KAPITEL 18
Willow erwachte mit den schlimmsten Kopfschmerzen, die sie je gehabt hatte.
Als sie die Augen aufschlug war ihre Sicht leicht verklärt und es brauchte ein paar Minuten, die sie an die Decke starrte, bis die Erinnerungen der letzten Nacht auf sie einprasselten und sie wissen ließen, wo sie war, was passiert war und weshalb sie diese Qualen jetzt zurecht litt.
Stöhnend und alles bereuend, weil sie Wesley so vollkommen falsch verstanden und dann eine Reihe an Dummheiten begangen hatte, die ohne seine und Lilas Hilfe sogar böse hätten ausgehen können, wälzte sie sich in ihren Kissen und wollte vor Scham im Boden versinken, bis sich plötzlich zwei Arme fest um sie schlangen und sie mit einem Ruck an einen warmen Körper pressten.
»Erstens«, raunte eine ziemlich tiefe und heisere Stimme an ihr Ohr, »fällst du gleich aus deinem eigenen Bett. Zweitens bringt es gar nichts, sich jetzt Gedanken über gestern zu machen. Was passiert ist, ist passiert. Und drittens: Guten Morgen, Schäfchen!«
Trockene Lippen schmiegten sich weich an ihre Haut und Wesley küsste noch im Halbschlaf Willows Wange, um sie zu begrüßen.
Willow liefen die Backen rot an. Dass Wesley neben ihr im
Bett lag, hatte sie vollkommen vergessen und verdrängt. Aber, je angestrengter sie darüber nachdachte, auch für seine Anwesenheit gab es eine Erklärung.
Sie hatte ihn gebeten zu bleiben, damit sie wusste, dass er sie nicht alleine ließ.
Und er hatte sein Versprechen gehalten.
Er war noch immer hier.
»Guten Morgen«, flüsterte sie peinlich berührt von all den Ereignissen, nichts daran ändern könnend, dass sie noch viel zu präsent waren, um sie zu vergessen und hinzunehmen.
Wesley lachte rau und jagte Willow damit eine Gänsehaut über die Arme.
Zögerlich drehte sie sich in dem Klammergriff in seine Richtung und musterte ihn.
Seine Locken lagen zerzaust auf ihrem Kopfkissen, dass sie an ihn abgetreten hatte, um selbst auf seinem Oberkörper zu schlafen.
Beinahe unscheinbar sah Willow die roten Abdrücke ihres Kopfes an seiner Schulter. Ein Gefühl der Wärme durchlief sie. Sie waren sich so nah. Und Wesleys nackte Brust spendete so viel Wärme, dass es kuschelig und einfach nur gemütlich war.
Kein Wunder, warum sie trotz allem so fabelhaft geschlafen hatte.
»Na, gute Aussicht?«, neckte Wesley und grinste sie schelmisch an, als sie hinauf in seine Augen sah.
»Es gab schon bessere«, erwiderte sie frech und räusperte sich, als sie ihr heiseres Krächzen in ihren eigenen Ohren vernahm.
Wesleys Oberkörper vibrierte, als er zu lachen anfing.
»Natürlich«, ächzte er, als er sich aufrichtete, seine Glieder streckte und sich dann ans Kopfteil ihres Bettes lehnte.
Seine Muskeln, die sich nur allzu deutlich abbildeten, spielten dabei vor Willows Augen, dass sie unmerklich schlucken musste und sich ungern eingestand, dass ihre Aussage überspitzt formuliert gewesen war.
Vielleicht hatte es da doch keinen hübscheren als Wesley gegeben. Aber sein Anblick war auch wirklich ungerecht zu bemessen.
»Hast du wenigstens gut geschlafen?«, fragte Wesley und reichte ihr aus dem Nichts ein Glas Wasser und eine Tablette, die gegen das Hämmern in ihrem Kopf vorgehen sollte. Er schien geahnt zu haben, in welchem Zustand sie aufwachen würde. Dankbar nahm Willow beides entgegen und hatte urplötzlich keine Hemmungen mehr, als sie sich ebenfalls aufrichtete und sich an Wesleys aufrechten Oberkörper lehnte, als sei es das natürlichste auf der Welt, sich an ihn zu schmiegen.
Er schien nichts dagegen zu haben.
»Ja, so gut man mit zu viel Alkohol im Blut eben schlafen kann«, ächzte sie erschöpft.
Wesley erwiderte nichts weiter. Er wies sein Verständnis in Taten nach.
