KAPITEL 20
Dass Wesley sich als begeisterter Wandersmann entpuppen würde, hatte Willow nicht einmal in ihren kühnsten Träumen geglaubt.
Der Mann, der vorzugsweise immer einen Anzug trug und nun in hässlichen olivgrünen Wanderschuhen und kurzen Sportshorts vor ihr den Berg hinauflief und nebenbei mit Heaver seine Faxen trieb, war ein ganz anderer, als der, für den sie ihn gehalten hatte.
Wesley war nicht in eine Schublade zu stecken.
Auf der einen Seite stand er morgens früh auf und telefonierte beinahe ständig mit seiner Sekretärin und Charles, um dem einen Rat zu Klienten zu geben oder E-Mails zu besprechen, auf der anderen Seite ging er joggen und brachte ihr dann das Frühstück ans Bett, während er sich um Heaver kümmerte.
Und er war noch immer launisch und stellte sich mit dem ein oder anderen Fitzelchen unheimlich an. Trotzdem war er sich längst nicht mehr für sein Lächeln zu schade, gestand sich seine neu entdeckte Liebe zum Kochen frei ein und obwohl er noch immer gerne sein Geld ausgab, sich schicke Sachen kaufte und fein essen ging hatte er auch nichts gegen einen einfachen Kaffee von McDonalds.
Wesley war ein Mann, der sich erst in freier Wildnis richtig kennenzulernen schien und mit jedem neuen Tag, den er und Heaver miteinander herumalberten und zu den besten Freunden heranwuchsen, verlor Willow ein Stückchen ihres Herzens.
Es war, als würde der Baum ihres Lebens seine Blätter verlieren und vom Winde in Wesleys Arme getrieben werden, der sie auffing und hütete, obwohl sie kunterbunt, zerknittert oder kaputt waren.
Er war ein wundervoller Mensch. Verständnisvoll und witzig, dazu unheimlich emphatisch und nachsichtig.
Er wusste ganz genau, dass es Stunden gab, in denen sie schweigsamer wurde und ihre Ruhe brauchte, dass sie in Minuten, in denen glückliche Familien an ihnen vorbeiliefen, wehmütiger wurde und niemals auch nur ein Wort über ihre Vergangenheit verlor.
Er wusste das alles. Aber er drängte sie in keine Richtung, die sie zu Antworten zwang.
Denn er mochte sie und er brauchte nicht alles von ihr zu wissen, weil sie ihm auch in ihrer Unvollkommenheit reichte. Sie war einfach nur genug in seiner Nähe und Wesley hatte keine Ahnung, wie froh Willow darüber war.
Denn an Tagen, an denen sie nicht selbst sah, wie schön sie war, brauchte sie nur in seine Augen sehen und wusste, sie war es doch.
Wesley ließ sie sich selbst lieben und überschüttete sie mit allem, was sie verdiente. Und sie wusste, wer sie war, wenn sie bei ihm war.
»Was wird das? Machst du schon schlapp, Telieve?«, dröhnte eine Stimme etwa Hundertmeter weiter voraus. Willow hatte gar nicht bemerkt, dass sie stehen geblieben war, als sie Wesley beinahe an der Spitze des Berges sah, Heaver links neben ihm, hellauf begeistert von den Bergziegen, die ebenfalls in der Nähe grasten.
»Was? Niemals, Dillons!«
Demonstrativ nahm Willow ihre Beine in die Hand und joggte den Wanderweg in seine Richtung hinauf.
Wesley schmunzelte belustigt, als sie sterbend vor Hitze und mit keuchendem Atem bei ihm ankam, zu stolz um zuzugeben, dass sie kaputt war.
»Mein Schäfchen ist also nicht die leidenschaftlichste Bergsteigerin. Ist notiert!«, witzelte Wesley und machte einen imaginären Haken auf seine Liste.
Willow rollte außer Atem mit den Augen, während sie innerlich errötete, weil er sie sein Schäfchen genannt hatte.
War sie das denn?
War sie sein Schäfchen?
