Wie es einst war

Jotaro Kujos Geburt wurde vor 27 Jahren als Segen im ganzen Königreich gefeiert. Zu diesem Zeitpunkt regierte Joseph II noch und stand in starker Kritik, da er das eine Ziel eines jeden Königs nicht erreichen konnte - Er war stolzer Vater einer Tochter, doch ein Sohn hatte er zu diesem Zeitpunkt nicht.
Jotaro war der männliche Erbe auf den das Volk so sehnsüchtig gewartet hatte. Er war vielleicht nicht direkt Josephs Sohn, doch er stammte von seinem Blut ab, er war dazu ermächtig die Joestar Dynastie zu erhalten, er war die fleischgewordene Hoffnung in Krippen größe.
Er wurde zum Kronprinzen gekrönt, da konnte er noch nicht einmal krabbeln, geschweige denn ein Land regieren, doch Gott sei dank ließ das dann doch noch gute 15 Jahre auf sich warten.

Es war nicht so, dass Joseph seinem Enkel keine Wahl gelassen hatte, doch 15 ist ein schwieriges Alter, gerade bei Jungen. Sie überschätzen sich gerne Mal selbst, sind übermutig und selbstgefällig.
Und dann war da auch noch Jotaros Vater, der ihm sagte er habe die Wahl die Krone von Joseph anzunehmen oder ins Kloster zu gehen und Mönch zu werden. Überraschenderweise entschied er sich für die Königssache.

Wer denkt 'Gut, immerhin kann der Arme Notfalls Rat bei seinem Opa einholen', den muss ich leider enttäuschen. Joseph Joestar packte kurz nach Jotaros Krönung seine Sachen und zog in die neue Welt. An seiner statt wurde ein Rat aus Adeligen und Vertrauten des Hofes an die Seite des jungen Königs gestellt. Sie agierten aus dem Hintergrund und bauten auf Manipulierungen wie man sie nur bei Kindern durchziehen konnten. Es war nicht wirklich Jotaro der regierte, er tat nur das was man ihm sagte.

Bis er es eines Tages nicht mehr tat. Bis in Ketten gelegt und blau geschlagen ein kleiner Mann vor ihm Kniete und von den Wachen als Reimi Sugimotos Mörder angepriesen wurde. Jotaro beäugte den Mann kurz und wusste alles was er wissen musste.
,,Rohan Kishibe hat einen blonden Jungen beschrieben. Dieser Mann ist weder blond, noch ist er ein Junge. Er ist ein Greis."
,,Bei allem Respekt, Euer Majestät, unser einziger Zeuge ist ein kleines Kind und der Gefangenen hat den Mord bereits gestanden."
Er hat den Mord bereits gestanden? Das war ja höchst interessant.
,,Und was wollt ihr jetzt von mir?"
,,Wir wollten Euch bitten einen Termin für die gerichtliche Anhörung zu machen, damit er für seine Gräueltat gehängt werden kann."

Der Gerichtstermin stand und Jotaro ging die Tatsachen des Falls erneut durch. Irgendetwas sagte ihn, dass Yoshihira Kira nicht der Mörder war nachdem sie gesucht hatten. Doch als er seine Bedenken seinen Beratern vortrug, stieß er auf nichts als Ablehnung.
,,Ich habe ganz klar befohlen Yoshikage Kira festnehmen zu lassen. Komischerweise sitzt nicht er jetzt im Tower sondern sein Vater. Ich verurteile keinen Mann zu Tode der es nicht verdient hat!"
,,Er hat den Mord gestanden, Euer Majestät. Das ist alles was wir wissen müssen."
,,Aber-"
Er konnte den Satz nicht zuende bringen. Einer der Ratsmitglieder kam ihm irritierend nahe und brachte den jungen König aus dem Konzept.
,,Das Volk wird unruhig, seit Ausbruch des Schweißfiebers. Stimmen werden laut, dass Ihr als König nichts taugt. Jetzt ist ein Mörder auf freien Fuß und die Leute wollen JEMANDEN hängen sehen. Wen, das ist völlig egal. Mag sein, dass wie Yoshihiro Kira hier zum Märtyrer machen, aber Opfer müssen gebracht werden. Also schlage ich vor, dass Ihr dir Gerichtsverhandlung schnell hinter Euch bringt und das Todesurteil unterschreibt."

