Prolog

Ich erinnere mich.

Ich erinnere mich ganz genau.

Erinnerungen verblassen, aber diese wird ewig bleiben.

Das weiß ich.

Ich war vielleicht 10... oder 11 Jahre alt.
Meine Eltern wurden vom Rektor eingeladen, weil er ein Gespräch über mich führen wollte.

Ich weiß noch genau, wie ich vor dem Zimmer auf einem hellgrauen Plastikstuhl saß und mit meinen Fingern immer wieder die Muster nachfuhr, während ich wartete.

Ich weiß auch noch, wie es nach einer Weile lauter wurde, und meine Eltern kurz darauf aus dem Raum gestapft kamen.

Meine Mutter hatte ihr hübsches Gesicht zu einer Grimasse verzogen und mein Vater schmiss die Tür hinter sich zu.

Eomma setzte sich zu mir und strich immer wieder über meine Haare, wie um sich selbst zu beruhigen.
Dabei murmelte sie.

Appa setzte sich neben sie und zog sie in eine Umarmung.

"Er hat keine Ahnung, was wichtig ist.
Sie ist schlau, Kathleen. Sie ist die Klassenbeste."

Ich weiß noch, wie meine Mutter sich bemühte nicht zu kreischen.

"Er hat sie sozial inkompetent genannt, Choi!
Er hat sie als asoziale Intelligenzbestie, die zu faul ist um irgendwas für die Schule zu machen, bezeichnet!
Er meinte, wenn sie weiterhin so 'hochnäsig' aufgrund ihrer schulischen Leistungen wäre, würde er sie rausschmeißen!"

Mein Vater, der bis dahin still neben ihr gesessen und ihren Rücken gestreichelt hatte, richtete sich plötzlich zu seiner vollen Größe auf.

"Das wird er nicht können.
Wir nehmen sie runter.

Die Schule hat sie nicht verdient."

Damals habe ich nicht verstanden, warum sie so wütend waren.
Ich fand es toll, dass der Rektor mich für intelligent hielt.
Mehr verstand ich nicht.

Ich erinnere mich, dass wir gleich danach wandern gegangen sind.

Um als Familie 'dieser Lage gemeinsam zu trotzen'.

Es hätte eigentlich ein schöner Ausflug werden sollen.

Aber als solcher blieb er nicht in Erinnerung.

Wir waren gerade auf dem Weg nach oben, kurz nachdem ich in einer Gaststätte eine Tasse heiße Schokolade bekommen hatte.

Ich weiß noch genau, wie wir den steinigen Weg hochliefen, und an jedem größeren Fels anhalten mussten, weil ich unbedingt auf alles draufklettern wollte.

Ich liebte es, hoch über meinen Eltern zu stehen und sie von unten stolz zu mir hochlächeln zu sehen.

Als ich hinter der nächsten Wegbiegung einen besonders großen und steilen Fels sah, hüpfte mein Herz vor Freude.

Ich rannte den steilen Pfad entlang, stolperte einige Male und kroch den restlichen Weg zu ihm.

Ich wollte wieder oben sein.

Ich wollte den leichten Wind um meine Nase spüren, auch wenn dieser in dem kleinen Tal sehr schwach war.

Ich wollte es schaffen.

Also kletterte ich.

Es war irgendwie anstrengender als sonst.
Als ich oben war und mich auf den höchsten Punkt stellte, klopfte mein Herz wie wild.

Plötzlich wurde meine Brust enger.
Mein Herz fing an, wie wild zu rasen, und mir ständig gegen den Brustkorb zu hämmern, wie als ob ich einen Presslufthammer in mir trüge.

Es fühlte sich an, als ob meine Lunge zusammengeschnürt werden würde,  ich bekam keine Luft mehr, fing an zu keuchen, mein Kopf schmerzte.

