44 ⚜ Auf der Suche

REBEKAH

Die Suche nach einem neuen Vampirjäger stellte sich als mühsam und kräftezehrend heraus. Tagelang ritten wir durch die schöne Landschaft Italiens und die Reise nahm kein Ende. Elizas Angewohnheit sich töten zu wollen half auch nicht. Ich schlief nicht eine einzige Sekunde, weil man die rothaarige Häretikerin nicht aus den Augen lassen durfte. Sie ließ wirklich nichts aus. Sie versuchte sich zu pfählen, riss sich den Ring vom Finger oder ihre Kräfte spielten verrückt. Hinzu kam der Gedanke, dass mein Bruder etwas ähnliches durchmachte. Da er nicht sterben konnte und es vielleicht ein bisschen verdiente, machte ich mir um ihn aber weniger Sorgen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit führte uns das Buch in eine kleine italienische Stadt, in der wir hoffentlich fündig wurden.

Unser Weg endete in einer kleinen Kneipe, die ich skeptisch von außen musterte. Ich wollte nicht voreilig verurteilen, aber hier sah es mehr nach betrunkenen Proleten, als einem Vampirjäger aus. Mein erster Eindruck täuschte mich nicht. Kaum betraten wir den stickigen Raum, wehte ein unangenehmer Alkoholgeruch zu uns hinüber. Die meisten Besucher waren männlich. Lallend sprachen sie miteinander oder stimmten ein gemeinsames Lied an.

Unsere Ankunft erregte sofortiges Aufsehen. Wir kamen kaum einen Schritt voran, ohne dass einer die Hand nach mir ausstreckte oder mir hinterherpfiff. Vielleicht lag es an der mangelnden Frauenquote hier drin, aber mich widerte es an. Vor allem das: ,,Hey Süße!" eines bärtigen Mannes Mitte vierzig half mir in meiner Entscheidung, an wem ich gleich meinen Hunger stillte. Seit Tagen spielte ich Babysitter für Eliza und nahm keinen Tropfen Blut zu mir. Ich fühlte mich ausgehungert

,,Du findest raus, wo unser Vampirjäger ist und ich kümmer mich um den Vampir", verteilte ich die Aufgaben.

Eliza nickte grinsend und stand auf einen der Tische, während ich mich neben den Mann setzte, der offenbar dachte ich sei ehrlich an ihm interessiert.

Eliza klopfte mehrmals in die Hände und verschaffte sich mit Geschrei Ruhe. Die Kneipenbesucher verstummten in weniger als einer Sekunde. ,,Heute Nacht wird einer von euch eine wichtige Aufgabe erfüllen", verkündete Eliza feierlich. ,,Wer von euch glaubt an Vampire?"

Eine unruhiges Raunen entstand in der Kneipe. Tuschelnd unterhielten sich die Männer miteinander und überlegten wahrscheinlich, ob sie schon zu tief ins Glas schauten.

Nur wenige zaghafte Hände erhoben sich, aber die meisten blieben stumm. Der schnellste Weg einen Vampirjäger zu finden war denjenigen zu entlarven, der das unbemerkte Verlangen verspürte, unsere Spezies zu töten.

Da die meisten keine Reaktion zeigten, grinste Eliza breiter. ,,Meine hübsche Freundin wird gleich einen von euch in einen Vampir verwandeln. Keine Sorge, das geht rasend schnell..."

Nun sah der bärtige Mann mich nicht mehr begehrend, sondern eher unsicher an. Ich genoss Elizas kleine Show, aber nun kam mein Einsatz. Ich packte den Mann neben mir am Kragen und zerrte ihn so mittig, dass jeder das kleine Schauspiel sehen konnte.

Einen Moment lang schloss ich die Augen. Als ich sie wieder öffnete, färbten sie sich pechschwarz. ,,Wa... Was bist du für ein Monster?", fragte der Mann stotternd und wollte einen Schritt zurückweichen. Das schaffte er nicht mehr, weil ich ihn am Arm packte. ,,Das Schlimmste von allen."
Beim Sprechen präsentierte ich den Kneipenbesuchern meine scharfen Zähne. Unruhe entstand im Raum.

Es gab nichts gefährlicheres als eine Frau, deren Herz gebrochen war. Alexander brach es gleich zweimal. Das erste Mal passierte mit seinem Verrat, das zweite Mal weil er selbst im Tod meine Eliza terrorisierte und sie in den Wahnsinn trieb. Es musste aufhören.

Meine Zähne bohrten sich in den Hals des Mannes, den ich als mein Opfer wählte. Gegen einen Urvampir blieb er natürlich chancenlos, obwohl er versuchte versuchte zu wehren und einen lauten schrei von von gab. In der Zwischenzeit vollführt Eliza einen Zauber. Kurz bevor ich ihn tötete, verabreichte ich ihm mein Blut. So stillte ich meinen Hunger und verwandelte ihn.

Die Menschenmasse brach in pure Panik aus. Ein paar stürzten zur Eingangstür oder versuchten durchs Fenster abzuhauen. Wir verloren die Kontrolle, wenn nicht bald etwas passierte. Da fiel mir etwas ein. Einen Vorteil musste es doch haben, die mächtigste Vampirin der Welt zu sein oder?.

Konzentriert atmete ich mehrmals tief durch. ,,STEHENBLEIBEN!", brüllte ich durch den kleinen, engen Raum. Durch das geöffnete Fenster strömte frische Luft in das stickige Zimmer.
Meine Manipulation funktionierte, aber sie zehrte sehr an meinen Kräften. So viele Menschen auf einmal hielt man nicht lange unter Kontrolle.

