69 ⚜ Liebe ist niemals ein Fehler

REBEKAH

,,Letzte Nacht war wunderschön. Du bist eine Göttin", hauchte Marcel und küsste mich.

,,Mhm...", murmelte ich abwesend. ,,Findest du es nicht merkwürdig, dass Nik nicht ein einziges Mal versucht hat, dazwischenzugehen?"

Marcel seufzte. ,,Kannst du bitte aufhören über deinen Bruder nachzudenken, während ich dich küsse?"

Konnte ich nicht. Klaus war vergangene Nacht freundlich gewesen. Verdächtig freundlich sogar, als führte er irgendetwas im Schilde. Hatte er Marcel absichtlich zu mir geschickt, als ich in Begriff war, zu Eliza zu gehen?

,,Klaus hat mich 52 Jahre in einem Sarg verrotten lassen, weil ich dich geliebt habe und plötzlich akzeptiert er es? Ich bitte dich, so naiv kannst du nicht sein."

Marcel zog sich zurück und ich fischte meine Unterwäsche vom Boden, um mich wieder anzuziehen und beim Frühstück herauszufinden, was mein hinterhältiger Bruder plante. Wie sich herausstellte war er nicht da.
Mit einem Blutbeutel setzte ich mich an den Tisch. Nachdenklich verpeiste ich einen Traubenspieß, der gestern vom Buffet übrig geblieben war.

Elijah begrüßte mich auffallend wortkarg.
,,Willst du Frühstück?", bot ich ihm an. Auf der Platte lag alles mögliche, von Gebäck über Obst und verschiedene Aufstriche.
,,Nein, ich habe gleich eine Verabredung mit Clarice Deveraux. Sie hat eingewilligt mich zu treffen und ich hoffe auf ein Abkommen mit den Hexen."

Ich hob eine Braue. ,,Du hoffst auf ein Abkommen? Reiß dieser Kuh lieber den Kopf ab. Das löst unser Problem mit den Hexen wesentlich schneller und effektiver."

,,Ich bitte dich, Schwester. Wir würden nur einen Krieg beginnen."

,,Den wir schon haben, weil Klaus ihrer Schwester das Herz aus der Brust gerissen hat", erinnerte ich ihn. ,,Die Hexen hassen uns bereits. Viel schlimmer kann es eigentlich nicht werden."

Die Tür schwang auf. Eliza kam mit einem federnden Schritten herein und setzte sich auffallend gut gelaunt an den Frühstückstisch. ,,Ich sterbe vor Hunger."
,,Du bist schon tot", sagte ich altklug.

Elijah schien es plötzlich eilig zu haben. Er würdigte Eliza kaum eines Blickes, küsste meinen Scheitel und verabschiedete sich mit den kryptischen Worten: ,,Ich werde vor dem Abendrot zurückkehren."

Was sollte das bedeuten? Brauchte er einen ganzen Tag, um ein paar Hexen den Hals umzudrehen?

Schulterzuckend widmete ich mich meinem Blutbeutel und fragte Eliza beläufig: ,,Warum bist du immer noch hier? Hast du kein eigenes Zuhause?"

Eine Menge Gäste von gestern Abend waren noch hier. Hier gingen ständig Vampire ein und aus, die wir verwandelt hatten und in unserer privaten Armee beschäftigten. Trotzdem sah ich keinen Grund, wieso Eliza immer noch hier rumhing.

,,Das geht dich zwar nichts an, aber ich hatte gestern den besten Sex meines Lebens", schwärmte sie, allerdings waren ihre aufmerksamen Augen direkt auf mich gerichtet.

Ich verschluckte mich und hustete. Blut tropfte von meinem Mundwinkel und versaute das frisch gewaschene Kleid. ,,Hast du nichts besseres gefunden als die unterbelichteten Primaten, die in Klaus kleiner Armee kämpfen?"

,,Du bist doch nur neidisch", bemerkte Eliza. Betont langsam schnappte sie sich ein Brötchen, tunkte es in einen rötlichen Dip und nahm einen beherzten Bissen. ,,Wie war dein Abend mit Marcel? Konnte er deinen Ansprüchen gerecht werden oder hat er dich gelangweilt? Da er fast noch ein Kind ist, muss er schrecklich unerfahren sein."

Ich war zum zerreißen angespannt. Meine Brust fühlte sich an, als hätte ich sie in ein viel zu enges Korsett aus dem 18. Jahrhundert eingeschnürt. Meine Gedanken kursierten ausschließlich um den geheimnisvollen Fremden, der heute Nacht mit Eliza das Bett teilte.