Die letzten Tage waren wie im Flug an ihr vorbeigerast.
Heute war schon Freitag und sie würden die Nacht über nach Hause fahren.
Ihre Zeit hier hatten sie beinahe ausschließlich gemeinsam verbracht.
Waren zusammen essen gegangen, nachts spazieren gewesen, hatten mit Heaver gespielt, waren wandern gewesen, hatten das Städtische Kunstmuseum besichtigt, waren im Kino gewesen oder hatten Filme in der Ferienwohnung geguckt.
Sie teilten sich ein Doppelbett im Obergeschoss und obwohl sie beide zu Anfang noch auf ihren eigenen Matratzenhälften eingeschlafen waren, hatten sie doch recht schnell festgestellt, dass sie sich nachts stets aufeinander zu bewegten und morgens immer zusammen auf einer Betthälfte unter einer Decke aufwachten.
Die Morgenstunden gemeinsam waren Willow tatsächlich am liebsten.
Sie hatte sich in dieser Woche ziemlich schnell daran gewöhnt, mit jemandem zusammen einzuschlafen und morgens mit dieser Person zu kuscheln oder vor einem kleinen Kuss geweckt zu werden.
Sie tauschten immer häufiger Zärtlichkeiten aus, warme Gesten, heiße Küsse, aber sie gaben dem ganzen noch immer keinen Namen und Willow war das recht.
Sie brauchte noch nichts betiteln. Das alles war noch ziemlich frisch, obwohl es sich so ewig anfühlte.
Sie wollte Wesley auch zu nichts drängen. Er brauchte seine Zeit, ebenso wie sie und genau diese würden sie sich nehmen.
Die nächste Woche, in der sie getrennt sein würde, würde sie sowieso auf eine harte Probe stellen.
Mal sehen was sich daraus entwickeln würde.
»Ich kann nicht mehr! Meine Füße sind tot ...«, brummelte Willow und schmollte.
Wesley schmunzelte und gab sein gespieltes Mitleid.
»Oh, nein, Baby.«
Er umarmte sie und streichelte über ihre Haare.
Willow löste sich von ihm.
»Blödmann! Wegen dir schwitze ich noch mehr! Es sind vierzig Grad hier oben, halt Abstand!«, lachte sie und quietschte gespielt empört auf, als er sie wieder in seine Arme zog und noch näher an seinen schwitzenden Körper drückte.
Irgendwann gab sie die Wehr auf und änderte die Taktik.
»Wer als erster das Kreuz auf dem Berg berührt, muss den Weg zurück nicht laufen, sondern wird vom anderen runtergetragen.«
Wesley hob eine Augenbraue.
Meinte sie das ernst?
Als ob diese kleine Gestalt einen Riesen wie ihn den Berg hinabtragen konnte.
Er zweifelte nicht an Willows Kraft und ihrem Willen, aber sie war erschöpft von ihrem Ausflug, es war stickig heiß und der Weg nunmal nicht der kürzeste.
Trotzdem nickte er. Für einen kleinen Wettkampf war er doch immer zu haben.
»Fein. Auf die Plätze, fertig, los!«, rief er und rannte los, als Willow es in derselben Sekunde auch tat.
Flink raste sie an ihm vorbei, deutlich motivierter und ihr Ziel, zu gewinnen, fest im Blick. Wesley grinste hinter ihr her und ließ sie freiwillig als erste ankommen, weil er nichts dagegen hatte, diesen kleinen Quälgeist nach Hause zu tragen.
Sein eigenes Gewicht wollte er ihr auch nicht auf den Rücken lasten, davon abgesehen, dass das nicht gesund für ihre Muskulatur sein konnte.
Triumphierend schlug Willow ihre Hand auf das Kreuz und warf sich dann ausgeknockt auf das Gras, während sie ihre Wasserflasche aus dem Rucksack fischte und gierig daraus trank.
Wesley kam gemächlich in ihre Richtung gejoggt. Er war stolz darauf, wie gut seine Ausdauer ihn nach hier oben gebracht hatte. Er fühlte frische Energie durch seine Adern fließen und war gar nicht außer Atem.
