A dream is a wish your heart makes
Josuke konnte an den Blasen an seinen Füßen abzählen, wie lange er ungefähr getanzt hatte. Nicht immer mit Okuyasu, denn der wurde oft von irgendwelchen Frauen abgelöst. Er tanzte den Gesellschaftstanz wie Jotaro es ihm gelehrt hatte und trat selten jemanden auf die Füße.
Jetzt aber, wo er das fünfte Mädchen weg schickte, weil er seine Füße nicht mehr spürte, beschloss er sich etwas von den Feierlichkeiten zu entfernen, wobei er fast einen blonden Typen umrannte, der dummer Weise einen Kelch zwischen seinen langen Finger hielt und dem Kerl Wein über sein weißes Hemd kippte. Sowas musste auch Mal wieder ihm passieren.
,,Mein Gott... das- das tut mir so leid! Ich hole was zum aufwischen. Nein, ihr braucht Wechselkleidung! Ich-"
,,Es ist okay, wirklich. Ich habe mich von meiner Freundin dazu überreden lassen hierherzukommen, aber öffentliche Veranstaltungen sind nicht so meins. Das sollte wohl ein Wink des Schicksals sein, dass es Zeit für mich wird zu gehen", murmelte der Mann, der gerade dabei war den Fleck mit einem Stofftaschentuch zu bearbeiten, doch Josuke blieb hartnäckig. ,,Ich bestehe darauf. Kommt mit!"
00:05 Uhr, kurz nach Mitternacht. Josuke saß auf seinem Bett und wartete bis der blonde Mann sich hinter seinen Raumteiler umgezogen hatte. Das schmutzige Hemd landete auf dem Fußboden, woraufhin der Junge es sofort aufhob und in eine Ledertasche packte. Der Fremde kam hinter der Trennwand hervor und musterte Josuke misstrauisch.
,,Nette Kammer, für einen Dienstboten."
,,Ja, nicht wahr? Der König ist zu gütig haha! Na ja, hier, ich habe Euer Hemd eingepackt, dann könnt ihr es besser tragen!", damit hielt er dem Ball Gast die Tasche hin. Der Mann aber, und das war wirklich schon komisch genug, ignorierte die Tasche und griff stattdessen nach Josukes Hand.
,,Was zur-"
,,Die solltest du besser pflegen. Ich kann jahrelange Feldarbeit an deinen Fingerkuppen ablesen, als wären sie ein beschriebenes Blatt. Du solltest Lotion benutzen und statt zu knabbern, schlage ich vor du stutzt deine Nägel in Zukunft mit einer Schere."
Dass er noch auf der Taufe seiner Adoptivschwester gesagt bekommen würde, dass seine Hände nicht gut gepflegt wären, damit hätte Josuke nicht gerechnet. Was sollte man auf sowas bitte antworten?
Dann drehte der Mann Josukes Hand und fuhr mit seinen Fingerspitzen die Adern des Jungen nach.
,,Seltsam."
,,Was?"
,,Deine Adern sind gut sichtbar."
,,Das... das ist ja schön für meine Adern."
,,Deine Hände schreien nach jahrerlangen Landwirtschaft, doch deine Haut ist weiß, als wärst du selten in der Sonne. Du hast die Hände eines Arbeiters, aber das blaue Blut eines Adeligen. Seltsam. Äußerst seltsam!"
Und in der Sekunde riss Josuke seine Hand weg und warf dem Fremden einen warnenden Blick zu. Keine der Gäste brauchte zu wissen, dass er der Sohn von Joseph II war, denn das würde nur zu unnötigen Problemen führen.
,,Eure Tasche, Herr...", sagte er und hob erneut die Ledertasche.
,,Kira. Yoshikage Kira. Und die Tasche gehört mir nicht."
,,Korrekt", entgegnete Josuke, ,,sie gehört mir, aber habt Ihr eine Ahnung wie viele von diesen Ledertaschen hier am Hof rum fliegen? Ich fange schon an die an meine Freunde zu verteilen und... ich habe Wein auf Euer Hemd geschüttet, das ist das mindeste was ich tun kann!" Damit drückte Josuke Kira die Tasche gegen die Brust und hoffte, dass er endlich gehen würde. Der Typ war ihm nicht geheuer.
