Ärger aus Preußen

,,Du warst also in der Stadt um Menschen gegen die Pest zu heilen?"
,,Du hast also mit einem König geschlafen?"
,,Ist dir dein Leben wirklich so wenig wert, dass du auf meine Frage mit einer Gegenfrage antwortest?"
,,Bist du so fokussiert darauf nicht über deine Sex Eskapaden auszupacken, dass du meine Gegenfrage umgehst?"

Josuke war zu weit gegangen. Das merkte er, als seine Mutter nach der Ernte Sichel griff und sie ihm entgegen schleuderte. In letzter Sekunde konnte er ausweichen und die gebogene Klinge bohrte sich in die Tür hinter ihm.
Ein guter Tag ist vergangen seit er König Jotaro und Prinzessin Jolyne heilen konnte. Ein Tag, seit sein Muttermal dem König ins Auge fiel und er ihm sagte, dass er vermutlich ein Königsbastard war.
Heute in aller frühe musste die St. Emerald aus dem Londoner Hafen ausgelaufen sein und Captain Noriaki dürfte mittlerweile Kurs auf die neue Welt nehmen. In einem Monat würde er mit Joseph II zurückkehren, der angeblich Josukes Vater sein sollte. Aber angeblich reichte nicht und er hatte keine Lust einen Monat zu warten, also hatte er begonnen seine Mutter auszufragen, kaum dass er zuhause angekommen war. Und in diesem Gespräch gab er auch endlich zu als Pest Doktor zu arbeiten. Nun standen sie Beide mit dem Rücken zur Wand.

,,Ich habe dir verboten in die Stadt zu gehen, weil ich mir sorgen gemacht habe, dass du dich mit der Pest infizierst, aber wie es aussieht, hast du dich völlig ungeschützt der Gefahr ausgetzt."
,,Ungeschützt? Na hör Mal, ich hatte immer eine Maske auf!", verteidigte Josuke sich und schwenkte mit seiner schwarzen Raben Maske. ,,Außerdem hat mein Fehler Menschen das Leben gerettet. Was hat es der Welt gebracht, dass du den Beischlaf mit einem König vollzogen hast?"
,,Es hat dir das Leben geschenkt, oder etwa nicht?"

Josuke öffnete den Mund um etwas darauf zu erwidern, aber seine Mutter hatte ihm Mal wieder den Wind aus den Segeln genommen. Wie sollte man auch schon auf sowas antworten?
In dem Moment klopfte es an der Tür der bescheidenen Blockhüte und Josuke zog sie einfach an der eingebohrten Sichel auf.
Sein Blick war auf Augenhöhe gerichtet, also bemerkte er den morgentlichen Besuch erst, als er hinuntersah. ,,Koichi?"
,,Guten Morgen, Sir. Dürfte ich... dürfte ich eintreten?"
Er merkte, dass der königliche Botschafter sich nicht wohl fühlte. Er trat von einem Bein aufs andere und schaute immer wieder nervös zu einer Gruppe von Josukes Nachbarn hinüber, die den adrett gekleideten, kleinen Mann immer wieder missmutig musterten. Er gehörte nicht in ein Bauerndorf und das sah man ihm deutlich an.
,,Meinetwegen, komm rein. Aber ich bin erst seit ein paar Stunden wieder zuhause. Was hat Jotaro vergessen?", murmelte er und lies den Kerl eintreten, bevor er die Tür schloss und gut verriegelte. Er kannte die Leute aus seinem Dorf und er wusste, dass sie nicht gut auf den König und seine Anhänger zu sprechen waren. Bevor heute doch noch jemand von einer Sichel durchbohrt werden würde, verband er den Riegel lieber noch zusätzlich mit dem Leinenseil, das eigentlich nur Nachts zum Raubschutz angebracht wurde.
Koichi fand sich nun in der Mitte der Stube wieder, die bloß mit einem Tisch, drei Stühlen und drei Bettmatten möbiliert war. Stroh und ein Ofen sorgten für Wärme und die Küche war in die Ecke gezwungen und schmutzig. Es wirkte nicht gerade bewohnbar, jedenfalls nicht in Koichis Augen.
,,Nett", kommentierte er.
,,Jesus wurde unter netteren Unständen geboren. Der hatte wenigstens Gold im Stall", sagte Josuke gleichgültig.
,,Deine Art heute gefällt mir nicht. Ich hole mal lieber die Sichel", murmelte seine Mutter und zog das festgebohrte Werkzeug einfach aus der Tür. Wie sie da so stand, offenbar wütend und mit der gebogenen Klinge in der Hand, gefror dem armen Botschafter das Blut in den Adern.
,,Ihr müsst Josukes Mutter sein. Es freut mich Eure bekanntschaft zu machen. Koichi Hirose mein Name, königlicher Botschafter", erklärte er schlichtend und verbeugte sich so tief er konnte.
Daraufhin lies Tomoko die Sichel tatsächlich sinken, aber sie sah immer noch ziemlich unberechenbar aus. Josuke packte Koichi am Kragen und zog ihn mit sich in die andere Zimmerecke. Nicht, dass sie das vor einer möglichen Wurfattacke schützen würde. ,,Der König hat mich gebeten Euren Sohn wieder mitzunehmen. Ich weiß, er ist gerade erst wieder zuhause angekommen, aber es ist wirklich wichtig."
Ab da sah Josuke sein Leben ernsthaft an sich vorbeiziehen. Seine Mutter sah aus, als würde sie sie beide mit bloßen Händen erwürgen können, doch dann lies sie von jetzt auf gleich locker und schaute zur Seite, fast als ob sie mit den Gedanken abdriften würde. ,,Dein Großvater kommt morgen zurück aus Preußen", sagte sie abwesend, ,,bis dahin bist du besser zurück."