»Herzlichen Glückwunsch, Madame. Ich bin heute ihr Chauffeur nach unten«, witzelte er, während er sich neben sie ins Gras setzte und dankend die Flasche annahm, die Willow ihm reichte.
Sie wandte sich ab und lächelte, als sie die Aussicht um sich wahrnahm.
Die lange Gebirgskette der Blue Ridge Mountains und die vielen Täler dazwischen. Es war wunderschön.
Aber sie ist schöner, dachte Wesley, als er Willow musterte.
Ihr hellbraunes Haar war zerzaust und beinahe schwarz von ihrem Schweiß, ihr Gesicht war tief rot und salzige Perlen flossen ihr über die Stirn und den Hals, ehe sie sich in ihrem nassen Top festsogen.
Sie sah fertig mit der Welt aus. Müde.
Aber obwohl sie nicht mehr laufen konnte und erschöpft war, glitzerten ihre Augen vor Neugierde und Bewunderung für die schöne Natur, die zirpend und summend oder vollkommen ruhig vor ihr lag.
Sie war ein von innen heraus leuchtend schöner Mensch und wie sie so dasaß, leise keuchend, gierig nach Wasser und im Gesicht so rot wie eine Tomate, dass es ihr beinahe peinlich war, kam Wesley eine Erkenntnis, die ihn nie wieder verlassen sollte.
Er hatte sie schon vorher geahnt, er hatte sie in ihren Ansätzen inspiziert.
Aber wie er so dasaß, neben Willow und sie musterte, während sie trotz ihres hetzenden Herzens lächelte und den Sonnenschein genoss, da wusste er, dass er sich verliebt hatte.
Vom Kopf bis zum Fuß in das verrückte Mädchen mit der Ziege.
In seine Willow.
xxxx
Wesley machte kein Theater, um den Verlust des Rennens.
Bei bester Laune hob er Willow nach einer guten halben Stunde, die sie in Ruhe an der Spitze des Berges gesessen hatten, auf seinen Rücken, überreichte Heaver den Tragegurt des Rucksacks und ließ die Ziege stolz vorne weg laufen.
Er genoss diesen Ausflug ungemein. Hier draußen, weg von der Stadt, war er ein freier Mensch und von genau dem umgeben, von dem er umgeben sein wollte.
Sein Handy hatte keinen Empfang, niemand konnte ihn anrufen und nerven. Seine Mutter war nicht hier und drängte ihm ihre Fürsorglichkeit auf, Charles konnte sich nicht über seine Kitschigkeit aufregen und generell war der Tag viel zu schön, um gefrustet oder traurig zu sein.
Gegen die Sonne lächelnd, trug er sich selbst und das kleine Bündel einer schläfrigen und hungrigen Willow den Berg hinab und war dankbar für die Woche, die sie erlebt hatten.
Er konnte sich nicht erinnern, seinen Urlaub jemals so sehr genossen zu haben.
Und überhaupt, die vielen Erinnerungen, die er hier und mit Willow gemacht hatten, würden ihm ewig das Herz aufwärmen. Auch, wenn sie bald für einige Zeit getrennt sein würden.
Das hier war nicht das Ende. Wesley wusste das.
Er würde Willow nicht hergeben. Er konnte es nicht.
Sie war ihm zu sehr ins Herz gewachsen, ebenso wie Heaver, von der er gar nicht mehr glauben konnte, dass er einst Angst vor ihr gehabt hatte. Sie war so ein lustiges Tier, so kuschelbedürftig, wenn sie erst einmal Vertrauen geknüpft hatte.
Man musste sie einfach gern haben. Vor allem, weil sie so schlau war. Es war beinahe möglich, ein Gespräch mit ihr zu führen, denn Heaver wusste, was man ihr sagte. Sie verstand Willow blind und Wesley konnte gar nicht mehr verstehen, weshalb sich alle Welt einen Hund anschaffen wollte, wenn es so hochentwickelte Tiere wie Ziegen gab.