,,JOSUKE, ICH- Woah, unterbreche ich hier irgendwas?" Da stand er in Josukes Türrahmen, mal wieder zuverlässig wie immer. Koichi. Kira legte sich die Ledertasche um und verbeugte sich leicht. ,,Vielen Dank für Eure Hilfe, Euer Hoheit!"
,,Euer was? Habt ihr nicht zugehört?! Ich bin ein Dienstbote!", rief Josuke empört. Kira richtete sich auf und seine violette Augen blitzen gefährlich. ,,Dienstboten haben kein blaues Blut. Haltet mich nicht zum Narren." Damit ging er zur Tür, schob sich noch an einen verdutzten Koichi vorbei, und verschwand dann ganz.
,,Du... du kannst doch nicht einen Fremden auf dein Zimmer lassen. Bist du wahsinning?", rief Koichi entsetzt, doch das letzte was Josuke gebrauchen konnte war eine Standpauke. ,,Ich wusste nicht, dass er so schnell dahinter kommen würde, okay? Außerdem habe ich sein Hemd dreckig gemacht, also hab ich ihm eins von meinen zum wechseln gegeben. Weißt du was? Vergessen wir das. Wieso bist du hier?" Damit setzte Josuke sich zurück auf sein Bett und konnte das erleichterte Stöhnen nur knapp zurückhalten, als er endlich diese Schuhe auszog und seinen pochenden Füßen etwas Freiraum gewährte. ,,Solltest du nicht auf den Ball sein und... was weiß ich? Jotaro beraten?"
,,Josuke, ich hab ein Mädchen geküsst!"
,,Koichi, es ist okay, wenn du für heute keine Lust mehr hast zu arbeiten, aber bitte lüg' mich nicht an."
Ein Mädchen geküsst, Koichi, das klang nach einem Ammenmärchen.
Da holte Koichi aber etwas aus seiner Tasche, das Josuke verdächtig nach einem Frauenschuh aussah. Ein goldener Pantoffel, der aussah als hätte ein begabter Schneider ihn für eine junge Adelige im Austausch für eine menge Geld maßangefertigt.
,,Wieso zu Hölle hast du ihren Schuh?! Ist das eine Vorliebe von der ich nichts weiß?!"
,,Was? Nein! Wir hatten eine schöne Zeit, doch als die Uhr Mitternacht schlug wollte sie plötzlich schnell weg! Sie küsste mich und dann... dann rennte sie weg! Ich lief ihr nach, fand aber nur noch ihren Schuh auf den Stufen runter zum Schlosshof. Ich weiß nicht, aber es wäre schön sie noch Mal zu sehen und zu erfahren wieso sie abgehauen ist. Ich dachte... ich dachte mit den Schuh kann ich sie vielleicht finden."
Koichi lief rot an und Josuke sah ein, dass er es mit einem liebeskranken Vogel zu tun hatte. Das versprach keine leichte Unternehmung zu werden.
,,Wie ist ihr Name?"
,,Hat sie nicht gesagt."
,,Gut, aber du wirst doch wissen wie sie aussieht!"
,,Erklär mich nicht für verrückt, Josuke, aber die Erinnerungen sind nur verschwommen. Ich weiß es nicht..."
Genervt kniff Josuke sich in den Nasenrücken und atmete tief durch. ,,Nur, dass ich das richtig verstehe... du liebst dieses Mädchen und alles was du von ihr weißt ist ihre Schuhgröße? Dir ist klar, dass sie nicht das einzige Mädchen im Königreich mit dieser Schuhgröße sein wird? Ich glaube Ryoko oder auch Mama würden da locker rein passen."
,,Ja aber... keine Ahnung, ich hab einfach so ein Gefühl... Weißt du was? Ich-"
,,Hier steckt ihr zwei also! Josuke Higashikata, ich hoffe sehr für dich, dass dieses einfach verschwinden keine lästige Angewohnheit wird", rief Okuyasu und lief zu ihnen ins Zimmer. Mit einen Mal fühlte Josuke sich schlecht, weil er seinen Freund im Ballsaal hatte stehen lassen und der Frauenschuh in seiner Hand, den er nun schnell Koichi zurückgab, machte es auch nicht gerade besser.
,,Nein, nein. Keine Sorge. Hab nur einem Gast Wein über's Hemd geschüttet und Koichi hat ein Mädchen geküsst, von dem er nur die Schuhgröße kennt."
