KAPITEL 11
»Na, Dillons, nach einer Woche Entzug komplett aus der Übung, oder glaubst du, du kannst noch Auto fahren?«, fragte Willow scherzhaft, als sie in einem weißen Sommerkleid mit vielen roten und pinken Tulpen aus dem Haus trat und Wesley die Autoschlüssel für den MINI zuwarf.
Er hatte sich in ein schwarzes
T-Shirt und eine Jeans geworfen und zudem eine schwarze Sonnenbrille ausgepackt, die jetzt seine Augen verdeckte und sein perfekt gestyltes Haar betonte.
Er sah zum Anbeißen aus, fand Willow, aber nichts anderes konnte Wesley über sie sagen.
Willow konnte es nicht sehen, aber seine Pupillen weiteten sich merklich, als er sie durch die Tür treten sah.
Mann, was war diese Frau für eine Wucht. Sie hatte die Kurven wirklich an den richtigen Stellen ihres Körpers. Wunderschön.
Dazu trug sie ihr Haar in einem hohen Pferdeschwanz und hatte eine Kette um den Hals hängen.
»Hat es dir die Sprache verschlagen?«, kicherte Willow und es war ihr anzusehen, dass die gute Laune wieder von ihrem Körper besitzt ergriffen hatte.
Die ernsten Gespräche von heute morgen waren vergessen und aus dem Weg geschoben. Jetzt war Zeit für positive Vibes!
»Allerdings«, gab Wesley zurück und log dabei nicht einmal. Dann aber wandte er sich dem Auto zu, an das er gelehnt stand und öffnete die Fahrertür.
Was für eine Frage, natürlich konnte er noch Auto fahren!
Willow stieg auf der Beifahrerseite ein und schnallte sich an.
Dann drückte sie auf einen Knopf, der das Verdeck hinunterfahren ließ.
Die Sonne hatte am späten Mittag ihren Höchststand erreicht und prallte heiß auf die Erde.
Mit der erhitzten Luft im Auto war es kaum auszuhalten.
»Heaver!«, rief Willow, während Wesley den Motor startete.
Gehorsam trottelte die Ziege aus dem Vorgarten Richtung Auto und sprang dann in einem Satz auf die Rückbank.
Wesley staunte nicht schlecht.
Das heute war eine Premiere.
Er fuhr zum ersten Mal in seinem Leben einen MINI und er fuhr zum ersten Mal mit einer Ziege.
Dass er sowas noch erlebte ...
Nachdem auch er sich angeschnallt und sichergestellt hatte, dass Heaver während der Fahrt nicht einfach das Fahrzeug verlassen würde, ließ er den Wagen los rollen.
Sie waren auf dem Weg nach Thister. Dort nämlich war der nächste Baumarkt, in dem sie Holzbretter für den Zaun kaufen konnten.
Einige der Zaunlatten waren bei Wesleys Sturz gebrochen oder zuvor schon morsch gewesen und mussten jetzt ersetzt werden.
Wenn sie schon einmal dort waren wollte Willow außerdem ein wenig durch die Stadt bummeln und bei dieser Hitze ein Eis essen.
Wesley hatte nichts dagegen einzuwenden.
So fuhren sie also zu dritt über die Landstraßen Richtung Thister und hielten sich dieses Mal vorbildlich an ein Navi, um ja keine falsche Abbiegung machen.
Wesley hatte nach seinem Erlebnis am Montag darauf bestanden. Willow fand es unnötig, ließ das alles aber unkommentiert.
Wenn Wes sich damit besser fühlte, dann sollte er doch der mechanischen Stimme ihres Handys vertrauen und sich führen lassen. Hauptsache sie kamen überhaupt an ihrem Ziel an und Willow konnte währenddessen ihre Musik hören.
Auf Elton John und Michael Jackson wollte sie auf so einer langen Fahrt nur ungern verzichten.
Heaver war das alles egal.
Sie hörte gerne Musik besaß aber nicht wirklich das Gefühl für Rhythmus und Tempo.
Darum blendete sie sie meistens aus.
Für die Ziege war das tolle am Autofahren die Geschwindigkeit des Autos und das dadurch aufwehende Fell. Außerdem liebte sie es, anderen Autofahrern die Zunge rauszustrecken und rote Ampeln anzumeckern, weil sie eben rot waren.
