass sie hinter dem Engel ins Schloss gefallen war. Ihre Finger zuckten. Hätte sie etwas zu greifen bekommen, hätte sie es ihm mit Freude hinterhergepfeffert.
Aufgeblasener Gockel!
Doch die Tür war zu und Rosés innerer Aufruhr prallte an der Eisenfront ab, wie menschliche Emotionen am Cowboyengel. Sie seufzte.
Schöner Mist, den sie sich da eingebrockt hatte.
Nein, nicht sie. Namjoon.
Der Gedanke an ihn schmerzte in der Brust und Rosé musste sich eingestehen, dass sie sein Genörgel fast genauso vermisste wie den Gesang ihrer Mädels.
Die Erinnerungen an Jisoo, Jennie und Lisa drückten ihre Stimmung in unbekannte Tiefen und heiße Tränen rollten über ihr Gesicht. Sie gab ihnen nach, bis die Tür sich erneut öffnete. Rosé fuhr zusammen und wischte sich hektisch die Wangen. Sie hatte sich so in ihren Gedanken verstrickt, dass sie die Schritte nicht gehört hatte.
Der Engel. Mit einer Schüssel in der Hand und einer Scheibe Brot stand er vor ihr.
Knastessen? Rosé rümpfte ihr Näschen und ließ ihn nicht aus den Augen. Trotzdem sammelte sich Spucke in ihrem Mund und ihre Eingeweide zogen sich straff zusammen.
„Du bist also entschlossen?" Er richtete zwar das Wort an sie, machte aber keinerlei Anstalten, ihr das Essen zu reichen. Im Gegenteil; sein Blick drückte es deutlicher aus als die Frage. Gab Rosé die falsche Antwort, bekäme sie nichts. Sterben. Das Wort hallte in ihrem Kopf. Ohne Henkersmahlzeit.
„Klar." Sie log und es klang nicht mal in ihren Ohren überzeugend.
„Gut." Er nickte und trat ein. Rosé erwartete, dass er ihr jetzt das Essen geben würde, doch stattdessen stoppte er und warf ihr die Brotscheibe aus dem Handgelenk heraus zu.
Rosé schnappte sie mit zwei Fingern aus der Luft.
Na toll. Die ist ja steinhart! Mit verkniffenen Augen betrachtete sie das Brett in ihrer Hand und dann den Engel.
Ob sie ihn damit erschlagen könnte? Bevor sie weitere Verwendungsmöglichkeiten ersinnen konnte, pfiff er durch die Zähne.
Jetzt verspottet er mich auch noch, dass ich sie gefangen habe, dachte sie verärgert. Doch dann hörte sie ein Trippeln, dass sich fast hopsend im Gang näherte.
Rosé Blick sprang zwischen Engel und Tür hin und her. Fast hätte sie vor Überraschung gequietscht, als sich eine nasse Schnüffelnase am Türblatt vorbeischob. Ein Hund!
Augenblicklich entkrampfte sich ihr Bauch beim Anblick des jungen Labradors, doch dann fiel ihr Blick auf das Stoffbündel, das der Vierbeiner im Maul trug.
Der Welpe schmiegte sich an die Stiefel des Cowboys und wedelte mit dem Schwanz gegen sein Knie. Seine Augen glänzten wie zwei schwarze Perlen während sie die Gunst des Engels suchten. Er hatte nur Augen für ihn und Rosé drehte sich fast der Magen um, wie vernarrt er war. Dummer Hund!
Der Engel stellte die Schüssel auf den Boden und tätschelte dem Tier die Ohren. „Gut gemacht!", lobte er und nahm ihm das vollgesabberte Bündel aus dem Maul. Seine vollen Lippen verzogen sich zu einem fiesen Grinsen, als er sich aufrichtete und den Packen Rosé ins Gesicht warf. Sie ließ prompt das Brot fallen, um den Stoff zu fangen. Das Grinsen des Engels wurde noch breiter.
„Na, dann. Guten Appetit." Seine linke Augenbraue zuckte spöttisch und er deutete mit dem Kinn auf den Boden. Rosé sah hinab auf die Brotscheibe und zuckte die Schultern. Sie hätte sich eh daran die Zähne ausgebissen. Trotzdem verspannten sich ihre Bauchmuskeln und zu allem Überfluss hörte sie ein Schlabbern. Der Hund machte sich gierig über die Schüssel her! Oh Himmel, nein! Ihr Blick schoss hoch zum Engel, dessen Augen vergnügt blitzten.
Rosé verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte ihn böse an.
„Unzufrieden?" Der Engel schnalzte mit der Zunge, was der Hund zu seinen Füßen mit einem Bellen quittierte. Doch seine Augen taxierten Rosé. „So läuft das hier: Wer auf uns hört, wird versorgt. Wer nicht ..." Statt den Satz zu beenden, kickte er mit dem Fuß gegen die Schüssel. Sie zischte an Rosés Kopf vorbei und knallte gegen die Wand. Mit einem dumpfen Scheppern fiel sie zu Boden, wo sie sich mit kratzenden Geräuschen drehte und schließlich liegen blieb.
Rosé zitterte - der Schreck war ihr durch Mark und Bein gefahren. Der kleine Hund jedoch tobte an ihr vorbei, schnappte sich die Schüssel und brachte sie schwanzwedelnd seinem Herrchen zurück.
Der Engel lachte und der tiefe Ton war wie ein Kitzeln in Rosés Bauch. Er kniete sich hin. „Ein braves Kerlchen, nicht wahr?" Sacht klopfte er dem Hund den Kopf und nahm die Schüssel. Als er sich aufrichtete, zeigte er auf das Bündel in Rosés zitternden Händen. „Dein Arbeitsoverall. Morgen früh um vier beginnt die erste Schicht. Ich bin gespannt, ob dein Gehorsam mit seinem Mithalten kann."
Er drehte sich um und ließ sie mit nichts als einem schadenfrohen Grinsen und dem Nachhall seiner Worte im Bunker zurück. Rosé sah mit feuchten Augen, wie der Hund ihm auf dem Fuß folgte.
Sie starrte auf die Eisentür und ihr Magen knurrte lauter, als es der kleine Labrador jemals vermocht hätte.
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