Kapitel 6
Stille.
Ich höre nichts.
Noch nicht mal das Ticken einer Uhr.
Ich seufze einmal laut auf. Seit Yoongi aus dem Zimmer geholt wurde, habe ich nichts vernünftiges getan.
Ich lag einfach stundenlang auf meinem Bett, habe Löcher in die Luft gestarrt und darüber nachgedacht, was genau eigentlich passiert ist und warum mein Gehirn so dermaßen auf Durchzug gestellt hat.
Genau das tu ich jetzt auch gerade.
Die Augen geschlossen, versuche ich mich an das Gefühl zu erinnern, welches der Anblick seines Blutes in mir ausgelöst hat.
In meinem Kopf rattert es, doch ich komme nicht an die Erinnerung.
Nach kurzer Zeit öffnen sich meine Augen wieder. Es auf diese Weise zu versuchen, bringt nichts.
Nachdenklich schaue ich aus dem gegenüberliegenden Fenster.
...Er hat gehustet.
Erst war es irgendwie... normal. Einfach ein stinknormaler kleiner Hustenanfall.
Ich hab es ihm da auch noch irgendwie gegönnt... er hat sich so dumm benommen.
Ich dachte mir nur so 'Jep, Karma is a Bitch du Bärenfresse' und war alles in allem eigentlich ziemlich zufrieden, dass er unterbrochen wurde und ich somit das letzte Wort in unserer Disskusion hatte.
Als es dann mit der Zeit nicht aufgehört hat, wurde es doch komisch.
Sein Keuchen klang irgendwie schmerzhaft... Er hat ja schon richtig nach Luft geschnappt.
So als ob er langsam die Kontrolle über seine Atmung verliert.
Also war es halt einfach ein etwas stärkerer Husten, nicht wahr?
Ich hab mir gedacht, gut, vielleicht ist er allergisch gegen irgendwas, hat sich an seiner Spucke blöd verschluckt oder ist einfach ein krasser Raucher oder so.
Alles nicht wirklich schön... abgesehen davon hat sein Husten langsam angefangen, in meinen Ohren wehzutun. Deswegen hab ich ihm das Wasser geholt.
Selbst im Bad hat man noch sein Husten gehört...
Es war komisch, jemanden wie ihn so schwach zu hören.
Also habe ich mich beeilt.
Er war ein weiteres Stück in sich zusammengesunken, als ich zurückkam. Als ich ihm dann das Wasser gereicht habe, ist mir das Blut aufgefallen.
Genau.
Das Blut
Sein Blut.
In diesem Moment ist bei mir wohl eine Sicherung durchgebrannt oder so...
Ich sah ihn, sah sein Blut, den Schweiß, der seine Stirn runterlief und seine, mit Tränen gefüllten Augen. Ich sah seine Qual.
Ich sah seinen verzweifelten Blick und wie er hilflos versuchte, seine Lunge drinnen zu behalten.
Ich bemerkte, wie er die Kontrolle verloren hatte.
Wie er auf die Hilfe Anderer angewiesen war, um wieder aus dem Husten rauszukommen.
Wie ein Seemann auf den Rettungsring angewiesen war, um in den tosenden Fluten nicht unterzugehen.
Wie er nichts gegen die Reaktion seines Körpers tun konnte.
Und wisst ihr was?
Er erinnerte mich an mich selbst.
Das Gefühl, nicht mehr Herr über den eigenen Körper zu sein.
Hilflos dazuliegen und darauf zu warten, wann es endlich vorbei ist.
Ich konnte es spüren.
Ich habe sein Leiden gespürt.
Das war wohl auch der Grund, dass ich ihm geholfen habe.
Dass ich versuchte, ihn zu beruhigen.
Dass ich die Ärzte verständigt habe.
Tief in mir konnte ich ihn nicht leiden sehen.
Ich wusste nicht, ob er wie ich so etwas ständig durchmachen muss, aber das war mir egal.
Selbst wenn es das erste Mal gewesen sein sollte, hat er das nicht verdient.
Es mag sein, dass ich vielleicht unterbewusst ein bisschen zu viel in seinen Anfall hineininterpretiert habe, aber ich bereue es nicht, ihm geholfen zu haben.
Niemand verdient es, dieses Gefühl auch nur einmal spüren zu müssen.
Und da ist es mir auch egal, dass er ein Idiot ist.
In dem Moment, als er mich angeschaut hat, habe ich etwas in seinen Augen gesehen.
Nur ein Stückchen, wie ein kleiner Funke der zwischen dem Lagerfeuerholz hin- und hertanzt und doch nie wirklich zu sehen ist.
Aber da war etwas.
Und dieses Etwas, das war wie ich.
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Okay, wenigstens habe ich jetzt einen von den zwei verpassten Sonntagen wettgemacht ^-^.
Noch ein Kapitel :/ :D
...oder wisst ihr was?
Ich hab ne Idee.
Was würdet ihr von einer Lesenacht/einem Lesewochenende halten? :D
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