Sanft und leise begann er durch ihre Haare zu streicheln, leichte Knoten zu entwirren und ihren Kopf zu massieren, während Willow ihr Wasser trank. Als sie fertig war, schloss sie beide Hände um das durchsichtige Glas und befeuchtete ihre Lippen, ehe sie sich darauf biss.
»Bist du ... bist du sauer wegen gestern?«, wagte sie zu fragen und traute sich nicht, ihn anzusehen.
Sie erinnerte sich, wie wütend er in der Nacht gewesen war, als sie dort halbnackt auf dem Tisch zwischen Ricky und seinen Kumpanen gelegen hatte.
Sie war so naiv gewesen, sich neben diesen Mann zu setzen, der offensichtlich sehr spezielle Absichten hatte, wenn es um sie ging.
Sie wollte ihm nie wieder so nahe sein, wie gestern.
Beinahe brennend spürte sie seine schmierigen Finger ihren Oberschenkel streicheln. Und sie hatte nichts unternommen, so sinnlos verloren war sie gewesen. Hilflosigkeit – gefangen in einem Rausch, den sie sich selbst verschuldet hatte – war ein widerwärtiges Gefühl und es ekelte sie an. Genau deshalb hasste sie sich für sich selbst und ihr Verhalten. Sie hätte es besser wissen müssen.
Sie wusste es besser.
»Ich habe gar kein Recht darauf, sauer zu sein. Du hingegen hättest allen Grund dazu, denn ich bin gestern ohne ein weiteres Wort abgehauen und das war mehr als unhöflich und unangebracht. Ich weiß gar nicht, wie ich mich dafür entschuldigen kann, dass ich in genau dem Moment abgehauen bin, in dem du mir eine so persönliche und kostbare Seite deines Selbst gezeigt hast. Es klingt überhaupt nicht mehr glaubhaft, weil es so verspätet kommt, aber dieses Gedicht ist ein wahres Meisterwerk und zutiefst bewegend gewesen. Ich bin ein Idiot, der dir nachträglich sagen muss, dass es ein wahrhaftes Talent ist, sich so mit Worten auszudrücken. Passende Reime zu finden und die Gefühle, die man zu Papier bringen will, so nachvollziehbar und verständlich, dazu noch authentisch und emphatisch zusammenbringen, dass sie sinnvoll zu lesen sind, kann mit Sicherheit nicht jeder.
Ich habe mich nie viel mit Poesie auseinandergesetzt. Ehrlich gesagt, nach der Zeit in der Schule, nie wieder. Aber seit ich hier bin, zwingt mich eine innere Stimme genauer hinzuhören und tatsächlich gefällt mir, was ich bisher von dir gelesen habe. Es ist fantastisch.«
Die Art und Weise wie er sprach, bewegte Willow.
Ein Kompliment war nicht gleich eines Kompliments. Es gab zu viele Heuchler auf der Erde, die sich in ihren netten Worten eigentlich als Neider outeten, die einem absolut nichts gönnten.
Willow war nicht auf diese Menschen angewiesen. Alle Welt konnte behaupten, sie sei eine grauenhafte Schreiberin und sollte damit aufhören und sie würde dennoch weiterschreiben und ihrer Leidenschaft nachgehen.
Trotzdem war es beruhigend zu hören, dass Wesley, der ihr doch näher stand als so mancher Verleger oder Leser auf dieser Welt, angetan von ihrem Stil und ihren Worten war.
Bewundernd und innerlich beruhigt, dass er ihr tatsächlich zugehört hatte und sie ihm abermals vollkommen ungerechtfertigt unterstellt hatte, er sei ignorant und der perfekte, reiche Schnösel, den er äußerlich zu Tage ließ, atmete sie aus.
Sie hatte sich auf so vielen verschiedenen Ebenen in diesem Mann getäuscht, dass sie sich ernsthaft dafür schämen musste. Schließlich wusste sie es mit am besten: Never judge a book by its cover. Denn der Schein trügte immer.
»Am besten gefallen mir die Zeilen, die von meinem fabelhaften Ich handeln, das wie ein Fels in der Brandung steht. Wie war das: Mein Herz schlägt höher, nur bei deiner Stimme Klang? Genial!«, protzte Wesley selbstgefällig, um Willow aus ihren abschweifenden Gedanken zu fischen.
Sie sorgte sich viel zu sehr.
Aber das wusste Willow auch selbst.