Und das tat er dann schließlich auch. Die Verhandlung war reine Formularität für eine längst beschlossene Sache. Yoshihiro bestätigte noch einmal für den Mord an Reimi Sugimoto verantwortlich zu sein, danach sprach er kein Wort mehr. Es passte nicht, etwas stimmte nicht, und doch griff Jotaro zur Feder und unterschrieb, unter wachsamen Blick seiner Berater, Yoshihiro Kiras Todesurteil. Danach zerbrach er die Feder und warf sie mitsamt dem Tintenpöttchen in den Müll.

Zwölf Jahre später und Jotaro musste die Niderschriften des Falles von damals aus dem Archiv kramen. Zwölf Jahre später und der mittlerweile deutlich selbstbewusstere König durchkämmte Yoshikage Kiras verlassenes Cottage. Er hätte selten dämlich sein müssen um hierher zurückzukehren, jetzt da seine Identität bekannt war, doch im Moment waren seine Habseligkeiten ihr einziger Anhaltspunkt.
,,Vergesst nicht, wir suchen nach allem was uns mehr über Yoshikage Kira verrät. Seine Vorlieben, seine Talente, seine Angewohnheiten, seine Berufung. Alles könnte wichtig sein!", rief er ins Nebenzimmer. Josuke lugte durch die Tür und rümpfte die Nase. ,,Er tötet junge Frauen und behält ihre Hände als Trophäen. Weiß jetzt nicht, ob ich an seinen Vorlieben interessiert bin."
,,Deine persönlichen Prefrenzen Mal außen vor. Hast du schon was?"
Josuke nickte und hielt ein Einmach Glas hoch, das randvoll mit Salz war. ,,Seine Küche ist gut ausgestattet. Obwohl sein Cottage bescheiden eingerichtet ist und er als Buchhälter vermutlich nicht so viel verdient, kocht er gerne. Die Feuerstelle ist noch warm, als wäre sie vor einigen Stunden erst zuletzt benutzt worden."