Mein Blick blieb an der rothaarigen Eliza hängen. Sie saß über das Hexenbuch gebeugt am Tisch und murmelte konzentriert ein paar Worte. Endlich sprang sie auf, nahm einen Stuhl in die Hand und hielt einen Pfahl hoch.

Ich hatte keinen blassen Schimmer, was das werden sollte. Verwirrt sah ich sie an, wagte es aber nicht zu sprechen, solange meine Manipulation noch wirkte. In diesem Moment riss sich der erste los. Ein junger Mann Mitte zwanzig setzte sich in Bewegung. Er sah mager aus, sein schütteres blondes Haar hing ihm in die Stirn und im Gegensatz zu vielen anderen wirkte er relativ nüchtern.

Aber er griff nach dem Pfahl in Elizas Hand, als ob es seine Bestimmung wäre. Offensichtlich hatte der Zauber unseren Nachfolger für Alexander entlarvt.

Warte...

Ich bemerkte Elizas beinah hypnotisierten Blick eine Sekunde zu spät. Sie breitete die Arme aus und sah zur Decke. Der blonde Junge, der bestimmt noch nie eine echte Waffe in der Hand hielt, hob seinen Arm mit dem Pfahl.

,,Eliza!"
Verdammt, sie schwebte in echter Lebensgefahr. Sicher redete mein Exverlobter wieder auf sie ein!

Ohne auf Verluste zu achten, schubste ich die vielen Kneipenbesucher zur Seite. Fast wie in Zeitlupe sah ich dabei zu, wie der Pfahl auf sie herabsauste. Meine Manipulation löste sich. Die Menschen drängten nach draußen, ich wollte in die entgegengesetzte Richtung.

Mein Herz klopfte vor Angst rasend schnell. In Vampirgeschwindigkeit schob ich mich vor Eliza und spürte stattdessen, wie der Pfahl sich in mein Herz bohrte.

Alle meine Tode blieben kurzweilig, weil ich als Urvampir nicht sterben konnte. Das war mein persönlicher Fluch. Diesmal empfing mich nicht reine Dunkelheit. Strahlendes Sonnenlicht blendete meine empfindlichen Augen. Unter meinen nackten Füßen fühlte ich das weiche Gras und in der Nähe surrten Insekten um die schönen blühenden Blumen. Neben dem Gras sog ich den salzigen Geruch des Meeres ein und hörte ein leises Rauschen im Hintergrund, das wie Wellen klang, die am Strand zerbrachen. Ich liebte Italien für seine wunderschöne Landschaft.

,,Rebekah..."
Aus seinem Munde klang mein Name wie eine wunderschöne Melodie, aber diesmal erwärmte es nicht mein Herz.

Ich entdeckte Alexander nur wenige Meter vor mir. Er trug ein weißes Baumwollhemd und der Wind wirbelte durch sein langes Haar.

Kaum verhakten sich unsere Blicke ineinander, sah ich zur Seite.

,,Ein anderer Vampirjäger hat meinen Platz eingenommen, also lasse ich deine Freundin in Ruhe und will meinen Frieden. Ich habe deinen Tod genutzt, um ein letztes Mal mit dir zu sprechen. Eine Hexe hat es mir ermöglicht"

Ich fragte nicht nach, welche Hexe. Als erstes kam mir meine Mutter in den Sinn, jedoch tat es nichts zur Sache. ,,Verschwinde aus meinem Leben", kam meine knappe Antwort.

,,Lass es mich erklären. Ein Vampirjäger zu sein ist etwas übernatürliches, ein Fluch. Wir haben uns beide nicht ausgesucht, was wir sind", sagte er.

,,Ja, aber zwischen uns gibt es einen entscheidenden Unterschied. Mir ist es egal gewesen, was du bist. Für mich war Liebe wichtiger als ein Fluch, der uns definieren soll. Du hast mir etwas vorgespielt, von Hochzeit geredet und mir falsche Versprechungen gegeben. Du hast mich verletzt."
Ich strich mir eine widerspenstige blonde Strähne aus dem Gesicht und redete mir ein, nicht in Tränen auszubrechen. Dieser Mann verdiente keine meiner Tränen.

,,Deshalb bist du in vielerlei Hinsicht besser als ich. Ich wollte dich heiraten, weil du stark bist und weil du deine Unsterblichkeit aufgeben wolltest. Letztendlich musste ich meine Pflicht erfüllen. Wir waren überzeugt davon, die Vampire auszulöschen, wenn wir die Urvampire ausschalten. Rebekah, bitte lass uns im Guten auseinander gehen."

Nach all seinen Taten erwartete er, dass ich ihm verzieh? Wozu? Dass er sein Leben nach dem Tod ohne Schuldgefühle verbringen konnte? Das verdiente er auch nicht.
Entschlossen schüttelte ich meinen Kopf. ,,Du kannst jeden verdammten Tag deines Todes darüber nachdenken, was du mir angetan hast. Merk dir, dass du auch ein Monster bist, genau wie ich. Und wenn mein ewiges Leben eines Tages doch endet, werde ich dir deinen Tod zur Hölle machen."

,,Das alles nur, weil ich dich erdolcht habe?"

Ich schüttelte den Kopf. Darum ging es schon lange nicht mehr. ,,Nein. Du wolltest Eliza töten. Vergreif dich an meiner besten Freundin und ich zeige dir das schlimmste Monster, das in mir steckt."

Als ich Eliza verteidigte, fiel mir etwas entscheidendes aus. Etwas, das sich die ganze Zeit direkt vor meinen Augen befunden hatte. Verrückterweise brauchte ich meinen kurzweiligen Tod, um zu begreifen, wer in meinem Leben am meisten für mich tat. Vielleicht sollte ich mein Herz endlich an jemanden verschenken, der es verdiente.


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