Kapitel 13

Dieses außerplanmäßige Kapitel ist gewidmet an  Yoongz_magicshop, die mich mit ihren lieben Kommentaren hier mal wieder unglaublich aufgebaut und inspiriert hat.

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Hm.

Also den restlichen Tag über hat Yoongi dann geschmollt. Das heißt, er hat mich einfach nicht beachtet.

Ich sollte ihn öfter ärgern, dann lässt er mich vielleicht komplett in Ruhe.

Er hat heute den restlichen Tag irgendwie nur mit Kopfhörern und seinem Laptop auf dem Bett gesessen, den halbvollen Koffer mit Sachen, die er noch nicht ausgeräumt hat, neben sich, und hat auf dem Laptop irgendwas gemacht was er mich nicht sehen lassen hat.

Hat mich eh nicht interessiert, wovon er so gebannt war.

...
Okay, vielleicht hat es mich doch ein bisschen interessiert.

Übrigens: irgendjemand muss ihm gesagt haben, dass es hier Zimmerservice inclusive gibt. Er hat sich nämlich was bringen lassen.
Ich vermute, es war eine der Krankenschwestern oder einer unserer nervigen, überkommunikativen Nachbarn.

ICH hab es ihm ja wohl kaum gesagt.

Momentan ist es vielleicht zwei Uhr morgens und ich kann nicht schlafen.
Es ist Vollmond, ich denke das ist selbsterklärend.

Ich hatte eigentlich vor seinem Anfall nicht vor, nochmal in dieses Buch zu kritzeln, aber in Anbetracht dessen, was ich mit diesem Buch vorhabe, ist es vielleicht ganz gut, meine Gedanken aufzuschreiben.

...es ist eigenartig still in seinem Bett.
Er schnarcht gar nicht..

Vielleicht erstickt er gerade?
Wenn der jetzt still vor sich hinstirbt, bin ich dann wahrscheinlich schuldig, weil ich nicht auf meinen Mitbewohner aufgepasst habe.
Ich sollte vielleicht mal schauen.

Still schließe ich das Buch und lege es in eine der Schubladen unter meinem Bett.

Ich sollte wirklich nach ihm schauen.
Immerhin ist er genauso krank wie ich.
Auch wenn ich an seiner Stelle lieber sterben würde anstatt gerettet zu werden, für ihn muss das nicht unbedingt gelten.
Im Gegenteil, ich habe mehr und mehr das Gefühl dass er unter seiner harten Fassade eine geballte Ladung Hoffnung auf eine Genesung verbirgt.

Ich stehe also leise auf und schleiche mich behutsam an sein Bett ran.

Die Bettdecke bewegt sich nicht.
Also entweder ist er schon tot oder er ist verbotener Weise nicht in seinem Bett.

Vorsichtig lüfte ich die Decke ein wenig und wage einen schnellen Blick unter sie, in der Hoffnung dass er nicht unten ohne schläft.

Ich habe Glück.

Weder ist er kurz vorm Ersticken, noch liegt ein nackter Yoongi vor mir.

Im Gegenteil; unter dem Teil der Decke, auf welchem mein Blick liegt, stapeln sich nur Kissen.

Er ist also weg.

Die Augen verdrehend lasse ich die Decke wieder auf ihren ursprünglichen Platz fallen und drehe mich einmal rundherum, auf der Suche nach irgendeinem Hinweis, wo er sein könnte.

Mir ist es zwar egal, ob er irgendwo ist, wo er nicht sein sollte, aber leider ist es sowas wie ein Gesetz hier auf der Palliativstation, dass sich Mitbewohner gegenseitig unterstützen.

Das heißt, wenn er Ärger kriegt oder sich irgendwo runterstürzt, was ich aber nicht glaube), bekomme ich auch einen Anschiss.
Und darauf kann ich verzichten.