»Hey, Heaver!«
Sie drehte sich zu ihm um.
»Was hängt im Urwald an den Bäumen?«
Heaver legte den Kopf schief und schüttelte den Kopf.
Wesley grinste sie an.
»Urlaub«, witzelte er dann und sah lachend dabei zu, wie Heaver kichernd zu meckern begann.
Willow hatte ihm Heavers Liebe zu Flachwitzen erst vor ein paar Wochen gestanden, als sie den "Wachsmalstift-Witz" zum besten gegeben und Heaver sich auf den Rücken geworfen hatte, vor lachen.
Wesley wusste nicht, ob sie tatsächlich Humor verstand, die Witze waren auch nicht die lustigsten. Aber Heavers Reaktionen darauf umso mehr und seitdem googelte er sogar danach.
»Ich hab noch einen.«
Heaver spitzte die Ohren.
»Welche Tiere hören am schlechtesten? Die Tauben!«
Heaver begann wieder zu meckern und rollte sich einmal über den Schotter.
Wesleys Brust bebte vor lachen, er konnte es einfach nicht bei sich behalten.
Diese Ziege war perfekt.
»Gleich bricht sie sich wegen dir noch die Knochen«, ertönte es plötzlich nahe seines Ohres und er drehte den Kopf leicht zurück, um Willow aus dem Augenwinkel ansehen zu können.
»Sie ist eine Bergziege, die verletzen sich nicht an Abhängen«, beharrte er.
Willow hob eine Augenbraue.
»Sicher? Auch wenn ich folgendes sage?«
Wesley wusste, was jetzt kam.
Heaver kannte bereits eine Menge Witze, aber natürlich war der, den Willow ebenfalls am lustigsten fand, der, den auch sie am liebsten hörte.
»Hey, Heaver! Was sagt man in Hollywood, wenn der nächste Tag frei ist? Morgan Freeman!«
Sie kicherte. Und mit ihr warf sich Heaver ins Gras und strampelte mit den Hufen in der Luft herum.
Wesley schüttelte den Kopf.
Wo war er hier nur hineingeraten?
Und wieso schmerzte sein Herz just in diesem Moment so sehr?
Vielleicht, weil er Sehnsucht hatte.
Vielleicht, weil er sterbenselend vermissen würde, was er hier erhalten hatte.
Vielleicht, weil er hier am glücklichsten war.
»Was ist los? Wieso hältst du an?«, fragte Willow und schmiegte ihre Wange von hinten an seine.
Wesley musterte ihr mittlerweile wieder normal farbiges Gesicht und schaute ihr verloren in die Augen.
Diese Augen.
Diese Nase.
Diese Haare.
Diese Sommersprossen.
Wann würde er sie ab nächster Woche wieder so ansehen können?
Die folgende Woche war vollgefüllt mit Terminen und Planungen für Meetings und Konferenzen und Anhörungen. Er würde kaum eine Minute Zeit haben.
»Ich musste gerade über etwas nachdenken ...«, gestand er und wusste, dass Willow wusste, worüber er nachdachte.
Ein Schimmer desselben Schmerzes überzog ihr Gesicht, doch sie schluckte ihn hinunter und schwang stattdessen die Hand lassohaft in die Luft.
»Nicht verzagen, das Trauern auf übermorgen vertagen!«, reimte sie dann und sah ihn auffordernd an.
»Und jetzt hü-hott Pferdchen, ich will unbedingt noch einen Eisbecher, bevor wir nach Hause fahren!«
Sie wollte ihren Kopf zurückziehen, doch Wesley hielt ihr Kinn fest und zog es zurück zu sich.
»Bring mich dazu!«, hauchte er leise und seufzte genüßlich, als Willow seiner Aufforderung nachkam und sanft ihre Lippen auf seine legte.
Zum beinahe letzten Mal schmeckte er ihre Lippen.
Fühlte ihre Haut an seinen Fingern und erfasste die Wärme ihres Körpers.
Und das alles floss wie das Blut durch seinen Körper und brachte seinen Kreislauf wieder dazu, weiterzugehen.