Die Kutschfahrt zurück zum Schloss schien sich zu ziehen wie Kaugummi. Josuke verstand nicht, wieso er nach so kurzer Zeit zurück zitiert wurde und Koichi versicherte ihm mehrmals genauso ahnunglos zu sein wie er. Was wenn Jotaro entschlossen hatte, das Josephs Bastard eine Gefahr für seine Thronfolge darstellen würde? Vielleicht käme er ja am Schloss an und der Scharfrichter würde bereits auf ihn warten. Vielleicht dachte er aber auch nur zu viel nach.
,,Sir...", sprach Koichi ihn da auf einmal an. Josuke schreckte hoch. ,,Hör auf mit der Förmlichkeit, ja? Du kannst mich ruhig Josuke nennen."
,,Wie du willst, Josuke. Hast du dich während deiner Arbeit eigentlich schon Mal infiziert? Mit der Pest, meine ich."
,,Dann würde ich ja wohl noch kaum hier sitzen, oder?"
Koichi blinzelte verwirrt. ,,Ja, aber könntest du deine Wundermedizin nicht einfach selbst einnehmen?", fragte er.
Josuke blickte aus dem Fenster. Felder und Wiesen gingen hinter einer dicken Mauer in Häuser und Pflastersteinen über. Sie waren in der Stadt und würden bald ihr Ziel erreicht haben. ,,Ich hatte das Schweißfieber als Kind", gestand er leise. ,,Auf den Land zu leben hat uns damals nicht vor dieser Pestilenz bewahrt. Ein Nachbar brachte den Mist ins Dorf und meine Bekannten starben wie die Fliegen. Ich hatte Angst um mich und um meine Familie, also verbrachte ich Tagelang im Garten und experimentiere so viel mit den verschiedensten Kräutern, bis ich ein Heilmittel fand. Diese Gabe hatte ich schon immer, aber ich weiß nicht wieso.
Jedenfalls heilte ich ein kleines Mädchen von nebenan, doch noch bevor sie die Medizin einnahm musste sie mich angesteckt habe."
Josuke legte eine Pause ein und sah Koichi an, der gespannt lauschte. ,,Ich weiß nicht ob du schon Mal die Auswirkungen des Schweißfiebers gesehen hast, aber die Übertragung geschieht schnell. Das Schwitzen begann keine Stunde danach und am Abend war mein Fieber so hoch, dass ich das erste Mal zum lieben Gott betete und ihn anflehte mich leben zu lassen. Ich habe meine Medizin getrunken, die ganze Flasche gext, aber es wirkte nicht. Mein Körper kann mit meinen Tinkturen nichts anfangen.
Letztendlich habe ich übrigens überlebt. Vielleicht hat Gott mich gehört, vielleicht hatte ich auch einfach nur unverschämt viel Glück. So oder so hat mich diese Zeit gelehrt mich nicht auf meine Fähigkeiten zu verlassen und immer vorsichtig zu sein."

