Rosé und das Feuer

Rosé sah rot und in ihr tobte ein Feuer an Gefühlsregungen, während ihr Blick wie festgenagelt an der Gestalt hing, die sich ihr näherte. Da war alles auf einmal: Angst, Verzweiflung, Wut, Neugier und Faszination. Es war vernichtend. Ihre Hände, die sich ums Lenkrad krampften, waren eiskalt, doch der Rest vor ihr brannte lichterloh. So sehr sie es sich auch wünschte, schaffte sie es nicht, den Blick von diesem Mann zu lösen. Er bewegte sich mit einer Bestimmtheit durch die Menge, die an Herrschsucht grenzte und von blanker Arroganz flankiert wurde. Es war furchteinflößend und es machte sie wütend.

Ein Engel, ein Engel, ein Engel.

Der Gedanke zog Kreise in ihrem Kopf und heizte die Flammen zusätzlich an.

Jackpot. Rosé. Jackpot.

Schwerfällig lösten sich ihre Hände vom Lenkrad und sie gab sich selbst wie in Zeitlupe Beifall. Beschissener konnte es nicht mehr werden.

Ihr Blick blieb auf den Engel fixiert. In wenigen Augenblicken würde ihr ein Exemplar dieser himmlischen Rasse gegenübertreten. Sie schüttelte den Kopf in Unglauben und ihre rotblonden Strähnen durchkreuzten dabei ihr Blickfeld.

'Engel sind Begleiter in schwierigen Zeiten', hallte die Stimme ihrer Oma in ihrem Kopf. Nein Oma, die Engel bringen die schwierigen Zeiten. Ein Glück, dass ihre Großmutter die Invasion nicht mehr erlebt hatte. Sie wäre komplett vom Glauben abgefallen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Und schwierig war zu tief gestapelt: abgründig, vernichtend, tödlich. Das traf es eher.

Er war jetzt so nah, dass die Militärabzeichen auf seiner Schiebermütze im Licht der Scheinwerfer funkelten wie Diamanten. Ob jedes von ihnen für einen Planeten stand, den er platt gemacht hatte? Ausgelöscht bis nur noch Asche übrig war? Rosé war gerade nicht in der Verfassung sie zu zählen, doch fragte sie sich, wie viele Leben er schon auf dem Gewissen hatte. Ausgepustet wie die Kerzen auf einem Kuchen.

Würde ihr das Gleiche widerfahren?

Ihre Fingernägel fuhren wie ausgefahrene Krallen über das Leder ihres Lenkrads. Wie gern hätte sie jetzt mit ihnen die Abzeichen von seiner Mütze gerissen.

Doch nun hatte er sich direkt vor ihrem Kia aufgebaut und Rosé wurde klar, dass sie selbst auf Zehenspitzen niemals an seine Mütze käme.

Waren alle Engel so groß?

Er gab den Aliens ein Zeichen und Rosé riss in blankem Entsetzen die Augen auf. Jetzt wäre sie wirklich gern in den Kofferraum gekrochen, aber erstens hätte ihr das auch nichts genutzt und zweitens war sie wie an ihren Sitz gefesselt.

Die Koboldhaiköpfe hielten verrostete Brechstangen in ihren Klauen. Rosé hätte erwartet, dass sie sie manierlich an den Türen ansetzten, um diese aufzuhebeln, doch die Mühe sparten sie sich; sie droschen auf ihren Kia ein wie auf eine Pinata.

Nur das dort für gewöhnlich Süßigkeiten rauspurzeln, hier gibt es gleich Kartoffeln und Fleisch.

Das Krachen und Splittern brüllte in ihren Ohren, als die Brechstangen die Karosseriebleche und die Frontscheibe zum Bersten brachten. Ein Vorgeschmack, was gleich mit meinen Knochen passieren wird, dämmete es Rosé. Sie war zur Salzsäule erstarrt.

Die Windschutzscheibe glich bereits einem rießigen Spinnennetz; tiefe Risse erstreckten sich von der Mitte aus in alle Himmelsrichtungen und verästelten sich endlos untereinander. Einem weiteren Hieb würde sie nicht standhalten.

Und meine Nerven auch nicht. Mit dieser Gewissheit zog Rosé an dem Knubbel der Verriegelung und dann am Türgriff. Sie stieg aus, dabei duckte sie sich und zog den Kopf zwischen ihre Schultern um sich vor den Eisenstangen zu schützen, die noch immer auf ihr Auto eindroschen.

Der Schiebermützenriese hob die rechte Hand und diese Geste genügte, die wilde Meute zur Ruhe zu bringen. Es schepperte, als die Eisenstangen zu Boden fielen. Alle Augen waren auf den Engel gerichtet. Auch Rosés. 

Er war der Gebieter.

Rosé kam sich schrecklich dumm vor, wie sie nun von diesen scheußlichen Kreaturen umringt dem Engel direkt gegenüber stand. Doch die Vorstellung, dass die Scheibe vor ihrer Nase in ihre Einzelteile zersprang und die Aliens sie an ihren Haaren aus dem spitzkantigen Loch zerrten, war ihr unerträglich geworden.

Sie hatte keine Wahl gehabt. Und so stand sie hier und wartete einfach ab.

Die Aliens drängten sich aufgeregt um sie. Ihre schleimigen Fingerspitzen waren nur Zentimeter von ihrer nackten Haut entfernt und  zeigten auf ihr Gesicht, ihre Haare und den kurzen Rock. Ihr hohes Kreischen, Rufen und Johlen stach ihr in den Ohren. 

So großes Kino haben die in diesen Baracken nicht oft. Fehlt noch, dass die anfangen Popcorn zu mampfen. Rosé war echt pappsatt.

Ihr war diese schleimige Meute zutiefst zuwider und nach Essen war ihr überhaupt nicht zu Mute. Im Gegenteil: Die Aliens rückten ihr mit ihrer pilzähnlichen Haut derartig auf die Pelle, dass ihr die Magensäure in der Speiseröhre nach oben stieg.

Wenn dieser Engel nicht bald was unternahm, würde sie ihm vor die Füße kotzen.

Ihr entging nicht, wie der Engel sie musterte, doch um ehrlich zu sein, ging es ihr genauso:

Sogar in dem schummrigen Rotlicht des Hangars ging von ihm ein sanfter Goldschimmer aus, fast so, als würde er von innen heraus strahlen. Seine Statur war groß und kräftig und dennoch besaß er eine Anmut, die für Männer außergewöhnlich war. Seine Züge waren kantig und scharf geschnitten, seine schmalen Augen unnatürlich kalt und eisern, doch im Kontrast dazu waren seine Lippen voll, weich und irgendwie ... warm.

Gott, was denke ich da?

Rosé wurde schwindelig.

Ihre Welt begann sich zu drehen und bevor sie sich helfen konnte, wurde ihr schwarz vor Augen.


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