Ich mache mich also auf den Weg zur Tür hinaus. Unterwegs bleibe ich kurz vor dem Bad stehen und lausche, in der Hoffnung ein Plätschern hinter ihr zu hören.
Da ist aber nichts.
So ein Pech. Dann muss ich ja wirklich nach ihm suchen.

Jetzt schon unendlich von ihm und der Welt genervt, schlüpfe ich in ein Paar graue Flauschesocken und mache mich auf die Suche nach ihm.

Nach gut einer dreiviertel Stunde bleibe ich erschöpft auf den Stufen einer Treppe sitzen.

Ich war jetzt schon in den öffentlichen Toiletten, im Speisesaal, hab sogar in der Küche nachgeguckt, bin durch alle Flure auf dieser Etage durchmaschiert und hab gelauscht, ob ich irgendwo Schritte höre.

Nichts.

Einfach nichts.

Wie ist das möglich? Der Kerl kann sich ja schlecht in Luft auflösen.
Mich hat es ja schon gewundert, dass ich anscheinend nicht mitbekommen habe, wie er aus dem Zimmer marschiert ist.

Aber dass er jetzt einfach weg ist, ist mir dann doch zu krass.

Müde und verzweifelt lege ich meinen Kopf in meine Hände.
Ich will mir gar nicht vorstellen, welchen Ärger ich bekomme wenn er wirklich weg sein sollte.

Ich meine, ich bin den Krankenhauspersonal ja schon seit Jahren als assoziales Arschloch, welches gerne Leute mit ihren Blicken erdolcht, bekannt.

Sie werden wahrscheinlich denken, ich hätte ihn in den Tod getrieben oder sowas.
Ich schüttle meinen Kopf.

Was mache ich jetzt?

Gerade als ich in meinem Selbstmitleid versinken will, höre ich hinter mir ein unterdrücktes Husten.

Ich fahre zusammen und drehe mich um, in der Hoffnung diesen Vollidioten endlich gefunden zu haben.

Doch hinter mir ist nur eine dieser angeblich feuersicheren Türen.

Ich will mich gerade wieder umdrehen und weiterjammern, da kommt mir eine Idee.

Und direkt danach schlage ich mir gegen die Stirn.

Wie konnte mir das nicht gleich einfallen?

Er wird auf dem Dach sein, dort führt diese Türe nämlich hin.

Ich kenne diesen Ort, von dort aus hat man einen schönen Blick über einen Teil von Seoul.
Schon oft habe ich dort am Rand gestanden, meinen Blick schweifen gelassen und darüber nachgedacht, mich hinunter zu stürzen, bis mir meine Eltern wieder in den Sinn gekommen sind.

Entsetzt über meine Inkompetenz in Sachen Nachdenken schüttle ich meinen Kopf, stehe auf und laufe langsam auf die Tür zu.

Kurz davor bleibe ich nochmal stehen und lausche.
Ich höre ein leichtes Husten und unterdrücktes Schluchzen.

Ich hoffe nur, er hat nicht schon wieder so eine Ich-huste-mir-die-Lunge-raus-und-bespucke-euch-alle-mit-meinem-Blut-Phase.

Einmal noch atme ich kurz durch, wappne mich für einen spuckenden Yoongi und überlege mir, wie ich ihn am schnellsten zu den Ärzten bringe.

Dann öffne ich die Tür.

Es knirscht ein bisschen, als ich die alte Tür vorschiebe und meinen Blick über das kleine Plateau schweifen lasse.

Ich war auf vieles vorbereitet, aber nicht auf das.

Am Rand des Daches, auf das niedrige Geländer gestützt, steht Yoongi in einem übergroßen, weißen Tshirt und kurzen Stoffshorts.

Im silbrigen Schein des Vollmondes sehe ich ein verräterisches Glitzern in seinen Augen.

Es ist klar, dass das Schluchzen von ihm kam, trotzdem dreht er sich weg sobald er mich bemerkt.

