🌟Kapitel 3🌟


Wochen vergingen. Qualvolle, endlose Wochen.

Harlow hatte sämtliche Pläne über den Haufen geworfen und arbeitete rund um die Uhr daran, Kingsley zu finden. Die Schutzzone wurde über eine mögliche Bedrohung informiert, alle geheimen Ein- und Ausgänge wurden verschärft, für viele der Feen wurde das Verlassen der Schutzzone sogar verboten.

"Okay, ich hab mit den Schutzfeen geredet", betrat Freya mit diesen Worten ihre gemeinsame Wohnung, "und sie meinten, dass soweit-", Freya unterbrach sich selbst, als sie das Wohnzimmer betrat und Harlow erst auf dem zweiten Blick fand. Er saß auf dem Parkettboden, angelehnt an einer der Wände und hatte seine Beine an sich herangezogen.

"Hey", sprach Freya sanft, als sie den müden und niedergeschlagenen Blick von ihm bemerkte. Vorsichtig näherte sie sich ihm und nahm dann neben Harlow an der Wand platz, "es wird alles gut, das verspreche ich dir", wollte sie ihn trösten, "er wird weder dich töten, noch die Schutzzone angreifen."

Harlow schüttelte den Kopf, "das ist es nicht", murmelte er dann. Seit dem ersten Treffen mit Kingsley hat Harlow kaum über das Vorgefallene gesprochen. Freya wusste immer noch nicht, was es genau mit Kingsley auf sich hatte. "Ich verstehe", meinte die Braunhaarige, "möchtest du darüber reden?"

Harlow zögerte kurz und brachte für ein paar Momente kein Wort heraus, "es ist kompliziert. Mit ihm, meine ich."

Daraufhin schnaubte Freya belustigt, "ja, das hab ich bereits gemerkt", kommentierte sie, um die Stimmung ein wenig zu lockern, "er ist dein Ex-Freund,stimmt's?"

Harlow verschluckte sich prompt an seiner Spucke und hustete kurz, Freya klopfte ihm mitfühlend auf den Rücken, "was- wie... wie kommst du darauf?", wollte er dann schockiert wissen und sah sie erstmals an. Freya lachte laut, "ach komm. Ich bin zwar nur eine Fee -wie Kingsley es so schön betonte- aber ich bin nicht blöd. Dein Ausdruck hat förmlich geschrien: Oh nein, mein Ex-Freund ist zurück! Außerdem haben eure Blicke und euer Verhalten Bände gesprochen. Ich meine, ich wusste bis dato ja nicht mal, dass du ein Mal besitzt und er wusste wohl noch genau, an welcher Stelle es sich befindet."

Freya musterte ihren Freund, der sein bestes gab, um nicht rot anzulaufen. "Du hast recht", gab er schließlich zu, "er ist... sowas wie... naja irgendwie halt mein-mein Ex-Freund. Vor langer, langer Zeit."

"Was ist passiert? Also mit euch beiden?", wollte Freya wissen. "Es.. es ist schwierig zu erklären", gab Harlow zu, "es ist eine unfassbar lange Geschichte, die jetzt wieder ausgegraben wird, weil er zurück ist. Und das ist es, was mich so fertig macht."

"Also ist die Geschichte schlimmer, als all deine sonstigen Ängste?", versuchte Freya irgendwie ihren Freund zu verstehen. "Irgendwie schon", Harlow kratzte sich am Nacken, "wenn du so lange lebst wie ich, da... da passieren eben viele schlimme Sachen. So schlimm, dass es sich die meisten Leute garnicht erst vorstellen können."

Freya nickte, "sowas ähnliches meinte Kingsley auch. Ich schätze, dass was ihr beide bereits alles erlebt habt, können wir erst garnicht mitreden", lachte sie etwas unsicher. "Nein", meinte Harlow jedoch schnell, "ihr habt ebenso viele böse Sachen mitbekommen und erlebt. Die Kämpfe gegen die Organisation, die Situation mit der Schutzzone, die Krankheit vor ein paar Jahrzehnten... Ich kann mich nicht einfach so über eure traumatischen Erlebnisse stellen."

