Kapitel 4
Ich blinzelte ungläubig.
"Jaaa, bestimmt.
Lass mich raten, eigentlich bist du ein neuer Krankenpfleger, richtig?"
Eine Augenbraue hochziehend, schüttelte er den Kopf.
"Eigentlich bin ich vom Krankenhauslotto."
Gespielt überschwänglich hob er die Arme und drehte sich erst zu einem imaginären Publikum, dann zu mir um.
"Herzlichen Glückwunsch, meine Dame!
Sie haben hiermit einen Mitbewohner gewonnen! Das Objekt ihrer Begierde weist zwar einige Mangelerscheinungen wie zum Beispiel eine Krebserkrankung auf, diese werden aber durchaus von seinen unübersehlichen Vorzügen aufgewertet!"
Ich schüttelte nur den Kopf, während der fremde Junge mit seiner Show fortfuhr.
"Diese Vorzüge sind unter anderem sein unmenschlich schönes Gesicht, ein gut gebauter Adoniskörper und ein übergroßer Stier..."
"Ein übergroßes Stierego? Meinst du nicht, diese Bezeichnung ist eine Beleidigung für jeden Stier?" unterbrach ich ihn.
Er sah mich einfach nur an, ohne zu blinzeln. Wahrscheinlich war er beleidigt. Keine Ahnung, ich bin nicht so gut in so sozialen Dingen.
Ich starrte zurück.
"Abgesehen davon ist es ganz falsch, dich selbst als Mitbewohner mit einem Lottogewinn zu vergleichen. Über Lottogewinne freut man sich nämlich normalerweise."
Er zog eine Augenbraue hoch und sah mich mit einem, für mich undefinierbaren, Blick an, bis er sich schließlich dazu entschieden hatte, etwas zu sagen.
"Wow. Einfach nur Wow. Du bist ja schlimmer als ich." meinte er trocken.
Schulterzuckend fügte er noch hinzu: "Scheint so, als ob dieser Krankenhausaufenthalt doch nicht so langweilig, wie erwartet, wird."
Mit diesen Worten drehte er sich um und zog einen großen, schwarzen Rollkoffer am Griff ins Zimmer. Mit diesem in der Hand ging er quer durch den Raum, stolperte auf dem Weg noch ein paar Mal über meine Flauscheteppiche auf dem Boden und ließ sich schließlich auf dem zweiten Bett nieder.
"Also meintest du das ernst?". Mit gerunzelter Stirn sah ich ihn an.
Er warf mir einen flüchtigen Blick zu.
"Sehe ich so aus, als würde ich spaßen?" stellte er eine Gegenfrage.
Innerlich verdrehte ich die Augen. Ich war jetzt schon von ihm genervt.
Um mich nicht weiter mit ihm unterhalten zu müssen, setzte ich mich mit einem Buch auf die Plüschcouch.
Diesen Wink verstand er offensichtlich und fing an, in seinem Koffer rumzukramen und die Schubladen seines Bettes mit dem Inhalt der Koffers zu füllen.
Guter Junge.
Ich kann es nicht leiden, beim Lesen gestört zu werden.
So ließen wir also die Zeit vergehen, er beim Einräumen und ich durch das Lesen.
Nach einer Weile stoppte das Geräusch auf- und zugehender Schubladen und ich hörte seine Stimme eine Frage stellen.
"Wieso gibt es nur vier Schubladen? Das reicht doch vorne und hinten nicht..."
Ich schenkte ihm einen genervten Blick und zuckte mit den Schultern.
"Wirst du wohl oder übel aussortieren müssen."
Er sah von seinem - noch halbvollen - Koffer zu mir und zurück.
"Und überhaupt;" redete ich weiter.
"Du stirbst doch eh bald, wenn du schonmal hier bist. Wozu brauchst du dann bitte so viele Sachen?"
Er sah mich genervt an.