,,Ja aber...", stammelte Koichi, ,,du hantierst so selbstsicher mit den Kranken, das ich dachte du könntest jederzeit... wie hast du es geschafft dich bei all den Kranken mit denen du täglich in Kontakt trittst nicht anzustecken?"
Auf die Frage hin zog Josuke seine Rabenmaske aus der Tasche und hielt sie Koichi hin, der sie eher zaghaft entgegen nahm. Die jetzt leeren Augenhöhlen schienen ihn einfach anzustarren und ihm war, als ob er all die Todkranken schreien hören könnte, nur beim Blick auf dieses Ding. ,,Sie mag gruselig aussehen, aber sie hat auch einige Schutzfunktionen. Die Atemlöcher filtern die Luft die ich einatme und schützen mich vor Tröpfchen Infektion. Zu dem trage ich immer Handschuhe und reibe mich täglich mit Zitronensaft ein", erklärte er. Koichi rümpfte die Nase. ,,Zitronensaft?"
,,Gegen die Flöhe. Die Biester hassen den Geruch von Zitrone."
,,Was denn für Flöhe?"
,,Na die Rattenflöhe. Den Viechern haben wir den ganzen Mist mit der Pest doch überhaupt erst zu verdanken! Oder bist du einer von diesen faktallergischen, hirnlosen Kirchenmenschen, die glauben wir hätten es mit Gottes Strafe zu tun?"
Nun lief der arme Botschafter rot an und wandte seinen Blick ab. ,,Nein, ich hab's nicht so mit der Kirche", gestand er ehrlich, ,,aber ich habe mir auch nie Gedanken gemacht woher die Pest sonst kommt."

Das Schlosstor wurde zwar für sie geöffnet, aber auch direkt wieder scheppernd zugezogen, kaum dass sie hindurch gefahren waren. Der Seuchenschutz war hier ziemlich extrem.
Koichi führte ihn ins Schloss innere, während ein Stalljunge kam und dem Kutscher beim versorgen der Pferde half. Kein Scharfrichter weit und breit. Vermutlich hatte er sich einfach zu viele Sorgen gemacht.
Auf dem Weg zu Jotaros Arbeitszimmer liefen sie einen Flur hinab, der Josuke beim ersten Mal gar nicht so aufgefallen war, mit der eingeschränkten Sicht, die die Maske beschaffen hatte. Der ganze Flur war an den Wänden von Gemälden behangen, fast wie in einer Kunstgalerie. Josuke kam nicht umher stehen zu bleiben und die Meisterwerke anzustarren. Wer auch immer der Künstler war, er verstand sein Handwerk. Ölfarben waren perfekt gewählt und aufeinander abgestimmt, die Pinselführung war perfekt und die Personen auf den Gemälden schienen beinahe lebendig. Die Portraits die Josuke bis dahin kannte, kamen ihm immer sehr unrrealistisch und beinahe gruselig vor, aber das hier war wunderschön.
,,Oh, ich sehe du machst dich mit Master Kishibes Werken vertraut", rief Koichi, der nun bemerkt hatte, dass seine Begleitung stehen geblieben war und das Bild einer blonden Frau anschaute.
,,Dieses Bild stellt Königin Erina da", erklärte er. Josuke runzelte die Stirn. ,,Ist die nicht seit 70 Jahren tot oder so? Wie alt ist Master Kishibe?"
,,Oh, nicht alt. Leider kam das Gemälde Ihrer Majestät in einem Raubzug abhanden. Master Kishibe kannte es aber gut und malte Königin Erina aus seiner Erinnerung neu. Jeder der das Original kannte bestätigte, dass er alles perfekt eingefangen und dem ganzen zusätzlich einen Hauch Leben gegeben hatte. Der Mann ist ein Genie! Manche behaupten sogar er stelle die Werke von Master Holbein in den Schatten."
Josuke sah sich da nicht im Recht zu widersprechen. Er kannte sich nicht mit Kunst aus und der Name Holbein sagte ihm schon Mal gar nichts. Sein Opa hat ihn Mal mit auf eine Kunstausstellung im Süden des Königreichs mitgenommen, aber die gruselig leblosen Menschen auf den Gemälden hat er nur noch verschwommen in Erinnerung. Hier aber hatte er den Eindruck, als ob Erina gleich aus diesem Rahmen steigen und mit ihm sprechen würde.
,,Wenn man es dann ganz genau nimmt", meinte Koichi da, ,,ist Königin Erina wohl deine Urgroßmutter."
,,Könntest du das bitte nicht so sagen? Ich hatte keinen Tag Zeit um den ersten Schlag zu verarbeiten und jetzt kommst du und- was soll das werden?"
Irritiert brach Josuke ab und sah zu wie der königliche Berater ihm am Ärmel packte und weiter den Flur hinunter zog. Vor einem weiteren Gemälde machte er halt.
,,Eines von Master Kishibes jüngsten Werken. Joseph II, bei seinem letzten Besuch hier."
Der Mann der sie mehr vom Rahmen aus angrinste als jeder andere Monarch der je Modell gestanden hatte, hatte seine besten Jahre unverkennbar bereits hinter sich. Lachfalten durchzogen sein bärtiges Gesicht und die grünen Augen waren so freundlich, dass Josuke nichts von dem Schmerz in ihnen lesen konnte, wie er es aus all den Legenden gehört hatte. Ein König, der durch seine Affären und seine traumatisierenden Odyssen bekannt geworden ist, hätte er sich irgendwie anders vorgestellt. Hart, vielleicht sogar ein wenig gebrochen und tyrannisch.
Und ja, er sah was Jotaro meinte. Dachte man sich die Falten weg, dann war die Ähnlichkeit unheimlich. So ein Mist!