,,Josuke, wenn du nicht mehr tanzen willst ist das okay, aber bitte lüg' mich nicht an!"
Da sahen Josuke und Koichi sich an und mussten trotz der verflixten Situation lachen. Der Gedanke, dass Koichis Lippen in ihrem Trio als erstes entjunfert wurden war aber auch zu unglaubwürdig. ,,Er sagt die Wahrheit, Okuyasu! Aber wisst ihr was? Ich suche nach ihr! Gleich morgen früh! Ich... danke, Jungs, aber ich lasse euch Mal lieber allein!" Und dann zischte der Kleine ab. Okuyasu sah ihm verdutzt nach.
,,Jetzt sag mal ehrlich Josuke, der Kleine hat wirklich jemanden geküsst?"
,,Ich wollte es ja selbst kaum glauben, aber ich muss, weil ich mir sonst die unangenehme Frage stellen müsste, wie er sonst an den Frauenschuh gekommen ist", antwortete Josuke lachend, auch wenn ihm überhaubt nicht danach zu mute war. Er nahm sein Nachthemd von der Stuhllehne und lächelte Okuyasu an.
,,Schläfst du heute hier?"
,,Oh nein, ich wollte gleich nachhaus-"
,,Bitte, Okuyasu! Es ist gleich halb eins. Du schläfst hier. Basta!"
Da musste Okuyasu doch etwas grinsen. ,,Na hoppala, was für ein Befehlston. Da soll noch Mal einer sagen Königsbastarde hätten kein blaues Blut."
Bei Okuyasus Worten gefror Josuke eben jenes blaue Blut in den Adern und er konnte das Gefühl dieser kalten langen Finger an seinem Handgelenk spüren. Noch nie hatte er jemanden getroffen, aus dessen Mund eine so respektvolle Anrede wie "Euer Hoheit" nach puren Gift und Spott klang. Er sagte nichts, sah noch wie Okuyasu sich in sein Bett legte, ehe er selbst sich hinter seinen Raumtrenner stellte und seine Ballkleidung gegen das weiße Nachthemd tauschte.
Er sah eine Kratzspur an seiner Trennwand und fragte sich unweigerlich was für lange Fingernägel dieser Kira hatte, dass er solche Spuren hinterlassen konnte. Da wusste er auch noch nicht, dass diese lange Fingernägel ein Indiz dafür waren, dass es düster für ihn ausgesehen hätte, wenn Koichi nicht rechtzeitig gekommen wäre.
Yukako saß im Hinterhof des Mehrfamilienhauses in dem sie lebte auf einer Bank, die Knie angezogen und ein Schmollen auf ihrem sonst so ausdruckslosen Gesicht. Sie ist letzte Nacht mit Fieber nachhause gekommen, also beschwor Aya sie ins Bett zu gehen und sich auszuruhen. ,,Nicht, dass es die Pest ist, Kindchen. Ich gehe auf den Markt und besorge alles für eine stärkende Hühnerbrühe. Bleib du nur im Bett!"
Das hatte sie gesagt und dann war die schöne Hexe verschwunden, ohne zu fragen wie es gelaufen war. Hätte sie gefragt, wäre Yukako vermutlich vor ihr zusammengebrochen.
Der Deal war so simpel. Aya verschleierte Yukakos Aussehen mit ihren Zauber (Obwohl Yukako sich mittlerweile sicher war, dass Aya bloß die selben Fähigkeiten hatte wie sie) und ihre Aufgabe wäre es zum Ball zu gehen und das mit Koichi ins Reine zu kriegen.
,,Wenn er sich vor Mitternacht in dich verliebt, wird der Zauber dein Gesicht zu erkennen geben und er wird wissen wer du bist. Schaffst du es nicht, bevor die Uhr 12 schlägt, so wird der Mann deiner Träume dich nie wieder erkennen können. Du wirst Luft für ihn sein und dein 'Glücklich bis an ihr Lebens Ende' wird niemals niedergeschrieben."
Und Yukako hatte es nicht geschafft. Koichi hatte sie um Punkt Mitternacht geküsst. Zu spät. Nur eine Minute eher und es hätte geklappt! Heiße Tränen liefen über ihre fiebrigen Wangen bevor sie wusste wie ihr geschah. Wie konnte sie nur so dumm sein und glauben nach allem was sie getan hat habe sie ein Glücklich bis an ihr Lebens Ende verdient?
