36 ⚜ Herzenswünsche

Italien, Toskana 1114
Rebekah

Elizas Anwesenheit warf mich komplett aus der Fassung. Sie sah aus wie damals in Mystic Falls. Immer noch dieselben roten Haare, derselbe entschlossene Blick und dieselbe anziehende Ausstrahlung. Selbst der vorwurfsvolle Ton mit dem sie mich sofort beschimpfte erinnerte mich an früher.

Ich wollte sie fragen, wie sie mich mitten in der Toskana fand. Ich wollte ihr Fragen zu Mystic Falls und Nathaniel stellen, zu ihrem unsterblichen Leben, aber nichts kam mir über die Lippen. Ich brachte es nicht einmal zustande, sie zu umarmen und die ewige Freundschaft zu schwören. Bestimmt war Eliza immer noch sauer, dass ich das ruinierte.

,,Alexander ist..."

,,Ein Vampirjäger", vervollständigte sie meinen stockenden Satz. Ihre Stimme klang, als würde sie sich gerade mit einem Kleinkind unterhalten. ,,Und jetzt sag mir doch mal was du bist."

Ein Vampir.
Ich schwieg.

Ich wusste selbst, dass ich ein Vampir bin. ,,Schön, dass du tausende Meilen reist, um mich darauf hinzuweisen. Danke."

,,Beki... Du wolltest mich damals loswerden, also schieb das nicht auf mich. Erklär mir lieber, was in deinem Kopf vorgeht", verlangte Eliza fassungslos und schloss mich nun doch in ihre Arme. Elizas Umarmung fühlte sich noch etwas steif an, aber ich erwiderte sie. Wir wussten beide nicht, wie wir uns am besten verhielten. Dennoch waren wir uns einig, dass wir uns vermissten. Ständig fühlte es sich an, als ob ein Teil von mir fehlte. Jetzt schien es wieder vollständig zu sein.

,,Ich liebe ihn", antwortete ich schlicht. Zugegeben verliebte ich mich ständig. Zuerst war ich in Eliza verknallt gewesen, was mir aber erst hinterher bewusst wurde. Dann war es der Berater des Königs gewesen, ein Adliger am Hofe, ein Geschäftsmann, der gutaussehende Mann aus der Bar und noch eine weitere lange Liste. Aber bei Alexander war ich mir zum ersten Mal sicher, dass es über eine Verliebtheit hinausging.

Eliza sah das anders. Sie starrte mich entgeistert an und schüttelte den Kopf. ,,Nur weil er gut im Bett ist, ist es noch keine Liebe, Beki. Du verwechselst das zu oft."

Das tat ich nicht. ,,Und du gehst nur mit anderen Leuten ins Bett, damit du mich vergisst", platzte es aus mir raus. Das alles war lediglich eine Vermutung, aber Elizas Blick bestätigte sie. Ups. Das musste wehgetan haben.

In diesem Moment passierte das wohl schlimmste, was hätte passieren können. Alexander unterbrach unser Gespräch, weil er zu uns kam und besitzergreifend einen Arm um mich legte. Ausgerechnet vor Eliza kam er auf die Idee mich zu küssen, was ich kurz erwiderte und dann hielt er ihr freundlich eine Hand entgegen.

Eliza ignorierte die Hand genauso "freundlich".

,,Willst du mir deine Freundin nicht vorstellen?", fragte Alexander und begutachtet sie mit durchdringendem Blick. Bei allen anderen fand ich es einfach, Alexander alle vorzustellen. Eliza bildete die große Ausnahme.

,,Das ist Eliza. Sie war meine beste Freundin als wir Kinder waren, aber wir haben uns aus den Augen verloren. Es ist ein verrückter Zufall sie wiederzusehen", stellte ich die erste Häretikerin vor. ,,Eliza, das ist..."

Alexander schnitt mir die Worte ab, die mir auf der Zunge lagen. Diesmal nahm er ungefragt Elizas Hand und küsste ihren Handrücken. ,,Alexander, sehr erfreut. Ich bin einer von fünf Vampirjägern, die dazu bestimmt wurden, unsere Welt vor diesen Monstern zu befreien. Zudem habe ich um die Hand Ihrer reizenden Freudin angehalten. Sie sind selbstverständlich herzlich zur Hochzeit eingeladen."