,,Sagt Mal, habt ihr zwei vor dadraußen Wurzeln zu schlagen?"
Als sie sich zu der Stimme umdrehten, stand Jotaro ihnen gegenüber im Flur, die Tür zu seinem Arbeitszimmer geöffnet. ,,Oh nein, Euer Majestät. Josuke sind nur Master Kishibes Werke aufgefallen und wir haben uns ein wenig in der Kunst verloren."
,,Nun, Master Kishibe hat seinen Besuch angekündigt. Das letzte Portrait von Jolyne ist noch von ihrer Geburt und ich hab ihn gebeten das ein wenig zu aktualisieren. Wenn er hier ist, kann ich euch bekannt machen."
Josuke musste sich das Augen verdrehen ehrlich verkneifen. Royals und ihre Probleme. Bevor Jotaro und er mit ihren verschiedenen Ansichtem erneut aneinander prasseln würden, folgte er dem König in das Arbeitszimmer und sah verwundert zu wie er die Tür schloss.
,,Aber Koichi-"
,,Ich vertraue Koichi mehr als meiner eigenen Hand, aber ich denke nicht, dass ihn das hier etwas angeht. Setz dich", antwortete Jotaro und griff dabei nach einer Wasser Karaffe, die auf dem Sekräter platziert wurde.
Um das Glas Wasser das ihm dann hingestellt wurde war Josuke ziemlich dankbar, denn er spürte wie sich ihm die Kehle zuschnürte. Erst wurde er nach nicht Mal einen Tag von Jotaro zurück zitiert, dann schloss er sich mit ihm in sein Büro ein und nicht Mal Koichi bekam Zutritt gewährt. Vielleicht war seine Idee mit der Hinrichtung ja doch nicht so abwegig und es mussten nur noch die Formulitäten erledigt werden.
,,Letzte Woche hat mich ein Brief aus Preußen erreicht", sagte Jotaro und anstatt weiter zu erklären, legte er Josuke den Brief vor.
Buchstaben.
Vielleicht auch zahlen.
Wer wusste das schon?
,,Muss ich dir erklären, dass 90% aller Bauern Analphabeten sind oder lässt du dich jetzt einfach dazu herab mir das vorzulesen?"
Jotaro schaute kurz verwirrt, dann nahm er den Brief wieder an sich und schüttelte den Kopf. ,,Der König von Preußen schrieb mir, das einer meiner Untertanten Zeuge bei einem Mord wurde. Er sorgte dafür, dass der Mörder überführt und verurteilt wurde. Einen Tag später wurde das Schwein gehängt."
,,Ah, das ist ja toll. Du solltest den Kerl zum Ritter schlagen lassen. Und wieso erzählst du mir das?"
,,Weil der Mörder seine Hinrichtung überlebte. Der König schreibt in seinen Brief, dass er aus der Hölle zurück kroch wie ein gottverdammter Apostel! Und natürlich wollte er Rache an der Person, die gegen ihn ausgesagt hat. Er wurde, begleitet und beschützt von preußischen Soldaten, zurück hierhergebracht und kam heute morgen hier an, kurz nachdem du weg warst. Als er mir seinen Namen verriet wusste ich, dass ich dich besser herholen sollte."
Die dunkle Vorahnung in Josuke war nun nicht zu überspielen. Ein dämonischer Mörder jagte einen Mann in Preußen und Jotaro denkt es könnte ihn interessieren? Er kannte nur eine Person, die sich seines wissens nach in dem deutschen Bereich der Landkarte aufgehalten hatte.
,,Er sagte sein Name sei Higashikata und er käme aus dem kleinen Bauerndorf Morioh. Ist er...?"
,,Er ist mein Großvater", antwortete Josuke und kaum hatte er das ausgesprochen wusste er, dass irgendetwas schrecklich schief gehen würde.