»Natürlich kriegen, eure Hoheiten, ihr Eis noch!«
Diesen Wunsch konnte er ihr nicht ausschlagen.
So wie jeden anderen ebensowenig.
xxxx
Der Rest der Woche verging viel zu schnell.
Auf einen gemütlichen Samstag im Garten, in der Küche und vor dem Fernseher folgte ein noch gemütlicherer Sonntag, an dem sie spät aufstanden, lange kuschelten und später mit Heaver zu Lila ins Café liefen und gemeinsam mit ihr bei einer Tasse Kaffee in den Tag starteten.
Willow freute sich, dass ihre beste, menschliche Freundin sich so gut mit ihrem besten menschlichen Freund verstand, wenn man Wesley denn so nennen konnte.
Im Grunde genommen war er noch mehr als das, aber sie ließen es mit Betitelungen langsam angehen und Willow hatte seit Freitagabend diese kleine teuflische Stimme auf der Schulter, dass sie sowieso Kontakt verlieren würden, sobald sie erst einmal wieder getrennt voneinander waren.
Sie selbst wusste, dass sie nicht so schnell über diese schönen Tage würde hinwegkommen können.
Wesley war zu prägnant in ihrem Herzen, ihrem Kopf und ihrem Alltag, als ob das möglich wäre.
Aber wer garantierte ihr, dass es ihm ähnlich erging?
Sie wollte sich nicht in Zweifeln baden, aber sie kamen nahezu unaufhaltsam und drängten sich in ihren Schädel.
Er würde dich niemals vergessen.
Würde dich niemals einfach so wegwerfen.
Oder doch?
In Washington waren so viele hübsche Frauen.
Wer glaubte schon, dass er sich für das Landei entschied?
Wer war überhaupt so naiv, auch nur einen Moment darüber abzuwägen?
Da waren hunderte Frauen in der Hauptstadt, die sich für Wesley interessierten.
Er war bildhübsch und durchtrainiert, dazu ziemlich erfolgreich und gebildet und humorvoll.
Er war ein Traumtyp, aber Willow war nicht die einzige Frau, der das aufgefallen war.
Da würden andere, bessere, hübschere, schlauere kommen ...
Und sie würden ihn zum Lächeln bringen.
Mehr, als sie es kilometerweit von ihm entfernt jemals schaffen würde.
»Woran denkst du schon wieder so angestrengt nach, Schäfchen?«
Oh, und dieser Name!
Sie konnte ihm gar nicht antworten, so sehr drohten die Tränen in ihr aufzusteigen, weil sie in diesem Moment die Welt mehr hasste, als jemals zuvor.
Wieso mussten sie beide so weit voneinander entfernt leben?
Wie sollten sie eine Fernbeziehung überstehen? Auf Lebzeit um genau zu sein? Konnte man das überhaupt so nennen? Wirklich zusammen waren sie ja nicht.
Das hielt doch niemand aus und irgendwann würde es ihnen beiden zu bunt werden.
Sie würden einige Zeit telefonieren, würden sich an den Wochenenden zwei, dreimal besuchen und dann irgendwann würde das Leben für sie weiter gehen. Allein.
Mit dieser Einstellung durchlebte Willow den letzten Höllentag, bis sie abends in ihrer Einfahrt stand und Wesley dabei zusah, wie er seinen Koffer ins Auto hievte, die Kofferraumklappe zudrückte und sich dann zu ihr umdrehte.
»Was ziehst du nur für ein Gesicht, Schäfchen?«
Zärtlich trat er auf sie zu und strich ihr mit dem Handrücken über die Wange.
Jetzt konnte Willow nicht mehr an sich halten und urplötzlich kullerten die Tränen.
Wesley verstand sie blind.
Ebenso nieder streckte er die Arme nach ihr aus und zog sie an sich, um sie dann in seiner Wärme zu bergen.
Willow schluchzte leise und klammerte sich an seinen Pullover.
War es albern, dass sie weinte?
Hielt er sie für schwach und dämlich?
Sie wusste es nicht. Und sie wollte es auch nicht wissen.