Da legte sich eine Hand auf ihre Schulter und sie sah Aya neben sich stehen.
,,Wieso bist du denn nicht im Bett, Schätzchen?"
,,Ich-"
,,Schau mich an. Gestern Abend gab es einige Pest Fälle auf dem Ball. Ich habe den Pestdoktor geholt, aber er kann nicht lange bleiben. Zu viele Patienten heute. Sie ist hier drüben, Doktor!"
Aya griff Yukakos Hand, als der in schwarzgekleidete Doktor den Innenhof betrat. Seine Rabenmaske verdeckte sein Gesicht vollständig und doch hatte Yukako das seltsame Gefühl ihn irgendwoher zu kennen.
Eine behandschuhte Hand legte sich auf ihre Stirn, die andere Hand misste ihren Puls am Handgelenk. Ein hin und her schwenkender Finger kontrollierte die Reaktionsdauer ihrer Pupillen.
,,Ich würde nicht sagen, dass du die Pest hast. Es scheint mir eher als stündest du unter Stress. Etwas Schlaf und es geht dir bald besser."
,,Das wage ich zu bezweifeln, Doktor", flüsterte Yukako. Der Doktor schob ihr einige verschwitzte Strähnen aus ihrem Gesicht und sah ihr in die fibrig glänzenden Augen. Geweitete Pupillen, gerötete Wangen, depressive Stimmung, angeschwollene Lippen.
Der Doktor seufzte.
,,Wie heißt er?"
,,Was?"
,,Hör Mal, ich mache den Job hier schon etwas länger und ich kann ein gebrochenes Herz von der Pest unterscheiden, also wie heißt er?"
,,Koichi. Sein Name ist Koichi..."
In Momenten wie diesen war Josuke mehr als nur glücklich eine Maske zu tragen. So konnten weder Aya noch Yukako sehen, wie er angesäuert das Gesicht verzog. Die Puzzle Teile legten sich in seinem Kopf zu einem Bild und er wusste nicht, ob es ihm gefiel. Yukako hatte Koichi geküsst und der kleine Trottel hatte seine Peinigerin nicht Mal erkannt. Seufzend holte er ein Fläschen aus der Tasche und reichte es dem traurigen Mädchen.
,,Baldrian und andere Stimmungsaufheller. Wirklich, es ist nichts ernstes. Ich kenne niemanden, der an einer Herz Fraktur gestorben ist." Er lächelte mitfühlend und wusste, dass man das auch durch die Maske spüren konnte, ehe er sich zu Aya drehte.
,,Bringt das Mädchen ins Bett, bevor sie an weiblicher Hysterie erkrankt", empfahl er, woraufhin Aya etwas wütend das Gesicht verzog. Weibliche Hysterie, der größte Irrglaube des Patriarchats, ihrer Meinung nach. ,,Aber gewiss doch, Doktor. Vielen Dank!", rief sie und ging Josuke hinterher, zurück auf die Straße.
,,Euer Lohn?"
,,Ich bitte Euch, Madame. Ich habe doch gar nichts getan. Dafür nehme ich kein Geld", meinte der Doktor lächelnd und dennoch griff Aya nach seiner behandschuhten Hand und legte eine Silbermünze in Josukes Handfläche. ,,Dann nehmt wenigstens das, mit der Bitte Stillschweigen zu bewahren. Yukako hat ihre Chance auf ein Glückliches Ende vertan, so leid es mir auch tut. Sagt Koichi nichts."
Fassunglos starte Josuke auf die Münze in seiner Hand und dann auf Aya. Sie wusste wer er war und sie versuchte ihn zu bestechen. Sag Koichi nichts und leb' weiter dein Leben.
,,Ihr scheint ja eine wahre Meisterin der Masken zu sein, Fräulein Aya. Immerhin habt Ihr es irgendwie geschafft Yukakos Aussehen zu verschleiern und meine Identität zu entlarven. Gehe ich Recht in der Annahme, dass ihr in Besitz, nun sagen wir, besonderer Fähigkeiten seid?"
Dämonenwirtin, das stand Aya auf der Stirn geschrieben, mehr als alles andere. Sie war keine Hexe, so wie die Leute es beteuerten, aber ganz heilig war sie auch nicht.