"Vielleicht weil ich nicht wie der letzte Penner rumlaufen will, im Gegensatz zu dir!" zischte er.
Ich zog eine Augenbraue hoch.
"Ich wüsste nicht, was an bequemen XL-Hoodies und Jogginghosen auszusetzen wäre. Und überhaupt: Wenn ich so ausshen 'wie der letzte Penner', wie du so nett formuliert hast, versuchen die Wenigsten ein Gespräch mit mir aufzubauen. Das ist ein großer Vorteil.
Damit wäre das Problem 'soziale Kontakte' nämlich schonmal gelöst."
Der Junge schüttelte den Kopf.
"Mir wurde zwar gesagt, dass du komisch bist, aber ich dachte da eigentlich eher an so ein überemotionales Depri-Schaf, das nur so mit emotionalen Statements um sich wirft."
Ich zuckte nur mit den Schultern und wand mich wieder meinem Buch zu.
"Es tut mir nicht wirklich Leid, dich zu enttäuschen, aber Deprischaf passt nicht wirklich.
Für das Gras müsste ich immer nach unten, sodass ich wahrscheinlich schon längst an Überanstrengung gestorben wäre." ließ ich ihn noch wissen, bevor ich wieder in die magische Welt von Harry Potter eintauchte.
"Danke für deine nicht vorhandene Hilfe...". Brummelnd drehte er sich wieder seinem Koffer zu.
"Und was mache ich jetzt?"
Ich ignorierte ihn.
Nach einer Weile, in der man nicht viel mehr als das Rascheln meiner Buchseiten und das Geräusch seiner Sachen, wie er sie in immer neuer Anordnung in seine Schubladen steckte, hörte, unterbrach er die Ruhe wieder.
"Was ist mit Bettzeug?"
Ich sah ihn nichtmal an, als ich antwortete.
"Bekommst du von den Schwestern du Pabo. Musst du klingeln."
Schnaubend drehte er sich auf der Suche nach besagter Glocke wahrscheinlich einmal im Kreis, bis er sie entdeckt hatte. Kurz, bevor er an ihr ziehen wollte, schien ihm noch etwas eingefallen zu sein.
"Beziehen die das dann auch?"
Wow. Das war jetzt irgendwie extrem kindisch. Oder einfach extrem faul.
Ich beschloss, ihn anzuschwindeln. Just for Fun.
Ich würde gerne mal wissen, ob er so ein Bett selbst beziehen kann.
"Nee, solange du noch selbst laufen kannst, musst du das selbst machen. Damit man den Bezug des Lebens nicht verliert."
Er hustete trocken.
"Den Bezug des Lebens? Echt jetzt, der war schlecht. Sogar schlimmer als Jins ständige Witze."
Gleichgültig zuckte ich mit meinen Schultern.
"Solange ich dich damit nerven kann..."
Die Augen verdrehend, zog er an der Schnur, die die Glocke zum Klingeln brachte.
Ein heller Ton füllte den Raum und kurze Zeit später kam eine der Schwestern in den Raum.
Freundlich lächelte sie den Jungen an und verbeugte sich kurz.
"Kann ich dir behilflich sein?"
Er verbeugte sich ebenfalls und nickte.
"Ich bin gerade hier angekommen und brauche noch Bettzeug."
"Natürlich, bringe ich dir sofort. Du bist der Neue, Min Yoongi, richtig?
Irgendwelche Wünsche, was die Farbe angeht? Immerhin wirst du ja eine ganze Zeit lang hier leben!"
Dieser Junge, der offensichtlich Min Yoongi hieß, schien nicht überlegen zu müssen.
Fast direkt nachdem die Krankenschwester ihm die Frage gestellt hatte, fragte er nach weiß.
Nachdem die Schwester den Raum mit einem kurzen Seitenblick auf mich verlassen hatte, drehte ich mich zu Min Yoongi um.
"Soso.. Min Yoongi also?" schmunzelte ich.