Eine halbe Stunde später, weil Wesley einen Affenzahn drauf hatte, den Willow gar nicht gewöhnt war, kamen sie in Thister an und suchten als erstes nach dem benötigten Holz.
Der bestehende Zaun war aus Eschenholz gebaut, wie Wesley dank Siri herausgefunden hatte und um es auch wirklich richtig zu machen, wollte er auch alles mit Esche ersetzen.
Er hatte sich den gestrigen Tag intensiv mit dem Thema Holz auseinandergesetzt – Sehr, sehr interessant im Übrigen! – und wollte bei seinem ersten richtigen Bauprojekt jetzt alles richtig machen. Er hatte sich geschworen, Willow den schönsten Zaunabschnitt zu bauen, den sie sich vorstellen konnte.
Besser (oder mindestens genauso gut) als es ein Handwerker oder Ricky gemacht hätten.
Wesley fühlte sich wie ein richtiger Mann, als er den Baumarkt betrat.
Natürlich war das albern, aber das Selbstbewusstsein sollte ihm niemand kaputt machen.
Ein Mann und ein Baumarkt, das war, was zusammen gehörte und Wesley fühlte sich plötzlich pudelwohl neben Blumenerde, Kabelbindern und Motorsägen.
Willow lief Wesley kichernd hinterher. Sie wollte den Herrn nicht stören, denn er schien ganz in seinem Element zu sein, als er mit einem der Mitarbeiter nach der und der Größe von Nägeln suchte.
Wesley brauchte genau diese Nägel und er brauchte genau dieses Holz von diesem Alter.
Auf dem Hinweg hatte er es Willow haargenau erklärt und sie wollte sich jetzt nicht mehr in seine Angelegenheiten einmischen.
Dieser Mann musste tun, was dieser Mann tun musste.
Während Wesley mit zwei weiteren Mitarbeitern zu diskutieren begann, zog sich Willow aus dem Verkehr und lief zu einem der Regale hinüber, in dem verschiedene Gießkannen ausstanden.
Sie selbst besaß eine silberne Edelstahlgießkanne, war aber schon von einigen Metern Entfernung angetan von einer quietschgrünen Kanne mit Rostschutz und einer gelben Sonnenblume auf dem Bauch.
Wie cool wäre es bitte, die Sonnenblumen mit einer Sonnenblumengießkanne zu gießen?, überlegte Willow mit einem scherzhaften Grinsen, fand die Idee aber gar nicht so schlecht.
Wenn andere Frauen zwanzig verschiedene Eyeliner-Paletten besitzen durften, dann konnte sie doch auch verschiedene Gießkannen haben. Jedem Menschen das seine ...
Erst nach knappen vierzig Minuten kamen sie beide wieder aus dem Markt.
Willow hatte die Gießkanne letztendlich nicht kaufen können, weil zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung plötzlich die halbe Mitarbeitergewerkschaft in einer hitzigen Konversation mit Wesley über Eschenholz verstrickt war und sie die Fronten hatte glätten müssen.
Es stellte sich heraus, dass der Markt zwar Eschenholz hatte, aber nicht genug auf Lager.
Für Wesley war das ein Grund, Empörung zu schieben und einen Aufstand zu machen.
Er war erst zu besänftigen, als man ihm das fehlende Holz mit Ahorn ersetzte und er dafür sogar alles bis nach Hause geliefert bekam.
Dieser Deal war ideal, weil sie dann keine Umstände machen und alles auf das kleine Dach des MINIs schnallen mussten. Wesley hatte sofort zugestimmt, ehe sich Willow peinlich berührt für sein Theater entschuldigt und das Angebot bedankt und ihn dann aus dem Laden geschliffen hatte.
Heaver, die die ganze Zeit auf die beiden hatte warten müssen, war zutiefst erleichtert, als sie sie über den Parkplatz schlendern sah.
Wesley schämte sich für keine Sekunde, die er Drohungen geschoben hatte, auf Google eine fette negative Bewertung in seinem Namen abzugeben.
Er hatte damit den besten Deal überhaupt erzielt und mal ehrlich, ihm war es dann doch nicht so wichtig, ob drei Bretter Esche oder Ahorn waren. Aber das mussten diese Holzexperten ja nicht wissen.
Die würden ihm heute Nachmittag erstmal sein Holz liefern und er konnte sich eine ganze Menge Umstände sparen.