,,Das mag sein, tut hier aber auch nichts zur Sache. Kann ich mir Eures Stillschweigen gewiss sein?"
Josuke überlegte kurz. Es war ihm sogar peinlich darüber nachzudenken Koichi nichts zu erzählen, doch er machte sich Sorgen um seinen kleinen Freund. Yukako war nun wirklich nicht wohltuend für ihn gewesen in der Vergangenheit.
Doch dann blitze sie vor seinem geistigen Augen auf, ihre fibrig glänzenden Augen und ihre rotglühenden Wangen. Yukako hatte jede Gelegenheit gehabt Koichi zu schaden, doch alles was Josuke sah war ein verzweifeltes Mädchen, das den Pakt mit dem Teufel eingegangen ist und nun den teuren Preis dafür zahlen musste.
Entschlossen gab er Aya die Münze zurück und Schloss ihre schmalen Finger darum zu einer festen Faust.
,,Wieso überlassen wir es nicht den Beiden, wie diese Geschichte ausgeht? Glaubt mir, wenn ich Euch sage, dass ich dieses Techtelmechtel auch schon seit längeren interessiert beobachte."
Dann drehte er sich um und ging, entschlossen Koichi zu erzählen, wo er seine Prinzessin finden würde.
Er ahnte dabei schon, dass Aya etwas im Schilde führte, doch was genau, das bliebe abzuwarten.
Und vielleicht entsprach es nicht dem märchenhaften Norm, war schon fast unfair, dass Koichi nicht erst 30 Jungfrauen einen Schuh anprobieren musste, bevor er fand wonach es suchte. Vielleicht war es zu einfach, dass sein Weg ihn nicht durch verbotene Wälder und raue Seen führte, sondern nur durch die belebte Stadt. Vielleicht war dem so, doch das konnte dem königlichen Botschafter nicht egaler sein. Auch war es ihm überraschend egal, dass es Yukako war, in die er sich auf Shizukas Taufe verliebt hatte. Sie mochten eine schwere Vergangenheit zusammen gehabt haben, doch in diesen stürmisch blauen Augen hatte er alles gesehen, was er wissen musste. Sie hatten eine Zukunft, wenn Koichi es nur schaffen würde nicht zu kneifen.
Und hier stand er nun, vor Yukakos Wohnungstür, ihren Schuh in der Hand und das Herz, das ihm bis zum Hals pochte. Er wartete ab, doch nichts geschah.
,,Sie ist fort. In der Nacht abgereist."
Verwundert drehte Koichi sich um und sah eine schöne, blonde Frau auf der Treppe stehen. ,,Du wolltest doch zu Fräulein Yamagishi, richtig?"
,,J-Ja, aber was soll das heißen, sie ist 'abgereist'?"
,,Sie kam in der Nacht weinend nachhause und verließ dass Haus danach wieder mit ihren wichtigsten Habseligkeiten. Du kommst zu spät, Junge. Geh besser nachhause", meinte die Frau und drehte sich um. Koichi war entsetzt. Sie hatte geweint. Seinetwegen? Und nun war sie fort. Sie muss direkt nach ihrem Besuch auf dem Ball... Nein.
,,Das kann nicht stimmen, das passt nicht zusammen. Josuke war vor wenigen Stunden hier und hat sie gesehen", murmelte er eher zu sich, dann rief er: ,,Wieso lügt Ihr mich an? Was habt Ihr mit Yukako gemacht? Na los, raus mit der Sprache!"
Da blieb die Frau stehen und sah Koichi machdenklich an. ,,Ich? Ich habe gar nichts mit ihr gemacht. Der Deal war klar. Ich habe meinen Teil der Abmachung eingehalten, doch Yukako vermochte das nicht zu tun, also habe ich getan was ich tun musste."
,,Und was 'MUSSTET' Ihr tun, wenn ich Mal so ganz nebenbei fragen darf?"
Die Tür hinter ihm öffnete sich, noch bevor Aya antworten konnte, und ließ in Koichi etwas Hoffnung aufkommen, die allerdings direkt zerschlagen wurde, als er einer fremden Frau gegenüber stand. ,,Fräulein Aya sagt die Wahrheit. Ich habe sie auch gehen sehen. Ihr solltet besser nachhause gehen, mein Herr."