Dunkle Punkte begannen, in meinem Blickfeld zu tanzen und meine Eltern riefen mir entsetzt zu, ich sollte wieder runter kommen.

Ihre Schreie wurden leiser und verhallten schließlich ganz, während vor meinen Augen alles schwarz wurde und ich langsam die Kontrolle über meinen Körper verlor.

Ich wurde ohnmächtig und  f i e l...

Das war mein erster Anfall.

Hinterher wurde mir erzählt, dass mein Vater mich gerade so auffangen konnte, als ich auf der anderen Seite des Felsens rückwärts runterkippte.

Ich wachte später in einer weißen Umgebung auf, in der Leute in weißen Kitteln um mich herumwuselten.

Der Ton war erstmal wie verschwunden, bis er nach einer Weile allmählich zurück kam.

Ich hatte Kopfschmerzen, mir war schlecht und meine Brust war wie eingeschnürt.

Das Schlimmte aber waren die Herzschmerzen.

Wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich noch lebe, hätte ich gedacht mein Herz würde in Flammen stehen oder eingequetscht werden.

Als meine Eltern auftauchten, verstand ich erstmal nicht was sie mir sagen wollten.
Die junge Ärztin, die sie ins Zimmer begleitet hatte, machte ihnen anscheidend klar, dass sie mich erstmal in Ruhe lassen sollten.

An diesem Tag wusste ich nicht was los war, ich verstand überhaupt nichts mehr.

Ich fühlte mich wie in Watte gepackt, während die Welt an mir vorbeizurauschen schien.

Am nächsten Tag war ich wieder soweit ansprechbar.

Die Ärztin vom Vortag begleitete meine Eltern auch diesmal, die sich auf zwei Stühle, Eomma rechts und Appa links neben meinem Bett setzten.

Ich werde nie ihre ängstlichen Gesichter vergessen, als die Ärztin zu erklären begann, während sie mir immer wieder mitleidige Blicke zuwarf.

An das meiste des Gesprächs erinnere ich mich nicht, nur drei Sätze haben sich fest in mein Gdächtnis eingebrannt.

"...Du bist krank, Gi. Du hast Probleme mit dem Herzen, genauer gesagt leidest du an der sogenannten Koronaren Herzkrankheit. Du wirst noch eine Zeit lang im Krankenhaus bleiben müssen."

Die Ärztin schien erst noch was sagen zu wollen, stoppte sich dann aber noch.

Später, als ich still im Bett lag und versuchte zu schlafen, hörte ich wie sich meine Eltern mit ihr unterhielten.

Worüber, das wurde mir an meinem 12. Geburtstag erzählt.

Aber ich hatte es eh teilweise gehört.

"Gi? Alles Gute zum Geburtstag, mein Schatz"

"Ich muss ihnen leider noch etwas sagen."

"Eomma? Warum kann ich nicht wieder nach Hause?"

"Das können wir dir nicht... nein.
Du bist alt genug, um es zu erfahren."

"Sie wissen ja, dass ihre Tochter an einer Herzkrankheit leidet. Nun, diese Krankheit ist schwerwiegender als zuerst angenommen."

"Du bist sehr krank, Gi."

"Aufgrund dessen werden wir immer aufpassen müssen, dass ihr bei einem weiteren Anfall schnell geholfen werden kann."

"Du musst deswegen auch immer im Krankenhaus bleiben müssen.
Dein ganzes Leben lang."

"Das größte und schlimmste Problem ist, sie wird nicht mehr lange leben."

"...Gi, mein Schatz, bevor du darüber nachdenkst, wir werden dich bis zum Ende unterstützen."

"Wir denken, dass sie durchaus noch erwachsen werden könnte, wenn nichts schief geht."

"Wieso? Eomma, was ist los?"

"...wie alt wird sie werden können?"

"Du... du wirst nicht mehr lange leben."

...

"Wie alt werde ich?"

Ein Seufzen war zu hören.

"20 Jahre."

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