»Du warst unhöflich, Wesley!«, kommentierte Willow die ganze Angelegenheit und entschied, dass sie bis zur Innenstadt fahren würde, weil sie genau wusste, wo man gut parken konnte.
Wesley zuckte mit seinen Schultern.
»Das ist mir egal. Ich sehe diese Menschen wahrscheinlich nie wieder in meinem Leben und sie werden darüber hinwegkommen. Fakt ist, dass sie jetzt immer genügend Eschenholz auf Lager haben werden«, feixte er zutiefst amüsiert über die vielen ratlosen Gesichter der Mitarbeiter, in die er die letzten dreißig Minuten geblickt hatte.
»Außerdem muss man nur ein wenig Druck machen und man sahnt einen Bonus ab. Der Kunde ist und bleibt eben König. Wieso sollte ich mich dann nicht auch wie einer fühlen dürfen?«
Willow rollte mit den Augen.
Sie wusste, er sagte das, um sie zu provozieren. Also ließ sie die Konversation lieber fallen und konzentrierte sich auf den Verkehr.
Sie konnte jetzt sowieso nicht mehr ändern, wie daneben der Städter sich benommen hatte und dass sie später kostenlos eine Lieferung erhalten würden.
Vielleicht konnte sie die Fahrer noch mit einer Kleinigkeit entschädigen.
Schließlich mussten die jetzt in dieser Hitze ihr Holz durch die Weltgeschichte kutschieren.
Nein, es war ihr einfach peinlich gewesen.
Wesley verstand nicht, warum Willow sein Verhalten so störte.
Er hatte nur unmissverständlich darauf hingewiesen, dass sie im Markt nicht genügend Eschenholz besaßen, um seinen Zaun zu reparieren und dass ihn das gestört hatte. Was daran war denn falsch gewesen?
Für ihn aus der Großstadt und Teil der gehobenen Gesellschaft war es vollkommen normal, dass man Kritik äußerte und Druck machte.
Die Freundlichkeit seiner Kunden musste man sich mit qualitativ hochwertigen Produkten und guter Kundenberatung verdienen.
Anders ging es nicht und anders brachte das Geschäft auch keinen Erfolg.
Für den Koch eines Restaurants waren Höflichkeiten sogar ziemlich negativ.
Was sollte es ihm denn bringen, wenn die Kunden freundlich blieben und behaupteten, der Fisch würde gut schmecken.
In Wahrheit war er aber total grätig und versalzen gewesen und sie kamen einmal und nie wieder.
Das erbrachte auf Langzeit absolut gar keinen Profit.
Aber was überdachte er hier gerade überhaupt?
Die Sache war jetzt sowieso gegessen, er hatte nichts falsch gemacht und konnte sich jetzt ein wenig die Stadt ansehen!
Zugegeben, Thister hatte ihm schon am Ortsschild gefallen und ein nettes kleines Städtchen mit vielen Fachwerkhäusern und verwinkelten Gassen versprochen. Ein Flair der ihm fremdartig erschien, aber durchaus gefiel.
Willow parkte den Wagen nahe der Fußgängerzone und ließ Heaver als erste aus dem Wagen springen, ehe sie das Verdeck hochfuhr und ebenfalls ausstieg.
Für ihre Ziege war dieser Tag bisher nicht sonderlich aufregend gewesen und bestand eigentlich nur darin, vor Geschäften zu warten, aber für Heaver war das dennoch besser, als allein zuhause auf Willow zu warten, sich Sorgen zu machen und dösig irgendwo im Schatten zu liegen.
Sie war gerne in der Stadt, genoss die ungläubigen Blicke fremder Leute, die zum ersten Mal auf eine zivilisierte Ziege in der Stadt trafen, und fand es lustig, hier und da an Parkbänken und Brötchentüten, gelegentlich auch an laufenden Hosenbeinen oder Kinderhaaren zu knabbern, wenn die Zöglinge für wenige Sekunden aus den Augen ihrer Eltern gelassen wurden.
Ja, sie war sehr sozial und menschenfreundlich. Sehr.
Wesley gewöhnte sich langsam an Heavers Anblick, der einfach überall war, und fand ihre Nähe sogar ziemlich ansehnlich.
Er hatte keine Ahnung wieso, aber Heaver war bunt, Heaver war lustig und immer wieder ganz anders, als man erwartet hatte, sodass man sie gerne beobachtete und von ihr überrascht wurde.
