Kapitel 3 - Triple Alpha



Als Debbie und Jess in dieser Nacht nach Hause gingen, schwebten beide auf etwas, das wohl mit Wolke sieben vergleichbar war, wenngleich auch Jess meinte, dass sie sich dieses Gefühl nur einbildete, musste sie sich eingestehen, dass sie Clyve eindeutig falsch eingeschätzt hatte. Eigentlich war er ja ganz nett, wenn man seine etwas rückständige Einstellung gegenüber des Lernverhaltens an der Uni außer Acht ließ.

Auch Debbie hatte sich offenbar einen Narren an dem Pferd gefressen, mit welchem sie hinter dem Mischpult gestanden hatte. Joe Junior Graham alias "JJ" hieß er angeblich und studierte Tiermedizin. Er war noch relativ neu hier und so liebenswert, dass er mit Debbie gleich seine Telefonnummer und seine Emailadresse ausgetauscht hatte. Debbie schwärmte auf dem gesamten Heimweg von dem feuerroten Hengst, dessen freundliche, aufgeweckte Art Debbie sofort verzaubert hatte.

Jess rollte mit den Augen, als Debbie von „Liebe auf den ersten Blick" erzählte, denn daran glaubte sie nicht. Aber sie freute sich für ihre Schwester, dass sich der Abend für sie gelohnt hatte.

„Wir wollen uns bald wieder treffen", beendete Debbie ihr Selbstgespräch neben ihrer Schwester, als sie zu Hause ankamen. „Und wie ist es bei dir und Clyve gelaufen?"

„Ganz gut, denke ich", antwortete Jess matt, ohne zu optimistisch zu klingen. Sie wollte jetzt noch keine falschen Prognosen machen. Am Ende verlief sich ihre Bekanntschaft noch im Sand und ihre Schwester hatte dann schon überall von ihrer nicht existenten „Beinahe-Beziehung" herum geplappert.

„Ganz gut?", lachte Debbie. „Der Typ scheint es ganz schön auf dich abgesehen zu haben. Hast du nicht gesehen, wie er dich die ganze Zeit von der Bar aus angestarrt hat, als wir beide zusammen getanzt haben?"

„Nein?"

„Na dann lass dir das von jemandem sagen, der noch ein Leben außerhalb der Uni und keine Tomaten auf den Augen hat."

Debbie zog Jess die mittlerweile etwas welk gewordenen, gelben Blumen aus der Mähne. Nachdenklich und hundemüde ließen sich die Schwestern danach auf das Bett in Jess altem Kinderzimmer fallen.

„Meinst du, das könnte was werden?", fragte Debbie dann vorsichtig. „Zwischen Mir und JJ, meine ich."

„Finde es heraus", gähnte Jess und lächelte ihre Schwester dann müde an. „Wenn er der Richtige ist, ergibt sich das von ganz allein."

„Ich würde mich so für dich freuen, wenn du mit Clyve zusammen kommst", gähnte Debbie bereits im Halbschlaf. „Ihr würdet echt gut zusammenpassen."

„Wer weiß, wer weiß", flüsterte Jess, löschte das Licht und schlief zusammen mit ihrer Schwester auf dem vertrauten Laken mit den Charakteren von „Die Schöne und das Biest" tief und fest bis zum nächsten Morgen.

Wenige Tage später fand sich Jess erneut in der Lesung von Professor Donovan direkt neben Clyve sitzend und über die Sinnhaftigkeit von Rolltreppen vor Fitnessstudios sinnierend. Professor Donovan war darüber äußerst ungehalten, weshalb er beide zu einer Abfrage aufrief, deren Fragen allerdings beide sofort eine Antwort liefern konnten. Etwas verdutzt fuhr der Professor daraufhin mit seiner Lesung fort, verteilte seine Hausarbeiten und verschwand dann mit leicht zerknirschtem Gesichtsausdruck.

„Vernetzungsschemata von Hirnzellen", las Clyve daraufhin beim Mittagessen in der Mensa vor. „Sag mal, du hättest nicht zufällig Lust, das in Partnerarbeit zu machen?"

„Du bist nur zu faul, das Thema alleine ausarbeiten!", lachte Jess frech, die bereits neben ihrem Mittagessen die Nase in einem Buch stecken hatte und sich erste Notizen für die Ausarbeitung machte.

„Vielleicht ein bisschen! Aber ich denke, es könnte womöglich sogar Spaß machen."

Jess hob den Kopf von ihrem Buch. „Spaß? Das ist Neurologie, Clyve."

„Oh ja", lachte Clyve. „Gegen gezielte Anspielungen bist du ja immun, ich vergaß."

„Sagt wer?", schnaubte Jess mit gespielter Empörung.

„Sagt der, der gerade eine gewisse Stute unauffällig zu einem Date einladen wollte und diese gerade im Inbegriff ist, ihm einen Korb zu geben, weil sie die Pointe nicht verstanden hat."

Clyve untermalte seine Aussage mit einem schelmischen Augenzwinkern, das Jess Herzklopfen verpasste.

„Ein Date?", fragte sie ungläubig. Clyve blinzelte ein paarmal verständnislos in ihre Richtung, bevor er tief Luft holte.