Aber was sie konnte, konnte ich schon lange. Meine Lippen formten einen Schmollmund ich warf das Haar in den Nacken. ,,Es war unglaublich. Marcel hat wesentlich mehr Ausdauer als du, aber das ist kein Wunder, wo er doch viel jünger ist."

Mit Genugtuung erkannte ich, dass Eliza vor Eifersucht kochte.

Eliza machte sich zum Gegenschlag bereit. ,,Elijah hat mir erzählt, dass ihr Marcel aufgezogen habt, seit er ein Kind war. Er nennt Klaus seinen Vater. Was sieht er in dir? Seine Zukünftige? Oder nuckelt er an deiner Brust, weil er dich mit seiner Mutter verwechselt?"

Eliza knallte hart auf die Tischplatte, weil ich aufgestanden war, sie gepackt hatte und rücklings auf den Tisch schleuderte. Das Holz knackte gefährlich und drohte, zu zerbrechen. Elijah würde mich umbringen, wenn ich den guten Esstisch aus Italien ruinierte. ,,Wenn du nicht willst, dass ich mich vergesse, hältst du besser den Mund. Lass mich raten... Deine kleine, wilde Affäre von heute Nacht ist nur erfunden, weil du es einfach nicht ertragen kannst, an zweiter Stelle zu stehen."

,,Dir würden die Haare zu Berge stehen, wenn du seinen Namen wüsstest." Eliza bewegte ihre Finger und mehrere Blutgefäße in meinem Kopf zerplatzten. Ich schrie, wich ich zurück und presste die Hände an meinen schmerzenden Kopf.

Der Schmerz verebbte, nicht aber die Begierde, alles zu erfahren. Ich ertrug den Gedanken nicht, im Dunkeln zu tappen. ,,Wie hieß er?", fragte ich. Und was hat er, was ich nicht habe?

Eliza blieb vor mir stehen. So nah, dass ich mich nur ein kleines bisschen nach vorne lehnen müsste, um sie zu berühren. Der Duft ihres Parfums war betörend und lenkte mich ab. ,,Wenn du Marcel so sehr lieben würdest, wie du behauptest, wäre dir der Name egal, Rebekah", hauchte sie und sah mir dabei fest in die Augen.

Ich hielt ihrem Blick stand. ,,So wichtig bist du mir nicht mehr, Eliza Parkson. Nicht auf diese Weise."

Elizas Stimme war kaum lauter als ein Flüstern. ,,Warum weichst du dann nicht zurück? Du wartest doch nur darauf, dass ich dich küsse und dir das gebe, was Marcel Gerard dir niemals bieten kann."

Ich rührte mich nicht vom Fleck. Die Stimme der Vernunft versuchte mich zu überreden, einen Schritt rückwärts zu gehen, aber mein Körper spielte nicht mit.

Eliza beugte sich vor. Ihre Zunge kitzelte meine Unterlippe, als sie das Blut ableckte, das immer noch dort klebte. Die Spannung in der Luft war unerträglich. Ich hätte längst zurückweichen sollen, aber meine Knie waren weich wie Butter.
Eliza verharrte und legte eine Hand an meine Wange. ,,Wenn du einen Kuss willst, musst du ihn dir selbst holen, Liebes. Ich möchte, dass es deine eigene verdammte Schuld ist, wenn deine perfekte Beziehung in die Brüche geht. Du sollst auf deinen verdammten Knien angekrochen kommen und darum betteln, noch eine Chance von mir zu bekommen." Elizas Stimme klang dunkel, fast rau.

Sie machte es geschickt. Wenn Eliza den ersten Schritt machte, opferte ich nichts. Ich könnte ihr mühelos die Schuld an meinen Problemen in die Schuhe schieben. Wenn ich sie küsste, könnte ich später nicht behaupten, sie habe angefangen.
Lohnte es sich, meine gemeinsame Zukunft mit Marcel aufs Spiel zu setzen, nur weil Eliza ein Ziehen in meinem Unterleib verursachte? Ich hasste sie so sehr dafür.

,,So unwiderstehlich bist du nicht. Das mit uns ist vierhundert Jahre her. Ich bin über dich hinweg", behauptete ich stur, aber ich glaubte meinen eigenen Worten nicht.

Eliza stieß mich rückwärts, sodass ich mit dem Rücken gegen die Küchenzeile prallte, holte den Abstand aber schnell wieder ein und versperrte mit ihrem Körper den Ausweg. ,,Dann stoß mich weg, Bekah. Wenn es so einfach für dich ist, dann tu es!"

Bleib standhaft. Bleib standhaft. Bleib standhaft.