Behutsam komme ich ihm näher, stelle mich neben ihn an das Geländer und schaue hinunter auf die flackernden Lichter der Großstadt.

Eine Weile stehen wir so nebeneinander und schweigen uns an, dann beschließe ich die Stille zwischen uns zu brechen.

"Was machst du hier?"

Er wendet seinen stumpfen Blick von der Stadt vor uns ab und schaut mich mit tränenverschleierten Augen an.
Kurz hält er den Augenkontakt, dann schaut er wieder nach unten und meidet meinen Blick.

"Hatte einen Albtraum...."

Ich ziehe ungläubig eine Augenbraue hoch. Das konnte noch nicht alles sein.

"Und?"

Er sieht mich kurz wie ein böser Gartenzwerg an und dreht sich danach wieder weg.
"Geht dich nichts an" muffelt er.

Ich mustere ihn kurz.
Ihn einfach lieb zu fragen was wirklich los ist, würde vermutlich nichts bringen.
Allerdings schätzte ich ihn als jemanden ein, der nicht gerne provoziert wird und Disskusionen verliert.
Das könnte ich mir also zu Nutzen machen.

"So siehts aber nicht aus" stelle ich kurz fest und komme näher.
"Ehrlich gesagt siehst du wie eine Leiche aus."
"Na und?". Verärgert mustert der Schwarzhaarige mich.

"Du kannst nicht erwarten dass ich dich jetzt einfach in Ruhe lasse."
"Das solltest du aber wenn du keine Probleme haben willst."
"Das werde ich aber nicht."

Mit jedem Wortwechsel wird seine Stimme lauter und unkontrollierter.
"Verpiss dich doch einfach und lass mich in Ruhe!"
Innerlich atme ich kurz durch.
"Das kannst du vergessen. Nicht bis du mir nicht gesagt hast, warum du wirklich hier bist."

Kurz und bitter lacht er auf. "Ach, auf einmal bin ich also interessant genug damit du dich um mich scherst oder was?
Wieso denn AUF EINMAL?".

Seine laute Stimme ließ tausende von Emotionen wahrnehmen.
Wut.
Trauer.

Angst.

Mit Tränen in den Augen dreht er sich jetzt komplett zu mir um.

"Soll ich dir mal was sagen?
DU NERVST!
ALLES hier nervt!
Es nervt, dass ich aufwache und nicht weiß wo ich bin, es nervt dass ich komplett alleine bin, ohne jemanden zum ernsthaft reden, es nervt dass du mich runtermachst wo du nur kannst!"
Brüllt er mich an.

Ich stehe da wie festgefroren, weiß nicht was ich machen soll.

Yoongi holt kurz rasselnd Luft, dann setz er seine Schreierei fort.
Und mit jedem Wort treten ihm mehr Tränen in seine dunklen Augen.

"Es nervt dass ich diese Scheiß Medikamente nehmen muss und zu diesen beschissenen verfickten Untersuchungen muss, obwohl ich doch so oder so viel zu früh sterbe!
Es nervt, dass ich aufwache und Angst habe, jeden Moment loszuhusten!
Es nervt, IMMER beschissene Angst vor so einem verdammten Blut-spuckenden Anfall zu haben!
Es nervt, Angst haben zu müssen, dass ich bei jedem Anfall sterben könnte, zu wissen dass ich eigentlich jeden Moment sterben könnte!"
Seine Stimme wird leiser, weinerlicher.

Zitternd versucht er, ordentlich Luft zu holen und noch etwas zu sagen, aber die Tränen, die inzwischen unaufhörlich über sein Gesicht strömen und die schluchzenden Laute aus seinem Mund machen es ihm nicht möglich, weiterzureden.

Nach einigen Anläufen, etwas zu sagen, gibt er schließlich auf und steht nur noch wie ein Häuflein Elend da und weint still.

Unnötig zu sagen, dass ich komplett überfordert bin.

