🌟Kapitel 1🌟
Es war mitten in der Nacht, ein Dienstag, als die Messwerte des Detektors ausbrachen. Freya, das Mädchen mit der dunklen Löwenmähne, war gerade noch im Nebenzimmer und reparierte einen Monitor, der während des letzten Einsatzes den Geist aufgegeben hatte. Das laute und stetige Piepen brachte sie zum Zusammenzucken. So stark war der Detektor schon seit Jahren nicht mehr ausgebrochen, das konnte nichts Gutes heißen.
Sie ließ all ihre Werkzeuge fallen, wischte sich einmal über ihre verschwitzte Stirn und eilte in eines der beiden Schlafzimmer der kleinen Wohnung.
"Harlow?!", fragte sie gehetzt und sah sich in dem dusteren Raum nach ihrem Begleiter um. Ein leises Schnarchen erklang von der abgeranzten braunen Couch. Ein langer, dünner Mann lag ausgebreitet darauf, ein Bein und ein Arm hingen bereits vom Sofa. "Harlow, wach auf! Der Detektor piept wie verrückt! Irgendwo in Chaslow muss eine starker Fee außerhalb der Schutzzone sein Unwesen treiben."
Ein Grollen ertönte von Harlow, dieser wachte langsam auf und strich sich die Haare aus dem Gesicht. "Such du schonmal nach dem Signal, ich bin gleich soweit", murmelte Harlow in einer schläfrigen, rauen Stimmlage. Freya nickte verstehend und lief in ihren Wohnbereich, der vollgestellt mit sämtlichen technischen Hilfsmitteln war. Ein reinstes Chaos und sie beide mitten drin.
Ihr Augen blitzten neugierig über den Monitor, der mit dem Messgerät verbunden war. "Dann lass uns doch mal schauen, mit wem wir es diesmal zu tun haben...", murmelte die Braunhaarige und suchte auf der Karte nach dem blinkenden Punkt. "Und?", fragte Harlow schon ein wenig wacher, unter seinem Augen befanden sich jedoch -wie immer eigentlich- dunkle Augenringe. "Die Person befindet sich außerhalb von Chaslow auf dem... Schrottplatz? Der, neben der alten Autoraststätte."
"Viele Feen suchen Verstecke an abgelegenen Orten", kommentierte Harlow, "wenn sie zum Beispiel ausgestoßen wurden oder keinen Weg in die Schutzzone finden."
Harlow rieb dich über die Augen und nahm dann den Detektor aus seiner Hülle, um ihn mit sich nehmen zu können. Mit seiner freien Hand streckte er sich nach seinem braunen Mantel, der über dem Sofa hing, und zog ihm mit seiner Fähigkeit zu sich heran. In einer flüssigen Bewegung legte er ihn sich über, "lass uns überprüfen, ob alles in Ordnung."
Freya nickte verstehend, streckte sich einmal und griff dann nach der Hand des Größeren. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf den Schrottplatz. Eine Windbrise wehte durch ihre Haare und Klamotten, der Geruch ihres vertrauten Heims änderte sich zu einem beißenden Geruch aus altem Motoröl und Erde nach dem Regen.
Ein Stoß riss die beiden Auseinander, Freya öffnete ihre braunen Augen und sah sich auf dem düsteren Schrottplatz um, auf dem sie sich nun befanden. Freya's Teleportationskünste waren wirklich ein Segen für sie beide. Auch, wenn sie deshalb andauernd von Kopfschmerzen geplagt wurde.
"Man kann die Hand vor Augen kaum sehen", murmelte Freya und blickte zum sternenklaren Himmel herauf. "Ich weiß, worauf du hinaus willst", seufzte Harlow grinsend und schnipste mit dem Fingern. Über seinen braunen, strubbeligen Haaren erschien ein hell erleuchteter Heiligenschein, der ihnen seit je her als Lichtquelle diente. Freya konnte sich ein Grinsen nicht unterdrücken, "Ich finde ihn einfach beeindruckend. Dann suchen wir mal die Fee."
"Merkwürdig. So eine starke Energie...", murmelte Harlow leise vor sich hin, als sie über den Schrottplatz streiften, "das hab ich nicht mehr erlebt, seit-", Harlow brach ab und blieb wie versteinert stehen, was Freya verwunderte. "Harlow? Gehts dir gut?", fragte sie besorgt. Harlow blickte vom Detektor auf, sein Atem geriet ins Stocken. Der Blick in seinen Augen unberechenbar, so hatte Freya ihn noch nie erlebt. "Harlow? Hey, Harlow, was ist los?", Freya legte eine Hand auf seine Schulter und blickte ihm in die Augen. War es Furcht, was sich in ihnen widerspiegelte? Freya konnte es nicht genau zuordnen.
Harlow öffnete den Mund, als ihre Unterhaltung jedoch durch eine Explosion unterbrochen wurde. "Wir müssen uns verstecken!", reagierte Harlow wie aus Reflex, knipste seinen Heiligenschein wieder aus, griff nach Freya's Hand und schliff sie mit zu einem großen Rohr, in das sie beide kletterten. "Was ist denn los?!", fragte Freya erneut, während Harlow versuchte, den Detektor auszuschalten, "wenn da hinten ein Kampf stattfindet, müssen wir dazwischen gehen!"
"Nein", hauchte Harlow und schüttelte den Kopf, er atmete schwer.
"Nein?!", wiederholte Freya ungläubig, "aber das ist unsere Aufgabe! Zu helfen! Feen in Not oder auf der Flucht vor der Organisation zu retten, wir müssen zumindest die Lage überprüfen!"
"Wir müssen so schnell wie möglich hier weg", sprach Harlow ruhig, seine Stimme zitterte jedoch, das Piepen des Detektor hörte endlich auf. "Nicht, solange du mir erklärst, was los ist", befahl Freya ernst, Harlow leckte sich nervös über die Lippen.