Sein Großvater saß in einem geräumigen Morgenzimmer auf dem Sofa und erzählte einem Dienstmädchen von Gott und der Welt, als Jotaro und Josuke eintraten. Das Mädchen verbeugte sich schnell, ging und schloss die Tür hinter sich.
,,Josuke, mein Junge, lass dich ansehen. Mein Gott, bist du gewachsen? Nicht mehr lange und du kannst mir über den Kopf spucken!", rief sein Großvater und sprang vom Sofa auf, um seinen Enkel zu umarmen. Josuke aber hielt ihn resignierend auf Abstand und schaute streng. ,,Zwei Dinge. Erstens: Hat Mom dir gesagt, wer mein Vater ist? Wusstest du davon?"
Er schwieg und schaute zur Seite. Antwort genug. ,,So und zweitens hast du mir immer gesagt, dass ich mich aus Schwierigkeiten raushalten soll. Und was machst du?!"
,,Das ist nicht zu vergleichen, mein Lieber. Wenn ich sage "Halt dich aus Schwierigkeiten raus", dann meinte ich, dass du dir nicht mit anderen Kindern die Köppe einschlagen sollst. Ich habe das Richtige getan und Gerechtigkeit wird geschehen."
Darauf erwiderte niemand etwas. Die drei setzten sich zusammen und der alte Mann begann zu erzählen. ,,Ich weiß nicht ob Josuke Euch das erzählt hat, aber meine Bewunderung für kleine und große Kostbarkeiten zieht mich oft durch Tal und Land. Ich mag kein reicher Mann sein, aber es reicht oft schon bei einem Apfel anzufangen, um sich durch Tauschgeschäften hochzuarbeiten, wie dieser Hans aus diesem deutschen Märchen. Vor rund zwei Monaten zog ich los nach Preußen, da dort in dem bayrisch, österreicherischen Grenzgebiet ein riesiger Weltmarkt stattfinden sollte. Tochter und Enkel lies ich zurück. Erst wollte ich gar nicht gehen, aber sie versicherten mir alleine klar zu kommen."
,,Was hast du gedacht? Das wir die Hütte in Brand setzen?", fiel Josuke ihm gereizt ins Wort.
,,Nein, so meinte ich das doch gar nicht", beschwichtigte sein Großvater ihn, ,,wie auch immer. Ich verbrachte also jeden Tag auf diesem Markt und als eines Abends die Sonne unterging, sah ich ihn in der Seitengasse. Ich war zur falschen Zeit am falschen Ort und viel zu spät um das junge Fräulein zu retten. Als ich vorbei kam, war ihre arme Seele längst geschändet und sie war tot. Er lehnte über ihrem misshandelten Körper und grub in ihren Organen, wie ein verdammter Dämon.
Ich rannte weg bevor er mich bemerkte und alarmierte die Wachen, die mir sofort folgten und den Dreckskerl in Gewahrsam nahmen. Zwei Wochen hörte ich nichts von dem Vorfall, dann wurde ich vorgeladen um vor Gericht zu bezeugen, dass dieser Mann, Angelo heißt er, schuldig ist.
Ich sagte unter Eid aus und meine Aussage war alles was fehlte, um Angelo an den Galgen zu bringen."
Er brach ab und dachte nach. Seine freundlichen Augen füllten sich mit einem Mal mit einem Kummer, der beinahe verstört wirkte. Josuke beugte sich gespannt vor. ,,Jesus hat seinen Jüngern drei Tage Trauerzeit gelassen, bevor er zurückkehrte. Angelo wartete keinen Tag. Als er aus der Hölle kroch, schien er zehn Mal stärker und brutaler, suchte meine Bleibe auf, versuchte mich umzubringen... ich konnte durchs Hinterfenster entkommen und Schutz beim König suchen, der mich unter Begleitung zurück hierher schickte, aber ich hatte immer das Gefühl beobachtet zu werden. Als sei er uns dicht auf den Versen und würde nur auf eine Gelegenheit warten mich zu töten."