Ein leise Brummen entfuhr dem Mädchen, "trotzdem", murmelte sie und blickte ihm in die Augen, "immer, wenn ich dir in die Augen sehe, finde ich irgendwie diesen Schmerz... diese Einsamkeit, diese unsterbliche Müdigkeit von allem, das du bereits mitgemacht hast. Bei allen Kämpfen gegen die Organisation warst du mit dabei, du lebst genauso wie wir in der Schutzzone und du hast so viele während der Krankheit geheilt. Du hast alles mit erlebt und dich nie beschwert. Es ist nicht fair, dass dieser Kingsley dir jetzt so zusetzt."

Harlow schnaubte mit einem Seitenlächeln, "danke", murmelte er, "aber irgendwie fühlt es sich verdient an."
"Hey", grätschte Freya dazwischen, "egal, was damals passiert ist, du hast es nicht verdient! Jeder macht mal Fehler, aber die kannst du nicht ändern."

"Du verstehst es nicht, Freya", Harlow räusperte und drehte sich mehr zu dem Mädchen, "die Zeiten damals waren... kompliziert und härter. Ich war... kein guter Mann. Ich hab viele Leute im Stich gelassen. Ich hab töten lassen, ich hab getötet, Freya. Ich war jung und dumm und wusste nicht, was richtig war."
"Du warst also damals wie dieser Kingsley?", interessierte sich Freya, in ihrem Blick spiegelte sich Verständnis wider, keine Anzeichen auf Abscheu oder Wut.

"Seid ihr deshalb irgendwann auseinander gegangen? Weil du irgendwann halt... naja, die Seiten gewechselt hast?"
"So könnte man es sagen", seufzte Harlow und fuhr sich durch die blonden Haare, "wir sind zusammen aufgewachsen. Oh du hättest ihn erleben müssen, er war brillant. Es gab kaum etwas, das er nicht konnte. Er war so unfassbar clever, begab und kreativ, einer der Besten der gesamten Akademie, mit mir natürlich. Die Dinge die er konstruiert hat, die Technologie, dieses Verständnis." Freya verdrehte nur grinsend die Augen und ließ Harlow zu Ende schwärmen. 

"Allerdings", Harlow leckte sich nervös über die Lippen und wurde ernster, "Kingsley hatte immer diese Wut gegenüber alles und jeden in sich. Er bekam nie viel Anerkennung, egal, was er versuchte. Ein einfaches, kleines Findelkind. Früher glaubten die Bändiger, dass Findelkinder immer etwas Schreckliches in sich halten und deshalb ausgesetzt wurden. Kingsley wurde also von ziemlich vielen missachtet."

Freya nickte und verarbeitete die Informationen für einen Moment, "muss sich schlimm anfühlen, wenn man von seinen Mitmenschen verachtet wird", kommentierte sie mitfühlend. Sie war wirklich froh, dass Harlow so vieles über seine Vergangenheit preisgab, da er sonst über diese Themen schwieg wie ein Grab, "Bändiger haben mehr als nur eine Fähigkeit, stimmt's? So wie deine Fähigkeiten, Heilung, Licht und Telekinese sind, hat Kingsley diese blauen Blitze. Was hat er noch so?", fragte Freya neugierig weiter. "Gedankenkontrolle", antwortete Harlow, "allerdings funktioniert sie bei anderen Bändigern nicht, bei Feen nur bedingt. Menschen haben die schwächste Psyche von allen, also sind sie am anfälligsten." 

"Hat er keine dritte, so wie du?", fragte Freya weiter. " Ein Bändiger bekommt seine dritte Fähigkeit erst, wenn man von den Obersten als würdig erklärt wurde. Man kann es schwierig erklären, aber wir Bändiger werden mit allen Fähigkeiten geboren, genauso wie ihr Feen, allerdings sind sie... verriegelt, kann man sagen", Harlow setzte sich auf, ein Lächeln bildete sich auf seinen Lippen.