Für Wesleys Kommentar erhielt er einen Ellenbogen in seine Seite, die ihn ächzend lachen ließen. Willow schmunzelte. Das mit der Arroganz nahm sie zurück. Er war ein eingebildeter Schnösel.
Aber ... eben nicht ausschließlich.
»War natürlich nur ein Spaß! Meine Lieblingsstelle ist die, in der du mir gestehst, dass du todsterblich in mich verliebt bist. Hoffnungslos in den sexy Kerl aus der Stadt.«
Erschrocken riss Willow die Augen auf und drehte sich in seinen Armen, die sie stetig festhielten.
»Wie bitte? Das ist ja wohl ein Irrtum! Ich bin doch nicht todsterblich in dich verliebt, denn das ist, Zitat Gedicht, nach so kurzer Zeit gar nicht möglich.«
Selbstsicher sah sie zu ihm auf.
Er grinste schelmisch und streckte dann aus dem Nichts eine Hand nach ihr aus, um über ihre Wange zu streicheln.
Prickelnde Wärme erklomm Willows Haut.
Tief sahen sie beide sich in die Augen, musterten sich selbst als Spiegelbild in den Pupillen des anderen.
Je länger er schwieg, desto eher rechnete Willow mit einer feixenden Erwiderung ihrer Worte.
Was allerdings kam, als sie glaubte, Wesleys hätte seinen Wortschatz verschluckt, raubte ihr einen Moment den Atem und ließ ihr Herz hinauf und hinabschlagen.
»Und wie sollte es unmöglich sein, wenn es doch genau das ist, was uns beide zusammenhält? Die Sehnsucht danach ... dass es da nur noch dich und mich gibt. Für immer.«
Darauf wusste Willow nichts zu antworten. Sie war sprachlos und wusste nicht, wie sie diese Worte zu deuten hatte. Zeit dafür blieb ihr allerdings auch gar nicht, denn ein lautes Schaben und eine aufschlagende Zimmertür riss sie beide aus ihren Gedanken.
Mit leuchtenden Augen stand Heaver am Bettende und musterte sie beide mit ihrem typisch schiefen Kopf.
Willow grinste, als sie ihre Ziege sah und klopfte auffordernd auf die Bettdecke, die sie und Wesley umgab.
Heaver ließ sich nicht zweimal auffordern. In einem einzigen Sprung war sie auf das Bett geklettert und ließ sich auf Willow und damit auch automatisch auf Wesley fallen.
Willow rechnete mit dessen Missfallen, als Heaver sich auf ihnen breitmachte, sich an sie kuschelte und Willow einmal durch das Gesicht schleckte, aber überraschenderweise sagte er gar nichts und begann sogar als erstes, Heaver zu streicheln, die das ohne mit der Wimper zu zucken hinnahm.
Wann war das passiert?
Es schien, als hätte die Nacht mehr Wunder verbracht, als Wunden aufgerissen. Vielleicht hatte Willow doch etwas richtig gemacht.
Immerhin verstanden der Mann, den sie leiden mochte, und ihre wichtigste Wegbegleiterin sich immer besser, Wesley hatte vor noch eine ganze Woche zu bleiben und zusätzlich schien es, als würden ihre Gefühle beide in dieselbe Richtung tendieren.
Mal sehen, was sich daraus entwickeln würde. Willow wollte nichts auf die goldene Waage legen.
»Ich denke, ich sollte mich noch bei euch beiden bedanken. Wärst du gestern Abend nicht gekommen, wüsste ich nicht, wo ich gelandet wäre. Ich war einfach nicht mehr zurechnungsfähig und dieses unreife Verhalten tut mir leid.«
Es war Willow sogar sichtlich peinlich, dass sie so durchgedreht war. Sie wollte gar nicht wissen, für wie dämlich und kindisch Wesley sie hielt. Doch er schien deswegen nicht erregt zu sein.
»Nichts zu danken. Immerhin wäre es ohne mein blödsinnig langes Telefonat niemals zu Missverständnissen gekommen. Über diesen Ricky allerdings ... sollten wir uns unterhalten.«
Er versteifte sich hinter ihr, beim bloßen Aussprechen seines Namens und auch Heaver spitzte scharf die Ohren.
Willow senkte den Blick.
Sie erinnerte sich an die glühenden, roten Augen von gestern. An diesen lüsternen Blick, der ihrem Körper, nicht ihrem Kopf gegolten hatte.
Und sie hatte absolut nicht reagiert.