Für Willow war die Anwesenheit ihrer Ziege stinknormal, aber sie wusste um die Blicke ihrer Mitmenschen, wenn sie sich mit Heaver in der Öffentlichkeit zeigte.
Dass der ein oder andere sie schief musterte, war zu so etwas wie einer Gewohnheit geworden und sie blendete das mittlerweile gekonnt aus.
Zudem waren Willow und Heaver in Thister keine Unbekannten mehr.
Die meisten Händler und Ladenbesitzer kannten sie und freuten sich auch immer wieder über den ulkigen Besuch.
Willows guter Ruf trug sich außerdem auch in die nächstgelegene Stadt. Selbst hier war sie ein kleine Bekanntheit – nicht zuletzt für ihre erfolgreichen Kinderbücher und Jugendromane.
Niemand wusste genau, wann es angefangen hatte. Aber irgendwann war Willow erschienen und aus dem Gedächtnis vieler nicht mehr herauszulöschen. Es war wie eine Dringlichkeit Willow zu grüßen und ihr nachzusehen, eine solche Aufmerksamkeit lenkte sie auf sich und so viel Gutes strahlte sie aus.
Jeder in nächster Umgebung wollte zumindest einmal von ihr und ihrer Herzlichkeit angelächelt werden – am meisten die Männer.
Für Wesley war das seltsam.
Da ging er neben dieser Frau durch die Stadt und musste sich beim Laufen immer wieder unterbrechen und warten, bis Willow die nächsten Begegnungen abgewimmelt hatte.
Sie lächelte stets, umarmte den ein oder anderen, fragte nach deren Wohlergehen und den Kindern, hielt Smalltalk hier und Smalltalk da und erschien wie der Sonnenschein auf zwei Beinen, der die Motten anzog, wie nichts sonst auf der Welt.
Zuhause war das für ihn auch nicht anders. Aufmerksamkeit, nachsehende Blicke, ein respektvolles Nicken oder ein heimliches Foto. Aber dass die Leute so direkt auf ihn zukamen und er sie so offenherzig und liebevoll empfing, das war einfach nur befremdlich.
Das waren wohl er und sie.
Das war die Willow, die auch er kennengelernt hatte und der Wesley, den Willow aufgenommen hatte.
Sie unterschieden sich auch in vielerlei Hinsicht in ihrer Präsenz, obwohl sie bei beiden mindestens gleichstark ausgebildet war.
Irgendwie stachen sie beide in der Menge hervor.
Nur wie sie es taten, das war unterschiedlich. Als sie die ersten drei Ehepaare über fünfzig – denen Willow lachend erklärt hatte, dass Wesley nicht ihr Freund war, was die Frauen mit einem anzweifelnden Zwinkern hingenommen hatten –, sieben Kleinkinder und zwei interessierte Blondschöpfe mit ziemlich zweideutigen Blicken – die Wesley gehörig störten – endlich abgehängt hatten, zog Wesley Willow schleunigst in das nächstgelegene Kleidungsgeschäft.
Ihm waren diese vielen ledigen Männer weit und breit nicht geheuer und als wären sie von Willows Gestalt angestrahlt oder von ihrer melodischen Stimme angelacht worden, krochen sie förmlich aus allen Ecken.
Was er nicht wusste, war, dass Willow ähnlich erleichtert ausatmete, als sie von den eifersüchtigen und teuflischen Blicken der Frauenwelt abgeschirmt wurde.
Da kam einmal ein heißer und erfolgreicher Mann in die Stadt und alle Welt verhielt sich notgeil und konkurrierend.
Das Schlimmste daran war, dass Willow es ihren Kolleginnen nicht einmal verübeln konnte.
Wesley war wirklich ein ziemlich hübscher Mann, flirtete schon, wenn er nur lächelte und, verdammt, seine Locken und Augen waren einfach der Hammer!
Hätte Willow ihn heute ebenfalls zum ersten Mal durch die Stadt laufen sehen und noch keine Ahnung von seiner Person und seinem Charakter gehabt, dann hätte sie ihm vermutlich ebenso schwärmerisch nachgesehen.
Unangenehm, aber wahr.
»Was wollen wir hier?«, fragte Willow, um ein Gespräch anzufangen und drehte sich dann noch einmal vorsichtshalber zu den Schaufenstern um.