Jotaro verschränkte die Arme vor der Brust und sah seinen Neffen mit gerunzelter Stirn an. Er hatte nicht vor das hier zu einer Lehre ausarten zu lassen, doch die Gelegenheit war zu köstlich um sie verstreichen zu lassen.
,,Und weiter?"
,,Wie 'und weiter'?"
,,Das war eine clevere Deduktion, aber das war sicher nicht das Einzige. Was konntest du noch erkennen?"
Der Junge spielte mit dem Glas in seiner Hand und schien mit einer Antwort zu hadern. Er war nervös. Gut.
,,A-Also Koichi und Okuyasu haben ein Beil in der Kammer gefunden. Es ist stumpf, weil es oft gereinigt wurde. Wir gehen davon aus, dass Yoshikage Kira seine Opfer damit getötet hat, bevor er seinen Dämonen bekam... aber..."
,,Aber?"
,,Wieso ist er es dann nicht los geworden? Er braucht es nicht mehr. Das wäre ein nicht einkalkuliertes Risiko..."
Jotaro schwieg kurz. Er gab Josuke Zeit nachzudenken, doch als nach 5 Sekunden immer noch nichts kam, half er ihm mit seinen Ergänzungen aus.
,,Feuerstelle. Er hackt das Holz für dir Feuerstelle selbst. Hinter dem Haus befindet sich ein Baumstumpf mit mehreren Einschnitten. Yoshikage Kira ist ein prakmatisch denkender Mann. Wieso das Beil los werden, wenn es woanders noch von nutzen ist? Und es ist eben doch ein einkalkuliertes Risiko, weil er das Blut seiner Opfer gründlich abgewischt hat. Jetzt kommen wir aber zu der eigentlichen Frage - Er hackt sein Holz erst seit einigen Monaten selbst, das verrät uns die Tiefe der Schnitte an dem Baumstumpf. Er hat seinen Dämonen also erst seit einigen Monaten. Die Frage die wir uns also stellen sollten - Woher hat er ihn?"
,,...Keicho Nijimura?"
,,Das wäre eine Möglichkeit. Überprüfen wir das doch gleich Mal. OKUYASU, SCHWING' DEINEN HINTERN HER, SOFORT!"
Die heranschnellenden Schritte waren gut durch den hallenden Flur zu hören, ehe Okuyasu, dicht gefolgt von Koichi, schwer atmend im Zimmer auftauchte. ,,Ihr habt gerufen?"
,,Dein Bruder, hat der Mal, keine Ahnung... Yoshikage Kira mit Pfeil und Bogen attackiert?"
,,Keine Ahnung, ehrlich. Keicho ging immer allein auf die Jagt. Wenn ich es wüsste, hätte ich es euch längst gesagt."
,,Gut. Habt ihr sonst was auffälliges entdeckt?"
Kollektives Kopfschütteln. Super, so könnte das noch dauern.
,,He Jotaro, in dem Sekretär hier ist was komisches! Einmachgläser mit... um ehrlich zu sein habe ich keine Ahnung was das ist", rief Josuke zu ihm herüber und entleerte gerade den Inhalt des Glases auf seine Handfläche. Der König trat an ihm heran und schaute seinem Onkel auf die Handfläche. ,,Sieht aus wie Fingernägel."
,,IM ERNST JETZT?!" Sofort lies er die Nägel fallen und wischte sich die Hände angewidert an seinem Hemd ab. Jotaro holte derweil das Notizbuch aus der Tasche, das Koichi dem Mörder abgeknöpft hatte und blätterte durch. ,,Sind... sind die etwa von seinen Opfern?!"
,,Nein, das denke ich nicht. Ich denke es sind seine eigenen. Jetzt machen auch die Notizen hier Sinn. Seit 1687 dokumentiert er hier in welchen Intervallen seine Nägel wie lang wachsen. Vermutlich ist das Aberglaube, so wie andere Menschen ihre Zukunft mit Karten legen lesen. Er liest an der Länge seiner Finger ab wie gut seine Chancen zum Morden sind."
Josuke schaute über Jotaros Schulter hinweg in das Notizbuch und tippte auf die 1699 Spalte. ,,So lang waren seine Fingernägel seit 1687 nicht. Das ist schlecht oder?"
Jotaro antwortete nicht. Er schlug das Notizbuch zu, steckte es ein und deutete auf die Tür. ,,Okuyasu, Koichi, seht euch Mal im Flur um. Josuke und ich bleiben hier. Vermutlich finden wir was in seinem Schlafzimmer."
Niemand stritt sich darum das Schlafzimmer eines Psychopathen zu durchsuchen, also ergriffen Koichi und Okuyasu die Gelegenheit und verschwanden, ehe der König es sich anders überlegen konnte. Jotaro und Josuke hingegen übertraten die Schwelle, die Schlafzimmer von Wohnbereich trennte und sahen sich um. Bis auf ein kleines Fenster, einer alten Matratze und einem maroden Schrank war es ein recht lieblos eingerichteter Raum.
,,Also alles was ich hieraus deduzieren kann ist, dass Yoshikage Kira keine Persönlichkeit hat."
,,Wohl eher, dass er den Anschein machen möchte keine Persönlichkeit zu habe, um nicht aufzufallen", korrigierte Jotaro leise und öffnete den Schrank.
,,Hm."
,,Hm?"
,,Josuke, tust du mir Mal einen Gefallen? Verlass das Haus und lauf zum Schlafzimmerfenster. Dann läufst du bis zum Ende des Hauses und klopfst gegen die Wand. Danach kommst du wieder rein."
,,Okay, wenn du meinst. Gib mir eine Minute."

