Namjoon und das Huhn 2
Pink. Im Augenwinkel sah Namjoon das Aufblitzen von Pink.
Ständig. Als wäre es gestern passiert.
Wie ein Notsignal hatte Rosés Haar an jenem Schicksalstag geleuchtet; stumm, hilflos und doch ein Zeichen inmitten der Staub- und Aschewolken der brennenden Stadt. Ein Rettungsfeuer im lodernden Hexenkessel. Purer Zufall, dass BTS ausgerechnet in Nähe der Olympic Hall unterwegs waren, als der Angriff geschah. Sofort hatte Namjoon Jin gerüttelt, bis dieser auf die Bremse trat. Zusammen sprangen sie aus dem Auto, während die anderen sich noch fragten, was passiert war. Rosé hockte im Staub; Hallenteile stürzten herab und die Luft zitterte unter dem Dröhnen der Raumschiffe und ihrer gewaltigen Rotatoren.
Es waren so viele, dass sie den Himmel verdunkelten.
Alles war dunkel gewesen. Bis auf das Pink.
Jetzt donnerte seine Faust auf den Tisch, dass das Holz ächzte. Schluss damit! Zeit, die Finger nicht länger in den Hosentaschen zu vergraben!
„Ich selbstgefälliger, feiger Idiot!" Sein Knöchel zwiebelte und eine scharfe Hitze schoss ihm die Adern hinauf bis in den Nacken. Dennoch hob Namjoon den Blick, gewillt, sich dem Urteil der Anderen zu stellen.
Doch die Verachtung, die er fest erwartet hatte, entdeckte er in keinem der Gesichter, die um ihn versammelt waren. Im Gegenteil – eher eine rührige Mischung aus Neugier, Mitgefühl und Unterstützung.
Ja, seine Freunde schienen regelrecht erleichtert über den Ausbruch.
Namjoon sah die Tränen in ihren Augenwinkeln und musste plötzlich selbst gegen die ein oder andere anblinzeln.
Doch bevor jemand etwas sagen konnte, hob er die Hand.
Schon damals, in dem Moment als die Autotür zuglitt, hielt ihn das schlechte Gewissen am Kragen gepackt. War es richtig gewesen, Rosé mitzunehmen und die anderen Mädchen ihrem Schicksal zu überlassen?
Die ganze Gegend war unter Beschuss gewesen. Menschen liefen schreiend und kreischend durch die Straßen. Das größte der Raumschiffe schwebte so dicht über der Arena, als wöllte es auf ihr landen, und das Donnern von Waffen und Zischen von Lasern erzeugte eine Kulisse wie aus einem Horror-Sci-Fi-Streifen.
In diesen Augenblicken hatte er die Nerven verloren. Und doch hatte er es sich bis heute nicht verziehen, dass sie Rosé ins Auto gezerrt hatten und auf und davon gedüst waren, ohne -wengistens kurz - nach den anderen zu suchen.
Jetzt rang er darum, die richtigen Worte zu finden und betrachtete die Jungs - einen nach dem anderen – als sähe er sie seit langem zum ersten Mal: Suga, dessen Wangen täglich blasser wurden; Jin und Jimin, die wandelnden Gerippen immer ähnlicher sahen; Hoseok, mittlerweile so still und verschlossen wie eine Auster und Jungkook und Taehyung überdreht wie kaputte Kreisel.
Alle litten.
BOAK! Sunny flatterte auf den Tisch, plusterte das zerrupfte Gefieder unter den Stummelflügelchen und zeterte, als wolle sie sich über etwas beschweren. GOACK! GUACK! Na Klasse! Die fehlte jetzt noch! Der Fausthieb hatte sie erschreckt. Namjoon beäugte das Tier mit gehobenen Brauen. Gemessen an dessen Reaktionsgeschwindigkeit hatte selbst das Huhn einen Treffer weg. Und zwar einen gewaltigen.
Und trotzdem ... es musterte ihn aus seinen schmalen, gelben Augen, als hätte es etwas mitzuteilen. Und dann dieses nervtötende GACK! GACK! GACK!
Was immer das Huhn ihm sagen wollte; Namjoon hatte genug. Mit einer harschen Bewegung verscheuchte er Sunny, die mit einem empörten BOAAAK in Tae's Richtung flatterte. Zu ihrem Pech landete sie in Sugas Schoß.
„Na warte!" Sofort sprang dieser auf. Doch bevor er das ebenso erschrockene Tier zu fassen bekam, hastete es mit empörtem Gegacker unter Tae's Stuhl.
„Wag' es nicht!" Auch Tae sprang auf.
Namjoon verfolgte wie Sunny sich duckte, und Tae und Suga beinah in Streit gerieten. Im Grunde waren sie alle nicht besser als dieses kopflose Huhn. Getrieben von Angst und Unsicherheit, waren sie geflohen. Hier, weit ab von den brennenden Ruinen Seouls hatten sie gehofft, Tod und Sklaverei zu entgehen. Hatten versucht, ein Leben zu führen, über das sie selbst die Kontrolle hatten.
Mit Erfolg? Fehlanzeige.
Wenigstens waren sie noch zusammen. Ein Team. Und selbst das bröckelte.
Erst recht seit Rosé spurlos verschwunden und Lisa schwer verletzt war. Doch anstatt ihren Freundinnen von BlackPink endlich beizustehen, versteckten und zankten sie sich wie bekloppte Hühner.
Namjoon klatschte beide Hände flach auf den Tisch.
Sofort herrschte Ruhe. Selbst Sunny hielt den Schnabel.
Alle Augen richteten sich auf ihn und alles Gegacker dieser Welt war vergessen.
„Jungs, wir retten BlackPink!"
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