Heaver hatte sich brav davor platziert und fraß unauffällig an den Gänseblümchen, die aus kleinen Blumentöpfen vor dem Laden sprießten.
Sie würde auf sie warten.
»Kleidung kaufen. Ich könnte gut noch ein, zwei T-Shirts oder Pullover gebrauchen und du –.« Wesley drehte sich zu Willow um und musterte sie von oben bis unten, als würde er sie analysieren.
»– brauchst noch ein Outfit für heute Abend.«
Er wandte sich ab und stöberte durch erste Kleiderstangen.
Willow folgte ihm mit verwirrtem Blick.
Heute Abend?
Was war denn heute Abend?
»Wieso heute Abend? Was ist da?«, fragte sie, während Wesley interessiert in der Herrenabteilung einen Kleidungsstapel schwarzer Rollkragenpullover nach seiner Größe untersuchte.
»Du und ich werden heute Abend ausgehen«, klärte Wesley auf und drehte sich dann zu Willow um.
»Ich habe gerade eben einen schicken Italiener gesehen mit Dachterrasse und würde dort gerne mit dir essen.«
Er wollte mit ihr essen gehen?
Wie auf einem ... Date?
»Natürlich nur als Freunde. Ich dachte mir, so lange ich noch hier bin, sollten wir wenigstens einmal auch auf meine Kosten leben«, setze Wesley hinzu und war kurz darauf hinter Kleiderbügeln verschwunden.
Willow blieb ratlos stehen.
Also kein Date?
Es wäre ihr erstes gewesen.
Aber sie sollte sich trotzdem etwas Hübsches anziehen?
Ergab das überhaupt irgendeinen Sinn?
Sie schüttelte über sich selbst den Kopf.
Wieso sollte sie denn wollen, dass es ein Date war?
Sie gingen nur essen. Nicht mehr und nicht weniger und natürlich waren sie nur ... Freunde.
Er hat uns als Freunde bezeichnet!
Dass sie so weit gekommen waren, hatte sie gar nicht bemerkt.
Aber die Betitelung einer Bekanntschaft schien Willow selbst auch eher falsch.
Freunde – das war gut ...
Ja, davon überzeugt machte auch sie sich auf die Suche nach einem Kleid für den Abend und ging Kur darauf mit mehreren Favoriten in eine der Kabinen.
Das erste Kleid war ein hübsches, gelbes mit leichten Puffärmeln und weißen, eingestickten Punkten.
Es hatte einen herzförmigen Ausschnitt und ging Willow bis zu den Knien.
Es war ein niedliches Sommerkleid und gefiel ihr gut, schien ihr aber nicht triftig für ein Abendessen, egal mit welchem Status.
Das zweite Kleid war ein weinrotes Cocktailkleid mit einem ziemlich ansehnlichen Schnitt, der ihre Rundungen nicht gerade unauffällig in Szene setze.
Die Träger hingen seitlich über ihren Oberarmen und ließen somit die Schultern und einen Stück des Rückens frei. An den Brüsten und der Taille eng geschnitten, fiel das Kleid an den Oberschenkeln in einem breiteren Rock und vereinte sexy, elegant und hübsch somit in einem.
Willow huschte ein Lächeln über die Lippen. Ihr gefiel die Frau, die ihr im Spiegel entgegensah, obwohl sie ein solches Kleid noch nie zuvor getragen hatte.
Es war dann doch ein wenig reizvoller, als ihre sonstige Kleidung, aber für einen Abend mit einem attraktiven Freund konnte man sich so doch ruhig einmal präsentieren.
Obwohl sie sich entschieden hatte, wollte sie das dritte Kleid trotzdem noch anziehen.
Es war ein hübsches weißes mit einem kreisrunden Ausschnitt und ebenfalls Puffärmeln. Der Schnitt war eine Mischung aus süß und unauffällig und gleichzeitig respektvoll und schick.
Willow gefiel der flattrige Rock über den ein fast unsichtbarer Stoff mit ausgestochenen Rosen gelegt war und die blumige Stoffumrandung am Dekolleté.
Beim Anziehen allerdings hatte sie Schwierigkeiten.
Der Reißverschluss lag nicht wie bei den anderen Kleidern an der Seite, sondern direkt am Rücken und benötigte daher einige Verrenkungen mit denen Willow leider nicht dienen konnte.