»Glaubst du, er hätte ...« Sie schluckte das Wort bitter ihre Kehle hinunter. Wesley schlang einen Arm um sie und presste sie näher an sich. Ihre Wangen berührten sich.
»Daran will ich gar nicht denken, Schäfchen. Und ich will dir auch keine Angst einjagen oder etwas vorschreiben, aber ich würde mich von diesem Mann fernhalten. Er war gestern angetrunken und sicher hatte das Einfluss auf sein Bewusstsein, aber er war nicht so betrunken, als dass er nicht hätte realisieren können, was er und seine Freunde dir antun. Ich hatte schon bei unserer ersten Begegnung den Eindruck, dass er dreckige Absichten mit Frauen hat und das hat sich gestern bestätigt.«
Willow nickte benommen. Nahezu taub, wenn sie an Ricky dachte.
Und sie hatte nicht vor, ihm so schnell wieder zu begegnen.
»Aber du solltest nicht zu sehr daran denken. Es ist nichts passiert und das ist alles, was zählt.«
Willow nickte.
»Trotzdem ist es nicht selbstverständlich, dass du mich gesucht hast«, fand sie.
Wesley grinste urplötzlich, als erinnere er sich an ein lustiges Ereignis von gestern, von dem sie noch gar nichts ahnte.
»Eigentlich habe ich gar nicht so viel getan. In meiner Wut hat Lila die meiste Arbeit getan und ... sagen wir mal, sehr gut auf dich acht gegeben. Ich muss sagen, dass du dank ihr keinen Bodyguard mehr nötig hast.«
»Wie meinst du das?«
»Na ja, sie ist stark, hat genügend Durchsetzungsvermögen und das nötige Temperament, um einer Gruppe Männer locker die Leviten zu lesen.«
Er sprach, als hätte er Erfahrungen damit gesammelt.
»Und das weißt du, woher?«, fragte Willow neugierig.
»Ich weiß es seit gestern, als sie dich vor der hungrigen Meute gerettet hat und mir im Personalbereich ein Brett vor den Kopf geschlagen hat.
Sie hat ganz genau auf dich aufgepasst und sich nach ihrer Schicht sogar noch persönlich nach deinem Wohlergehen erkundigt.«
»Sie war noch einmal hier?«
Erstaunt hob Willow die Augenbraue. Das hatte sie Lila tatsächlich gar nicht zugetraut, obwohl ihre Freundin immer wieder für Überraschungen zu haben war. Willow war dankbar, sie zu haben auch wenn sie das vielleicht nicht immer zur Schau stellte.
»Oh, ja und ich muss sagen, dass ich sie ehrlich gut leiden kann. Sie ist ein guter Mensch und sie lässt wirklich nichts anbrennen.
Da du gestern so tief und fest geschnarcht hast, wundert es mich allerdings nicht, dass du wenig von ihrem Besuch mitbekommen hast.«
Wieder bekam Wesley einen Ellenbogen in die Seite gerammt.
»Ich schnarche nicht! Und selbst wenn ... es ist mein gutes Recht, in meinem Haus die Geräusche zu machen, die ich für richtig halte.«
Wesley prustete und auch Willow konnte nicht wirklich Sinn hinter den Worten sehen, die sie gesagt hatte.
Als ob sie Schnarchgeräusche kontrollieren könnte ...
»Da habe ich nichts zu kontern. Natürlich dürfen Hoheiten in Ihren vier Wänden machen, was Hoheiten für richtig halten«, plusterte Wesley und Willow reckte verspaßt die Nase in die Höhe.
»Sie haben es erfasst und nun wünsche ich zu frühstücken, Page!«, forderte sie Wesley auf und wollte trotz des Witzes selbst aufstehen, als Wesley sich unter ihr regte und aus dem Bett stieg, nur um sie an der Taille zu fassen und unter Heaver ebenfalls aus dem Bett zu heben.
»Königinnen laufen nicht selbst«, stellte Wesley klar und lächelte Willow an.
Sie staunte über den Funken in seinem Blick. Hatte er schon immer so ... liebevoll gewirkt?
Ihr wurde warm ums Herz.
So etwas hatte sie noch nie gespürt. Das Gefühl vollkommenen Glücks.
Das Gefühl, zu schweben und sich fallen lassen zu können, weil es da jemanden gab, der sie auffing, der ihr die Angst vor der Dunkelheit nahm und sie in der Kälte wärmte.