"Nach dem Abschluss der Akademie wurde jeder Absolvent den Obersten vorgestellt. Den.. den Königen der Bändigern, zu jeder Zeit unantastbar. Sie sollten angeblich das ewige Wissen in sich tragen, manche", Harlow lachte leise, "manche meinten sogar, sie könnten einem in die Seele blicken und alles sehen, was man einmal war, momentan ist oder jemals sein wird. Mir schenkte man mein Licht, doch Kingsley... hatte nicht so viel Glück. Sie verbannten ihn nicht nur einfach aus der Gegend, sondern aus der gesamten Zivilisation der Bändiger. Das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe, war kurz nach seinem Treffen mit den Obersten. Unsere gesamte Heimat stand in Flammen, durch ihn."

Freya riss vor Schock ihre Augen auf und wollte etwas einwerfen, als Harlow unbeirrt weiter erzählte. "Das war das erste und letzte Mal, dass ich mich gegen ihn aufgelehnt hatte. Ich hab gegen ihn gekämpft, wollte ihn irgendwie beruhigen oder... ich weiß auch nicht. Irgendwas. Kingsley wollte, dass ich mit ihm gehe, aber ich konnte einfach nicht."

Die Dunkelhaarige brummte ein wenig amüsiert. Harlow wechselte einen verwirrten Blick mit ihr. "Es ist nur", grinste sie, "sämtliche Bändiger damals hatten sich so vor ihn geführten, dass sie ihn verstoßen und eine dritte Fähigkeit verwehrt haben, aber natürlich hast ausgerechnet dich dich in ihn verliebt. Ich finde das einfach... witzig."

Harlow stockte und presste die Lippen zusammen, lehnte dann seinen Kopf nach hinten an die Wand, "hast wohl recht", stimmte er ihr mit einem leichten Lächeln zu, seine Stimmung schien sich ein wenig zu verbessern, was Freya insgeheim erfreute. Sie verweilten ein wenig in angenehmer Stille, Freya lehnte ihren Kopf an Harlow's Schulte ab und schloss entspannt die Augen.

"Ich will dich unterstützen", brach sie schließlich die Idylle, "Ich weiß, dass du ihn nicht töten willst. Du willst ihm helfen, so wie du allen hilfst. Dabei will ich dir beiseite stehen, auch, wenn es nicht leicht wird."

Harlow legte seinen Arm um ihre Schulter und drückte sie an sich, "danke", antwortete er, "und das mein ich ernst. Danke", betonte er noch einmal. Freya winkte lächelnd ab, "wir sind immerhin seit Fünfzig Jahren Freunde, da ist das wohl selbstverständlich. Damals auf dem Schrottplatz hast du gemeint, dass du eine Verbindung oder so etwas gespürt hast, können wir ihn somit finden?"

Harlow schüttelte enttäuscht den Kopf, "nicht wirklich. Früher hatten Kingsley und ich einen... einen Link, haben es die Bändiger genannt. Ich konnte immer spüren, wo er war und wie es ihm ging, wir konnten sogar telepathisch kommunizieren, gewisse Gedanken und Erinnerungen teilen. Es ist ein sehr... privates und intimes Vorgehen bei Bändigern gewesen. Es ist zersprungen, schon vor langer Zeit."

"Also sowas wie eine Heirat?", versuchte Freya mitzukommen, "ist ja wirklich unfassbar süß. Naja, bis auf den Teil, wo ihr euch getrennt habt. Aber er kann doch nach all der Zeit nicht immer noch wütend auf dich sein, oder? Ich mein, er hat uns auf dem Schrottplatz verschont, dabei hätte er uns töten können."

Harlow kratzte sich am rechten Ohr und lehnte seinen Kopf nach hinten an die Wand, "er spielt momentan nur. Baut sich vermutlich etwas auf, zumindest war es früher so. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir wieder auf ihn treffen werden."

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