Eliza sah aus, als wolle sie sich gleich übergeben. Schnell wischte sie ihre Hand an ihrem Kleid ab sobald Alexander wegschaute und erntete dabei einen strengen Blick von mir. Eliza ignorierte mich gekonnt. Niemals kam sie freiwillig zu unserer Hochzeit.

,,Alexander? Würdest du mit Niklaus und Elijah vorausgehen? Ich muss schauen ob das Kleid endlich fertig ist und du darfst es nicht vorher sehen "
Glücklicherweise glaubte er mir das. Er küsste mich noch ein letztes Mal und suchte meine Brüder.

,,Was ist das denn für ein arroganter, angeberischer Schleimer?", fragte Eliza und starrte wenn nur möglich noch fassungsloser sobald Alexander verschwand. Ihr lagen noch weitere jugendfreie Wörter auf den Lippen, aber sie hielt sich meinetwegen zurück. Ich konnte sie trotzdem bestens einschätzen und Eliza konnte Alexander eindeutig nicht leiden. Großartig

,,Kannst du dich nicht einfach für mich freuen und ihm eine Chance geben?"
Genervt verdrehte ich die Augen.

Eliza verschränkte die Arme vor der Brust. Nun liefen wir nebeneinander durch die Gassen. Die Häuser verbesserten sich seit unserem Jahrhundert. In Italien baute man sie aus weißen Steinen, was sehr edel und einladend wirkte. Ich genoss das Land und die Sonne sehr. ,,Einem Vampirjäger? Vergiss es, denn er wird niemals akzeptieren was du bist. Hast du nicht gesehen wie er diesen anderen Vampir ermordet hat? Er hasst unsere Spezies. Wahrscheinlich weiß er schon, was du bist und sucht nur nach einem Weg dich zu ermorden. Wieso hilfst du ihm überhaupt Vampire zu töten?"

Nein, das glaubte ich nicht. Ich vertrat die feste Überzeugung, dass Alexander mich akzeptierte und mich liebte. Aus Liebe überwand er diesen unsinnigen Vampirhass und wenn ich erst das Heilmittel fand...

Dieses Detail blendete ich völlig aus und vergaß es zu erwähnen. Eliza würde begeistert sein. Aufgeregt hüpfte ich vor sie und griff nach ihren beiden Händen. Eliza öffnete überrascht ihre Augen und blinzelte verwirrt. ,,Hast du gesehen, wie sich Alexanders Tattoo vergrößert hat?"

,,Du meinst, als du ihm den Pfahl gegeben hast, sodass er unsere Art weiter abschlachten kann? Ist mir nicht entgangen", antwortete sie bitter.

Wieder ein Augenrollen meinerseits. ,,Wenn dieses Tattoo vollständig ist, wird Alexander sich auf die Suche nach einem Mittel machen, dass den Vampirismus auslöschen kann", fuhr ich begeistert fort.

Dafür erntete ich einen ernsthaft besorgten Blick meiner besten Freundin. ,,Glückwunsch. Und nachdem er dich damit vernichtet hast, kannst du tot mit den Einhörnern in den Sonnenuntergang reiten", kam ihre sarkastische Antwort in einer viel zu hohen Stimmlage. Dann wurde ihr Blick wieder ernster. ,,Sag mal Bekah... hast du eigentlich noch alle Tassen im Schrank?"

Im Nachhinein bemerkte ich die falsche Formulierung. Ich wünschte mir nur, dass Eliza endlich besser zuhören und mich ausreden ließ. ,,Versteh doch. Alexander kann uns alle zu einem Heilmittel bringen. Wir können es nehmen und wieder Menschen werden. Dann können wir endlich unser normales Leben weiterleben, Kinder haben, eine eigene Familie und keiner sieht uns mehr als Monster an."
Als ich es aussprach merkte ich, wie sehr ich es mir herbeisehnte. Ich war der perfekte Vampir, aber ein Teil von mir blieb unglücklich. Es war derselbe Teil, der sich zu Alexanders Liebe hingezogen fühlte. Zu seinen Versprechen, seiner Aufmerksamkeit und zugegeben auch seinem Körper. Ich träumte von dieser irrsinnigen Hochzeit in einer wunderschönen italienischen Kirche. Seit ganzen drei Wochen suchte ich nach dem perfekten Kleid und dieses Heilmittel würde meinen Traum entgültig wahr machen.