Wesley ist sowas wie ein Tagtraum, dachte Willow, als er sie im Brautstyle die Treppe hinuntertrug, auf dem Sofa wieder absetzte, zudeckte und den Fernseher für sie und ihre ebenfalls hinabkommende Ziege einschaltete.
Er erschien ihr nicht real, wie er dort in der Küche stand, Kaffee kochte, mühselig Obst schnitt und Brotscheiben mit Käse belegte oder mit Marmelade bestrich.
Aber er war echt.
Und ihr Lachen war es auch, als Wesley sich eine Viertelstunde später zu ihr setzte, das Essen auf einem Tablett zwischen ihnen abstellte, Heaver eine Schüssel voller Möhren reichte und dann seine Kommentare zu einer ziemlich bescheuerten Daily-Soap im TV abließ.
Mehr und mehr tat er Dinge, die sie ihm am Anfang der letzten Woche gar nicht zugetraut hatte. Aber Wesley hatte offensichtlich dazugelernt und außerdem sehr genau aufgepasst wenn es um Dinge rund um die Küche ging.
Wie er da so neben ihr auf dem Sofa saß, das Haar zerzaust und die Jogginghose als einziges Kleidungsstück an seinem Körper, wirkte er überhaupt nicht wie der konsequente und kühle Anwalt, den er sonst gerne zur Schau stellte.
Er wirkte viel weltoffener, freundlicher und so viel lockerer, als hätte er einen Moment gebraucht, um er selbst sein zu können.
»Du starrst mich an, als wäre ich dein Frühstück und nicht das Brot in deiner Hand«, bemerkte Wesley nach einer Weile.
Willow zuckte mit den Schultern, obwohl es ihr innerlich ein wenig unangenehm war, dass er sie so offensichtlich erwischt hatte.
»Tut mir leid. Ich habe mich nur gefragt, wieso mir bei deinem Anblick immer der Appetit vergeht«, antwortete sie keck und grinste dümmlich als er deswegen zu lachen anfing.
»Das ist mein Schäfchen! Immer die passende Antwort parat«, lachte Wesley und stürzte sich dann unerwartet zur Seite, dass Willow mit dem Rücken auf dem Sofa landete und Wesley über sie gebeugt war.
Urplötzlich schwebte sein Gesicht unmittelbar über ihrem. Sie schluckte merklich.
»Diese Worte musst du trotzdem zurücknehmen, denn ich bin alles andere als unansehnlich.«
»Du bist einfach nur arrogant und dein Ego extrem aufgeplustert«, entgegnete Willow unter ihm selbstbewusst, obwohl ihr Herz so langsam einen Kollaps erlitt.
Wesley grinste unwiderstehlich.
»Dann wirst du deine Worte nicht zurücknehmen?«, fragte er.
Willow schüttelte energisch mit dem Kopf.
»Sicher?«, hakte er nach.
»Absolut sicher.«
»Dann muss ich dich wohl zwingen«, hauchte er und während Willow das protestierend kommentieren wollte, hatte er sich schon zu ihr hinabgebeugt und beschlossen, sie zum Schweigen zu bringen.
Sanft und langsam, sich alle Zeit der Welt lassend, legte Wesley seine Lippen auf die von Willow und genoss den Schauer, der ihn bei der Berührung überfiel.
Er machte kein Geheimnis daraus, dass er schon einige Frauen geküsst und durchaus Gefühle dabei gehabt hatte, aber Willow zu küssen fühlte sich trotzdem anders an.
Es machte süchtig, zu fühlen wie ihr kleiner Körper nach und nach seine Wehr einstellte und sich an seinen schmiegte, um sich der Intimität hinzugeben.
Willow war eine gefühlvolle und leidenschaftliche Frau und sie konnte fabelhaft küssen, wenn man sie erst gelockt hatte.
Wesley wusste, dass er eine Wirkung auf diese störrische Frau hatte, auch wenn sie lieber feixte, als sich das einzustehen.
Es herrschte eine Anziehungskraft zwischen den beiden, die sie immer näher und näher aneinander band. Niemand von ihnen konnte das leugnen. Anscheinend wollte das auch keiner mehr.
Schneller als Wesley es erwartet hatte, erwiderte Willow seine Küsse und begann aus dem Küsschen einen Sturm zu machen.
Energische schlang sie ihre Arme um seinen Nacken und zog Wes an den Haarsträhnen, während er seine Hände zärtlich um ihre Wangen legte und darüber strich.
