🌟Kapitel 22🌟
Vor 1250 Jahren
Harlow und Kingsley sind ca. 950 Jahre alt, also umgerechnet so 19-20.
"Ey, Harlow, bist du da?", fragte Kingsley, während er an die Zimmertür des Blonden klopfte, "Du warst heute nicht im Unterricht zur Astrophysik. Dir war aber schon klar, dass wir in der Haupthalle waren und nicht in unserem gewohnten Raum? Du weißt schon, wegen der Explosion von vor ein paar Tagen. Einige unserer Räume sind Einsturzgefährdet und- bist du überhaupt da?!"
Kingsley klopfte fester gegen die Tür, doch bekam immer noch keine Antwort, "Harlow?! Bist du etwa eingeschlafen oder was? Ich hab dir doch gesagt, dass die leuchtenden Sterne an deiner Decke dich Nachts vom Schlafen abhalten werden."
Zögerlich versuchte Kingsley die Tür zu öffnen und stellte fest, dass diese offen war. Keinen Meter im Raum und schon klirrte es beim Betreten, "unfassbar", murrte der Junge und spähte in den erleuchteten Raum hinein.
Auf dem Boden verstreut lagen allerhand Metallteile aus dem Unterricht, Papiere und Kleidungsstücke. Das Bett war nicht gemacht und die Hälfte seiner Schränke waren nichtmal geschlossen, da diese nur grob vollgestopft waren und sie somit vom Schließen abgehalten wurden. Von Harlow allerdings keine Spur.
Für Kingsley kam es rüber, als wäre die Rakete von vor ein paar eher in Harlow's Zimmer eingeschlagen, anstelle von Akathen's Wohngebiet.
"Wo bist du nur?", seufzte Kingsley und fuhr sich durch die Haare. Er musterte das Chaos und konnte nicht verhindern, ein paar der Teile aufzuheben und ordentlich aufzuräumen. "Ein Motorzylinder neben einem Schaltzylinder?", Kingsley schnalzte kopfschüttelnd mit der Zunge, sortierte die restlichen Zylinder nach ihrer Art und Größe, faltete ein paar der Kleidungsstücke zusammen und ordnete die Papiere zu einem Stapel, bis er sich zum Schreibtisch vorgearbeitet hatte.
Kingsley wischte sich über die Stirn und musterte den vollbeladenen Schreibtisch, weshalb ihm sofort der Brief und dessen geöffneten Umschlag ins Auge fiel. Neugierig griff er danach und musterte das Siegel des Briefes, "der oberste Hof von Akathen?", murmelte er verwirrt, als er das Symbol des Flügels erkannte. Sich auf die Lippe beißend nahm er nun auch das teure, feste Papier in die Hände und ließ seinen Blick über die einzelnen Zeilen gleiten.
Mit jedem folgendem Satz entglitt ihm sein Gesicht mehr, der Atem begann zu stocken, bis der Brief einfach nur wortlos losgelassen wurde und sanft zu Boden glitt.
Kingsley zögerte keine Sekunde und sprintete los, die Zimmertür knallte nur noch laut hinter ihm zu. "Ihr da!", rief er zwei Mädchen zu, die weiter hinten im Gang standen und bei seiner dröhnenden Stimme zusammenzuckten.
Der Weißhaarige näherte sich im schnellen Tempo den beiden und blieb keuchend vor ihnen stehen, "ihr sagt mir jetzt sofort, ob ihr Harlow irgendwo gesehen habt. Groß, dürr, blonde Haare, die überall abstehen, als hätten sie ein Eigenleben entwickelt."
Die beiden Mädchen blickten sich gegenseitig etwas überfordert an, auf ihrer Uniform waren vier Punkte zu erkennen, somit waren sie eine Stufe unter Kingsley. "Ich glaube, er meint den Schönling aus der fünften Stufe", sprach schließlich eine von beiden, ihre tiefroten Haare in einem Zopf gebunden. Ihre Freundin brummte bei der aufkommenden Eingebung, "oh, der! Ich glaube, der ist vorhin an uns vorbeigerannt. Sah aus, als würde er das Gebäude verlassen wollen."
"Großartig", grollte Kingsley sarkastisch und verließ die beiden ohne ein weiteres Wort, weshalb die Mädchen ihm noch verwirrt hinterher blickten. Er hatte nichtmal die Nerven, sich um den Stich Eifersucht in seiner Brust zu kümmern.
Harlow wusste ganz genau, dass es ihnen aufgrund des Attentats verboten war, zur Zeit das Akademiegebäude zu verlassen. Das einzige Gute an der Situation war, dass er noch auf dem Grundstück sein musste, da der Weg zur Stadt versiegelt war.
Seine Finger kribbelten, als er den Weg zum Garten einschlug. Der Brief war alles andere als eine gute Nachricht. Harlow war seit den letzten Wochen ohnehin schon aufgereizter durch seine Verschwörungstheorie über einen angeblichen Krieg, den Kingsley einfach als hirnrissig abgestempelt hatte.
Doch der Fakt, dass ein Großteil Akathen's momentan immer noch unkontrollierbar brannte, brachte selbst ihn ein wenig aus der Fassung. Der Einschlag hing ihm immer noch in den Ohren. Der Krach und die Explosion. Das endlose Erdbeben und der präsentierende Ausblick aus dem Fenster, der nichts weiter zeigte als Rauchschwaden und Feuersbrünsten über Akathen.
Die Nachwirkungen hingen immer noch in der Luft. Viele Schüler und Angestellte in der Akademie verloren ihre Liebsten in der Nacht. Kingsley sah als einen Vorteil, dass er niemanden hatte, den er hätte verlieren können und machte sich keine weiteren Gedanken um die Tausenden Opfer oder die Abertausenden Zurückgebliebenen. Inklusive Harlow. Tragödien passierten, Lebewesen starben, sowas passierte nun mal und es würde auch sicherlich nicht die letzte Katastrophe sein.