"Hättest du mir vorhin, als ich reingekommen bin, mal zugehört, wüsstest du das längst schon." erwiederte er.
"Tschuldigung. War damit beschäftigt heruaszufinden, warum sie mich dir zumuten."
Er lächelte mich provokativ an.
"Und? Hat dein Medizingedoptes Gehirn eine Antwort geben können?"
"Ja. Tatsächlich." Ich sah ihm gelassen in die Augen.
"Sogar mehrere Möglichkeiten.
Eine wäre, dass sie die Hoffnung in die Menschheit, beziehungsweise in mich noch nicht vollständig aufgegeben haben. Das ist aber so gut wie unmöglich, da sie mich mittlerweile kennen sollten."
Yoongi sah mich skeptisch an.
"Wie lange bist du schon hier?"
Seufzend erwiederte ich.
"Lange genug, um dir sagen zu können, dass ich dich vermutlich überlebe. Wenn du mit Krebs hier rein kommst, bist du schon so gut wie tot.
Wenn wir allerdings beide Glück haben sollten, sterbe ich doch durch irgendeine Kleinigkeit vor dir.
Ich wäre frei und du könntest deine letzte Zeit nochmal so richtig genießen."
"Also doch ein Deprischaf." Er sah mich triumphierend an.
Ich lächelte falsch.
"Jaa, bestimmt. Ich heule ja auch voll rum, richtig?"
Yoongi verdrehte nur die Augen.
"Ist ja auch egal. Du hast von mehreren Möglichkeiten gesprochen?"
"Wow. Und das interessiert dich ernsthaft?"
Er schüttelte den Kopf.
"Nicht wirklich. Ich warte nur auf die Bettwäsche.
Jetzt erzähl schon!"
Hmm, ja ist klar.
Innerlich grinste ich schon fast.
Der war ja doch nicht so einfach zu vergraulen.
Nur abwarten.
Irgendwann wird er mich doch noch in Ruhe lassen.
"Eine weitere Möglichkeit wäre zum Beispiel, dass sie dein Leben so unauffällig wie möglich beenden wollten, und die Idee hatten, dich einfach mit bei mir reinzustecken."
Er schnaubte.
"Verschwörungstheoretikerin also?
Wie wärs mit der Theorie, dass einfach keine anderen Zimmer mehr frei waren?"
Ich zuckte nur mit den Schultern. bevor ich jedoch etwas erwiedern konnte, kam die Krankenschwester mit weißer Bettwäsche ins Zimmer.
Yoongi stand auf und nahm diese aus den Händen der Schwester, die sichtlich verdutzt drüber war, und machte sich ans Beziehen.
Naja.
Oder versuchte sich zumindest dadrin.
Soviel dazu: Es war sehr amüsant, diesem Spektakel zuzusehen.
Nach einer Weile, in welcher er sichtlich konzentriert versuchte, das Bettlaken über die Decke zu ziehen, erwachte auch die Krankenschwester wieder aus ihrer Starre.
"Äh, Herr Min, sie müssen das nicht selbst beziehen!" beeilte sie sich zu sagen, bevor Yoongi mit seinen kläglichen Versuchen ein Loch in die Decke machte.
Seine Erleichterung verbergend, kroch er vom Bett runter und drückter der Krankenschwester das Laken in die Hand.
Er setzte sich auf den Sessel rechts neben mir und knurrte sichtlich angepisst.
"Ach, ist das so?"
Dabei warfen seine dunkler gewordenen Augen mir einen wütenden Blick zu.
Ich grinste innerlich.
Sollte er doch versuchen, mich einzuschüchtern oder sich zu rächen.
Soll er doch.
Ich werde ihn schon früher oder später los.
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Das Deprischaf ist ein kleiner Insider... hehe *pedoface*
Uund ich bin im Winterurlaub und hab gestern vergessen, zu uploaden... :c
SORRYYYY
Dafür plane ich ein paar BTS-Oneshots... hehe
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