Leider wirkte Eliza nicht ganz so begeistert, wie ich erwartete. Ich rechnete damit, dass sie mir begeistert um den Hals fiel und mich anflehte sie auf die Reise mitzunehmen. Eliza sollte jetzt eigentlich erleichtert auflachen und sich freuen, dass wir alle ein normales Leben zurückbekamen, aus dem Mutter uns damals riss.

Stattdessen sah Eliza völlig perplex aus. ,,Du willst wieder ein Mensch werden? Du bist die mächtigste Frau der Welt, Rebekah", erinnerte sie mich und schüttelte meine Hand ab.

,,Ja", antwortete ich knapp, aber weniger begeistert. Meine Stimme klang ruhiger. ,,Ich will wieder ein Mensch sein, ich will ein Zuhause haben und eine eigene Familie."

Ich erinnerte mich an Nathaniel Baileys Worte, die mir vorwerfen meine Macht nicht zu verdienen. In Wirklichkeit verdiente keiner solche Macht. Es war unnatürlich und das Chaos welche sie auslöste sah man an mir gut.

,,Was willst du denn mit schreienden Kindern, wenn du ein Leben voller... oh..."
Nun ratterte etwas in Elizas Kopf. Man sah ihr deutlich an, wie ihr ein Licht aufging. ,,Deshalb hast du mich damals in Mystic Falls abgewiesen. Du wolltest lieber einen Mann, damit du ein paar nervige Kinder haben kannst. Selbst wenn dieser Mann ein brutaler Vampirjäger wie Alexander ist."
Eliza trat einen Schritt an mich heran. ,,Es wird Zeit aufzuwachen, Rebekah Mikaelson. Du wirst für immer bleiben was du bist und du kannst nunmal keine Kinder bekommen. Deine Unsterblichkeit zu nehmen wird auch nicht deine Persönlichkeit ändern oder Mikael wegzaubern. Es wird dich nur wieder zu einem schwachen Mädchen machen, das ihre Hexenkraft nicht unter Kontrolle hat."

Ich hielt den Atem an, als Eliza so dicht an mir stand. Das ließ ihre Worte noch viel eindrucksvoller wirken. Sie brannten sich hartnäckig in meinen Kopf. Leider war Eliza noch nicht fertig. ,,Du hast getötet, du hast dir Feinde auf der ganzen Welt gemacht, du hast andere ausgenutzt und verwandelt. Und jetzt hältst du dich an der armseligen Hoffnung fest, dass dein Versagerehemann deine Monsterseite akzeptiert, dich in einen Menschen zurückverwandelt und eine Familie mit dir gründet. Hörst du dir eigentlich selbst zu?"

Ich schluckte schwer und unterdrückte die aufsteigenden Tränen. Alles davon ging mir selbst durch den Kopf, aber es wurde überschattet von dieser wundervollen Traumvorstellung.

Eliza ging wieder einen Schritt rückwärts. ,,Ich würde niemals meine Unsterblichkeit gegen mein altes Ich eintauschen. Niemals. Leb deine Lüge ruhig zuende, aber komm auf keinen Fall heulend bei mir angelaufen, wenn alles um dich herum einstürzt. Sei es wegen deinem wundervollen Alexander oder deiner menschlichen Schwäche."

Mit diesen Worten drehte sie sich um, aber ich griff nach Elizas Arm. ,,Wenigstens lebe ich mein Leben weiter, aber du bist nur hergekommen, weil du gerne an Alexanders Stelle stehen willst. Du willst diejenige sein, die ich liebe. Nach einhundert Jahren kannst du es immer noch nicht ruhen lassen und machst hier deshalb so einen Aufstand."

Ich ließ ihre Hand los. ,,Ich bin nicht diejenige, die eine Lüge lebt, Eliza. Du bist es."

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