Das erste, was Kingsley beim Verlassen der Akademie spürte, war ein sanfter Luftzug, der ihm eine Gänsehaut über den Rücken jagte. "Harlow?!", rief Kingsley doch erhielt keine Antwort, irrte besorgt durch den großen Garten. Je weiter er sich von der Akademie entfernte, desto stärker wurde der Luftzug, weshalb Kingsley eine böse Vorahnung überkam.
"Wo steckst du nur?", seufzte Kingsley, das prunkvolle Gebäude verschwand langsam hinter den orange-roten Bäumen und bunten Blumen. Darunter fand er auch Harlow's Lieblingsblume, die ihre Blütenfarbe nach Gemütszustand der Person veränderten.
Kingsley kniete sich zu dem Blumenfeld runter, das sich im Wind wog und griff nach einem der Halme. Mit einem leichten Druck zog er die schneeweiße Blume heraus. Wie in Farbe getunkt verblasste das reine Weiße und verwandelte sich in ein beunruhigendes Violett.
Leise seufzend drehte er die Blume in seiner Hand, sein Blick musterte die Struktur der zierlichen Blüten, als er glaubte, ein leises Weinen vernommen zu haben. Kingsley sah auf und drehte ruckartig seinen Kopf, "Harlow?!", rief er ein weiteres mal hoffnungsvoll und sprang auf, um den Blonden in diesem Irrgarten zu finden, die Blume fest umklammert.
Der Wind wurde immer kräftiger, Kingsley kniff die Augen mehr zusammen und kämpfte sich immer weiter nach vorne zum Auge des Sturms. Überrascht duckte er sich, als ihm einige Steine und Gestrüppe entgegenflogen. "Bei den Sternen", murmelte Kingsley bestürzt, als er die kleine, zusammengesackte Gestalt am Horizont erkannte. Niedergelassen auf einem der Grasfelder und um ihn herum kreiste alles, was nicht im Boden verankert war. Büsche, Steine, Äste, herausgerissene Blumen, alles flog wie ein Schutzschild um die Figur herum.
"Harlow!", schrie Kingsley gegen das Windgestöber ab, jedoch ohne Erfolg. Der Blonde saß mit angewinkelten Beinen auf dem Gras, der Kopf in den Knien versenkt. "Harlow, du musst dich beruhigen!", versuchte Kingsley es weiterhin, wich dabei im letzten Moment einem großen Stein aus, der hinter ihm in die Rinde eines Baumes einschlug.
"Verschwinde!", kam zum ersten Mal eine Antwort zurück, die Stimmen verloren sich beinahe im Wirbelsturm. Die Erde begann zu beben, Kingsley tölpelte umher und versuchte sein Gleichgewicht beizubehalten, als ein beunruhigendes Rütteln die Luft erfüllte. Kingsley blickte sich nervös um und zuckte zusammen, als die riesigen Wurzeln der Bäume langsam ihre Fassung verloren und drohten, im gewaltigen Strom mitgerissen zu werden.
"Verflucht- HARLOW!", schrie Kingsley sich die Seele aus dem Leib und verbrauchte selber seine gesamte Kraft, um nicht weggestoßen zu werden, "DU REISST ALLES AUSSEINANDER!"
"LASS MICH IN RUHE!", keifte der Blonde in einer tränenerstickenden Stimmlage zurück. Kingsley presste die Lippen zusammen und näherte sich in langsamen Schritten seinem Freund, bis er nur noch wenige Meter von ihm entfernt war. "Du musst dich beruhigen, Halo!"
"GEH WEG!", kam es nur zurück, die Emotionen brausten weiter auf, weshalb Kingsley nicht schnell genug reagieren konnte, als ein dicker Ast von einem der Bäume abbrach und ihn mitriss. Der Boden verschwand unter seinen Füßen für ein paar Augenblicke verschwamm seine Sicht komplett, alles flog durcheinander, bis sein Kopf sich zu drehen begann.
Zum Glück prallte er gegen einen der feststehenden Bäume, der verhinderte, komplett aus dem Bild geschleudert zu werden. Kingsley grollte durch die aufkommenden Schmerzen und knallte auf den dreckigen Boden, die Blume jedoch eisern in den Händen. Er brauchte einen kurzen Moment, um sich zu fangen, ehe er den Kopf hob und eine direkte Aussicht auf Harlow, dessen Situation immer schlimmer zu werden schien.
"Okay, alter Freund", entschied Kingsley sich binnen weniger Sekunden, ihm gingen so langsam die Optionen aus. Kingsley streckte seine freie Hand nach ihm aus, seine bereits so auffälligen, blauen Augen begannen zu strahlen, die Blitze begannen zu funkeln und sammelten sich in der besagten Handfläche.
Für einen Moment zögerte er, wartete auf den richtigen Moment, bis er einen der herumschwirrenden Äste anvisierte und diesen mit einem gezielten Stromstoß durch die Windböe zu schießen. Der Ast raste auf Harlow zu und schlug direkt neben ihn ein, weshalb Harlow sich erschrak und ruckartig aufblickte.
Die Konzentration wurde unterbrochen, schlagartig ließ der Wirbelsturm nach, das Geäst und die Steine fielen plump zu Boden. Kingsley nutzte die wenigen Sekunden, die ihm blieben und stürzte nach vorne.
Harlow konnte gerade mal seinen Kopf zu ihm drehen, da hatte Kingsley ihn bereits erreicht und grob zu Boden gerissen.
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