Sie wollte nur seine Nähe genießen, jetzt und für die Ewigkeit.
»Ich werde dich vermissen«, hauchte sie.
»Und ich dich erst, Kleines. Aber ich werde dich gleich anrufen, sobald ich angekommen bin und an den Wochenenden werden wir einander so oft besuchen, wie es geht. Ich werde dich nicht mehr loslassen, Kuschelschäfchen. Egal ob ich da bin oder nicht, das kannst du vergessen.«
Er sah ihr ernsthaft in die verweinten Augen und ließ Ranken der Hoffnung um Willows Herz aufsteigen.
»Und was ist, wenn wir uns doch aus den Augen verlieren? Wenn wir keine Zeit mehr füreinander finden oder jemand neues kennenlernen?«, fragte sie.
Wesley verspannte sich.
Jemand neues kennenlernen? Daran wollte er nicht einmal im Traum denken. Daran, dass ihm irgendjemand diese eine Frau fürs Leben wegnahm.
Daran, dass sie mit jemand anderem glücklich werden würde, weil sie nicht auf dieses Leben hier setzen wollte.
Für ihn war es nicht einfach, aber er hielt nichts für unmöglich und er würde eine Lösung finden, damit sie beide auf Dauer mehr Zeit miteinander verbringen konnten.
Er würde es tun.
»Ich werde niemand neues kennenlernen«, stellte er klar und war just in dem Moment angeekelt von der Vorstellung jemals eine andere Frau zu küssen, solange es Willow gab.
Er wollte keine andere.
Er wollte sie.
So, wie noch keine Frau zuvor.
»Wie kannst du dir dort so sicher sein? Ich meine ...«, setzte Willow an, urplötzlich total verzweifelt von dem Zustand, in dem sie sich befanden.
Sie hatte sich selbst geschworen, sich nicht zu sehr in der Gesellschaft zu verlieren und sich an einen Alltag mit Wesley zu gewöhnen. Aber jetzt war es doch passiert und sie hatte es nicht einmal kontrollieren können. Sie war ein Mensch, der extrem unter Veränderungen litt, der es nicht aushielt, wenn ihn Abschiede trafen und der dann tatsächlich auch emotional wurde. Nach vierzehn Tagen konnte man ihr Verhalten als verrückt und übertrieben einstufen. Aber Willow konnte sich nicht kontrollieren. Sie war nahe am Wasser gebaut und wie zerbrechlich sie doch war, merkte Wesley genau in diesem Moment. Er wusste, dass Willow ihm etwas verschwieg. Er wusste, dass sie ein dunkles Geheimnis hatte, von dem er jetzt gerade kleinteilig konfrontiert wurde.
Und doch machten sie ihre Tränen nur noch schöner.
Denn ein Mensch, der fühlte, war wie ein ungeschliffener Diamant.
Selten und unheimlich kostbar.
Und Wesley wusste, dass er sich nicht Hals über Kopf in einer Laune verloren hatte.
Nein. Das hier war etwas Echtes. Und er hatte nicht irgendjemanden gefunden.
Nein. Er hatte die Frau gefunden, die er in Zukunft seine Frau nennen wollte.
Die Frau, die er niemals geglaubt hatte, zu finden.
Genau aus diesem Grund unterbrach er Willow prompt.
Bestimmend und selbstsicher zog er sie an der Taille an sich und unterbrach ihre Selbstzweifel mit einem langen und dominanten Kuss.
Rau wanderte seine Hand in ihre Haare, während seine zweite ihre Wange umfasste und sanft darüber strich.
Dieser Kuss hatte nichts zärtliches. Er war ein Versprechen.
Ein Versprechen, dass sie sich wieder sehen würden.
Ein Versprechen, dass es niemand anderes geben würde.
Ein Versprechen, dass das hier nicht das Ende war.
»Wieso ich mir so sicher bin? Weil mein Kopf und mein Herz ausnahmsweise einer Meinung sind.
Willow, es gibt da nur noch dich in mir. Du bist meine Seele.«
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