Ein wenig hilflos stand sie in der Kabine, als sie auf dem Flur eine aufdringliche Frau plappern und den Namen ihrer Begleitung sagten hörte.
»Das hier, Mister Dillons, könnte Ihnen auch sehr gut stehen! Ich meine ... Sie könnten alles tragen und es sähe gut aus, aber diese Hemden sollten Sie dennoch probieren. Biobbaumwolle und beste Verarbeitung!«, pries die junge Dame, die ein wenig jünger als Willow zu sein schien und ganz offensichtlich angetan von Wesley war, dessen Antwort Willow nicht hören konnte.
»Zeigen Sie doch mal. Wir können Ihnen sicher helfen!«, meldete sich eine andere Stimme und Willow rollte mit den Augen. Das war ja ganz klar. Natürlich hatte Wesley Dillons sich nicht nur eine hilflose Frau angelacht, die ihn bediente, sondern gleich zwei oder mehr.
»Wow ...«, ertönte es draußen und anscheinend hatte Wesley sich tatsächlich nach draußen begeben und wollte die Meinung der Verkäuferinnen hören.
Oder waren es Fans?
Sie schienen auf jeden Fall hellauf begeistert und hatten nichts an dem auszusetzen, was er anhatte.
Neugierig davon öffnete sie ihre Kabinentür, hielt ihr halb angezogenes Kleid dabei fest, damit ja nichts an die falsche Stelle rutschen konnte, und spähte nach draußen.
Wesley konnte sie nicht sehen. Er stand mit dem Rücken zu ihr und trug ein enges, weißes Hemd mit hellgrauem Jackett.
Die zwei Damen, die ihn umringten, schienen begeistert. Er selbst hatte seine Stirn in Falten gelegt und wusste nicht recht, wie er sich selbst einschätzen sollte. Zudem schienen ihn die beiden Frauen vielmehr unauffällig zu begrapschen und verliebt anzulachen, als ihre ehrliche Meinung abzugeben.
Willow biss sich auf die Unterlippe.
Erstens war dieses Bild ziemlich lächerlich und amüsant zugleich.
Zweitens kitzelte es ihr auf der Zunge Wes und den Damen einen kleinen Streich zu spielen.
Der Plan war nicht gut durchdacht, simple, aber sie hatte keine Ahnung, wie Wesley darauf reagieren würde.
Lange überlegen konnte und wollte sie aber auch nicht und so waren ihre Lippen schneller als ihr Kopf und legten einfach drauflos.
»Oh, Schatz, das Jackett steht dir gut, obwohl du in dunkelblau besser aussiehst und du es vielleicht eine Nummer größer nehmen solltest«, meldete Willow sich mit süßer Stimme und ließ die Blicke der drei auf sich landen.
Sie lächelte schadenfroh.
Ignorierte die beiden Frauen, denen die Münder verwundert aufklappten und hielt ihre Augen stets bei Wesley, der sie ungläubig musterte.
»Aber, Baby, bevor du dich weiter von den beiden netten Damen beraten lässt, könntest du mir wohl kurz bei meinem Kleid helfen? Der Reißverschluss klemmt«, setzte sie mit unschuldigem Blick fort und gab sich innerlich ein High-Five, als sie die schockierten Blicke der Verkäuferinnen und die leicht versteiften Miene von Wesley sah, der sich erst nach einigen Sekunden räuspernd zu besinnen schien und dann perplex nickte.
»Klar«, sagte er merklich schluckend und mit einem verwirrten Schimmer in den Augen, als Willow mit einem aufziehenden Sonnenschein-Lächeln wieder in ihrer Kabine verschwand.
Wesley schluckte noch einmal, ehe er sich in Bewegung setze.
Seit er sie gesehen hatte, waren die restlichen Menschen in diesem Raum vollkommen nebensächlich geworden und das lag nicht zuletzt an Willows kleinem Spielchen, das ihn verwirrte, sondern vielmehr an ihrer Gestalt in den Umrissen des Kleides, das er gesehen hatte.
Mit den offenstehenden Mündern der Beraterinnen im Rücken wandte er sich der Brünette zu und ging ihrer Aufforderung nach.
Sie hatte die Tür zu ihrer Kabine offen stehen lassen und sah ihn durch den Spiegel an der Wand an, als er sich hinter sie stellte.