,,Oh... ja, natürlich, ich-" Koichi brach ab. Die Fremde schob sich an ihm vorbei an die Treppe, hoch zu Aya. Ja, er erkannte das Gesicht nicht, doch die schwarzen Haare, die dem junge Fräulein das Aussehen eines Racheengels verliehen waren ein eindeutiger Hinweis.
Yukakos Blut kochte, als sie Aya in ihre Wohnung begleitete. Sie spürte es in ihren Adern pochen, als wäre etwas unter ihrer Haut, das versuchte auszubrechen. Kaum zur Tür herein, schien es als bekäme der Dämon, der ihren Haare diese Fähigkeit gab, ein Eigenleben. Strähne um Strähne wandte sich schwarzes Haar um Ayas Hals und zog zu. Die Hexe ging nach Luft schnappend auf die Knie und griff nach Yukakos Haaren. Sie sah überrascht aus, aber keineswegs verängstigt.
,,Mir scheint ich bin nicht die einzige hier mit besonderen Fähigkeiten."
,,Halt den Mund! Du hast mein Leben zerstört! Koichi erkennt mich nicht mehr! Nenn mir auch nur einen Grund, wieso ich dich nicht auf der Stelle töten sollte!"
,,Ich-"
,,YUKAKO, LASS SIE LOS! Du... du musst das nicht tun."
Koichi betrat die Wohnung und schaltete schnell. Er griff nach Yukakos Arm und benommen zogen sich die schwarzen Haare zurück. Aya hielt sich röchelnd den Hals.
,,Koichi, was- Wie hast du mich erkannt?"
,,Zugegeben, ich war mir nicht ganz sicher, aber als ich das Zimmer betrat hast du meinen Verdacht bestätigt. Ich kenne sonst keinen, der so an die Decke gehen kann! Ich nehme an, das hier ist deiner?"
Damit holte der kleine Mann den goldenen Pantoffel aus seiner Tasche und hielt ihn Yukako hin, die ihn mit zittrigen Fingern entgegen nahm. Der Schuh, den sie auf ihrer Flucht aus dem Schloss verloren hatte!
,,Und ich nehme dann Mal an Ihr seid die Dämonen Wirtin, vor der Josuke mich gewarnt hat, Fräulein Aya. Ist es eure Schuld, dass ich Yukakos Gesicht nicht erkenne? Denn wenn ja, würde ich es sehr begrüßen, solltet Ihr in Erwägung ziehen Euren Zauber zurück zu nehmen!"
,,Dieser Arzt hat wirklich aus dem Nähkästchen geplaudert. Egal, dass soll jetzt nicht das Problem sein." Aya stand auf und machte mit einer kaum merklichen Bewegung aus dem Handgelenk das Unmögliche möglich. Im nächsten Moment waren sie ungeben von Gesichtern, nein, das wäre zu einfach. Keine ganzen Gesichtern, sondern Augenpartien.
,,Eigentlich sollte ich auf meine Prinzipien pochen, aber das wäre nichts, was eine gute Fee tun würde. Ich weiß, ich sehe aus wie die Böse in dieser Geschichte, aber mir ist mehr an eurem Glücklich bis an ihr Lebensende gelegen als ihr vielleicht denkt. Deshalb erhälst du eine letzte Chance. Solltest du dein Gesicht unter all diesen anderen finden, so wird Koichi deine wahre Gestalt erkennen."
,,Soll das ein Scherz sein? Wieso sagst du das denn nicht gleich?! Ich weiß ganz genau wie mein Gesicht aussieht!", rief Yukako hochmütigt. Aya sah nicht so überzeugt aus.
,,Bevor du vorschnell handelst, lass mich vielleicht noch den Haken erläutern."
,,Es gibt einen Haken?"
,,Also wirklich, Yukako. Es gibt immer einen Haken. Solltest du das falsche Gesicht aussuchen, so wird dein Gesicht für immer verstellt und unerkennbar sein, nicht nur für Koichi, sondern auch für jeden anderen. Aber wenn du dein Gesicht ja sowieso so gut kennst dürfte das ja kein Problem sein."
Gut, das machte die Sache zugegeben komplizierter. Und sowas schimpfte sich gute Fee? Yukako griff nach einen der Gesichter, ließ es aber auch genauso schnell wieder los. Die Augenbrauen stimmten nicht. Bei einem anderen hatten die Augen eine andere Form oder eine andere Farbe, das eine Gesicht hatte Sommersprossen, das wieder andere eine dunklere Haut. Nichts schien wirklich zu passen. Es schien quasi unmöglich das Richtige unter all diesen zu finden.