„Na ja. Du weißt schon. Zwei Pferde, die sich gerne haben, treffen sich, haben Spaß zusammen und unternehmen etwas Schönes..."

„Warte, warte! Ich weiß, was ein Date ist", rettete sich Jess schnell. „Ich verstehe nur nicht, warum du gerade mich danach fragst."

„Na ja, weil ich dich mag", lächelte Clyve. „Und weil ich mir dachte, dass du mich vielleicht auch ein bisschen magst..."

Jess schnappte nach Luft. Das war ein Traum, oder? Ohne zu verstehen, warum sie das tat, nickte Sie und hörte sich sagen: „Sehr gerne gehe ich mit dir aus!"

Daraufhin grinste Clyve sie überglücklich an und schickte ein leises „Yes!", gegen die Decke, bevor er sich zum Gehen wandte.

„Wir treffen uns dann heute Abend um Acht auf dem Parkplatz vor der Bibliothek! Wir sehen uns!"

Damit rauschte er, grinsend wie ein Honigkuchenpferd, von Dannen, ließ die Tür der Mensa hinter sich ins Schloss fallen und machte draußen zwei übermütige Bocksprünge, bevor er hinter dem Hauptgebäude verschwand.

Zwei sehr hübsch hergerichtete Stuten, die in einiger Entfernung gegessen und Jess die ganze Zeit kritisch beäugt hatten, kamen nun näher und stellten ihre Tabletts an Jess Tisch. Sie starrten sie eine Weile nur an, bis Jess sich endlich räusperte.

„Ist irgendwas?"

„Wie hast du das geschafft?", fragte die eine Stute, ein kleiner, rundlicher Fuchs mit wallenden blondem Haar und weißlich grauen Stellen um Augen und Maul.

„Was geschafft?", schmatzte Jess verwundert, bevor sie den letzten Bissen von ihrem Gemüse-Wrap herunterschluckte.

„Clyve Damian Higgins hat dich zu einem Date gebeten!", schnaubte die andere, eine zierliche, braun gescheckte Ponystute, verträumt.

„Ja?", antwortete Jess verblüfft. „Und was ist daran so besonders?"

Die beiden Stuten sogen scharf Luft ein und straften Jess mit einem äußerst tadelnden Blick.

„Wir versuchen schon seit dem ersten Semester an ihn ran zu kommen", wieherte die blonde verbittert „aber offenbar machen wir irgendetwas falsch. Was ist dein Geheimnis?"

„Mein Geheimnis?", fragte Jess, äußerst verwirrt. „Also, ich... ich... ich kenne ihn erst seit drei Tagen. Ich weiß auch nicht, wie es so weit gekommen ist."

Die Blondine und die gescheckte wechselten ungläubige Blicke. Sie schienen zu spüren, dass Jess die Wahrheit sagte, doch irgendwie wollten sie es wohl nicht wahrhaben.

„Ich glaube nicht an Liebe auf den ersten Blick, falls ihr nun daran denkt", murmelte Jess sicherheitshalber. „Aber ich finde ihn nett. Darum möchte ich ihm eine Chance geben."

Du willst ihm eine Chance geben?", wieherte die Blondine empört.

„Du solltest froh sein, dass er dir eine Chance gibt, Süße!", schnaubte die Gescheckte. „Clyve ist, was wir Mädels hier ‚Eine Rarität' nennen. Ich bin übrigens Kimberly und das ist Shirley."

Shirley und Kimberly lächelten Jess zu und zeigten ihr die Badges ihrer Studentenverbindung, den Triple Alphas.

„Wenn du bei uns eintreten willst oder Hilfe brauchst, um diesen harten Hund rumzukriegen, dann weißt du, an wen du dich wenden musst!", gelobte Shirley stolz. „Wenn eines unserer Mädels einen süßen Typ haben will, dann halten wir Schwestern garantiert zusammen, damit sie ihn auch bekommt. Und jede von uns hat geschworen, niemals einer Schwester einen Kerl auszuspannen oder sie wird in Unterwäsche an den Baum vor dem Haupteingang gefesselt."

„Vielen Dank für das Angebot. Ich werde darüber nachdenken", murmelte Jess etwas verstört und nahm dann eine Visitenkarte entgegen, die Kimberly ihr hinstreckte. Die beiden Stuten kicherten sich überglücklich an, machten dann einen ihrer wahrscheinlich persönlichen Hufschläge und staksten dann mit erhobenen Köpfen davon.

Darüber nachdenken... Gewiss nicht! Dachte Jess und war gerade im Inbegriff, die Karte zu zerreißen, da kam ihr in den Sinn, dass sie sich dieses Fenster womöglich doch offen lassen sollte. Wer wusste, ob sie nicht doch irgendwann einmal ernstere Absichten hegte. Ob nun für Clyve oder irgendeinen anderen Hengst, spielte dabei ja keine Rolle. 

Und vielleicht, ganz vielleicht, hoffte sie, dass diese verrückten Mädels ihr tatsächlich weiterhelfen würden, wenn sie selbst nicht mehr weiter wusste. 

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