Er reibt sich über die Augen und holt noch einmal zitternd Luft, ehe es verzweifelt aus ihm rausbricht.
"I-ich wil-will n-nicht sterben..."
Er schluchzt noch einmal auf.

Ich seufze.
Dieser Anblick, wie der große, kalte Yoongi vor mir stand wie ein Häufchen Elend, die glitzernden Tränen über seine Wangen strömen und er sich wie ein kleines Kind über die Augen reibt, macht mich weich.

Und das sollte er nicht.
Er sollte mich nicht schuldig fühlen lassen.
Er sollte mir egal sein, ich sollte mich eigentlich direkt wieder umdrehen und zurück in mein Zimmer gehen.
Wenn auch nur, um meinen eigenen Prinzipien zu folgen.

Aber ich kann nicht

Dass ich keine Gefühle gegenüber anderer zulassen wollte, ist jetzt unwichtig.

Ich habe das Gefühl, Yoongi könnte Trost bitter gebrauchen.
Und ehrlich gesagt, kenne ich dieses Gefühl.
Ich selbst hatte zum Anfang meines Krankenhauslebens oft solche Phasen, in denen ich komplett am Ende war.
Aber ich hatte das Glück gehabt, Eltern zu haben die immer in meiner Nähe gewesen waren, mich getröstet und unterstützt hatten.
Ohne sie wäre ich schon längst gestorben.

Aber momentan... momentan hat Yoongi niemanden, der ihm den Trost spenden konnte, den man in so einer Phase braucht.

Nur mich.

Ich seufze, als mir das Resumee meiner Gedankengänge klar wird.

"Yoongi?"

Überrascht schaut er mich mit seinen, vom Weinen geröteten, Wangen an und hört für einen Moment auf, zu schluchzen.
Ich seufze nochmal.

"Jeder stirbt mal. Die einen später, die anderen eben früher... so ist das Leben nun mal." Beginne ich, irgendwelchen Mist zu quatschen um Zeit zum Nachdenken zu bekommen.

Ein weiteres Aufheulen bringt mich aus meinen Gedankengängen.

"A-Aber ich wi-will noch nicht ste-herben!" Bringt der große Junge vor mir heraus, dhe er verzweifelt versucht, seine Tränen runterzuschlucken.

Ich sehe ihn kurz an.
Dann nicke ich nur und lege behutsam einen Arm um ihn.

Er spürt meine Berührung und sofort kommt er mir näher und stürzt sich schon fast in meine Arme.
Sein gesamtes Gewicht lastet auf mir, seine schlanken Arme sind um meinen Hals geschlungen wie die Arme eines Ertrinkenden um den Rettungsring.
Sein Gesicht liegt in meiner Halsbeuge verborgen und ich spüre seine unterdrückten Schluchzer an meiner Haut vibrieren, während seine warmen Tränen an mir hinunterlaufen.

Ein wenig überfordert lege ich auch meinen anderen Arm um ihn und fange behutsam an, seinen Rücken auf- und abzustreicheln.

"Ich weiß Yoongi. Eigentlich will das niemand."

Dabei ergänze ich still in Gedanken etwas.
Noch nicht einmal ich möchte es wirklich.

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Erwartet nicht, dass jetzt wieder regelmäßig Kapis kommen, denn das kann ich nicht versprechen.

Und bedankt euch bei Yoongz_magicshop (siehe oben xD <3) und der Busfahrt nach Usedom für dieses Kapitel.

Ich war wieder mal in den Kommentaren (weil ich es liebe, mir alte und neue Kommis anzuschauen) und bin wieder auf die von ihr verfassten Kommentare gestoßen.

Und das war irgendwie der Anstoß hierfür.

Bei Sachen Kommentare muss ich auch noch meine wundervolle KatoffelSenpai erwähnen <4

Ach und.... es könnte sein dass ich das Leben des Buches teilweise und ein Stück weit wiedergefunden habe...

Vielleicht. könnte es sein

Over and Out <4

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