,,Darf ich dir eine Frage stellen, Koichi?"
,,Was? Mir? Ja, natürlich. Aber du musst das nicht tun, Yukako. Ein Wort von dir und ich laufe los und hole Jotaro-"
,,Dafür bleibt keine Zeit! Ich will nur wissen wieso du gekommen bist, als du erfahren hast, dass ich das gestern auf dem Ball war? Nach allem was ich dir angetan habe?"
Sie traute sich nicht ihn anzusehen, hätte mit ihrem fremden Gesicht sowieso kein Sinn darin gesehen, doch sie spürte seine Hand in ihrer mit jeder Faser ihres Körpers und etwas in ihr beruhigte sich augenblicklich.
,,Was war ist Vergangenheit. Ich habe mich in dich verliebt, Yukako, und das ist eine Tatsache, die mein Hier und Jetzt ausmacht. Ich wäre unter allen Umständen gekommen um dir zur Seite zu stehen."
Sie drückte seine Hand etwas fester und nickte.
,,Dann such du aus."
,,Entschuldige, bitte was?"
,,Ich kann noch so enstellt sein, ich könnte damit leben, weil ich weiß, dass du ausgesucht hast. Bitte, Koichi!"
Koichi sah zu Yukako auf, dann blickte er auf Aya, die sich auch wirklich nichts aus ihrer Mimik ablesen ließ und auf die vielen Augenpartien, die um sie herum im Zimmer flogen.
,,Bist du dir auch wirklich sicher?", fragte er und strich vorsichtig über Yukakos Hand. Sie nickte kaum merklich.
Erneut blickte Koichi zu Aya, holte seinen Dolch aus der Scheide an seinem Gürtel und ließ ihn über den Boden zu den Füßen der Hexe schlittern.
,,Könnt Ihr mir versprechen mir die Augen auszustechen, sollte ich das falsche Gesicht aussuchen?", fragte er in einen beiläufigen Ton und ignorierte, dass Yukako seine Hand noch fester nahm.
,,Und wieso sollte ich das bitte tun, wenn ich fragen darf?"
,,Weil ich Yukako kenne und weiß, dass sie nicht damit leben könnte, wenn ich ihr entstelltes Gesicht sehe. Ich will nur, dass sie glücklich ist. Könnt Ihr das für mich tun?"
Ayas schmale Lippen verformten sich zu einem kleinen Lächeln, als sie Koichis Dolch aufhob und dem Jungen bedeutete fortzufahren. ,,Du hast mein Wort", versprach sie. Koichi nickte, ließ Yukakos Hand los und schaute sich um.
Diese Augen von gestern, die die er auf dem Ball gesehen das, das blau eines stürmenden Ozeans, er sah sie nicht. Und da dunkelte ihm langsam, dass Aya sie gründlich reingelegt hatte. Dennoch, er konnte jetzt nicht aufgeben. Auf gut Glück nahm er eines der Gesichter und hielt es Yukako hin, die es zitternd entgegen nahm.
'Adieu Augenlicht', dachte er noch und wartete. Doch anstatt dass Aya ihn von Yukako wegriss und ihm, wie versprochen, die Augen ausstach, sah er zu Yukako auf und blickte in die blauen Augen nach denen er vor wenigen Minuten noch so verzweifelt gesucht hatte.
,,Yukako, das ist es! Das ist dein Gesicht! Wir haben es geschafft!", rief er jubelnd. Auch seine Freundin konnte es erst nicht glauben und tastete verdattert ihr Gesicht ab, ehe sie auf die Knie fiel und Koichi in eine enge Umarmung schloss. ,,Du hast es geschafft!", rief sie überglücklich.
Aya strich derweil ihren Rock wieder glatt, der durch Yukakos Angriff in Mitleidenschaft gezogen wurde und betrachtete die Umarmungen der beiden verliebten erfreut. Na gut, vielleicht musste sie die eine oder andere ihrer Prinzipien über Bord werfen, aber das war es definitiv wert. Zumindestens wusste sie jetzt eines ganz genau über Yukako und Koichi - Sie leben glücklich bis an ihr Lebens Ende.
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