Kapitel 7

Noch eine Weile bleibe ich, in Gedanken versunken, auf meinem Bett liegen.
Als mein Rücken dann doch anfängt, dank der ungünstigen Liegeposition wehzutun, will ich schnell aufstehen, allerdings verhindern das meine eingeschlafenen Beine.
Als ich sie bewegen will, durchfährt mich ein stromschlagartiges Kribbeln und ich zucke erschrocken zusammen.

Wie ich es hasse.
Dieses Gefühl, wie von Ameisen, die über deinen Körper krabbeln.
Du spürst sie, kannst sie aber nicht besiegen, da mit jedem Hieb mehr Ameisenbisse hinzukommen.

Wenn einem Körperteile einschlafen, ist das wie als ob etwas so stark kribbelt, dass es schon wieder höllisch wehtut. Und das bei jeder Bewegung. Ununterbrochen.
W i e   i c h   e s   h a s s e.

Ich versuche also, aufzustehen.
Meine Beine senken sich und berühren den Boden. Vorsichtig belaste ich sie und stelle mich unsicher und wackelig auf die quietschenden Bodenbretter.

Ein paar Minuten bleibe ich in dieser Position, bis ich der Meinung bim, mich jetzt sicher und ohne Pannen bewegen zu können.

Jetzt stehe ich also stabil und fertig da, habe aber durch das lange Stehen vergessen, was ich eigentlich machen wollte.

Ich bin leicht abzulenken...

Unzufrieden mit mir und meiner Welt sehe ich mich in dem Raum um.
Dabei fällt mein Blick auf die Stereoanlage, welche zwischen den Fenstern stehen.
Innerlich grinse ich.
Applaus an mich, ich hab mich an mein Vorhaben erinnert!

Über mich selbst den Kopf schüttelnd, laufe ich barfuß über die Flauscheteppiche zu den schwarz-blauen Musikboxen und fange an, in dem hüfthohen, aber schmalen Regal rechts neben der Anlage zu kramen.
In diesem bewahre ich die USB-Sticks mit Musik auf.

Wenn man, wie ich, schon eine ganze Weile hier eingesperrt lebt, fängt man an, seine Kentnisse in den Bereichen der Tätigkeiten, die einem noch nicht verwehrt oder unmöglich sind, auf ein Maximum zu erweitern.

Das ist übrigens auch der ganze Grund, warum ich überhaupt zeichnen kann.

Und so wie ich meine Kentnisse im Bereich der bildenen Künste mit der Zeit erweitert habe, habe ich auch meinen Musikgeschmack erweitert.
Und das so weit, dass ich in dem hüfthohen Regal USB-Sticks mit Liedern in so gut wie allen Musikstilen habe.
Angefangen hat das Ganze mit einem Stick, auf den mein 11-jähriges Ich nur seine Lieblingslieder aus den damaligen Charts gezogen haben wollte.

Als mir in meinem Gefängnis dann immer langweiliger wurde, habe ich angefangen, mich über die Künstler meiner Lieblingslieder zu informieren und mehr Musik von ihnen zu hören.
Da kam dann der zweite USB-Stick ins Spiel.
Ab da hörte ich mich in Funk und Radio um, schnappte hier und da mal einen neuen Musikstil auf und entwickelte nebenbei ein System, nach welchem ich die Lieder auf meine, sich vermehrenden, USB-Sticks verteilte.

Mittlerweile sollte ich so um die dreißig Sticks haben, alleine für die Lieder an sich.
Dazu kommen noch so um die zehn USB-Sticks, auf denen ich die Lieder playlist-mäßig angeordnet habe.

Ich gebe zu, hätte ich mich mit dem Sortieren angestrengt und die Songs ihrem erforderlichen Speicherplatz nach so Tetris-mäßig auf die Sticks verteilt, würde ich auch sicher schon mit fünfzehn bis sechzehn Sticks für die Lieder auskommen.

Aber das wäre ja langweilig, einfach und anspruchslos gewesen, wie meine Mutter mal passend ausgedrückt hatte.

Aber warum nehme ich denn kein MP3-Player oder ziehe die Songs aufs Handy? Ganz einfach: ich habe keine Hobbies, der Speicherplatz eines einzelnen Gerätes ist begrenzter als der unendlich vieler USB-Sticks und ich müsste MP3-Player und co aufladen.

Und auch mit Kopfhörern zu hören ist kein Problem für mich: ich hab von meinen Eltern mal solche Bluetooth-In-Ears bekommen, die ich praktischerweise mit der Stereoanlage verbinden kann. Das heißt, ich kann einen USB-Stick meiner Wahl in die Anlage einstecken, die Kopfhörer anmachen und dann im Bad Musik hören.

Toll oder?
Dabei beschränken sich die Genüsse, die meine beiden Ohren in letzter Zeit so zu spüren bekommen, meist auf R' n B' oder Instrumentales, z.B in der Klassik.
Mit Abstand am liebsten höre ich aber Klavierstücke.

So auch heute:
Ich suche kurz nach dem USB-Stick mit Congfei Wei's Stücken, stecke ihn in die passende Öffnung der Stereoanlage, wähle kurz mithilfe der Tasten den passenden Titel aus und drücke auf 'Play'.

Ein paar Sekunden vergehen, dann gelangen die ersten Töne von 'Bluestone Alley' an meine Ohren.

Genießerisch schließe ich meine Augen.
Die sanften, seelenvollen Töne des Klavieres nehmen mich sofort ein und die süße Melodie streichelt meine geschundene Seele.
Die hoffnungsvollen Klänge fließen direkt in mein krankes Herz und bringen es liebevoll zum schneller Schlagen.

Langsam übernimmt das Klavier die Kontrolle über meinen Körper.
Aber nicht auf die selbe Weise, wie ich immer bei einem Anfall die Kontrolle verliere.
Wenn die Töne zu fließen beginnen, fängt es an in meinen Knochen zu kribbeln und tief in meiner Brust steigt der sehnlichste Wunsch auf, sich der Musik hinzugeben.

Und in solchen Momenten gebe ich gerne die Kontrolle ein Stück weit ab.

Ich schalte meinen Kopf aus und lausche dem unregelmäßigem Schlagen meines Herzens, seltsamerweise passend zu den Tastenklängen, die aus den Lautsprechern geströmt kommen.

Langsam fange ich an, meinen Körper zu bewegen und schwenke hin und her. Immer gefühlvoller werden meine kleinen Bewegungen.
Die Musik umhüllt mich und mir ist, als ob sie, einem Windhauch gleich, über meine Haut steicheln würde.
In meinen Gedanken steigt etwas auf, ein kleiner Schimmer Hoffnung scheint zu sprießen in all der Gräue und der Dunkelheit.

Ich fühle mich frei.

Es ist für einen kurzen Moment so, als wäre die Welt in Ordnung, als wäre ich nicht hier eingesperrt, um auf meinen Tod zu warten.

---

Und willkommen zum 'Lesetag'! :D

Weil wir fahren nach Paris... Jugendweihefahrt und so xD

14 Stunden im Bus.

AAH

Naja, deswegen werde ich spätestens alle zwei Stunden ein Kapi hochladen ^-^
Also wenn ihr Glück habt,kommt das nächste schon um 11, ansonsten zwischen 11 und 12 🌚

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top