Marcel hatte mein Herz in Stücke gerissen, als er seine Verwandlung in einen Vampir MIR vorzog. Er hatte zugelassen, dass ich 52 Jahre in einem schäbigen Sarg verrottete, obwohl er geschworen hatte, mich immer zu lieben. Ich hätte ihn genauso verwandeln können.

Bleib standhaft.
Eliza stellte mich immer an erste Stelle, egal ob die Welt um uns herum brannte.

Bleib standhaft.
Ich liebe Marcel.
Ich liebe Marcel.
Ich liebe...

Ich legte eine Hand um ihren Nacken. Meine Lippen fanden den Weg zu ihren, als seien sie dazu bestimmt, ebendies zu tun. Es war so einfach wie atmen, so köstlich wie das süße Blut eines Unschuldigen und so verboten wie nur irgendwie möglich. Ich brauchte sie, ich wollte sie. Jetzt. Elizas Lippen waren eine verbotene Versuchung und es war die Art, wie sie mich küsste, die mich um den Verstand brachte. Mein Kopf war leer, dafür pochte mein Herz umso schneller. Ich sehnte mich nach ihr. Eliza hob mein Bein an. Ihre Finger krallten sich um meinen Oberschenkel. Mein Körper drängte sich an ihren. Mit der anderen Hand suchte sie einen Weg unter die Stoffschichten des Rockes. Ich keuchte leise und stützte mich hinter mir auf der Küchenzeile ab. ,,Ja, man spürt, dass ich dir nicht mehr wichtig bin", bemerkte sie atemlos, die Stimme vor Sarkasmus triefend.
,,Mach schon, bevor ich es mir anders überlege", drängte Ich begierig. Sie wartete nicht lange, bis sie mir das gab, worum ich bettelte. Eliza musste nicht viel tun, um mich an den Rande des Wahnsinns zu treiben. Sie wusste ganz genau, welche Knöpfe sie drücken musste, dass ich stöhnte.

Ein Klopfen an der Tür unterbrach uns. ,,Bekah?"

Ich biss mir so fest auf die Zunge, dass ich das warme Blut in meinem Mund schmeckte. Mein totes Herz pochte so schnell, dass es drohte, in meiner Brust zu zerspringen. Eliza ließ mein Bein so schnell los, dass ich mich anlehnen musste, weil ich so sehr zitterte.

Von allen Menschen, die jetzt hereinkommen konnten, kam ausgerechnet Marcel in die Küche.

Die Erkenntnis darüber, was ich getan hatte, traf mich wie ein Schlag. Wie hatte ich nur auf Elizas provokantes Geschwätz eingehen können? Ich hatte ein halbes Jahrhundert für diesen Mann in einem Sarg gelegen und setzte all das für zehn Minuten Spaß aufs Spiel? Er hat mich zuerst betrogen, indem er Klaus wählt, sobald er sich entscheiden muss. Jedes Mal. Ich presste die Beine zusammen und schluckte meine Schuldgefühle runter. ,,Ich dachte du wärst schon gegangen", sagte ich beiläufig.

Marcel ging nicht darauf ein. ,,Was treibt ihr hier?"

,,Rebekah hatte das beste Frühstück ihres Lebens", sagte Eliza grinsend.

Ein vernichtender Blick in ihre Richtung sollte hoffentlich genügen. ,,Sie übertreibt. Es waren nur die Reste von gestern."
Ich räusperte mich und mied seinen Blick. Falls Marcel mein seltsames Verhalten registrierte, ließ er sich nichts anmerken.

Er nahm ein Stück Baguette vom Tisch. ,,Klaus und ich werden ein bisschen Unruhe im Hexenviertel stiften. Sehen wir uns später?"

Ich brachte nur ein Nicken zustande, dann verschwand Marcel wieder. Ich wartete, bis er gewiss außer Hörweite war. ,,Die letzten zehn Minuten haben nicht existiert", warnte ich Eliza.

Sie verdrehte die Augen. ,,Als ob er dich nicht gehört hätte... Du warst recht laut."
Ein Kochlöffel flog nach ihr. Eliza wich aus und schlenderte betont langsam an mir vorbei. ,,Mach dir keine Sorgen, Beki. Ich brauche Marcel nicht in dein schmutziges Geheimnis einweihen. Früher oder später wirst du das selbst tun."

,,Wie wärs mit 'nie'?", schlug ich vor. ,,Es war ein Fehler. Diese zehn Minuten werden nicht über meine Zukunft entscheiden."

,,Zehn Minuten sind mehr als genug, um deine Zukunft anzuzweifeln, Liebes", sagte Eliza. ,,Außerdem ist Liebe niemals ein Fehler."


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