Diese Frau ...
Hatte ihn gerade Schatz und Baby genannt – was ihm mit ihrer leicht erotischen, leicht verführerischen, leicht unschuldigen und einfach nur unbewussten sexy Stimme – Verstand und Atem raubte.
Er wusste natürlich, dass sie das zum Spaß gesagt hatte, weil seine zwei Begleiterinnen nicht ganz professionell geblieben waren, aber, verdammt, war das heiß!
Diese Frau war pures Feuer und in diesem Kleid einfach nur ein Traum auf zwei Beinen.
Engelsgleich nahezu, als Wesley seine Hände langsam an ihre Taille fahren ließ, sie extra ein wenig länger berührte als nötig und dann mit einem einzigen Finger ihre Wirbelsäule bis zum Ansatz des Reißverschlusses fuhr.
Ihn hatten allein diese Worte nicht kaltgelassen, aber er fragte sich urplötzlich, ob er der einzige war, der diese elektrisierende Spannung zwischen ihnen beiden spürte, die jedes Mal zum Zerreißen gespannt war, wenn sie im selben Raum standen oder sich so nahe waren wie jetzt.
Wesley hatte schon mehrmals das Gefühl gehabt, ihm wäre unglaublich kalt und heiß zur selben Zeit in Willows Nähe und ihr Körper, der einfach nur verrucht schön und zum Anbeißen aussah, löste auch nicht gerade wenig in ihm aus.
Ihre physische Anziehung und Wirkung auf ihn konnte er gar nicht leugnen.
Willow war alles von einer Frau, das einem Mann wie Wesley gefiel.
Aber hatte er diese Wirkung auch auf sie?
Auf diese so undurchschaubare und stumpfe Frau, die ihre Emotionen genauso fabelhaft bergen konnte, wie er selbst?
Willow biss sich auf die Zunge, als Wesleys Finger ihren nackten Rücken streiften und langsam an dem goldfarbenen Reißverschluss zupften. Sie bereute für einen kleinen Moment, ihn in ihre Nähe gelockt zu haben, denn jetzt hielten sie im Spiegel einen hitzigen und unlöslichen Augenkontakt, der ihr den Atem raubte und gleichzeitig jede Faser ihres Körpers auf ihn fixierte. War er es gewesen, der gerade noch schwer geschluckt hatte, war sie es nun, der alle Sinne benebelt wurden, bei dem Anblick im Spiegel.
Wesley und sie so nahe beieinander.
So nahe und doch nicht nahe genug.
»Du siehst wunderschön aus«, hauchte Wesley, als das Kleid verschlossen war und ihren Körper umschmeichelte.
Wunder, wunderschön, dachte Wesley und meinte es genau so.
Er hatte seine Hände auf Willows Schultern gelegt und starrte sie ebenso unverhohlen an, wie sie ihn.
Ja, sie spürte das zwischen ihnen auch, sie fühlte es.
Sie und ihn.
Willow hatte Gänsehaut und leicht rosige Wangen und gleichzeitig diesen Schimmer von Zuneigung, Faszination und bittersüßer Erregung – Lust – in den Pupillen.
Eine gefährliche Mischung, die teuflischer nicht sein konnte.
Oh, kleine Willow, du hast ja keine Ahnung–
Wesley beugte sich langsam vor, verringerte den sowieso schon knappen Abstand zwischen ihnen und war ihrem Ohr plötzlich unglaublich nahe, als er ein »Schatz« zu seinem Kommentar hinzufügte und dann mit seinem Blick auf die zarte Haut unter ihrem Ohrläppchen zielte.
Willow atmete scharf die Luft ein, als er es sich nicht nehmen ließ, sie mit dem Rücken gegen seine Brust zu drücken und ihr dann einen präzisen Kuss auf den Hals zu hauchen.
Ein kalter Schauer überfiel Willow bei dem Gefühl warmer und weicher Lippen auf ihrer Haut.
Wesley spürte ihn und grinste.
Er war ganz und gar nicht der Einzige von ihnen.
Diese Funkten sprühten von beiden Seiten aus. Und sie waren toxisch, aufgeladen, gefährlich und gleichzeitig das heißeste Feuer, das sie beide jemals hatten brennen sehen.
Sie standen in Flammen.
Sie beide.
Fragte sich nur, wann sie sich gegenseitig löschen oder verbrennen würden ...
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