Damit beendete Josukes Großvater seinen Bericht. Josuke konnte sich nur vorstellen, dass Angelos Henker schlampig vorgegangen ist und er den Verurteilten zu früh vom Galgen holte. An Dämonen glaubte er bis dato nicht.
Aber da war eine tiefgehende Angst im Gesichtsaudruck seines Opas, die ihn zweifeln lies. ,,Der Kerl ist dir doch nicht wirklich den ganzen Weg hierher gefolgt, oder?", fragte Josuke. Jotaro und sein Opa schwiegen, mehr als Antwort genug. ,,Es ist ja nicht nur, dass er Rache will. In Preußen kennt jedes Kind sein Fahndungsbild und er wäre früher oder später erwischt und auf der Stelle getötet worden. Hier ist er noch unbekannt und sicher vor neugierigen Blicken. Solange er deinen Großvater nicht kriegt, hat er außerdem bereits andere Wege gefunden seinen Blutdurst zu stillen", erklärte Jotaro leise, ,,Eine fünfköpfige Familie. Die Mutter war Hebamme, der Vater war Bäcker. Sie hatten drei Kinder, keines älter als zehn. Sie wurden letzte Nacht abgeschlachtet wie Opferlamme. Wenn das nicht Angelos Werk war, fresse ich einen Besen."
Josuke war entschlossen seinen Neffen diesbezüglich bei Wort zu nehmen, aber er gab zu, dass es andernfalls schon ein ziemlich großer, tragischer Zufall wäre. Die Kriminalrate in ihrem Königreich war konstant gesunken, seit Jotaro mit 15 die Krone aufgesetzt bekommen hatte, aber jetzt auf einmal wurde wie aus dem nichts eine ganze Familie ausgelöscht. Das war neu und es gefiel ihm ganz und gar nicht.

,,Ich fühle mich ehrlich gesagt nicht wohl dabei euch zwei nahhause zu schicken. Wenn Angelo es irgendwie schafft euch zu folgen, haben wir bald die nächste tote Familie und das würde ich gerne, wenn möglich, vermeiden."
,,Aber, aber, Euer Majestät, mein Töchterlein würde sich schreckliche Sorgen machen, wenn wir nicht nachhause kommen. Ich bezweifle, dass ihre sanftmütige Seele einen solchen Schrecken einfach weg stecken könnte. Wir werden vorsichtig sein, versprochen."
Josuke spielte mit dem Gedanken seinem Opa zu erzählen, dass diese "sanftmütige Seele" ihm am vergangenen Morgen mit einer Sichel bedroht hatte, belies es dann aber bei einem kritischen Räuspern. Sie hatten größere Probleme, wie zum Besispiel eine sichere Heimkehr.
,,Es würde vielleicht schon sehr helfen, wenn du deine Maske tragen würdest, Josuke. Sollte Angelo euch sehen, bleibt wenigstens deine Identität vedeckt. Vielleicht weiß Angelo nicht Mal, dass dein Großvater Familie hat", schlug Jotaro vor.
,,Hey, das ist keine so schlechte Idee. Aber warum verkleiden wir ihn nicht auch einfach, um ganz sicher zu gehen? Hey Opa, wir verlegen Karneval etwas vor. Als was willst du gehen? Hof Narr vielleicht?"