Willow fühlte sich warm und geborgen. Wesley ging so sanft mit ihr um, als hätte er Angst, sie würde bei einer schnellen Bewegung entwischen. Er nahm Rücksicht auf sie, auch wenn sie nie darum gebeten hatte.
In einem Rausch gefangen, vergingen Ewigkeiten, die sie nicht voneinander lassen konnten. Beide nicht fähig, einander loszulassen.
Erst der Luftmangel in ihren Lungen und Heavers plötzliches Gemecker, weil sie in den letzten Sekunden zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hatte, rissen sie auseinander.
Willow ließ sich davon nicht beirren. Glücklich hielt sie die Augen geschlossen und genoss noch einen Moment das Prickeln auf ihren Lippen und all den Stellen ihrer Haut, die Wesley berührt hatte.
Es war Ewigkeiten her, dass ihr ein Mann so nah gekommen war und sie zugelassen hatte, dass er sie berührte. Aber Wesley konnte sie einfach nicht widerstehen und Zeit mit ihm zu verbringen, fühlte sich an, als würde man im freien Fall auf einen Berg aus Kissen zuschweben.
Sie konnte sich in seiner Nähe zurücklehnen und den Alltagsstress vergessen. Er umsorgte sie, achtete darauf, dass es ihr gut ging und kümmerte sich nebenbei darum, dass sie sich unterhalten fühlte.
Dass man mit ihm einmal so viel Spaß haben, so gute Gespräche führen konnte, hätte sie nie erwartet.
Aber er war so anders in ihrer Gegenwart.
Er war so ... menschlich und wirkte in manchen Sekunden so überhaupt nicht, wie der Erwachsene und ziemlich seriöse Mann, der er doch eigentlich war.
Zunehmend war er zu Scherzen aufgelegt und pflegte seinen Ruf, ließ aber durchaus auch seine wahre Persönlichkeit zu Tage treten.
Er war längst nicht mehr so abgehoben, wie am Anfang der Woche.
Aber konnte ein Mensch sich in wenigen Tagen tatsächlich so sehr verändern?
Konnte er plötzlich ganz anders wirken?
Konnte man sich so schnell in jemanden verlieben?
Oder war sie doch wieder naiv?
Übersah sie etwas?
Leicht den Kopf schüttelnd, versuchte sie sich selbst von den miesen Gedanken in ihrem Kopf ablenken.
Nein, sie wollte jetzt nicht schon wieder Zweifel haben und die ganze Welt schwarz malen.
Von ihrer Bewegung losgerissen, löste Wesley sich ein wenig von ihr und musterte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen.
»Alles okay, Schäfchen? Habe ich etwas falsch gemacht?«
Seine Augen flackerten sorgenvoll und mit einem Schimmer voll Reue.
Eilig schüttelte Willow mit dem Kopf.
»Nein, nein! Nein, du hast nichts falsch gemacht! Ich hab nur ...«, sie biss sich auf die Zunge, »Ich musste nur daran denken, dass heute doch Montag ist ... Müsste dein Auto nicht fertig repariert sein?«, lenkte sie schnell vom Thema ab und atmete erleichtert aus, als Wesley tatsächlich darauf ansprang.
Mit leicht zerzaustem Haar lehnte er sich zurück und ließ ihr wieder mehr Platz zum Atmen.
Seine Lippen sahen geschwollen aus und Willow zweifelte nicht, dass ihre einen ähnlichen Zustand aufwiesen.
»Allerdings. Ich habe eine SMS erhalten und kann ihn gleich abholen.«
Willow versteifte innerlich ein wenig.
Wesleys Auto stand bei Ricky in der Garage. Und es war sicher, dass er auch dort sein würde.
Ihr wurde schlecht, während Wesley sich plötzlich erhob und ihre leeren Teller in die Küche trug.
Als hätte er ihre Gedanken gehört, fügte er hinzu.
»Ich werde rüber laufen und ihn holen. Und ich möchte, dass du hier bleibst. Es wird auch nicht lange dauern.«
Er musterte sie, als warte er auf ihr Einverständnis. Dabei war klar, dass er sie unter keinen Umständen in Rickys Nähe lassen würde und sie wollte das auch gar nicht. Liebend gern ging Willow seinem Wunsch nach.
»Und was machen wir heute Nachmittag?«, wechselte sie ein weiteres Mal das Thema und schien mitten ins Schwarze getroffen zu haben.
Grinsend drehte Wesley sich in ihre Richtung.
»Lass dich überraschen, Schäfchen.«
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