Es dauerte keine halbe Minute und Jotaro sah Josuke an dem Schlafzimmerfenster vorbei huschen. Das kurz darauf erhallende Klopfen kam allerdings nicht von direkt neben ihm. Es schien aus einem anderen Raum zu kommen. Der Raum war also kleiner als die Hausfassade, was im Grunde nur eines bedeuten konnte. Als Josuke zurückkam sah er, wie sein Neffe vorsichtig die Schrank Innenseite abklopfte.
,,Was tust du da?"
,,Hinter dem Schrank ist ein weiteres Zimmer, ich bin mir ganz sicher. Geh' zur Seite, Josuke, das könnte jetzt splittern."

Josuke schaffte es gerade so Abstand zu nehmen, da trat Jotaro einfach die Schrankwand ein. Vermutlich hätte es einen Knopf oder einen Hebel gegeben um die Geheimtür zu öffnen, doch Geduld war eine Tugend, die der liebe Gott dem jungen König nicht in die Wiege gelegt hatte. Er riss den Rest des Holzes ein, bis das Loch groß genug war und trat in das Zimmer ein. ,,Bleib dicht hinter mir."
,,Ja doch."
Die versteckte Stube verfügte über kein Fenster, nur das durch das Loch einfallende Tageslicht sorgte für etwas Erleuchtung, doch der Großteil des Zimmers lag im Dunkeln. Jotaro holte ein Schwefelhölzchen aus der Tasche und zündete es an. Die kleine Flamme erleuchtete das Grauen, das hier verborgen lag. Eine Art Tisch, mit Ketten an allen vier Ecken. Das Holz war alt und bedeckt von braunen Flecken. An den Wänden hingen Zangen, bohrer und Messer in allen Größen und Formen. Der Anblick ließ einen das Blut in den Adern gefrieren.
,,Heißt das... heißt das Kira hat einige seiner Opfer hier hingerichtet?"
,,Nein."
,,Was soll das heißen 'Nein'? Wonach sieht das sonst aus, Jotaro?"
Der König wagte einen Schritt vor und hob einen der Ketten an. Die Schelle war eng und klein. ,,Willst du Mal versuchen deine Hand dadurch zu stecken?"
,,Ähm... Nein?"
,,Es würde auch nicht passen. Die Ketten sind auf Kindergröße angepasst. Wenn jemand in diesem Raum gefoltert, nein, entschuldige, gezüchtigt wurde, dann ist es Yoshikage Kira selbst."
Josuke sah seinen Neffen entgeistert an, doch er wusste, dass es wahr sein musste.
,,Er hat den Raum behalten in dem er misshandelt wurde? Aber wieso? Das macht keinen Sinn!"
,,Wenn man in dem Glauben aufwächst, das alles hier sei "normal", so sieht man sich selbst auch nicht als Opfer. Es ist sogar gut möglich, dass dieser Raum beruhigend auf ihn wirkt. Es erinnert ihn an seine Eltern."
Josuke trat an einen Schreibtisch in der Ecke und schaute sich die Dokumente darauf an. ,,Krank", kommentierte er leise und zog die Schublade auf.
Stockend holte er einen Rosenkranz aus der Schublade und beäugte ihn gründlich. Er kam ihm bekannt vor.
,,Jotaro, kennst du-" er drehte sich um, doch mit einen Mal stand er nicht mehr in der kleinen Folterkammer.

Er beobachtete etwas, war aber unfähig einzuschreiten, als würde er passiv einem Theaterstück zusehen. Er sah Reimi, in ihrem schönen altrosanen Alltagskleid, die einst hochgesteckten Haare längst zerzaust und ein Rosenkranz, der sich um ihre rosigen Finger wandte. Sie schlug die Augen auf und fokussierte lächelnd etwas, das hinter Josuke zu sein schien.

,,Da bist du ja."

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