Jotaro wartete die Antwort gar nicht ab und schob den alten Mann zur Tür, wo er ihn in die Obhut der Wachen gab und ihnen befahl eine Verkleidung für ihn rauszusuchen. Verwundert sah Josukes Opa sich zu seinen Enkel um. ,,Ja aber kommt Josuke nicht mit?"
,,Ich habe da noch etwas mit Eurem Enkel zu bereden, Higashikata. Er kommt nach", antwortete Jotaro und schloss die Tür zum Morgenzimmer. Josuke atmete tief durch.
,,Wir müssen keinen Monat warten um die Wahrheit herauszufinden. Ich habe mit meiner Mutter gesprochen und wie es aussieht... ich bin ein Königsbastard. Sag Mal, würdest du mich dafür hinrichten... also, ich will dass du weißt, dass ich nicht scharf auf irgendein Erbe oder Macht bin und ich bin der letzte der sich Jolynes Regentschaft in den Weg stellen würde, also kein Scharfrichter, ja? Ich weiß es klingt albern, aber ich hatte die ganze Fahrt hierher Bauchschmerzen, weil ich dachte du lässt mich köpfen, aber ich mag meinen Kopf, auch wenn er sich manchmal zu viele Gedanken macht und-"

Josuke hielt inne als er sag wie nahe der König ihm gekommen war. Jotaro runzelte die Stirn. ,,Du dachtest ich würde dich köpfen lassen?"
Der Teenager nickte beschämt.
,,Josuke, ich würde dich niemals köpfen lassen. Tod durch Enthauptung ist so Schmerzlos, dass er nur für begnadigte Täter als Strafe verhängt wird. Da ich dich sicher nicht begnadigen würde, würdest du elendig am Galgen oder im Hexenfeuer verrecken wie jeder andere Schwerverbrecher auch."
Josuke schnaubte wütend. ,,Was der Galgen bringt haben wir ja jetzt bei Angelo gesehen!", rief er trotzig und schob die Oberlippe dabei zum schmollen vor. Jotaro verdrehte die Augen über dieses kindische Verhalten. ,,Angelo hat überlebt, weil die Mächte der Hölle ihn zurück unter die Lebenden schickten", erklärte der König gedämpft, ,,Vor gut zehn Jahren passierte es, dass ich besessen wurde. Die ersten Tage war es kaum auszuhalten. Der Dämon wehrte sich gegen meinen Körper und ich wehrte mich gegen ihn. Später sagte man mir, meine Augen seien zurückgrollt und Schaum sei aus meinem Mund hervorgequollen.
Aber dann kam mein Großvater, dein Vater, und er sagte mir, dass alle aus unserer Familie durch die Verbindung mit Dio von einem Dämonen besessen waren und der sogar ziemlich praktisch sein konnte, wenn ich lernte mit ihm umzugehen... seit dem ist er ein Teil von mir und ich schätze diese Begabung Arzneimittel herzustellen ist die Fähigkeit deiner Höllenkräfte.
Nun hege ich den Verdacht, dass Angelo ebenfalls besessen wurde. Wenn er nicht sogar selbst ein Dämon ist."

Josuke verstand nur die Hälfte. Klar, von Dio hatte er schon Mal gehört. Dio, King of Scotts, der im zarten Alter von 12 Schottlands König wurde und bald schon nach dem englischen Thron trachtete, der zu der Zeit noch König Jonathan gehörte. Dieses Katz und Maus Spiel zwischen den Beiden verfeindeten Monarchen endete nach rund sieben Jahren mit Dios Enthauptung. Wenige Wochen später starb auch Jonathan, angeblich an den Windpocken, aber die ganz abgebrühten Theoretiker behaupteten Dios Geist habe Rache genommen.
'Definitiv Windpocken', dachte Josukes atheistischer Geist, ,'und der arme Jotaro leidet vermutlich an Schwindsucht oder Tollwut. Vom Teufel besessen, ja klar.'
Sein Respekt dem jungen König gegenüber bekam einen starken Dämpfer, aber anstatt das zu zeigen, belächelte er seinen Neffen mitleidig. ,,Okay... wir können das ja noch Mal in Ruhe bequatschen, aber jetzt sollte ich auch Mal. Grandpa wartet sicher schon... war nett mit dir zu plaudern und ähh bleib gesund. Ich will dich nicht schon wieder heilen müssen", rief er gespielt drohend, bevor er sich geradewegs umdrehte und einfach das Zimmer verlies. Jotaro seufzte bloß. Ihm war klar, dass er nicht den besten Eindruck in Josukes Augen gemacht hatte, aber irgendetwas sagte ihm, dass der Junge ihm bald genug glauben würde.
Aber Analphabet? Der Sohn von Joseph Joestar? Nein, dagegen musste er etwas tun.