"Ich... spüre eine Verbindung zu wer-auch-immer-da-hinten ist, das heißt-"
"Es ist einer von deinen Leuten! Ein Bändiger!", Freya riss die Augen auf, "aber das ist doch gut! Also hat doch jemand von damals überlebt! Du bist nicht der einzige Überlebende!"
"Das ist nicht gut", korrigierte Harlow, "denn es ist keiner von meinen Leuten. Alle von den Guten sind tot. Welcher Bändiger auch immer da hinten ist, ist keiner von unserer Sorte."
Freya verstand so langsam die Situation und nickte zögerlich. "Aber... bist du nicht neugierig, wer es ist? Vielleicht kennst du die Person. Bisher sind wir immer davon ausgegangen, dass du der letzte Bändiger bist."
"Ich-", eine zweite Explosion ertönte, gefolgt von einem blauen Blitz. Harlow's Gesicht wurde blass, als er nach draußen starrte, wie gebannt von der blauen Farbe. "Unmöglich", entfloss es ungläubig seinem Mund, als er für einen Moment in der Position verharrte und dann eilig aus dem Versteck krabbelte. "H-Harlow?!", rief Freya ihm noch hinterher. Harlow ließ den Detektor ungeachtet fallen und rannte wie ein Irrer auf den blauen Blitz zu, sein Mantel wehte dabei im Wind.
Freya stürzte natürlich hinter ihm her, rief dabei immer wieder seinen Namen, doch Harlow schien es entweder nicht zu hören oder zu ignorieren.
Harlow's Gedanken schlugen Purzelbäume, sein Herz pochte ihm in den Ohren und alles um ihn herum war wie ausgeblendet. Nur noch der Blitz zählte. Der Blitz, den er seit Urzeiten nicht mehr gesehen hatte und geglaubt hatte, ihn auch nie wieder sehen zu würden. Es konnte einfach nicht sein. Er konnte einfach nicht sein. Niemals.
Harlow kletterte über einen der riesigen Schrotthaufen, ganz hinauf bis zur Spitze. Schwer atmend blickte er hinab auf die Lichtung, die umgeben von Schrott und hell erleuchtet war. Es herrschte ein reges Treiben da unten, Harlow konnte sich im ersten Augenblick garnicht zurechtfinden, als er versuchte, nicht von der Spitze abzurutschen und ins Tal zu purzeln.
"Ergib dich endlich und geh mit erhobenen Händen auf die Knie! Sofort!"
Harlow erkannte mehrere Soldaten von der Organisation, manche mit geladenen Waffen, andere lagen bereits leblos auf dem Boden. Vermutlich tot. Und mitten in dem Schlamassel stand jemand, von dem Harlow nie -auch nur in seinen kühnsten Träumen- gedacht hatte, ihn je wieder erblicken zu können. Ein sehr, sehr alter Bekannter aus längst vergangener Zeit.
Ein lautes Lachen hallte zwischen den Hügeln wieder, Harlow's Herz zog sich zusammen, als es zum ersten Mal seit Jahrhunderten wieder ein seinen Ohren erklang. "Ihr wollt mir drohen? Obwohl ihr diejenigen sein solltet, die um Gnade winseln?"
"Entsichern!", kam Befehl von einem der Soldaten, woraufhin alle diesem Kommando nachgingen. Panik breitete sich wie ein Stromstoß in Harlow's Körper aus, dieser schien wie eingefroren.
"Harlow!", zog Freya Harlow aus seinem Tunnelblick und griff nach seinem Oberarm. Der Braunhaarige erschrak sich und fiel beinahe vom Rand, hätte Freya ihn nicht gehalten. Die Dunkelhäutige musterte die Situation unten und zog dann an Harlow's Mantel, "wir müssen ihm helfen! Sie werden ihn noch töten!", sie wollte nach seiner Hand greifen, um sich erneut mit ihm zu teleportieren, als Harlow sie jedoch aufhielt. "Nein", hauchte er, ohne sie anzublicken.
"Wie bitte?", fragte sie nach, dachte wohl, sie hätte sich verhört. "Ich hab leider keine Zeit, mich großartig mit euch Herrschaften zu unterhalten", verkündete der Fremde, rieb bereits vor Vorfreude seine Hände aneinander, "Ich suche nämlich jemanden und ich bezweifle, dass ihr mir weiterhelfen könnt."
"Teleportieren! Jetzt!", befahl Harlow plötzlich und griff grob nach Freya, die sich erschreckte und garnicht lang wartete, bis sie sie beide hinunter zur Lichtung teleportierte, direkt zwischen beide Fronten. Während Freya sich kurz regenerieren musste, handelte Harlow bereits. "Nicht!", schrie er seinen alten Bekannten an und stürzte sich auf ihn, als der andere Bändiger die Hand nach den Soldaten ausstreckte.
Der Unbekannte wurde bei der Überraschung plump zu Boden gerissen, Harlow direkt hinter ihm her, sogar exakt auf ihm drauf, um genau zu sein. "Harlow", hauchte der andere Bändiger, seine blauen Augen vor Schock weit aufgerissen. Harlow blieb die Luft weg, als sie so da lagen, ihre Gesichter nah beieinander. "Kingsley", murmelte Harlow, wollte sich aufrichten und seine Hand an Kingsley's Wange legen, als ein schmerzhafter Stich seinen Hals entlangfuhr.
Der Blonde zischte auf und griff nach der Stelle, zog dort einen kleinen Betäubungspfeil heraus. Er blickte ein letztes Mal in das altbekannte Gesicht, als alles langsam verschwamm und die Dunkelheit ihn einholte.
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