Josukes Großvater verbarg sein Gesicht unter der Kapuze eines ihm etwas zu großen Mantels, als Josuke selbst zu ihm in die Kutsche stieg. Seine Pestmaske war wieder an ihren Platz, was Ryohei verwirrt registrierte. ,,Lehre beim Schmied, hm?"
,,Ich konnte nie so mit Feuer und Eisen, also hab ich eine Umschulung machen lassen. Irgendwie zahlen Sterbenskranke auch besser als gereizte Schmiede."
Sein Großvater gluckste belustigt, aber mehr sagte er zu dem Thema nicht. Er nahm es locker, er nahm immer alles locker was Josuke tat. Er war das ruhige Gegenstück der Erziehung im Kontrast zu Josukes wütender Mutter und dieser Ausgleich hatte ihm in den letzten Wochen echt gefehlt.
Bei dem Gedanken, dass Angelo seinen Opa findet und er diesen Ausgleich für immer verliert, drehte sich ihm der Margen um. Und wie das letzte Mal in seiner Kindheit ertappte er sich selbst bei einem gedanklichen Stoßgebet gen Himmel. 'Lieber Gott, wenn es dich wirklich gibt, dann tu' was!'

In diesen Zeiten der Not brauchten die Menschen Sündenböcke denen sie, um ein reines Gewissen Willen, die Schuld geben konnten. Im Fall der Pest gab es da Zwei solcher Sündenböcke.
Juden und Ratten.
Obwohl es da in Angelos Augen nicht wirklich einen Unterschied gab. Da er aber bereits die einzige jüdische Familie abgeschlachtet hatte, die er in diesem Dreckskönigreich finden konnte, biss er lieber der Ratte den Kopf ab, die es doch tatsächlich wagte durch die Seitengasse zu huschen in der er schlief. Erst fing er den Schwanz von dem Vieh unter seiner Schuhsohle und dann aß er sie lebendig auf, genoß das Gefühl der platzenden Organen auf seinen Zähnen und wie das strampelnde Tier einfach von jetzt auf gleich aufhörte zu zappeln. Berauschend war gar kein Ausdruck für das, was Angelo beim töten empfand.
,,Higashikata, du verdammtes Drecksschwein. Ich hatte so einen guten Lauf in Preußen, aber du musstest alles ruinieren", murmelte er, während er sich das Rattenblut am Mundwinkel wegwischte. Mit einer ruhigen Bewegung aus dem Handgelenk brachte er eine Regenpfütze am Asphalt zum Schwingen und sah wie seine Reflektion in der Oberfläche dem Bild einer ärmlichen Bauernhütte wich. Eine Kutsche des Königs machte davor halt und zwei Männer, ein Pestdoktor und ein Kerl im weiten Mantel, stiegen aus. Der Kutsche machte ohne sie kehrt und diese Narren liesen ihre Verkleidungen fallen.
,,Netter Trick mit der kleinen Maskerade, wirklich nicht übel. Hast du etwa einen Sohn, Higashikata? Nein, ich wette du bist schon seit Jahren impotent. Er ist dein Enkel, oder? Oh ich kann es kaum erwarten ihm die Gedärme rauszureißen, während du zusiehst!"
Da öffnete die Tür der Hütte sich und dem Massenmörder stockte der Atem. Angelos Fähigkeit vermochte es nicht ihn hören zu lassen was gesagt wurde, aber er erkannte am Gesicht der Frau, dass sie gerade nicht besonders freundlich in ihrer Wortwahl war.
Aber Gott im Himmel noch eins, sie war die Versuchung in Person. Angelo biss sich auf die Lippe und schluckte schwer. Diese Familie würde ihm im erweiterten Sinne Befriedigung verschaffen.

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